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Kapitel 3 In den Fußstapfen des großen Bruders

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Prinz Charles hatte ursprünglich den Wunsch, dass William und Harry zu Hause von einer Privatlehrerin unterrichtet würden, wie es bei ihm und Diana auch der Fall gewesen war. Diana sperrte sich gegen diese Idee. Sie wollte die Schulzeit so normal wie möglich gestalten, damit ihre Söhne die Chance erhielten, unter anderen Kindern zu sein. Obwohl beide nur das Beste für William und Harry wollten, fiel es ihnen zunehmend schwer, auch nur ruhig und vernünftig über das Thema zu reden. Diana fühlte sich dermaßen abgelehnt, dass sie immerzu weinte und ihrem Mann Beleidigungen an den Kopf warf. Prinz Charles wusste weder, wie er mit ihrer theatralischen Art umgehen, noch wie er sie zufriedenstellen sollte. Er war zutiefst verzweifelt und überließ letzten Endes ihr die Entscheidung. Das war auch sinnvoll, denn er war auf den Schulen, die seine Eltern für ihn ausgewählt hatten, nicht glücklich gewesen.

Diana recherchierte alle potenziell infrage kommenden Schulen im Radius von acht Kilometern rund um den Kensington Palace und gab Charles die Schulbroschüren zu lesen. Eine effektive Methode. Schließlich kamen sie überein, William in Jane Mynors’ Kindergarten in Chepstow Villas in Notting Hill zu schicken, dessen Besuch 300 Pfund die Woche kostete. Seine natürliche Ausgelassenheit und sein Selbstvertrauen halfen ihm, sich schnell einzugewöhnen. Er bekam den Spitznamen „Basher“ und drohte einmal einem Jungen, den er offensichtlich nicht sonderlich leiden konnte: „Ich werde meine Ritter aussenden, um dich zu töten, wenn ich König bin.“ Ungeachtet dessen sagte beiden Eltern die Art zu, wie die Einrichtung mit Williams Temperament umging. Sie betrachteten den Besuch des Kindergartens als eine gute Basis für ihn, und so fiel die Entscheidung leicht, Harry in seine Fußstapfen treten zu lassen. Der Kindergarten hatte bereits für William besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen, dazu zählten Spezialschlösser an den Türen. Für Harry musste also kaum etwas verändert werden.

Sein erster Tag dort war der 16. September 1987, einen Tag nach seinem dritten Geburtstag. Charles und Diana stellten ihre persönlichen Probleme für kurze Zeit hintan und beschlossen, das Ganze zu einem Familienausflug zu machen. Um 9.45 Uhr fuhr das Paar mit William und Harry vor dem Kindergarten vor, wo bereits eine Schar Fotografen hinter der Absperrung wartete.

William stieg als Erster aus und lächelte in die Kameras. Harry folgte ihm, er sah nervös und angespannt aus und hielt seine Tasche mit dem Aufdruck von Thomas, der kleinen Lokomotive, fest umklammert. Er blieb dicht bei seiner Mutter, und sie führte ihn über den Gehsteig zu Mrs. Mynors, die ihn begrüßte und ihm die Hand gab. Diana forderte Harry auf, den Fotografen zuzuwinken, was er mit einem Lächeln tat. William, der sich an diesem Ort ja bereits bestens auskannte, fasste seinen Bruder an der Schulter und drehte ihn zu den Stufen um, die ins Untergeschoss führten, wo sich der Raum von Harrys Gruppe befand. Er machte sich von William los und war den Tränen nahe, als seine Mutter die beiden einholte, ihn fest umarmte und ihn dann sanft zu den elf anderen Kindern der Schwanenküken-Gruppe führte, in die die Kleinsten gingen.

Er bekam einen Garderobenhaken für seine Jacke, der mit „Harry“ gekennzeichnet war, und einen blauen Malerkittel mit der Aufschrift „Prinz Harry“. Zwei Stunden später tauchte er wieder vor dem Kindergarten auf und präsentierte das Ergebnis seines ersten Vormittags – ein Fernglas aus zwei Klopapierrollen. Es löste einen öffentlichen Aufschrei aus, als er sich die Klopapierrollen vor die Augen hielt – wie unhygienisch! Mrs. Mynors verweigerte jeglichen Kommentar.

