Читать книгу Die Rückkehr der Dämonen, Teil 4 (Theben, Ägypten, 1528 v. Chr.) - Andreas Parsberg - Страница 3
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ОглавлениеDie Totengöttin Hel hatte Schedu in den Limbus befohlen, um ihm einen wichtigen Auftrag zu erteilen. Der kleine Dämon war froh, als er den Befehl erfolgreich ausgeführt hatte und zurück zum Waverly Hills Sanatorium durfte. Er vermisste seine Freunde Ellen und Kate.
Auf dem Weg zurück ins Zwischenreich hatte sich für ihn etwas Ungewöhnliches ereignet: Alexandra, die Tochter der Katzengöttin Bastet, nahm heimlich mit ihm Kontakt auf und bat im Namen von Henri um seine Hilfe. Er hatte geduldig zugehört, denn er mochte Henri, der ihn aus seiner Jahrhunderte dauernden Verbannung befreit hatte. Schedu war ein untypischer Dämon, denn er empfand Dankbarkeit und Ehre. Außerdem würde er mit Sicherheit die Freundschaft von Ellen und Kate verlieren, wenn er Henri nicht half.
Also hatte Schedu zugestimmt! Genau hier lag das Problem für ihn. Wie konnte er der Totengöttin Hel entkommen?
Der kleine Dämon packte das schwarze Schwert und hetzte über die weit geschwungene Felsenbrücke. In der Tiefe brodelte rotglühende Lava. Violette Flammenzungen leckten gierig hoch und fielen wieder in sich zusammen. Es blubberte und gurgelte. Wie hauchzarte Nebelschleier wallten giftgrüne Dämpfe empor.
Für all das hatte Schedu, der koboldartige Dämon, keinen Blick übrig. Er war seinem Ziel so nahe: dem Ausgang aus dem finsteren Reich der Totengöttin Hel. Sollte er auf seiner Flucht gefangen werden, drohte ihm die Dämonenfolter mit anschließender Vernichtung.
Hel, die Totengöttin, war niemals bereit zu verzeihen! Sie ließ niemanden freiwillig aus ihrem Reich entkommen.
Schedu erreichte die andere Seite der geschwungenen Felsenbrücke. Weitere Gänge, in denen ebenfalls grünliche Dampfschleier hingen, öffneten sich vor ihm. Mit kraftvollen Sätzen jagte er weiter.
Ein kreischender Triumphschrei erklang hinter ihm!
Wie von einem Blitz getroffen, fuhr der kleine Dämon herum und riss sein schwarzes Schwert hoch.
Die Totengöttin Hel war keine zehn Meter von ihm entfernt! Sie funkelte ihn zornig an und hob ihre Arme. Durch diese Bewegung wirbelte sie schwefelartige Dämpfe auf.
Sie blickte auf den kleinen Schedu und stieß ein wildes Gelächter aus. Mit einer gleitenden, blitzartigen Bewegung zog sie ein goldenes Krummschwert und schwang es über dem Kopf. Sie trug einen goldverzierten Helm und ein glänzendes Kettenhemd. Ihr roter Umhang flatterte im Wind. Die großen hasserfüllten Augen blickten Schedu stechend und bösartig an.
Der Dämon erwartete den Angriff der mächtigen Totenwächterin. Er war in seinen Handlungen eiskalt. Angst im menschlichen Sinne war ihm fremd. Schedu war ein Dämon, daher liefen Gefühlsregungen bei ihm auf einer gänzlich anderen Ebene ab, als bei Menschen.
Die Totengöttin wollte ihn überrennen, im ersten Angriff kampfunfähig machen. Sie wollte ihn nicht töten, dafür liebte sie es zu sehr, ihre Opfer zu quälen. Die ewige Dämonenfolter war schlimmer als der Tod.
Sie versuchte erst gar nicht, ihn mit Worten zum Aufgeben zu bewegen. Der kleine Dämon hatte mit der Felsenbrücke die Grenze bereits überschritten.
