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Folge 32

Hüllen

von Dietmar Schmidt

»Du wolltest mich sprechen, Cheborparinam. Was ist mit unseren Streithähnen?« Mit einer Handbewegung bot Kapitänin Sourou Gashi mir Platz an.

Nur die Kommandoebene und der Sicherheitsdienst der STELLARIS waren in meine Aufgabe eingeweiht; für die übrigen Besatzungsmitglieder galt ich als Passagier. Damit es so blieb, empfing mich Gashi in einem Besprechungsraum neben der Kommandozentrale, den man vom Korridor aus betreten konnte.

Ich setzte mich. »Ich finde, man sollte sie beide im Auge behalten, auch wenn es bisher nur zu einem Wortwechsel ohne ernste Verbalinjurien kam. Der Ton verschärft sich.«

»Geht von Karilantoryn Gefahr aus?«

»Seit dem Aufstand gegen den Robotregenten hat kein Ts'tanar je wieder zu Gewalt gegriffen.«

»Das ist lange her. Was ist genau vorgefallen?«

Das Schiff transportierte Delegierte einer Southside-Konferenz auf Diakat zurück in die Westside. Etliche Passagierkabinen waren unbelegt geblieben, denn es wurde gemunkelt, die STELLARIS ziehe bizarre Zwischenfälle magisch an; als Passagier lebe man an Bord gefährlich.

Ich war als Schiffsdetektiv engagiert und sollte in der Rolle eines Fluggasts die anderen Passagiere im Auge behalten. Bahnte sich ein Konflikt an, sollte ich vorbeugend tätig werden, am besten, ohne dass die Bordsicherheit einzugreifen brauchte.

»Maranol da Funartin hat Karilantoryn abermals bedrängt, ihn und sein Volk beobachten zu dürfen. Er wurde erneut abgewiesen.«

»Das ging schon auf Diakat so«, sagte Gashi. »Dieser Arkonide ist reichlich aufdringlich. Und unermüdlich. Was wissen wir über ihn?«

»Du hast dir das Dossier nicht angesehen?«

»Ich bin für das ganze Schiff verantwortlich, Cheborparinam. Ich habe noch keine Zeit gefunden, mich mit einzelnen Passagieren zu befassen.«

Ich räusperte mich. »Maranol da Funartin entstammt dem arkonidischen Adel, hat aber trotz ARK SUMMIA auf Iprasa keine offizielle Funktion inne. Er arbeitet als Xenologe und betreibt Feldforschung.«

»Er verfasst Reportagen über wenig bekannte Milchstraßenvölker, nicht wahr?«

Ich nickte. »Vordergründig sind seine Essays wohlwollend und verständnisvoll, aber ihm wird oft vorgeworfen, dass typisch arkonidischer Dünkel durchschimmere. Trotzdem hat er Erfolg.«

»Und jetzt möchte er Karilantoryns Volk studieren?«

»Richtig, aber die Ts'tanur ließen ihn abblitzen. Er ist unabhängig von der arkonidischen Delegation nach Diakat gekommen und hat sich dort an Karilantoryn gehängt.«

»Wieso haben wir ihm eine Kabine gegeben?«

»Das Ticket hat er nach unserer Landung auf Diakat gekauft. Da ahnte noch niemand, dass er sich wie eine Klette an einen Passagier heften würde. Karilantoryn hatte vorab eine Passage gebucht.«

»Was ist denn genau vorgefallen, das dich so beunruhigt?«

»Ich würde es dir gern im Überwachungsholo zeigen.«

»In dem Holo, das wir offiziell nicht aufzeichnen?«

Ich räusperte mich wieder. »Richtig, Madam Kapitän.«

»Nur zu.«

»LPV«, sagte ich, »hier Cheborparinam Fefegothinarev. Besagtes Holo von Markierung an abspielen.«

»Dich erkenne ich auch so. Unsere Stimmerkennung ist besser als das, woran du offenbar gewöhnt bist. Ich habe übrigens einen Namen. Ich heiße STELLATRICE.«

Ich schätzte es wenig, von einem Logik-Positronik-Verbund Widerworte zu hören, aber ich bewahrte die Fassung. »STELLATRICE, spiel das Holo von der Markierung an ab.«

»Zu Befehl, CheFfe.«

Bei den Terranern konnte sich selbst ein LPV despektierliche Spitznamen ausdenken. Normalerweise besaß ich einen guten Draht zu Positroniken, doch mit terranischen Rechnersystemen kam ich genauso wenig zurecht wie mit den Terranern selbst.

Ich hatte mir Kenntnisse der terranischen Kultur angeeignet. Auf mich kam man weniger zu, ich wurde ständig hinterfragt und neugierig beäugt. Man lauerte sogar darauf, ob ich lachte, und wenn ich lachte, mokierte man sich darüber, wie ich lachte.

Über dem Tisch entstand ein Holo, das die Passagiermesse der STELLARIS zeigte. Der hochgewachsene arkonidische Xenologe mit der modisch gelockten weißen Mähne lag dem Ts'tanar wieder einmal in den Ohren. Falls dieser Ohren hatte – erkennen konnte man es nicht. Ihren Raumanzug legten Ts'tanur nie ab, und von Karilantoryn sah ich nur eine gut zwei Meter hohe humanoide Gestalt wie aus geschmeidiger dunkler Bronze. Der Helm hatte keine Visierscheibe; man blickte auf eine glatte Spiegelfläche. Die Besatzung der STELLARIS nannte es ein »Ungesicht«.