Kaum gingen beide Jungen in den Kindergarten, ließ Diana alle Ferien, Sporttage und Krippenspiele genauestens in ihren Terminkalender eintragen. So konnte ihr Team ihre royalen mit den mütterlichen Pflichten abstimmen. Wenn möglich, brachte sie ihre Söhne in den Kindergarten und holte sie wieder ab. Das half Harry sehr, denn er empfand seine ersten Wochen im Kindergarten als relativ traumatisch. Anders als William brauchte er viel Zuspruch und Aufmerksamkeit. Sogar heute umgibt ihn manchmal noch eine Aura von Verletzlichkeit und Trauer. Dies ist mit ein Grund dafür, dass er bei Menschen aller Art auf der ganzen Welt so beliebt ist, und vielleicht auch dafür, dass Meghan Markle manchmal das Gefühl hat, sich ihm gegenüber mütterlich verhalten zu müssen.

Im Unterschied zu William brauchte Prinz Harry auch ein paar Jahre, bis er auf dem Spielplatz ganz in seinem Element war. In den Pausen weigerte er sich anfangs mitzuspielen, und wenn ein anderes Kind auf ihn zukam, rannte er weg, versteckte sich in einer ruhigen Ecke oder saß allein auf einer Bank, oft den Tränen nahe. Eine Mutter bemerkte, er sei „still wie eine Maus, das arme kleine Ding“. Gelegentlich stand er die gesamte zehnminütige Pause allein da, und wenn ein anderes Kind zu ihm kam und an seinen Kleidern zerrte, oft um ihn zum Mitspielen zu animieren, begann er zu weinen. Für Harrys Leibwächter, der immer in seiner Nähe war, muss es schwierig gewesen sein, ihn nicht zu trösten, aber wegen der Anweisung, „sich nicht einzumischen“, kam er ihm nicht zu Hilfe.

Es fiel Harry schwer, mit anderen Kindern oder sogar mit seinen Lehrern zu sprechen. Im Unterricht meldete er sich selten, selbst dann nicht, wenn er auf die Toilette musste. Stattdessen mussten die Lehrer darauf achten, ob er sich mit leidender Mine auf seinem Stuhl wand, um ihn dann zum Badezimmer zu begleiten. Seine Verletzlichkeit machte ihn zum leichten Mobbingopfer, zumal er sich nicht wehrte. Positiv war zu vermerken, dass er sich sehr gut konzentrieren konnte, wenn Geschichten vorgelesen wurden, und er malte und bastelte gern. Aufmerksame Erzieher bemerkten auch, dass Harry, wenn man ihn beispielsweise dafür lobte, besonders gut im Töpfern zu sein, seine Töpferarbeit auf den Boden warf. Vielleicht war dies ein frühes Anzeichen dafür, dass er die Dinge auf seine Art machen wollte. Er schien dann am glücklichsten zu sein, wenn er in seiner eigenen kleinen Welt war, wenn man ihn allein ließ und er das machen konnte, was und wie er es machen wollte, ohne dass sich jemand einmischte.

Ein führender Psychologe erklärte damals, es sei ein großer Fehler gewesen, Harry in denselben Kindergarten zu schicken wie seinen extrovertierten Bruder. Verletzliche Kinder wie er würden in solchen Konkurrenzsituationen versagen, und demzufolge drohe seine Kindheit, „ein Albtraum“ zu werden. Die Zeit hat gezeigt, dass Harry ebenso gut alleine zurechtkommt wie mit seinem Bruder, und mit seinem angeborenen Charme und leisem Schalk drängte er William mit Anfang 30 regelmäßig aus dem Scheinwerferlicht.

Harry gewöhnte sich allmählich an die Abläufe im Kindergarten und an die anderen Kinder und kam immer mehr aus sich heraus. Noch im ersten Jahr war er so mutig, einem anderen Kind zu erzählen: „Mummy geht nicht zu Sainsbury’s – wir haben unsere eigene Farm.“ In einer Theateraufführung spielte er einen stummen Kobold. Während der Vorstellung fiel er jedoch aus der Rolle und winkte seiner Mutter zu, die lächelnd in der ersten Reihe saß.

