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Was bisher geschah
ОглавлениеBonn-Königswinter
Auf dem Petersberg - 13. März 2012 – 8.15 Uhr
Gedankenverloren stand ich auf der Terrasse des Steigenberger Grandhotel auf dem berühmten Petersberg in Königswinter nahe Bonn. Der Morgen war gerade erst angebrochen und es dämmerte noch ein wenig. Nebel lag über den Wipfeln der Berge und den Anhöhen im Umfeld.
Ich kniff die Augen etwas zusammen und mit viel Fantasie erkannte ich auf dem benachbarten Berg die Umrisse der Ruine des Drachenfels und seiner darunter liegenden Drachenburg. Bei diesem Anblick fielen mir mal wieder die alten Schweden ein, die Schweden, die diese damalige Burg Drachenfels im Dreißigjährigen Krieg um 1630 erobert hatten. Doch dieser Sieg hielt leider nicht lange an und diese Schweden kapitulierten und mussten vor den Spaniern weichen.
Hoffentlich werden die Skandinavier heute mehr Stehvermögen beweisen, wenn sie gleich eintreffen, dachte ich in diesem Zuge und stellte direkt gedanklich eine Verbindung des heutigen Tages mit meinem alten Heimatland Schweden her.
Wie passend und dann ein Dreißigjähriger Krieg von dem ich hoffte, dass er einmalig in der Geschichte war und nicht wieder entfachte, nämlich diesmal zwischen einem Schweden und einem Deutsch-Schweden, auch wenn der Grund der Eroberung ein anderer war als eine steinerne Burg und sich das Objekt der Begierde als ein weibliches Etwas entpuppt hatte.
Ich schüttelte mit dem Kopf, denn die Erinnerungen an die jüngsten Ereignisse, gerade einmal drei Wochen her, kamen wieder hoch und da hatte es handfeste Fronten gegeben. Wie sollte es auch anders sein, natürlich hatten auch da die Schweden wieder mitgemischt.
Leichter Wind blies mir sanft ins Gesicht und ich genoss trotz dieser weitschweifenden Gedanken diese Stille. Mein Blick streifte weiter über das Gebirge und das tief zu meinen Füßen liegende Tal, welches durch den Rhein unterbrochen wurde, ehe es sich wieder in einer Anhöhe verlief.
Noch war ich allein und es schien mir fast als wäre es wohl die Ruhe vor dem großen Sturm. Ich war mir nicht sicher ob dieser Zustand, also dieser der herrlichen Ruhe, lange anhalten würde.
Nachdenklich presste ich die Lippen aufeinander, teils aus Freude, aber auch teils aus Nervosität. Noch konnte ich nicht die Reaktionen der Menschen, die heute eine Überraschung präsentiert bekamen, einschätzen. Es konnte sehr prekär werden, aber genauso war es auch möglich, dass man sich zur Abwechslung auch einmal freuen würde. Die Turbulenzen, die wir noch vor kurzem in den Schären vor Stockholm erlebt hatten, ließen erahnen, wie es allerdings bei dem einen oder anderen werden könnte. Deswegen meine Unsicherheit. Hoffentlich hatte ich das alles richtig eingefädelt.
Ich drehte mich ein wenig zur Seite und schaute auf das imposante Gebäude hinter mir. Es hatte eine zart gelbe Fassade und spiegelte den Baustil der Gründerzeit wieder. Wie eine Gräfin war ich mir eben vorgekommen, als ich diese Residenz verließ und die Freitreppe hinuntergegangen war, mich hier auf diese wunderschöne Terrasse stellte, um Momente der Stille zu genießen. Ich schaute weiter entlang des Gebäudes und zu meiner Linken präsentierte sich eines der wohl berühmtesten Glasbauten der Geschichte. Es war die gläserne Rotunde.
Eigentlich hätte ich schon viel eher anreisen sollen, um das alles hier einmal ausgiebig zu erkunden. Für eine Autorin war dieses schlossähnliche Anwesen mit solch einem historischen Hintergrund etwas, was einem das Herz höher schlagen ließ.