Schedu konnte nur reagieren. Sein kleiner, koboldartiger Körper spannte sich an. Das schwarze Schwert war leicht erhoben. Und dann war die Totengöttin heran und schlug zu. Die Klinge des Krummschwerts sauste durch die Luft. In diesem Schwertstreich lag eine gewaltige Kraft.
Der kleine Dämon parierte, lenkte den Schlag ab, die Klingen kratzten aneinander entlang. Schedu wurde durch den Aufprall zurückgeworfen. Er taumelte, seine Hand, sein Arm bis hinauf zur Schulter, schien plötzlich zu versteinern.
Aber er hatte den ersten Angriff lebend überstanden. Hätte der Hieb der Totengöttin voll getroffen, wäre er in zwei Hälften gespalten worden.
Schedu sprang auf, drehte sich um und rannte auf die labyrinthartigen Gänge zu, die nur wenige Meter entfernt mündeten.
Die Totengöttin folgte ihm dichtauf.
„Lauf nur, du Ratte! Du wirst mir den Grund deiner Flucht unter der Folter noch sagen. Jeder redet unter meinen Händen!“
In letzter Sekunde warf sich der Dämon wieder herum. Die Totengöttin griff erneut an. Dichte Schwefeldämpfe umhüllten ihren Körper. Sie rammte das Schwert, wie das Zustoßen einer Kobra, nach vorne.
Diesmal wich Schedu aus und ließ den Schwerthieb ins Leere gehen. Der kleine Dämon handelte kaltblütig. Seine rechte Hand ruckte hoch, die schwarze Klinge flirrte durch die Luft. Mit einem hässlichen Laut durchschlug sie das Kettenhemd und schleuderte die Totengöttin einige Schritte zurück. Sie rappelte sich hoch, stützte sich auf den rechten Ellenbogen, starrte dem fliehenden Dämon hinterher.
Schedu hatte den Augenblick genutzt und war durch einen seitlichen Gang geflohen. Hatte er die Göttin wirklich verletzt? Er hasste Hel, die bösartige Wächterin der Totenhalle, die ihn seit Ewigkeiten in ihrem Reich festgehalten hatte.
Schedu verzog angewidert das Gesicht. Er wusste, wie mächtig die Totengöttin war. Aber für ihn gab es jetzt kein Zurück mehr. Er hatte sich entschieden, Henri in Theben zu helfen, also musste er den begonnenen Weg gehen.
Schedu machte sich aber nichts vor. So schnell er jetzt auch durch die Gänge rannte, noch war er nicht aus dem Reich der Totengöttin entkommen. Er musste durch den magischen Dimensionsschacht, eine Art Aufzug in Form von Kristallsteinen. Dies war der einzige Weg, das Totenreich zu verlassen. Alexandra, die Tochter der Bastet, hatte ihm versprochen, die richtige Jahreszahl für seine Zeitreise einzustellen.
Der koboldartige Dämon biss die Zähne zusammen. Über sein Gesicht huschten schwarze Schatten, ein äußeres Zeichen seiner Erregung. Er rannte weiter durch die engen Gänge. Ein fernes, unwirkliches, milchiges Licht lag voraus.
Als er um die nächste Biegung sprang, wurde er von einem violetten Nebel eingehüllt. Eisige Kälte ersetzte die glühende Hitze. Überall hallten Klänge, hell wie zerberstendes Glas. Der felsige Boden war von breiten Rissen durchzogen, aus denen grüne Dämpfe stiegen. Vereinzelt waren Pfützen aus schleimigen Flüssigkeiten zu sehen, deren Oberfläche wie Glas schimmerte. Wie Schlangen wanden sich die grünlichen Dämpfe hoch, schienen nach seinen kurzen Beinen zu greifen, um ihn herunterziehen zu wollen.
Und dann tauchte der Dimensionsschacht auf!
Eine rote wabernde Fläche, die sich wie ein Spiegel über die gesamte Breite und Höhe des Ganges spannte. Der kleine Dämon rannte noch schneller, nachdem er sein Ziel erkannt hatte.
