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1. KAPITEL

GESPRÄCHE IM KOPFBAHNHOF

„Moin, da bist du ja wieder‟, lachte der alte Mann.

Ich drehte mich um und sah ihn lächelnd auf mich zukommen.

Er schien wie immer gut gelaunt.

Seine weißen Zähne bleckten aus seinem braungebrannten Gesicht.

Der Bart sah ein wenig zerzaust aus, wild wie eh und je.

Ich hatte ihn vor ein paar Tagen, hier am Cuxhavener Bahnhof kennen gelernt und seitdem fuhren wir morgens zusammen.

„Natürlich‟ erwiderte ich, „es ist ja gleich 8 Uhr.‟

Er zog seine Kopfhörer von den Ohren und ich sah ihn neugierig an, „na was hast du heute auf den Ohren?‟

„Hollowbelly‟, erwiderte er, „der Mann ist eine Punkblues Legende aus England.

Ich habe viele Konzerte für ihn hier in Deutschland organisiert.

Tatsächlich habe ich damals auch seine ersten Deutschlandkonzerte überhaupt organisiert.

Im Laufe der Jahre sind wir echte Freunde geworden.

Er ist sogar schon mal hier in Cuxhaven aufgetreten.

Das war in der Gnadenkirche im Süderwisch, das war richtig großartig.‟

„Ich erinnere mich, davon in der CN gelesen zu haben, war das nicht in Verbindung mit so einem Workshop für so komische Zigarrenkistengitarren?‟

„Genau das‟, sagte er grinsend.

„Allerdings sind die CBGs, wie man diese Gitarren auch nennt nicht komisch, sondern vollwertige Instrumente.‟

„Das weiß ich doch,‟ erwiderte ich, „ich kenne da einen Typen in Odisheim, der baute diese CBGs.‟

„Ach du meinst Andreas Dock?

Ja, der baut in der Tat sogar extrem gute CBGs.‟

Ich erwiderte: „Aber genug von Musik: Wie geht es dir?‟ „Danke‟, sagte der alte Mann, „mir geht es großartig, wie könnte es mir denn auch schlecht gehen?‟ fragte er und schaute mich mit seinen kleinen blauen Augen an.

„So jetzt aber schnell, sonst fährt der Zug ohne uns ab.‟

Wir gingen zum Bahnsteig, wo unser Zug schon wartete, gingen hinein und suchten uns, wie immer einen freien Tischplatz, so dass wir uns gegenübersitzen konnten.

„Och naja, es regnet, es ist kalt und windig‟, erwiderte ich.

„Aber was hat denn das Wetter mit meiner Laune zu tun?‟ lachte der alte Mann.

„Lass es mich mit den Worten des großen Karl Valentin sagen:

Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue regnet es auch.‟

„Sehr witzig‟, setzte ich an, aber der alte Mann unterbrach mich sofort, „das ist nicht witzig gemeint, es ist eine der profundesten Sätze, die ich je gelesen habe.

Zeigt er doch das große Dilemma der Menschen auf.

Wir ärgern uns ständig über Dinge, die wir nicht ändern können.

Ja wir merken gar nicht, dass eben dieses sinnlose Ärgern, tatsächlich aber großen Einfluss auf uns nimmt.

Unsere Laune kann dadurch den ganzen Tag getrübt werden, doch das Wetter ändert sich ja deswegen nicht, also warum nicht versuchen, das Positive im Regen zu sehen?

Wir können uns dadurch vielleicht den ganzen Tag in einer deutlich besseren Stimmung befinden

Ich lese gerade ein interessantes Buch zu diesem Thema.

Es heißt Kopfbahnhof und es beschäftigt sich in mehreren Kapiteln um Thesen zur achtsameren Kommunikation, zum Beispiel Alltagsrassismus, oder auch zum Umgang mit den verschiedenen Dingen unserer Zeit.