Ich betrachtete das außergewöhnliche runde Bauwerk nun etwas genauer und mir fielen die wichtigen politischen Treffen ein, die hier in diesem Gemäuer stattgefunden hatten. Zudem war mir bekannt, dass es hier nach Kriegsende im Jahre 1949 zu einem geschichtsträchtigen Abkommen unter der damaligen Landesführung unseres ersten deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer gekommen war.
Es war das Petersberger Abkommen, welches die Zukunft und Integration unseres Landes nach dem zweiten Weltkrieg mitbestimmt hatte.
Da ich eine sehr rege Fantasie besitze, suchte ich Parallelen aus den politischen Treffen der letzten Jahrzehnte zu dem Treffen, welches heute hier noch im privaten Rahmen stattfinden würde. Dieser Berg schien für mein Vorhaben genau der Richtige zu sein, hier hoch oben in einer Abgeschiedenheit, weg von der Hektik des Alltages, ein Ort der Besinnung.
Vielleicht wählte ich auch deshalb gerade dieses romantisch anheimelnde Anwesen aus, um diesen Tag mit meinen Freunden zu begehen. Einfach nur wir, einfach noch einmal zusammen sein, einfach noch einmal das zu reflektieren, was wir erlebt hatten und zu schauen, wohin uns der Weg nun führen würde.
Wie bereits erwähnt ging es um eine schöne Überraschung für unsere Freunde, von denen niemand etwas ahnte, eingeweiht und mit ausgeheckt hatte das nur mein zukünftiger Ehemann Björn. Die Geheimhaltung war zwingend notwendig gewesen. Es gab genügend Gründe nach den Eskalationen in den Schären allen vorzuenthalten, dass es wieder ein Treffen mit den gleichen Personen, die auch im Sommer-Winterhaus der Eklunds in Gustavsberg gewesen waren, hier auf dem Petersberg geben würde.
Niemand von ihnen wäre womöglich gekommen.
Wir hatten das so geschickt eingefädelt, dass alle der Meinung, waren, sie würden aus beruflichen Gründen eine Übernachtung in diesem Hotel am Mittelrhein verbringen.
Ich lächelte als ich daran dachte, wie kompliziert und ausgeklügelt diese Zusammenführung geplant worden war und unter welchen fadenscheinigen und doch plausiblen Erklärungen wir den einen oder anderen zu diesem Treffen haben lotsen können. Ausgetrickst hatten wir sie förmlich, ja Björn und ich hatten sie regelrecht ausgetrickst und alleine das war damals bei der Planung oftmals ein Lacher wert gewesen. Und nun, heute, wo es ernst werden würde und ich noch alleine war, da kamen die Gedanken ob das Ganze eine gute Idee gewesen war.
Das Schlachtfeld in Schweden in den Schären sollte nun eine neue Kampfarena erhalten und überhaupt, was hatte ich mir davon versprochen?
Alle gingen wieder ihre eigenen Wege, es war schwer genug gewesen, vor allem Britt wieder halbwegs auf die richtige Spur zu bringen. Der Schuss konnte ganz schön in die falsche Richtung gehen. Dieses Gefühl nahm nun Oberhand in meinem Innern und ich bedauerte es fast, auch wenn ich mir sagte, dass sich alle ja eh bald wieder begegnen würden, spätestens zu meiner Hochzeit im Mittsommer in Schweden.
Mein Blick schweifte nun wieder in die Ferne, wieder hinunter in das tiefe Tal und dann südwestlich bis in das bekannte Gebiet der Hocheifel und wieder zurück auf den ruhig fließenden Rhein.
Ich lächelte, denn sein Anblick berührte mich immer wieder. Unzählige Schiffe, die langsam vorbeifuhren und in die Ferne schipperten, boten mir ein beruhigendes Bild.
Ich legte mein Fernglas an und beobachtete ein Containerschiff, welches flussabwärts seinen Weg nahm, während in der entgegengesetzten Fahrtrichtung ein Flusskreuzfahrtschiff in aller Seelenruhe das Siebengebirge passierte.
