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4. Die Entwicklung der Rechtsvergleichung und die Frage einer Reform des Verwaltungsrechts
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Die Geschichte zeichnet das Bild einer Verwaltungsrechtswissenschaft, die ohne die Auseinandersetzung mit anderen Rechtstraditionen, insbesondere der englischen und der deutschen, nicht zu dem geworden wäre, was sie im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts war. Heute ist die Perspektive diejenige eines europäischen Verwaltungsrechts, bislang noch im Wesentlichen verstanden als „Erkundung dessen, was man als Verwaltungsrechtsgemeinschaft bezeichnen kann, in der sich die europäischen Staaten um einige grundsätzliche Richtungsentscheidungen scharen“. Dies geschieht durch „Beschreibung der Analogien, Unterschiede und wechselseitigen Beeinflussungen der verschiedenen Rechtsordnungen“,[178] entweder aus einer allgemeinen Perspektive, um zum Verständnis der jeweiligen rechtlichen Grundbegriffe und zu deren Annäherung beizutragen,[179] oder zu speziellen Einzelthemen, wie z.B. der Verwaltungsgerichtsbarkeit (ein Modethema).[180] In diesem Kontext dominiert die Theorie von der Konvergenz der Rechtsordnungen, weil alle Verwaltungsrechtsordnungen, so wird behauptet, dem gleichen Prozess der Europäisierung unterlägen und die zu lösenden Probleme sich überall glichen. Aus diesem Anlass macht man sich auch Gedanken über die Positionierung Frankreichs im Wettbewerb der Rechtssysteme.[181]
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Gewiss, man kann manchen Gebrauch der Rechtsvergleichung in Frage stellen:[182] „Das rechtsvergleichende Argument ist immer selektiv, häufig zurechtgebogen, sehr häufig instrumentalisiert zur Selbstbestätigung.“[183] Allerdings ist auch festzuhalten, dass in den großen kontinentaleuropäischen Rechtskulturen, der deutschen, spanischen und italienischen, „zweifellos das französische Verwaltungsrechtssystem als historisch bedeutender Beitrag angesehen [wird], aber auch als heute überholt und ergänzungsbedürftig um die Errungenschaften anderer Rechtsordnungen, z.B. der deutschen und spanischen, insbesondere auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit und des Grundrechtsschutzes.“[184] Letzteres ist auch der Standpunkt Eberhard Schmidt-Aßmanns. Für ihn steht es zu erwarten, dass das europäische Verwaltungsrecht dem Einzelnen eine stärkere Rolle im Verhältnis zur Verwaltung zuweist, „entgegen der alten französischen Konzeption, die das Verwaltungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft prägte. Damit werden mittelbar auch die dahinter stehenden Werte des heutigen deutschen Verwaltungsrechts übernommen, das am Individualrechtsschutz ausgerichtet ist.“[185]
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Die Sache scheint also ausgemacht. Aber vielleicht müsste man doch etwas eingehender auf das Beispiel Frankreichs zurückkommen, als das hier möglich war: „Die Geschichte der Verwaltungsrechtswissenschaft ist ein weites Forschungsfeld, das noch bestellt werden muss, aber reiche Ernte verspricht.“[186] Gleichzeitig ist die Frage nach einer Reform des Verwaltungsrechts unumgänglich. Intensiven Nachdenkens bedarf dabei die Methodenfrage, insbesondere die notwendige rechtsvergleichende Dimension, worüber freilich die Reformziele nicht aus dem Blick geraten dürfen. Intuitiv richtig scheint das Plädoyer für eine Verwaltungsrechtswissenschaft als Leitwissenschaft, mit dem Anspruch, gesellschaftliche Prozesse wirksam zu steuern.[187] Allerdings mag es auch für Irritationen bei Juristen vom Schlage eines Charles Eisenmann sorgen, der seinen Vorlesungen vorauszuschicken pflegte, dass „der theoretische oder wissenschaftliche Impetus deutlich gegenüber praktischen und anwendungsorientierten Anliegen im Vordergrund“ steht.[188] Keinen Widerspruch wird man demgegenüber mit den Thesen ernten, es sei wichtig, „die Konzepte des Verwaltungsrechts und der öffentlichen Verwaltung“ zu überdenken, einen „Perspektivenwechsel im Verwaltungsrecht“ einzuleiten und zudem „das methodologische Selbstverständnis der Verwaltungsrechtswissenschaft im Allgemeinen und ihrer Beziehungen zu den Nachbardisziplinen im Besonderen“ zu erhellen.[189]
Erster Teil Landesspezifische Ausprägungen › § 59 Wissenschaft vom Verwaltungsrecht: Frankreich › Bibliographie