Die anderen Passagiere in der Messe achteten kaum auf die beiden Kontrahenten. Sie kannten Karilantoryn und Funartin bereits von der Konferenz auf Diakat – und hatten schon vor dem Start jedes Interesse an den Wortgefechten verloren.

»Den Völkermord des Tai Ark'Tussan an den Ts'tanur werden wir niemals vergessen«, sagte Karilantoryn in der Aufzeichnung. »Bis ans Ende der Zeit ziehen wir als Mahnmal für die arkonidischen Gräueltaten durch die Milchstraße.« Woher die spröde, abgehackte Stimme des Ts'tanars kam, war nicht zu sehen; sie schien von seinem Bronzeanzug insgesamt auszugehen.

Mit dieser oder einer ähnlichen Bemerkung beendete Karilantoryn jedes Mal das Gespräch; diesmal führte er ein neues Argument an.

»Ich kenne deine Schriften, Arkonide. Du schilderst fremde Kulturen von der Warte des Überlegenen, der über die kleinen Barbaren nicht spottet, weil er sich ja um Verständnis bemüht; trotzdem bleiben sie für ihn Barbaren, die niemals gleichwertig sein können. So wart ihr Arkoniden früher, und so seid ihr heute. Egal, was du behauptest, seit der Vernichtung unserer Welt habt ihr euch nicht geändert.«

Plötzlich schlug Funartins Verhalten um. Er nahm das Kinn etwas hoch, die Schultern leicht zurück und war kein freundlicher Xenologe mehr, sondern ein arkonidischer Adliger wie aus dem Holobuch.

»Haben wir nicht Arkon III verloren?«, fuhr er den Ts'tanar an. »Spielen wir deswegen den wandelnden Gedenkstein? Nein – wir haben Gor'Ranton neu errichtet! Ihr suhlt euch wegen Dingen, die vor Jahrtausenden geschehen sind, in Selbstmitleid! Das harte Durchgreifen des Imperiums hattet ihr durch euren Aufstand selbst heraufbeschworen. Gewiss ist es traurig, dass der Robotregent eure Welt vernichtet hat – aber man möchte doch meinen, nach so langer Zeit wären selbst die Ts'tanur darüber hinweggekommen!«

Der Arkonide fuhr herum und rauschte aus der Messe.

»STELLATRICE, Aufzeichnung anhalten!« Gashi sah mich an. »Was findest du daran so bedrohlich, dass du es mir vorlegst?«

»Den Umschwung in Funartins Verhalten. Ich habe das Gefühl, dass er sich die ganze Zeit verstellt und uns erst jetzt sein wahres Gesicht gezeigt hat. Ich frage mich, was er noch alles vor uns verbirgt.«

Gashi wiegte den Kopf. »Da könnte etwas dran sein. Was hast du unternommen?«

»Ich habe den LPV beauftragt, Funartin zu beobachten.« Er ging in seine Kabine. Damit endete die Überwachung natürlich vorerst.

»Diese Ts'tanar – was hat es mit ihnen auf sich?«

»Ts'tanur«, warf ich ein. »Ts'tanar ist der Singular.«

Gashi blickte mich ungehalten an. Ich hob beschwichtigend die Schultern. Terraner fühlen sich von Präzision oft angegriffen.

»Ts'tanur sind vor allem in der Northside anzutreffen und verdingen sich oft als Spezialisten für Außenbordeinsätze. Sie treten als Mahner für die Vernichtung ihrer Heimatwelt auf und demonstrieren mit ihren Bronzeanzügen eine Unabhängigkeit von ihrer Umgebung, die darauf beruht, dass in den Anzügen alle Stoffe verlustfrei wiederaufbereitet werden und sie außer Reaktorbrennstoff keinerlei neue Materie aufnehmen müssen. Jeder Ts'tanar bezeichnet sich als autark – als Welt für sich. So viele Welten könne nicht einmal Arkon vernichten, lautet ihr Credo.«

»Wie kam es zur Vernichtung ihres Planeten?«

»Die Ts'tanur sind irgendwann vom Großen Imperium unterworfen worden. Als Arkon schwach wurde, befreiten sie sich in einem blutigen Aufstand. Im Jahr 1996 eurer alten Zeitrechnung statuierte der Robotregent an ihnen ein Exempel. Ihre Welt verging im Kernbrand, und nur wenige tausend Ts'tanur überlebten im Asteroidengürtel. Was das Imperium über sie wusste, ging bei der Vernichtung von Arkon III durch die Jülziish verloren. Die Spezies verschwand von der galaktischen Bühne, auf der sie ohnehin nie sehr präsent gewesen war, und trat erst ab dem ersten Jahrhundert NGZ wieder in Erscheinung. Von da an trug jeder Ts'tanar einen Bronzeanzug. Ständig gemahnen sie an die Vernichtung ihrer Welt. Sie reizen Arkoniden, wo sie können.«

»Und woher stammen diese Bronzeanzüge?«, fragte Gashi.