Der Mythos Petersberg ist einer der bekannten höchsten Berge des sagenumwobenen Siebengebirges und ich war bis dato der Meinung gewesen, dieses Gebirge, welches rechtsrheinisch zwischen Königswinter und Bad Honnef liegt, bestünde nur aus diesen sieben Bergen. Doch das war ein Irrtum. Kürzlich erlas ich, dass dieser Höhenzug aus mehr als fünfzig niedrigeren und höheren Anhöhen oder Bergen bestand.
Ja, das fiel mir alles so ein, als ich dort verweilte in dieser stillen leicht nebligen frühen Morgenstunde. War das in meinem Kopf ein Ablenkungsmanöver oder warum beschäftigte ich mich so intensiv mit der Geografie dieser Gegend?
Vielleicht mochte ich mich auch nur weiter erden und festigen wenn ich mich mit den Dingen meines Umfelds beschäftigte.
Ich spürte langsam aber sicher weitere aufkommende Unruhe, wenn ich für Momente daran dachte, dass die Geladenen gleich mit Wucht aufeinanderprallten und nicht darauf achteten, in welchem Umfeld sie sich befanden.
Ich gab mir einen Ruck, damit ich mich wieder auf das Wesentliche konzentrierte und innerhalb von Sekunden war ich wieder mit meinen Gedanken da angekommen, wo es notwendig war, nämlich in Schweden in den Schären und ich sah Björn vor meinem geistigen Auge.
Drei lange Wochen waren vergangen, als ich auch ihm in Stockholm Adieu sagen musste und heute, ja endlich würde ich auch ihn heute wiedersehen.
Tief sog ich die frische Luft ein und ein freudiges Glücksgefühl erfüllte meinen ganzen Körper. Ich war fast aufgeregt wie ein Teenager und zudem so gespannt, wie er wieder auf mich wirken würde, denn nun war es das zweite Mal in meinem Leben, dass wir uns sahen.
Unglaublich für alle, die dieses jetzt hier gleich lesen werden und wie es dazu kam, dass er mein zukünftiger Ehemann werden würde. Ja, in der Mittsommernacht am 21. Juni in diesem Jahr wird unsere Trauung in Schweden vollzogen werden. Es ist wohl die spontanste Aktion, von der ich selbst jemals gehört habe, denn wir lernten uns vormittags kennen und wenige Stunden später stand fest, wir würden heiraten.
Hätte mir ein anderer solch eine Geschichte erzählt, ich hätte sie vermutlich nicht ernst genommen und ihnen abgeraten, doch ich und auch er spürten, dass wir uns gesucht und gefunden hatten und für uns fühlte es sich richtig an, diesen Schritt zu gehen. Bis heute, einige Wochen später, zweifelte ich nicht eine einzige Sekunde an dieser Entscheidung und er ebenso wenig.
Was war nicht alles geschehen während unseres zweiwöchigen Aufenthaltes in Stockholm und in dem Haus am Kvarnsjönsee, geschweige denn daran zu denken, was sich kurz zuvor ereignet hatte.
Flo oder besser gesagt Britt, nein eigentlich alle beide, haben etwas ins Rollen gebracht und das hatte so starke Auswirkungen, dass selbst das Leben anderer Menschen mit auf den Kopf gestellt worden war.
Ich glaube es ist an der Zeit, dass ich ein klein wenig aushole, um mich, aber vor allem die anderen vorzustellen und ehe ich mich jetzt hier in Träumereien verstricke, werde ich kurz über alle Beteiligten erzählen und sie beschreiben und vor allem in welchem Verhältnis sie zueinander stehen.
Selbst für mich ist das nicht ganz so einfach, obwohl ich mitten in deren Tohuwabohu gesteckt hatte und damals praktisch alles aufsog, was um mich herum geschah.
Ich fühlte mich zeitweise durchsichtig, man nahm kaum Notiz von mir und so dachte ich oftmals, dass ich in einem Kinofilm herumwandele und die Darsteller in einer Drei - D-Formation erlebe und mitten in ihrer Dramatik aber auch theatralischen Komödie hineingezogen wurde.
Ungewollt spielten sie alle ganz großes Kino ohne den Beruf des Schauspielers nur annähernd erlernt zu haben.
Sie schienen alle der Reihe nach Naturtalente zu sein und vor allem wirkte all das fesselnd, ja sogar mich fesselten sie mit ihren ständigen Aktionen und kaum hatte man eine Situation mühsam heruntergeschluckt, allerdings noch nicht für sich selbst verarbeitet, da befand man sich schon in der nächsten Szene.
