Читать книгу Flüsterwald - Der verschollene Professor - Andreas Suchanek - Страница 11

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Eine Freitagsüberraschung

Endlich!

Die Woche neigte sich dem Ende zu, was Lukas’ Martyrium beendete. Der Vorfall mit dem Chat hatte dafür gesorgt, dass er Internetverbot erhielt. Zusätzlich war sein Vater plötzlich erpicht darauf, aus Lukas ein Mathematikgenie zu machen. Stundenlang saßen sie gemeinsam im Wohnzimmer über irgendwelchen komplizierten Hausaufgaben, die durch erbarmungslose Übungen erweitert wurden. Durch die Zusatzaufgaben war Lukas abends zum Umfallen müde. Kaum hatte er sein Zimmer betreten, fiel er aufs Bett und schlief ein. Lukas kam sich vor wie in einem Gefängnis. Einem, das von zwei Aufsehern mit Habichtsaugen geleitet wurde.

Glücklicherweise endete seine Tortur mit dem Ende der Woche. Da samstags keine Schule war, würde seine Mutter ihn nicht länger kontrollieren und sein Vater hatte es inzwischen aufgegeben, aus ihm ein Genie zu machen.

»Jetzt kehren wir alle zurück zu unserem inneren Ausgleich«, verkündete Lukas’ Mutter am Abend. »Unser Sohn hat seinen Fehler eingesehen, damit ist alles vergeben und vergessen.«

»Und wird sich nicht wiederholen«, betonte sein Vater mit einem scharfen Blick.

Lukas nickte verbissen. Sohn eines Lehrers zu sein brachte so viel Nachteile mit sich. Bruder einer kleinen Schwester zu sein ebenfalls, wie er die Woche über wieder einmal hatte feststellen dürfen. Immer wieder war das Schwestermonster an ihm vorbeigelaufen und hatte gerufen: »Das Internet ist weg, es kommt bestimmt nie wieder.«

Endlich war das Abendessen zu Ende. Lukas raste in sein Zimmer und knallte die Tür hinter sich ins Schloss.

»In diesem Haus werden keine Türen geknallt«, brüllte sein Vater.

Sicherheitshalber schob Lukas den Riegel vor, der an der Innenseite angebracht war. Vor dem Fenster zog die Dunkelheit herauf und Regentropfen trommelten in einem stetigen Tock, Tock gegen die Fensterscheibe. In Winterstein regnete und stürmte es ständig.

Lukas schlüpfte in seine Turnschuhe, schnappte sich seinen Rucksack und zog das Buch aus dem Regal, das den geheimen Mechanismus auslöste. Lautlos glitt die Tür hervor. Warmes Licht empfing ihn, als er die Treppenstufen immer zwei auf einmal nehmend nach oben sauste.

Das Studierzimmer erwartete ihn, wie er es verlassen hatte. Die Tiegel mit Pulver und Fläschchen mit Flüssigkeit standen auf den Regalen, Bücher lagen aufgeschlagen auf dem Tisch, das Pendel der Standuhr schwang von links nach rechts.

Er schnappte sich die Schale mit dem Flüsterpulver und streute vorsichtig einen Teil auf sein Gesicht. Das blaue Pulver flirrte wie Sternenstaub, als die Magie zu wirken begann. Ein kurzer Blick aus dem Fenster bestätigte Lukas, dass er den Wald in seiner magischen Form erkennen konnte. Obgleich tiefste Nacht war, waberte die schimmernde Schutzsphäre deutlich sichtbar unter dem Sternenhimmel. Zwischen dem Geäst zeichneten sich Schemen ab.

»Wo fange ich an?«

Er hatte beschlossen, wieder einfach in den Wald hineinzulaufen. Irgendwie würde er Rani, Felicitas und Punchy schon finden. Gerade wollte er sich der Treppe zuwenden, als ihm etwas ins Auge stach.

Auf dem Tisch lag ein winziger Zettel, auf den jemand etwas geschrieben hatte. Ein Wort, das keinen Sinn ergab. Es sah nicht nach der Schrift des Professors aus und er war sich auch ziemlich sicher, dass der Zettel bei seinem letzten Besuch nicht da gelegen hatte. Ein Wesen des Flüsterwalds war hier gewesen! Mit gerunzelter Stirn wendete er das Blatt, doch es gab keinerlei Hinweis, was er tun sollte.

Leise murmelnd sprach er das Wort.

Wie angeknipst begann die Halbkugel in der Standuhr zu glühen, die Zeiger verstellten sich auf fünf vor zwölf (auch wenn es keine Zahlen, sondern seltsame Symbole waren, die an der Uhr angebracht waren). Das Pendel klappte beiseite. Dahinter kam das blau-weiße Flirren zum Vorschein, das für ein Portal typisch war.

Entsetzt wich Lukas zurück.

War das eine Falle?

Seine Gedanken wurden von einem pelzigen Bündel unterbrochen, das frontal gegen ihn knallte. Aufschreiend kippten sie beide um.