»Über die Anzüge ist so gut wie nichts bekannt. Ts'tanur verbringen ihr ganzes Leben darin und verlassen sie niemals. Sie sagen, von ihren Vorfahren haben nur die überlebt, die einen Raumanzug besaßen, und um ihr Andenken zu ehren, möchten sie sich nie mehr von einer Welt abhängig machen, die man ihnen nehmen könnte. Untersucht man den Anzug, stellt man eine aus überlappenden Lamellen bestehende Außenhaut fest, die das Licht auf eine besondere Weise bricht und den metallischen Eindruck erzeugt. Tiefer dringen Abtastversuche nicht, sie scheitern an einer hochwirksamen Ortungsschutzschicht.«

Das Interkom summte, und Gashi nahm den Anruf entgegen.

»Der nächste Rücksturz zur Orientierung steht an, Madam Kapitän«, sagte der weibliche Erste Offizier, Bifonia Glaud.

»Danke, Bifonia! Übernimm du das bitte.«

»Oje«, sagte Glaud. Der Holoschirm wurde dunkel und faltete sich zusammen.

»Was ist?«, fragte Kapitän Gashi.

Ich sah sie verdutzt an, dann erst fiel mir auf, dass ich in einem unaufmerksamen Augenblick missbilligend das Gesicht verzogen hatte. »Nichts«, antwortete ich.

»Du bist nicht besonders angetan von den Eigenarten meiner Besatzung, habe ich recht? Die Leute sind dir zu flapsig?«

»So möchte ich das nicht sagen ... zu unsachlich vielleicht.«

»Ich verstehe.« Gashi stützte das Kinn auf die gefalteten Hände. »Meine Leute machen ihre Arbeit. Niemand mag deinen Befehlston. Aus alten terranischen Sprachen sind schöne Dinge ins Interkosmo eingeflossen, und wenn man sie verwendet, kommt man mit Terranern gleich besser klar. Dazu gehören das Wörtchen ›bitte‹ und etwas, das man als den ›Konjunktiv der Höflichkeit‹ bezeichnet. Vielleicht möchtest du das einmal nachschlagen.«

Ich schluckte. »Gut, ich habe verstanden.«

Gashi lächelte milde. »Vergiss nicht, dass wir Zivilisten sind. Wir halten wie jeder Raumfahrer Disziplin, um im All zu überleben, aber wir sind nicht bei der Solaren Flotte ...« Sie suchte wieder meinen Blick. »... und keiner an Bord war je bei der USO.«

Ehe ich etwas entgegnen konnte, fiepte das Interkom.

»Was ist denn wieder, Bifonia?«

»Madam Kapitän, ich habe eine Meldung aus der Passagiermesse, dass Karilantoryn, der Ts'tanur ...«

»Ts'tanar«, unterbrach Gashi sie. »Ts'tanur ist der Plural.«

Glaud bekundete ihre Zustimmung, indem sie sich räusperte. »Nun, jedenfalls hat Karilantoryn in der Passagiermesse einen Anfall oder so was. Ich habe die Medostation verständigt.«

»Ich komme«, sagte Gashi und schaltete das Interkom ab.

Wir eilten aus dem Besprechungsraum und erreichten rasch einen Antigravlift. Kapitän Gashi aktivierte per Stimmbefehl den Turbotransport, und binnen Kurzem rannten wir das Deck mit der Passagiermesse entlang. Ich hob mein Armbandkom an den Mund. »STELLATRICE, wo ist Funartin?«

»Er hat seine Kabine noch nicht verlassen.«

»Benachrichtige mich – bitte! –, sobald er seine Kabine verlässt, und überwache ihn lückenlos.«

»Wird erledigt.«

»Und stell eine Verbindung zu Karilantoryns Anzug her!«, sagte Gashi.

»Bin schon dabei.«

Wir erreichten die Passagiermesse. Gashi öffnete das Schott.

Als wir eintraten, drehten sich mehrere Passagiere, die die Hälse gereckt hatten, zu uns um.

»Ist jemand von euch Arzt?«, fragte eine Ferronin.

»Wieso?«, fragte ich zurück.

»Weil Karilantoryn dort leblos dasteht.«

»Er steht leblos ...?«

»Anders kann man es nicht beschreiben.«

Gashi und ich tauschten einen Blick und gingen weiter. Die Passagiere machten uns Platz, und wir sahen ihn.

Karilantoryn hatte einen Arm gehoben und ein Knie angewinkelt; er wirkte wie in der Bewegung erstarrt. Ein Stewart befingerte vorsichtig den Bronzeanzug, an dem weder Aggregate noch das einfachste Anzeigeinstrument zu erkennen waren.

»Egal, was ich tue, er reagiert nicht, Madam Kapitän.«

Gashi bestätigte mit einem Nicken. »Gut gemacht. Warten wir auf Pracco.«

Das Schott ging auf. Funartin trat ein, das Kinn leicht vorgestreckt. Als er Karilantoryn erblickte, sah ich Tränen in seine Augen schießen. Und dann verzog Maranol da Funartin ganz kurz das Gesicht und wirkte dabei fast wie ein Angehöriger meiner Spezies.