Kopf einziehen, sich ducken, Ohren zuhalten, all das gehörte zur Tagesordnung in den Wochen am See in den Schären und Dramatik hoch drei in der Zeit davor.
***
Ich bin Hanna Sörensson, Autorin und lebe noch in Wesel, einer Stadt im Nordwesten Nordrhein-Westfalens. Bis vor ungefähr fünf Wochen war ich der Meinung, dass sich daran auch nichts ändern würde, doch nun stand auch das in Frage, denn es werden sich auch da wohl nun neue Wege auftun.
Schuld daran ist eigentlich nur eine SMS, die Britt aus Versehen an einen falschen Adressaten geschickt hatte. Auf Grund dieser SMS, die sie am 1. Dezember versandte, steht vieles in Frage und vor allem auf dem Kopf und das nicht nur in meinem Leben.
Meine Vorfahren stammen aus Schweden, lebten einige Jahre in Deutschland, doch sie gingen dann später zurück nach Stockholm, während ich es vorzog in diesem Land zu bleiben. Meine Eltern und mein jüngerer Bruder Mark leben somit schon seit vielen Jahren wieder in Stockholm. Ich bin Mutter von zwei fast erwachsenen Kindern und alleinerziehend.
***
Meine beste Freundin, und das schon von Kindesbeinen an, ist Britt Eklund, die nach ihrer Heirat mit Steffen, den Namen Hansen trägt. Sie ist nun getrennt lebend. Die beiden haben zwei gemeinsame erwachsene Töchter.
Auch Britts Eltern kamen vor ihrer Geburt nach Wesel an den Rhein und gingen später mit ihrem Bruder Lars zurück nach Stockholm, verlebten dort ihre alten Tage, bis sie vor wenigen Jahren verstarben, so dass sie nur noch Lars und die beiden Mädchen als einzige direkte Verwandte hat. Beruflich ist sie noch als kaufmännische Angestellte tätig, doch ihr Hobby, Grafik-Design, baut sie nun zu ihrem neuen Hauptberuf aus.
Ein einschlägiges Erlebnis ihrerseits, welches Anfang Dezember 2011 stattfand, führte dazu, dass sie mit Engelszungen auf mich einredete und mich flehend bat, ihre Geschichte live zu erfassen und daraus einen Roman zu schreiben. Den Titel legte sie auch direkt fest.
Flo… Momente des Lebens.
Es sollte ein Roman werden, der ihre Realität beschreibt, denn es war ihr wichtig gewesen, dass man das alles festhielt, weil es so außergewöhnlich war, was ihr widerfahren war. Aber dazu später einmal mehr.
Britt Hansen, auch sie lebt in Wesel, wird neue Wege beschreiten. Das hat in erster Linie jetzt einmal noch nichts mit dieser SMS zu tun, dadurch lebt sie zwar nun einen anderen Lebensrhythmus, sondern mehr damit, dass jemand aus unserer Jugendzeit sie wiederfand.
Ihr Tag ist zurzeit sehr ausgefüllt durch das Aneinanderreihen von Momenten. Es sind Momente, die sie mit einem anderen Menschen teilt, ein Mann namens Karsten, den sie liebevoll Flo nennt.
***
Flo, das ist der Kosename, den Britt einem Mann gab, den sie auf eine ungewöhnliche Art und Weise kennenlernte. Dieser Mann ist Karsten Lindqvist, ein Rechtsanwalt, lebend in der deutschen Stadt Heilbronn im Bundesland Baden-Württemberg.
Karsten, so der Zufall, wurde auch in Schweden geboren, studierte dort internationales Recht, kam dann nach Deutschland, um in unserem Land zu arbeiten. Nach einigen Jahren des Aufenthaltes hier lernte er seine jetzige Ehefrau kennen und sie bekamen einen gemeinsamen Sohn.