Dann erreichte er das grelle rote Licht. Schützend riss er die Hände vors Gesicht und sprang in die erste Kristallkugel. Der runde Stein hüllte ihn mit einem roten Nebel ein und begann, sich schwebend nach oben zu bewegen. Es brauste und toste ringsum. Ein Höllensturm brach los, vereinte sich mit dem zuckenden Rot. Schedu musste sich die Ohren zuhalten, so laut war der Lärm.
Der kugelförmige Kristall raste durch das Nichts und zog einen grellen Kometenschweif hinter sich her. Der schlierige graue Nebel waberte und brodelte. Schwarze Schatten ballten sich zusammen und dehnten sich aus. Dumpfes Grollen wehte aus unvorstellbaren Fernen herbei.
Ein blutroter Schemen jagte durch die Unendlichkeit seinem neuen Ziel entgegen, schneller als das Licht, schneller als jeder Gedanke.
Schedu hoffte, dass Alexandra die richtigen Einstellungen vorgenommen hatte.
Plötzlich kam der Aufprall!
Wie von einem Blitzschlag gefällt, kippte der Dämon vornüber. Sein Körper zuckte und erzitterte. Der rote Kristall rollte über den heißen Sand der Sahara und blieb am östlichen Nilufer liegen. Mit einem lauten Knall zerbrach der Kristall und ließ Schedu auf einen harten Untergrund purzeln. Er überschlug sich mehrmals, bis er von einer Felswand gestoppt wurde. Sein Gesicht war angespannt, die Augen geschlossen, die Atemzüge tief und unregelmäßig. Er öffnete seinen Mund und stieß würgende Geräusche aus. Sein Hals pulsierte, der Körper zuckte, bäumte sich auf und verkrampfte sich. Die Atemzüge verstummten, setzten wenig später wieder röchelnd ein.
Dann erbrach sich Schedu!
Er würgte seinen gesamten Mageninhalt auf den felsigen Boden. Wenig später richtete er sich zitternd auf. Er stieß eine Verwünschung aus und schimpfte innerlich über die unruhige Reise. Sein hageres Gesicht verzerrte sich.
Dann schüttelte er die letzten Reste der Schwäche ab, stand auf, stolperte vorwärts und fluchte erneut.
Plötzlich herrschte Ruhe und Frieden, auch in dem kleinen Dämon! Er betrachtete seine Umwelt und wusste, er war angekommen.
Direkt vor ihm befanden sich die Tempelanlagen von Karnak. Er konnte die Pylone zum Tempel des Amun-Re erkennen. Die Tempelanlage bestand aus drei von Mauern umgebenen Bereichen, dem Bezirk des Amun, dem Bezirk des Month und dem Bezirk des Apophis. Jeder dieser Bereiche wurde von einem Hohepriester geführt.
Der Hohepriester des Amun-Re war Djehuti, der Hohepriester des Apophis war Chandranath. Nefertari, Halbschwester von Pharao Ahmose, war die Hohepriesterin des Month.
Die drei schlimmsten Feinde von Henri waren vereint in den Tempelanlagen von Karnak.
Schedu wendete seinen Kopf, blickte über den sanft fließenden Nil, sah vereinzelte Boote und betrachtete dann die mächtige Königsstadt Theben, mit der gewaltigen Palastanlage des Pharao, die sich auf dem westlichen Nilufer ausbreitete.
Schedu war im Jahr 1528 v. Chr. gelandet.
Nun musste er nur noch Henri finden.
War sein künftiger Gefährte bereits angekommen?
Plötzlich hörte er Stimmen und Schritte hinter sich. Erschrocken drehte er sich um und erkannte, dass er von mindestens einem Dutzend Soldaten umringt war. Die Männer trugen lange Speere und keulenartige Knüppel.
„Verhaftet die Missgeburt!“, schrie ein Mann mit der dominanten Stimme eines Anführers. „Solche Kreaturen gehören eingesperrt!“
Schedu wollte blitzartig wegrennen. Als er den ersten Schritt machte, krachte ein Knüppel auf seinen Kopf.
Augenblicklich verlor er das Bewusstsein!