Im nächsten Augenblick hatte er sich wieder in der Gewalt und fragte, ob etwas geschehen sei.

Ich gab ihm keine Antwort.

Er war über das Geschehene viel besser im Bilde als ich: Sein Verhalten verriet es. Ich sah kurz zu Kapitän Gashi. Ihr waren Funartins Tränen der Erregung ebenfalls nicht entgangen. Sie nickte mir zu, und als der Arkonide sich Karilantoryn nähern wollte, vertrat ich ihm den Weg.

»Bleib zurück!«, sagte ich. »Ihm wird bereits geholfen.«

»Aus dem Weg, Cheborparner!«, herrschte er mich an und wollte sich an mir vorbeischieben, doch ich ließ es nicht zu.

»Liebe Fluggäste«, sagte Kapitän Gashi, »bitte verlasst die Messe. Begebt euch doch in eure Kabinen oder in die Aussichtslounge. Ich danke für euer Verständnis. Cheborparinam, Maranol, ihr bleibt noch.«

Während der Saal sich rasch leerte, trat ich beiseite und hob das Minikom vor die Lippen. »STELLATRICE, wieso hast du uns nicht benachrichtigt, als Funartin seine Kabine verließ?«

»Das muss mir entgangen sein. Ich habe meine ganze Energie auf den widerspenstigen Bronzeanzug konzentriert.«

Ich runzelte die Stirn. Nicht ich sei eigenartig, versicherte ich mir; eigenartig seien terranische LPVs. Ich schaltete wortlos ab.

Als ich aufblickte, waren nur noch der Steward, Gashi, der Arkonide, ich und natürlich Karilantoryn anwesend.

»Was kann ich für dich tun, Madam Kapitän?«, fragte Funartin. Er gab sich besorgt, doch sein Ton hatte etwas Lauerndes.

Langsam wandte sich Gashi ihm zu. »Du könntest uns erklären, was hier vorgeht. Was hast du mit Karilantoryn gemacht?«

»Ich? Gar nichts habe ich gemacht. Ich bin nur auf eine frische K'amana in die Messe gekommen, aber nun verzichte ich dankend.« Er drehte sich um und wollte gehen. Ich vertrat ihm erneut den Weg.

»Mir reicht es mit dir, Cheborparner«, sagte er drohend. Er versuchte mich zur Seite zu stoßen. Ohne mich vom Fleck zu rühren, federte ich seinen Angriff ab. Funartin trat zwei Schritte zurück. »Das ist Freiheitsberaubung.« Er nahm Dagorhaltung ein.

Das Schott fuhr auf. Ein Ara kam herein. Es war Pracco, der Bordmediker. Ihm folgten die Sicherheitsleute, die Gashi angefordert hatte, zwei Terranerinnen und ein Zaliter. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich, wie sie die Paralysatoren zückten.

»Bitte beruhige dich, Maranol!«, sagte Gashi. »Wir möchten nur mit dir reden.«

Funartins Blick zuckte zwischen mir, Gashi und den Bewaffneten hin und her. Seine Augen glänzten feucht. Das Tränensekret lief ihm die Wangen hinunter. Pracco schob sich an der Wand der Messe entlang in Richtung Karilantoryn vor, ohne den Sicherheitsleuten die Schusslinie zu verstellen.

»Arkonide«, sagte der Zaliter, »falls das eine Dagorhaltung sein soll, gib sie auf. Aus welchem Holoschinken hast du dir denn das abgeguckt?«

Funartin ließ die Arme sinken und straffte sich. »Verdammt, wann macht er auf?«, kreischte er. »Ich will jetzt endlich wissen, wie er aussieht.«

»Willst du mir nicht sagen, was du getan hast, Maranol?«, fragte Gashi wieder. Ihr einfühlsamer Ton überraschte mich. Spielte sie ihm ihr Verständnis nur vor, setzte es gezielt ein, um den psychisch Strauchelnden endgültig zu Fall zu bringen? Oder tat er ihr tatsächlich leid, obwohl er Karilantoryn etwas angetan hatte?

Funartin erschlaffte, nahm auf einem Stuhl Platz und wischte sich die Augen. »Macht ihr euch eine Vorstellung, wie es ist, wenn einem Dinge vorgeworfen werden, die Jahrtausende her sind? Der ganzen Milchstraße wollte ich nahebringen, wie faszinierend die Ts'tanur sind. Ich hatte gehofft, dass sie sich mir eines Tages ... offenbaren.« Er sah Gashi an.

»Sich ohne Anzug zeigen, meinst du?«, fragte Gashi.

»Ja. Das wäre die Krönung meines Schaffens gewesen. Aber Karilantoryn ... Er hat mich in den Wahnsinn getrieben. Trotzdem habe ich einiges herausgefunden. Ihr müsst wissen, die Behauptung der Ts'tanur, bis auf den Reaktorbrennstoff autark zu sein, ist eine glatte Lüge.«

»Wie meinst du das?«, fragte Gashi. Pracco hatte ein Diagnosegerät mit dem Bronzeanzug gekoppelt und arbeitete fieberhaft.