Karsten ist mit Leib und Seele zunächst Vater eines noch Dreijährigen und lebt eine Beziehung mit seiner Ehefrau, die man eigentlich als kameradschaftlich bezeichnen kann. Bislang war er mit diesem Zustand zufrieden oder besser gesagt, er machte sich kaum Gedanken darüber, diesen zu ändern. Seine Erfüllung fand er primär darin, sein Kind aufzuziehen und seine Arbeit in der Kanzlei ordentlich zu absolvieren.
Karsten Lindqvist hat einen Bruder, der ein Jahr älter ist als er.
Björn Lindqvist sein Name. Dieser stieg als Partner in eine große renommierte Immobiliengesellschaft, deren Hauptsitz in Stockholm ist, ein. Diese Gesellschaft hat ebenso auch eine Filiale in Frankfurt, um auch in Deutschland Objekte zu vermitteln.
Die rechtlichen Angelegenheiten dieser Immobilienfirma Eklund & Partner regelt Karsten und das deckt mittlerweile den größten Anteil seiner Arbeit als Rechtsanwalt ab. Unterstützung für andere Rechtsangelegenheiten erhält er von einem Anwaltskollegen, der seine Kanzlei mitführt.
Niemand war am 1. Dezember 2011, als Britts Geschichte begann, darüber informiert, dass es einen neuen Partner den Lars Eklund in seine Firma aufgenommen hatte, gab, nämlich Björn Lindqvist.
Am allerwenigsten wäre diese Tatsache für Britt interessant gewesen, denn ihr Bruder Lars Eklund sprach selten mit ihr über seine Firmenangelegenheiten.
Somit stelle ich hiermit direkt die beiden Brüder vor.
Lars Eklund, Britts Bruder und Björn Lindqvist, Karstens Bruder, sind berufliche Partner. Eklund und Partner sind nichts anderes als Eklund und Lindqvist. Ein toller Zufall oder?
Und jetzt kommt es, gerade schon kurz erwähnt, war die Tatsache, dass es eine neue rechtliche Vertretung der Immobiliengesellschaft gibt, die aus niemandem anderen besteht als aus Björns Bruder Karsten, genau der, nämlich Britts Flo.
Das Kennenlernen der beiden Ahnungslosen, Britt und Karsten, hatte also nicht über die Firma ihres Bruders Lars stattgefunden, sondern es war eine Fügung, die so außergewöhnlich war, dass man mich bat, sie festzuhalten. Wenn ich darüber nachdachte, so wären sie irgendwann sowieso übereinander gestolpert, doch das Schicksal zog es vor, diesen Zeitpunkt bereits auf den Dezember 2011 zu legen.
Das es diese Verbindung gibt, nämlich die zwischen Karsten Lindqvist und Lars Eklund, das erfuhr man durch Zufall erst viele Wochen später.
Auf die bisherigen Geschehnisse werde ich dann später immer mal zwischendurch eingehen müssen, um zu verstehen, warum ich hier und jetzt auf dem Petersberg in Königswinter stand und dieses Treffen in wenigen Stunden stattfinden würde und ich langsam nervös und nervöser wurde.
***
Nun stelle ich noch den Rest der Mannschaft vor, die ich heute hier erwarte.
Es ist wichtig sie zu kennen, damit Sie sich ein Bild von einer ziemlich chaotischen Gruppe machen können, denn bei dem Aufenthalt vor kurzem in Schweden ging es teils so katastrophal zu, dass wir uns sogar etwas einfallen lassen mussten, um bestimmte Personen nicht mehr gemeinsam an einem Tisch sitzen zu lassen.
Eine Gruppeneinteilung kam uns da sehr zu pass und somit gab es eine Gruppe A und eine Gruppe B, wie im Kindergarten und last but not least gab es dann auch noch eine Gruppe C. Es sollte alles seine Ordnung haben, damit niemand mehr unverhofft den Weg des anderen kreuzte und alles halbwegs zivilisiert zugehen konnte.
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Da wir gerade bei den Lindqvists waren, bleibe ich auch direkt dabei und stelle Ihnen nun diesen Björn Lindqvist gänzlich vor. Er ist ein Endvierziger, nun wieder lediger Mann, dessen letzte Partnerschaft daran gescheitert war, dass die gemeinsamen Interessen nur daraus bestanden hatten, sich beruflich immer noch weiter und weiter zu verwirklichen, zu stressen und sich ständig auf der Überholspur zu befinden.