Das Buch ist wie ein Leitfaden durch unsere gesellschaftliche Kommunikation.‟

Ich unterbrach ihn:

„Aber ein einziges Buch kann sich doch nicht allein mit diesen umfassenden Themen beschäftigen und gleichzeitig ein Leitfaden durch unsere Kommunikation sein!‟

Er sah mich lange an und erwiderte dann: „Du meinst, im Zeitalter der Individualisierung der Menschen, kann doch nun ein Buch nicht für alle gelten?‟

„Ja genau‟, erwiderte ich. „Das ist doch bescheuert zu glauben, dass ein einziges Buch alle Gefühle, Neigungen und Meinungen widerspiegeln kann.‟

Der alte Mann lächelte sanft und sagte:

„Doch, natürlich kann es das.

Allerdings hat dieses Buch gar nicht den Anspruch, als einziges Buch am Markt Sinn zu stiften.

Wenn ein Buch dem systemischen Ansatz folgt, der auch jedem guten Coaching zu Grunde liegt, nämlich wenn es eine Anleitung zur Selbsthilfe ist, dann kann es schon sehr Sinn stiftend sein.

Ein guter Coach erklärt ja auch nicht die Lösungen, sondern er zeigt Wege auf.

Oder er hilft bei der Suche nach „Werkzeugen.‟

Mit denen dann anschließend die Lösungen selber zu finden sind.

Das eigentliche Problem erst damit erstmal freigelegt, also sichtbar gemacht wird.

Genau hier ist nämlich der Ansatz dieses Buches!

Es kann schließlich nicht sein, dass immer noch in Büchern gesagt wird, was ein jeder Mensch nur zu tun hätte, damit er oder sie auch ja glücklich werde.

Es geht nicht darum, etwas zu tun und dann dafür etwas zu bekommen.

Es geht darum, sich selbst besser zu verstehen und somit auch sich besser annehmen zu können.

Statt sich in endlosem Phrasen-Gedresche auszutoben und eine langweilige Aufzählung aller möglichen Glücksübungen zu schreiben, sollte sich der Mensch zunächst einmal um die eigene Wahrheit bemühen.

Wer bin ich denn wirklich und nicht, wer möchte ich sein.

Es geht nämlich gerade nicht darum, PersonalerInnen nach dem Maul zu reden, oder NachbarInnen besser zu gefallen.

Es geht darum zu verstehen, dass dieses Leben keine Generalprobe ist, sondern bereits die Hauptvorstellung.

Da kommt dann nichts mehr.

Also sollten wir versuchen bei uns und im Hier und Jetzt anzukommen.

Natürlich sagt beziehungsweise schreibt sich das leichter als es ist, aber in diesem Buch, werden immer wieder vertiefende Beispiele gebracht und man kann sich langsam mit der Idee vertrauter machen.

Es hilft auch dem eigenen Wertgefühl, sich mal darauf zu konzentrieren, was möglich ist, wenn die Motivation stimmt.

Ein Beispiel, wenn sich nun ein 80-jähriger Mann an der Volkshochschule einschreibt um chinesisch zu lernen, werden Hirnforschende sagen, dies wird nicht gelingen, denn gerade Sprachen lernen wir umso besser, je jünger wir sind.

Dieselben Hirnforschenden sind aber komplett anderer Meinung, wenn wir die Motivation des Mannes verstärken.

Dieser Mann würde die Sprache schon innerhalb weniger Monate, zu mindestens rudimentär beherrschen, wenn er sich in eine Chinesin verliebt und in ein paar Monaten mit ihr nach China ziehen möchte.

Seine Motivation würde einen Powerboost erleben.

Diese Erkenntnis hilft, wenn es um das Erstellen von Strategien geht.‟

„Was für Strategien denn?‟ fragte ich leicht verwundert.

„Das erzähle ich dir morgen, denn da kommt dein Bahnhof, du musst hier raus.‟

Überrascht stellte ich fest, dass er Recht hatte.

Wie so oft bei unseren Gesprächen, vergaß ich alles um mich herum.

Schnell packte ich meinen Rucksack und sprang auf. „Aber das erzählst du mir morgen, okay?

Wir merken uns das Wort Strategien, damit wir morgen wissen, worum es ging.‟

„Alles klar‟, lachte der alte Mann und winkte mir noch flüchtig zu.

An diesem Tag musste ich noch lange über ihn nachdenken.

Was für ein Glück, ihn kennen gelernt zu haben.

Seine Art die Welt zu sehen und allem noch etwas Positives abzugewinnen, begeisterte mich immer wieder.

Gespräche im Kopfbahnhof

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