»Sie brauchen Wasser!«, rief Funartin. »Spurenelemente! Mit genügend Energie stellt künstliche Nahrungserzeugung kein Problem dar, aber Ts'tanur lügen, wenn sie behaupten, dass sie ihre Körperausscheidungen zu hundert Prozent aufbereiten. Auch für sie gibt es Grenzen.«

»Bisschen Schwund ist immer«, sagte der Steward.

Funartin kicherte wie über einen guten Witz. »Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, wunderbar auf den Punkt gebracht. Damit ein Materietransfer in die Anzüge niemals zu beobachten ist, sind die Anzüge mit Transmittern ausgestattet. Die Gegenstation bewahrt Karilantoryn in seiner Kabine auf.«

»Pracco?«, drängte Gashi den Bordmediker. Ohne seine Arbeit zu unterbrechen oder aufzublicken, schüttelte er knapp den Kopf.

Ich zog aus den Worten des Arkoniden eine Folgerung. »Und was hast du in den Anzug transmittiert?«

»Chloraceton«, antwortete er, ohne nachzudenken. Dann sah er mich an, und ich entdeckte Hass in seinen Augen.

»Chlor... Was?«, fragte Kapitän Gashi. Sie schien auf eine Antwort der Positronik zu warten. »STELLATRICE? Was ist Chloraceton?«, fragte sie ungeduldig.

»Chloraceton ist ein Reizgas«, antwortete der LPV. »Früher auch Weißkreuz genannt. Unangenehm, aber nicht tödlich – wenn man sich ihm entzieht.«

»Woher hast du das?«, fragte Gashi den Arkoniden.

Er feixte. »Es lässt sich aus Aceton, einem gängigen Lösungsmittel, und Badreinigern relativ leicht herstellen.«

»Pracco, du musst sofort feststellen, wie es Karilantoryn geht!«, rief Gashi.

»Das ist leichter gesagt als getan. Ich finde keine Möglichkeit, mit dem Anzug zu kommunizieren. Er reagiert auf keine Anfragen. Jeden Kommunikationsversuch weist er ab.«

»Dann reagiert er also doch«, sagte ich.

Aber alle blickten mich nur enerviert an. Als ich etwas hinzufügen wollte, fuhr Gashi mir über den Mund.

»Ich erkläre Gefahr im Verzug«, sagte sie. »Öffne den Anzug mit Gewalt, Pracco.«

»Dazu muss er in die Medostation. Ich kümmere mich darum.« Der Mediker sprach in sein Armbandkom.

Es war zum Verzweifeln. Wir wussten, was Funartin getan hatte und wie er es getan hatte, aber wir waren völlig machtlos und konnten Karilantoryn nicht helfen. Ich ahnte, wie man Zugang zu seinem Anzug erlangen konnte, aber man wollte mich nicht anhören. Ich beherrschte mich, aber innerlich raste ich.

Gashi musterte Funartin von oben bis unten. »Schafft ihn in die Arrestzelle!«

Die STELLARIS war wieder im Linearraum. Karilantoryn lag in seinem Raumanzug auf dem Untersuchungstisch der Medostation. Nach mehreren Misserfolgen hatte Pracco den Versuch aufgegeben, den Anzug zu öffnen. Selbst ein Desintegrator hätte Stunden benötigt, um die molekularverdichtete Außenhaut des Anzugs zu durchdringen. Wir sorgten uns immer mehr um Karilantoryns Zustand.

Ich sprang innerlich im Kreis, doch wenn ich die Terraner wieder verärgerte, indem ich meine Idee in einem Ton vorbrachte, den sie als unverträglich empfanden, lehnten sie sie aus Trotz ab. Ich besann mich auf die »schönen« Dinge, die das Terranische ins Interkosmo eingebracht haben sollte. »Vielleicht gäbe es noch eine Möglichkeit«, sagte ich. »Bitte lasst mich helfen. Ich müsste dazu meine Privatpositronik holen und ... ich bräuchte Vollzugriff auf STELLATRICE.«

Gashi drehte sich zu mir um. »Ehe wir nach Strohhalmen greifen, sollten wir lieber die Schiffstechnische Abteilung hinzuziehen.«

Mich durchfuhr eine sengende Wut. »Da siehst du, wohin eure höflichen Trippelschritte führen!«, brüllte ich. »Wenn ich sage, ich kann es, findet ihr mich arrogant, und wenn ich – im Konjunktiv der Höflichkeit – sage, bitte, bitte, ich könnte etwas tun, nehmt ihr mich nicht ernst!«

Sie wirkte verdutzt.

»Ich bin mir sehr sicher, dass ich den Anzug öffnen kann, aber dazu benötige ich Vollzugriff auf den LPV. Und mit jeder Sekunde, die du darüber nachdenkst, verlieren wir mehr Zeit.«

Zu meinem Erstaunen lächelte Gashi. »Du hast recht. Geh holen, was du brauchst. STELLATRICE steht dir mit aller Kapazität zur Verfügung.«

»Danke auch für das mir eingeräumte Mitspracherecht!«, rief der LPV.

Ich war bereits auf dem Weg zum Schott.