Beide hatten in der Tat vergessen, das wichtige und notwendige andere Leben neben dem Job auch noch zu durchleben.
Doch auch dafür musste eine Britt Hansen wohl erst einmal eine Fehl-SMS verschicken, damit so manch einer wachgerüttelt wurde.
Björn und Karsten Lindqvist, zwei Brüder, die ständig auf Kriegsfuß in Sachen gegenseitiger Erziehung stehen und das trotz ihres vorangeschrittenen Alters. Er, Björn, der Ältere, hatte heute immer noch die Ambition, seinen vermeintlich kleinen und jüngeren Bruder, wann immer sich eine Gelegenheit bot, zurechtzuweisen.
Betrachtete man allerdings mit einem wachsamen Auge die beiden Kampfhähne, so erkannte man, dass nichts anderes dahintersteckte als wahre Bruderliebe. Ich bin der Überzeugung, wenn es hart auf hart käme, würden die beiden wie Pech und Schwefel zusammenhalten und gemeinsam gegen den Rest der Welt antreten.
So kam es also, dass Björn Lindqvists Herz und Seele berührt wurde, als er der Schwester seines Firmenpartners Eklund, Britt Hansen in Stockholm begegnete, sie ihn mit ihrer weichen femininen verletzlichen Art berührte und er erkannte, dass es auch ein Leben neben der Arbeit gab.
Zunächst irritierte es ihn, dass er auf dem Weg war, ihr zu folgen, obwohl es gar nicht seine Richtung war. Sie riss ihn mit, unbewusst, und er wurde wie durch Magie hinterhergezogen und prallte dabei kurze Zeit später auf das, was sein wahres Schicksal werden würde, nämlich auf mich.
Und dann ging alles so schnell, dass man nun einen gemeinsamen Termin hatte - zur Trauung in der Mittsommernacht in den Schären. Es war zu spät, um von diesem Zug noch abzuspringen, weder er noch ich wären dazu in der Lage. Uns hatte es vollkommen erwischt und wir haben uns einfach gefunden, gefunden durch eine wunderbare Fügung, einem schicksalsbestimmenden Timing aufgrund einer Fehl-SMS meiner besten Freundin Britt.
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Ja und dann gibt es da ja noch den bereits erwähnten Lars Eklund, Britts jüngerer Bruder und Firmengründer der Gesellschaft Eklund & Partner. Lars, ein ewiger Junggeselle und vermeintlich angedichtetem Vater von eineiigen Drillingen, die die schönen Namen Tick, Trick und Track tragen. Das wurde ausgebrütet durch seine liebste Schwester Britt, die prädestiniert ist für Spontanerzählungen und damit so manchen schon sprachlos gemacht hat.
Wie dem auch sei, Lars, der Junggeselle, zur Zeit wieder in einer Partnerschaft, von der man eigentlich so gut wie nichts weiß, ist in Britts Augen immer noch ein schwedischer Kindskopf, der sein Streiche spielen nie abgelegt hat.
Sämtliche Erziehungsmethoden ihrerseits scheiterten somit natürlich auch kläglich. Aber selbst der schwedische Kindskopf erkennt Situationen, wenn sie brenzlig werden und reagiert dann einmal altersgemäß. Ich berichtete ja so das eine oder andere im Roman der Momente, welcher Momente beschreibt, die nicht nur Flo und Britt betrafen, sondern letztendlich einen jeden von diesen hier beschriebenen Personen.
Auch bei Lars und Britt kann ich die Aussage, die ich bereits über die Geschwister Björn und Karsten Lindqvist tätigte, wiederholen. Wenn es hart auf hart kommt, dann halten die Eklunds zusammen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Lars sich gerade in der Ära des Kindergartenalters befand oder er sich zielstrebig auf den Weg in ein Rentnerdasein begab, obwohl er erst Mitte Vierzig ist.
Wenn es etwas zu regeln galt und Zusammenhalt gefragt war, dann war man sich einig und das ohne Maßregelung und angedachter Erziehungsmaßnahme der Geschwister untereinander.