»Rani!«, rief Lukas.

»Wieso stehst du vor der Standuhr, wenn ein Portal sich öffnet?« Der Menok reichte ihm nur bis zum Knie, als er sich aufrichtete und das zerzauste Fell mit seinen Händen und dem Greifschwanz glattstrich. Seine Lesebrille hatte er nicht aufgesetzt.

»Ich wusste ja nicht, dass ihr kommt.«

Die Arme in die Hüfte gepresst, stellte sich der Menok vor dem Portal auf. »Es weiß doch jeder, dass man besser zur Seite geht, wenn es wabert.«

Mit einem Klong krachte Rani gegen das gegenüberstehende Regal, als Punchy wie eine Kanonenkugel durch das Flimmern geflogen kam. Ein aus Ton getöpfertes Etwas fiel herab und zerbrach in Scherben.

»Ja«, kommentierte Lukas trocken. »Du hast vollkommen recht, das sollte man wissen und besser nicht davorstehen.«

War das eine Art Grinsen auf Punchys Gesicht, das er da sah? Lukas blinzelte. Im nächsten Augenblick leckte sie sich bereits wieder gelangweilt die Tatzen, als sei ihr die Welt egal.

Den Abschluss bildete Felicitas, die armlange Elfe, die aufgeregt mit den Flügeln schlug. »Lukas, es ist so schön, dich zu sehen!« Ihr Blick fiel auf Punchy und Rani. »Ich habe die Stärke der Magie wohl ein klitzekleines bisschen unterschätzt. Der Flug war doch sehr … wuchtig.«

»Ach«, patzte der Menok, »meinst du? Ich bin gegen unseren Menschenfreund gestoßen.«

»Oh nein.« Felicitas erbleichte. »Geht es dir gut, Lukas?«

Dass sie diese Frage nur an Lukas richtete, versetzte Rani erneut in Aufregung.

»Danke sehr, mir geht es auch gut.« Prompt zog er das Büchlein aus der Tasche, ein Stift kam zum Vorschein und er notierte: »Steht vor Portalen, wenn sie sich öffnen. Unbedingt Intelligenzmessung durchführen.«

Lukas kicherte. Er freute sich so sehr, seine Freunde wiederzusehen, dass er Rani nicht einmal böse sein konnte. »Was macht ihr hier?«

»Dich besuchen, natürlich.« Felicitas sank auf den Schreibtisch. »Deshalb habe ich doch das Zauberwort hinterlassen. Der Elfenstaub auf dem Papier hat die Wirkung entfaltet, als du das Wort ausgesprochen hast.«

»Nachdem wir dreimal hier waren, du aber nicht, wollten wir es dir überlassen, wann du Kontakt aufnimmst. So geht man wirklich nicht mit seinen Freunden um.« Rani sprang auf den abgewetzten Ohrensessel.

»Tut mir leid, ich hatte da ein paar Probleme mit meinen Lehrern.« Lukas fasste zusammen, was geschehen war.

»Kann nicht mit Autorität umgehen«, notierte Rani sofort.

Lukas verdrehte die Augen. »Jetzt erzählt lieber, wie ihr hierherkommt.«

»Es war ihre Idee«, sagte der Menok, was wie ein Vorwurf klang. Er deutete auf Felicitas.

»Wir haben die Standuhr gerettet, die der Magieloge zerlegen sollte«, erklärte sie.

Lukas erinnerte sich an die meterhohen Berge aus Gegenständen in der Rumpelkammer, die sie bei ihrem letzten Abenteuer gefunden hatten. Alles magische Artefakte aus den dunklen Jahren, die vernichtet werden sollten. Da es jedoch nur einen einzigen Magielogen gab, war dieser mit der Aufgabe völlig überfordert.

»Ab sofort können wir uns immer gegenseitig besuchen«, freute sich Felicitas und surrte durch den Raum. »Was sind das denn für Scherben auf dem Boden?«

»Lukas will bestimmt sehen, was wir in mühevoller Arbeit vorbereitet haben«, sagte Rani schnell. »Lass doch diese unnützen Scherben.«

Und Lukas war tatsächlich gespannt, wollte unbedingt zurück in den Flüsterwald. Nun musste er nicht mehr den langen Weg durch das Wäldchen hinter seinem Garten und über den Fluss gehen. Sie konnten sich jederzeit Nachrichten hinterlassen und durch die Standuhren besuchen.

»Dann los.« Felicitas sauste kurzerhand durch das Portal.

»Nach dir«, ließ Rani ihm den Vortritt.

»Du willst ja nur weich landen«, sagte Lukas.

Punchy flitzte noch vor ihnen in das Flimmern. Als Aufpasserin einer leicht zu begeisternden Elfe hatte sie es eindeutig nicht einfach.

Lukas zurrte seinen Rucksack fest und sprang in das Portal.

Flüsterwald - Der verschollene Professor

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