Ich bin kein Emotionaut, und meine Privatpositronik hatte keine SERT-Haube. Sie basierte auf einer cheborparnischen Wartungseinheit, die einen lockeren mentalen Verbund gestattete. Ich hatte sie insoweit modifiziert, dass sie mir Datenstrukturen nicht als abstrakte Hierarchien, sondern geradezu infantil simplifiziert darstellte. Auf diese Weise konnte ich die Problematik auf einer assoziativen Ebene angehen. Ich fand mich stets in einem Straßenlabyrinth wieder, das zu einer Tür oder einem irgendwie gearteten Schalter führte. Dort musste ich etwas tun, was in der Regel stellvertretend für die Überwindung einer Sperre stand.

Karilantoryns Anzugpositronik lag vor mir als Gassengewirr wie aus einem antiken Film, grau in grau. Zwischen Mülltonnen aus kanneliertem Blech huschten Ratten umher – solche terranischen Details waren wohl Beiträge von STELLATRICE. An den Hausmauern belauerten mich aus unerreichbarer Höhe finstere Fensteröffnungen, die mich stark an das »Ungesicht« von Karilantoryns Helm erinnerten. Während ich umherirrte, entdeckte ich keine einzige Tür. Umso verlockender erschien das in warmem Licht strahlende Eingangsportal. Alle Sträßchen, die in keiner Sackgasse endeten, führten dahin zurück.

Ein räudiger Tarox-Marder kreuzte meinen Weg und blickte mich aus winzigen, blutunterlaufenen Augen an. Das unterarmlange Tier war krank und schon zu schwach, um eine Mülltonne umzuwerfen und darin nach etwas Essbarem zu suchen.

Schon die Art der Ablehnung an einer Tür lieferte mir normalerweise einen Hinweis, wie das Hindernis zu überwinden war. Hier fand ich nicht einmal eine Tür.

Dennoch, STELLATRICE hatte eine Verbindung zur Anzugpositronik hergestellt und war abgeblitzt; eine Instanz, die über Aufnahme oder Verweigerung des Kontakts entschied, war vorhanden. Wie immer sie aussah, diese Instanz musste ich finden.

Die Fenster waren hoch, aber vielleicht konnte ich sie erreichen, wenn ich unter einem Fenster einen Turm aus Mülltonnen baute. Als ich eine Tonne hob, fauchte etwas und schoss mit scharrenden Krallen zu mir hoch. Reflexhaft schlug ich mit der Tonne zu und traf die Ratte. Sie schlitterte leblos gegen die Wand.

Die Requisiten reagierten sinnvoll. Das war vielversprechend. Ich war auf eine Abwehrschaltung gestoßen und hatte sie überwunden; ich kommunizierte also bereits mit dem Bronzeanzug.

Wieder strich der Tarox-Marder vorbei, den Schweif zwischen die Hinterläufe geklemmt. Die Tiere waren unberechenbar und so aggressiv, dass die Arkoniden sie bei Arenakämpfen einsetzten, doch dieses Exemplar sah mich nur flehentlich an. Ich suchte in meinen Taschen nach etwas Essbarem. Ich hatte aber nicht einmal Taschen.

Mein Blick fiel auf die tote Ratte. Ich hob sie auf und warf sie dem Tarox-Marder vor. Er schlug die Zähne in den Kadaver und verschlang ihn. Sofort wirkte er gesünder und lebendiger. Ohne mich eines Blickes zu würdigen, wandte er sich ab und ging in eine Gasse. Ich folgte ihm, und am Ende der Gasse war eine Tür mit einfachem Drehknauf.

Als ich sie öffnete, stand Karilantoryn vor mir.

»Hier wohnt niemand mehr«, sagte er und griff sich mit beiden Händen an die Brust, bohrte die Finger in das Material seines Bronzeanzugs und zog ihn auseinander. Als er die Hälften abstreifte, schälte sich daraus der Bronzeanzug hervor. Noch während die Hülle zu Boden sank, wiederholte Karilantoryn die Bewegung und streifte den Anzug erneut ab, nur um wieder im Anzug dazustehen. Dabei sah mich das leere »Ungesicht« so blicklos an wie die Fenster in der Gasse.

Ich trat auf Karilantoryn zu und fasste beschwichtigend seine Hände. Meine Grobhände standen in scharfem Kontrast zu seinen feingliedrigen Extremitäten. Ich löste sie von seiner Brust, setzte selbst die Hände dort an und bohrte die Finger hinein. Als ich das Material auseinanderzog, kam darunter kein neuer Anzug zum Vorschein. Die Nahtstelle war nicht glatt, sondern kompliziert gezackt; ich sah winzige tetraedrische und oktaedrische Module, die fugenlos zusammenpassten.

In dem Anzug fand ich niemanden. Er war leer. Seine Innenseite war keineswegs plan und hohl, sondern bestand aus Schnittstellen und Kabelsträngen, die innerhalb des Anzugs ein kompliziertes Geflecht bildeten und kleine, kompakte Aggregate verbanden, die dort saßen, wo in humanoiden Körpern die Organe sind. Auch der Helm mit dem »Ungesicht« fiel in sich zusammen. Darin entdeckte ich eine Vielzahl von Sensoren und Anschlüssen, einen Kabelbaum anstelle des Rückenmarks, aber keine Positronik anstelle des Gehirns. Ein Eindruck der Leere und Verlassenheit traf mich, und plötzlich war mir schwindlig.