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Ich komme nun endlich zu dem Mann, der in der jüngsten Vergangenheit am meisten unter Beobachtung stand.
Sven Bergman, oft zynisch oder auch erinnerungswürdig als Apfelbaum-Gänseblümchen-Sven Betitelter. Sven ist Britts erste und sehr tiefe Liebe gewesen. Sie, damals gerade einmal blutjunge vierzehn und er fünfzehn Jahre alt - doch ihre Gefühle füreinander hatten nicht nach dem Alter gefragt.
Es war eine innige zärtliche Jugendliebe in den siebziger Jahren in der kleinen Schwedensiedlung am Rande des Ruhrgebietes in Wesel.
Schwedische Mitarbeiter eines Unternehmens siedelten sich aufgrund ihrer Firmenverlegung von Schweden nach Deutschland in den Fünfziger dort an. Ihre Kinder, die in Wesel geboren worden waren, haben sich untereinander verliebt, verlobt, verheiratet oder sich, ehe es so weit kam, wieder getrennt.
Letzteres war dann auch hier wohl eingetreten. Ehe man über die Phase des Verliebtseins hinweg war und in die nächste Epoche einsteigen konnte, war schon alles vorbei. Familie Bergman hatte den Rückumzug nach Schweden beschlossen und somit das Schicksal besiegelt, indem junge Menschen, die zusammen gehörten, auseinandergerissen worden waren.
Sie hatten keine Chance, denn auf Grund ihres jungen Alters und der Entfernung, die zwischen ihnen lag, konnte diese Liebe nicht weiter gelebt werden. Es kam dann damals ein Jahr später noch einmal zu einer sehr schmerzhaften Begegnung und dann war über dreißig Jahre der Kontakt abgebrochen, bis vor wenigen Wochen das Schicksal erbarmungslos zuschlug und sie sich wiedersahen.
Mit einem Schlag waren Jahrzehnte ausgelöscht, ganz so als hätte es sie nie gegeben. Sven und Britt arbeiten heute in einem gemeinsamen beruflichen Team im Grafikbereich. Innerhalb von wenigen Tagen im letzten Monat entstand ein Zusammenhalt und Miteinander von einem unschätzbaren Wert.
Gefühle, die sie füreinander noch in sich tragen, vereinfachen die Sache nicht gerade. Trotzdem, warum auch immer, gab es keinen Weg, diese Gefühle auszuleben, so jedenfalls war der letzte aktuelle Stand der Dinge, den ich mitbekommen hatte. Fakt ist, da steht immer noch jemand dazwischen, der mittlerweile berühmt berüchtigte Flo.
Und so macht sich schon wieder eine stille Trauer in Svens Seele breit, weil Britt noch nicht ihren Weg erkennt, außer still ihre Momente mit Flo leben zu wollen.
Er hatte sich schweren Herzens damit abgefunden und ging wieder zurück, zurück von den Schären nach Nynashamn, um wie ein einsamer Wolf nachts am Ostseestrand in Südschweden den Mond anzuheulen. Eine traurige Geschichte, von der ich ausführlich berichtete und das Allerschlimmste war, dass es zu enormen Ausschreitungen und Positionskämpfen zwischen ihm und Flo gekommen war, wobei sie beide um Britts Liebe kämpften.
Es ist vorprogrammiert, dass man noch mit weiteren Auseinandersetzungen zu tun haben wird und ich ahne letztendlich nichts Gutes, egal für wen, denn einen von ihnen wird es eines Tages treffen.
***
Ich stutzte, als ich ihn gerade vorstellte, denn wird das wirklich so sein?
Wird es einen von beiden treffen?
Irgendwie weigerte ich mich bei dem Gedanken, diese Frau einem der beiden zuzuordnen, denn zu viel war einfach geschehen und vor allem waren mir beide Männer auf ihre Art trotzdem sympathisch.
Ich nickte nachdenklich und hatte irgendwie plötzlich das Gefühl, dass ich vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sah, denn mich übermannte gerade der Gedanke, dass ich etwas Wesentliches übersehen hatte oder dass es womöglich ja auch für beide schlecht ausgehen konnte.