Ich verlor den Boden unter den Füßen, stürzte mit Armen und Beinen rudernd ins Nichts und ... erwachte. Ich fand mich im Sessel vor meiner Positronik wieder.

Mein erster Blick galt dem Ts'tanar. Er lag da wie zuvor. Nichts hatte sich verändert.

»Madam Kapitän«, krächzte ich, »Karilantoryn gibt es nicht mehr.«

Ich berichtete, was ich erlebt hatte. Mittlerweile konnten wir normal auf die Daten zugreifen, die die Positronik für mich visualisiert hatte.

»Karilantoryn war also ein Cyborg?«, fragte Gashi.

»Nein«, erwiderte Pracco, »er war mehr als nur ein mit kybernetischen Elementen ausgestattetes Lebewesen. Die Integration von natürlichen und künstlichen Elementen ist perfekter als alles, was in der Milchstraße ohne Hilfe von Superintelligenzen je zuwege gebracht wurde. Aber ... er ist tot, Sourou.«

Wir hatten es geahnt, und trotzdem schwiegen wir betreten.

»Weil wir zu lange gebraucht haben«, sagte Gashi endlich.

»Nein«, widersprach der Mediker. »Er hatte nie eine Chance. In seinem Anzug gibt es keinen normalen Atemkreislauf. Sein Sauerstoff wird in dezentral verteilten ›Lungen‹ direkt am Gehirn, den verbleibenden Organen und den Muskeln aus Kohlendioxid erzeugt. Das Chloraceton gelangte nicht in seine Nase und seinen Mund, wo es die Schleimhäute gereizt hätte, sondern direkt in den Blutkreislauf. Und dort wirkte es giftig.«

»Ein Kinderstreich, der tödlich ausging«, sagte ich.

»Freut mich zu hören, dass eure Kinder wenigstens Streiche spielen«, entgegnete Gashi.

»Teuflische Streiche«, sagte ich. Wir lächelten matt.

»Haben wir sonst noch etwas erfahren?«, fragte Gashi.

»Allerdings«, sagte ich. »Ich habe Hyperfunk-Kontaktdaten für die Ts'tanur-Gemeinde im Sol-Sektor erhalten und Anweisungen, wie mit dem Anzug zu erfahren ist.«

»Ich kümmere mich beim nächsten Orientierungsmanöver darum. Aber vorher nehme ich mir noch einmal Funartin zur Brust. Begleitest du mich?«

»Nachdem mir der Durchbruch zur Anzugpositronik gelungen ist, würde ich gerne ein wenig stöbern, Madam Kapitän. Es passt einiges nicht zusammen.«

»Dass Funartin so schnell zusammengebrochen ist? Dir erscheint genauso seltsam wie mir, dass jemand mit aktiviertem Extrasinn so labil ist?«

Ich nickte. »Ich habe den Verdacht, dass Funartins Biografie weitgehend erfunden ist.«

»Da habt ihr ja etwas gemeinsam.«

Ich sah Gashi an. »Wie meinst du das?«

»Dir ist nicht aufgefallen, dass Funartin seine Dagorhaltung nur nachahmte. Das bestätigt, was ich bereits vermutet hatte: Deine USO-Ausbildung ist genauso erfunden wie seine ARK SUMMIA.«

»Ich bin bei der USO ausgebildet worden«, entgegnete ich. »Ich habe in meiner Bewerbung nicht gelogen.«

»Aber hast du auch die Prüfung zum Spezialisten bestanden?«

Plötzlich war ich der Verhörte. »Ich habe nie behauptet, USO-Spezialist zu sein. Auf der Akademie kam ich nur mit Positroniken gut zurecht.«

Gashi nickte. »Vielleicht solltest du dich mehr auf positronische Ermittlungen verlegen, Cheborparinam. Wenn es um Personen geht, beobachtest du nicht gut. Du hüllst dich in Penibilität, um deine Unsicherheit zu kaschieren, so wie Maranol sich die Fassade eines glorreichen Forschers geschaffen hat, obwohl er in Wirklichkeit nur Informationen aus Positroniken stiehlt. Gleichzeitig übersiehst du Dinge, die jeder andere hinterfragen würde.«

Ich biss die Zähne zusammen. »Dann werde ich mich jetzt positronischen Ermittlungen zuwenden. Mir ist während meines Mentalverbunds mit dem Bronzeanzug ein arkonidisches Element aufgefallen, das fehl am Platz wirkte. Dort möchte ich jetzt weiter nachhaken.«

Zwei Stunden später stand ich mit Kapitän Gashi vor der Arrestzelle, einem Raum mit drei Wänden, den ein transparentes Prallfeld verschloss. Maranol da Funartins Betroffenheit war längst verflogen.

»Der Vertreter der Ts'tanur im Sol-Sektor lässt den Anzug auf Ferrol abholen«, sagte Gashi. »Wahrscheinlich nimmt er dich gleich mit. Er hat einen Auslieferungsantrag gestellt.«

»Karilantoryn hätte seinen Anzug öffnen sollen«, argumentierte der Arkonide. »Dann wären uns die ganzen Scherereien erspart geblieben.«

»Damit hätte er nicht nur sich selbst, sondern sein ganzes Volk bloßgestellt«, sagte ich. »Ich habe festgestellt, dass er den Anzug bewusst nicht geöffnet hat. Das Geheimnis war ihm wichtiger als sein Leben.«

Gashi und ich hielten uns an die Geschichte, die wir abgesprochen hatten. Weder Funartin noch die galaktische Öffentlichkeit sollten erfahren, dass die Ts'tanur integrierte Hybridwesen waren.

»Ich hätte zu gern gewusst, wie er aussieht.« Funartin klang tief enttäuscht. »Diese wehleidigen Lügner haben es verdient, bloßgestellt zu werden! Die Ts'tanur sind Betrüger!«

»Davon haben wir ja einige an Bord«, sagte ich. »Du zum Beispiel hast keine ARK SUMMIA und bist eher ein Cyberkrimineller als ein Forscher. Vermutlich ist die Manipulation von Positroniken dein wichtigstes Recherchewerkzeug.«

»In unserem Bericht werden wir betonen, dass Karilantoryns Anzug aufgrund deiner Manipulationen versagt hat«, sagte Gashi.

»Du hast einen Wurm in Karilantoryns Anzugpositronik eingeschleust«, fuhr ich fort, »der den Chemosensor außer Gefecht gesetzt hat. Der Sensor hätte nie zugelassen, dass das Chloraceton den Materialisator verlässt. Du hast diesen Schutz ausgehebelt. Das war kein Dummerjungenstreich, der aus dem Ruder lief, das war wenigstens fahrlässige Tötung.«

»Ach, welche Hellsichtigkeit«, höhnte Funartin. »Seid ihr jetzt zufrieden?«

»Noch nicht ganz«, sagte ich. »Unterhalten wir uns darüber, wie du unentdeckt in Karilantoryns Kabine eindringen konntest, obwohl STELLATRICE den Befehl hatte, dich zu beobachten.«

Er grinste selbstgefällig. »Terranische LPVs genießen nicht gerade den besten Ruf.«

»He!«, rief STELLATRICE. »Das habe ich gehört.«

Funartin zuckte zusammen.

»Ich sehe und höre dich wieder«, sagte STELLATRICE. »Mein neuer Freund hat mich geheilt.«

»Geheilt?«, fragte Gashi. »Was soll das heißen?«

»Ich fand STELLATRICE die ganze Zeit befremdlich und suchte den Fehler bei mir«, sagte ich. »In Wirklichkeit lag ich mit meiner Einschätzung richtig.«

»Ich war mit einem Wurm infiziert, Madam Kapitän, der verhinderte, dass ich Maranol da Funartin wahrnehmen konnte«, sagte der Bordrechner. »Ich wusste zwar meist, wann ich auf ihn reagieren sollte, aber im Grunde war ich mir über seine Gegenwart nie im Klaren. Es ist schwer zu erklären. Ach ja, Funartin, bilde dir bloß nicht ein, du könntest mich noch dazu bringen, deine Zelle zu öffnen und dir Zugang zu der Space Jet zu gewähren, mit der du bei günstiger Gelegenheit fliehen wolltest.«

Der Arkonide presste die Lippen zusammen.

»Du hast mit dem Wurm zuerst versucht, den Anzug zu öffnen, und als das nicht funktionierte, wolltest du Karilantoryn mit dem Tränengas dazu zwingen. Nur war Chloraceton für ihn ein tödliches Gift.« Ich blickte Gashi an. »Nachdem diese Angelegenheit geklärt ist, werde ich auf Ferrol selbstverständlich abmustern.«

»Das steht dir frei, aber was einmal passiert ist, könnte wieder geschehen. Deshalb würde ich dich gern in anderer Funktion auf der STELLARIS beschäftigen: als Sicherheitsspezialisten für die Positronik. Würde dich das interessieren?« In ihrem Gesicht lag die Andeutung eines Lächelns.

»Probieren wir es aus«, sagte ich. »Wenigstens bis auf Ferrol. Mittlerweile mag ich eure Biopositronik ganz gern.«

»Ach, bin ich plötzlich doch nicht nur ›der LPV‹?«, meldete sich die Positronik.

»Ich hoffe, du bist einverstanden, STELLATRICE?«, fragte Gashi.

»Jawohl, Madam Kapitän.«

»Gut, Cheborparinam – und hier ist auch schon dein erster Auftrag: Gewöhn STELLATRICE bitte wieder ab, andauernd Madam Kapitän zu mir zu sagen.«

»He!«, rief Funartin. »Mir könntet ihr auch einen Gefallen tun. Erzählt mir wenigstens, wie sie aussehen.«

Ich wandte mich ihm zu. Das Schlimmste an Humanoiden ist weder Arroganz noch Unernst, sondern wie gnadenlos wir in unserer Selbstbezogenheit sein können.

Ich verriet ihm nicht, dass er bereits wusste, wonach er fragte. »Man sollte sich gut überlegen, was man sich wünscht«, sagte ich.

»Wie meinst du das?«

»Ich glaube, du wirst die Ts'tanur besser kennenlernen, als dir lieb ist.«

ENDE

Stellaris Paket 4

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