Genau, die dritte Variante, der dritte große unbekannte X-Faktor, an den hatte bisher noch niemand gedacht. Vor mich hin lächelnd, spann ich diesen Gedanken in eine neue Richtung weiter. Wenn das Schicksal wirklich so zuschlagen konnte, wie es das am 1. Dezember 2011 bereits bewiesen hatte, was würde dann dagegen sprechen, wenn vielleicht noch einmal so etwas in dieser Form, vielleicht etwas abgeschwächt, eintreten würde?
Sei es nur ein klitzekleines winziges Öffnen einer neuen Tür, sei es nur ein Stückchen Einblick in eine neue Richtung, ich denke, das würde Britt etwas neutralisieren und erden. Nur dann kann sie alles mit Vernunft betrachten und richtig einsortieren, erkennen was richtig oder falsch ist oder besser gesagt, wer richtig oder nicht richtig für sie ist.
Ich stöhnte entmutigt, denn mein Wunschdenken schlug mal wieder Purzelbäume in mir. Schnell konzentrierte ich mich auf das Aktuelle und möchte noch kurz auf eine wichtige weitere Person kommen.
Unser Strohmann Detlev Winters aus Koblenz. Detlev oder auch Levi genannt, ist einer meiner besten Freunde. Er ist Bauunternehmer mit einem Firmensitz in Koblenz und einer Firmenerweiterung mit neuem zusätzlichem Standort in Remagen am Rhein, nähe Bonn.
Levi ist seit vielen Jahren unter anderem auch für die Immobiliengesellschaft Eklund & Partner in Frankfurt tätig. Diese Tatsache war auch mir bis vor wenigen Tagen nicht bekannt gewesen und wieder ein Faden in unserem Netz, welcher Menschen verbindet, ohne das ganze andere Fadengedönse in einen Zusammenhang zu bringen.
Viele betiteln dieses auch mit der Erklärung - wie klein ist doch die Welt. Ich denke, es kann auch anders erklärt werden, nämlich, dass sich die richtigen Menschen eines Tages begegnen und es eine doppelte Absicherung gibt, wenn es nicht diesen Weg gibt, dann gibt es zur Sicherheit immer noch einen anderen, doch das Ziel ist das Gleiche. Im Nachhinein überlegt, hätten wir uns alle irgendwann getroffen, nur halt über die offizielle Schiene und da sage ich aber auch ganz klar, dass es dann nicht so nachhaltig gewesen wäre, wie bei dem plötzlichen Überraschungskennenlernen mit überdimensionalen utopischen Handlungsweisen, weil man da nämlich sozusagen zunächst in inkognito war.
Ein konventionelles übliches Vorstellen mit Hände schütteln wäre dagegen banal und alltäglich ausgefallen, so dass man nicht unbedingt neugierig auf sein Gegenüber geworden wäre.
Die Chance, die verborgene Seite des anderen direkt zu erleben, wäre gleich null gewesen, schließlich wird erwartet, sich nach der Etikette zu benehmen und nicht auszuflippen, als stünde die Welt auf dem Kopf, weil man jemandem Neuen vorgestellt wird.
Aber das unerwartete Kennenlernen, vor allem ein plötzliches unangekündigtes Kennenlernen eines völligen Unbekannten und die Reaktionen, die dann daraufhin folgten, die haben uns irritiert und ließen uns nachdenken und man forschte intensiv, wem man so unverhofft aus dem Nichts heraus über den Weg gelaufen war.
Das ist wenigstens meine eigene Theorie, die ich mittlerweile dazu entwickelt habe. Anders kann ich mir alles nicht erklären, was da losgetreten worden war.
Doch nun wieder zu Levi, denn schließlich war ich dabei, ihn zu beschreiben. Durch sein Erscheinen gerät nun etwas ins Rollen oder vielleicht besser ausgedrückt, dadurch dass ich ihn mit ins Boot gezogen hatte, konnten Björn und ich etwas umsetzen, womit nun heute hier am Petersberg niemand rechnen wird.
Levi fungierte als unser Lockvogel, den wir geschickt eingesetzt hatten, um Karsten alias Flo, Britt, Lars und Sven in dieses Grandhotel auf den Petersberg einzuladen, wo wir heute unter anderem auch etwas Besonderes feiern werden.