Harry steckte sich mit diversen Kinderkrankheiten an, darunter Windpocken und verschiedene Virusinfektionen. Mit vier Jahren hatte er eine Hernien-Operation. Bei der Gelegenheit wurde auch eine angeborene Fehlbildung in der Leistengegend korrigiert, Hodenhochstand genannt. Im Krankenhaus blieb Diana die ganze Nacht über bei ihm und schlief auf einer Matratze auf dem Boden seines Zimmers. Charles setzte seinen Malurlaub in Italien fort, rief aber stündlich zu Hause an. Inzwischen war ihre Ehe nur noch eine kalte, leere Hülle. Die Operation verlief nach Plan und Harry kehrte neun Tage später in den Kindergarten zurück. Diesmal sauste er begeistert hinein. Zwei Stunden später kam er stolz mit zwei Bildern in der Hand wieder heraus, eins zeigte einen prächtigen Sonnenuntergang in Orange und landete zweifelsohne direkt an der Wand seines Kinderzimmers.

Kurz nach Harrys Operation schied sein Leibwächter David Sharp aus dem Dienst. Wochenlang brach Harry deswegen immer wieder in Tränen aus, und noch Jahre später fragte er Diana regelmäßig, wann Sharp wiederkomme. Es war ein frühes Beispiel dafür, wie schwer es für Harry ist, verlassen zu werden, wenn er jemanden wirklich mag.

Sharp war nicht der einzige Mensch in seinem Umfeld, zu dem er eine enge Bindung aufbaute. Auch James Hewitt zählte dazu, der rothaarige Gardeoffizier, der erst Dianas Reitlehrer und dann ihr Liebhaber wurde. Im inzwischen berühmt gewordenen BBC-Interview aus dem Jahr 1995 sagte sie, sie habe ihn „vergöttert“. Noch Jahrzehnte später beschäftigt viele Menschen die Frage, ob Hewitt der leibliche Vater von Prinz Harry sei. Obwohl Hewitt und Harry sich außerordentlich ähnlich sehen – besonders auffällig war das, als Harry in seinen Zwanzigern und glatt rasiert war – behaupten viele, darunter auch Hewitt selbst, er sei nicht Harrys Vater und habe Diana erst nach Harrys Geburt kennengelernt. Hewitt sagte 2002: „Zugegeben, wir haben dieselbe Haarfarbe, und man sagt, wir sähen uns ähnlich. Ich habe diesen Vergleichen nie Vorschub geleistet, und obwohl ich lange Zeit mit Diana zusammen war, will ich ein für allemal klarstellen, dass ich nicht Harrys Vater bin. Als ich Diana kennenlernte, war er bereits ein Kleinkind.“

Ein Kleinkind, das in Soldaten vernarrt war und fasziniert von allem, was mit der Armee zu tun hatte. So war es nicht weiter überraschend, dass er Hewitt sofort sympathisch fand. Schließlich trug er eine Militäruniform, ritt auf Pferden und machte seine Mutter glücklich. Harry war seiner Mutter immer unglaublich nah, und da sie starke Gefühle für Hewitt zeigte, folgte er ihrem Beispiel. Harry nannte ihn anfangs „Mummys Freund“ und später „Onkel“ James. Auch bei ihren folgenden Liebhabern ermunterte Diana ihre Söhne, diese vertrauliche Anrede zu benutzen.

Harry fieberte mit, wenn Hewitt Geschichten vom Militär erzählte, und war begeistert, wenn er in den Kensington Palace kam. Er und William durften nach dem Bad noch einmal herunterkommen, um Zeit mit ihm zu verbringen. Hewitt befeuerte Harrys Zuneigung und ließ speziell für ihn eine kleine Gardekavallerie-Uniform anfertigen. Harry trug sie, bis sie beinahe auseinanderfiel. Hewitt nahm ihn auch zu einem Besuch des Militärpostens Combermere Barracks in Windsor mit, wo die Gardekavallerie beheimatet ist, und ließ ihn auf einen echten Panzer klettern. Harry war ganz in seinem Element und verkündete: „Wenn ich groß bin, werde ich Soldat.“

Damals war Harry noch zu jung, um Hewitts Charakterschwächen zu bemerken. Als ich Hewitt in den späten 1990er-Jahren traf, wirkte er auf mich egozentrisch und nicht sonderlich intelligent. Er hatte eine hohe Meinung von sich und war überzeugt, seine hingebungsvolle Zuwendung habe Dianas Wandlung vom schüchternen, unbeholfenen Mädchen zur schönsten Frau der Welt ausgelöst. Er sagte mir: „Ich schenkte ihr in jederlei Hinsicht Selbstvertrauen, und sie verließ sich ganz auf mich. Sie vergötterte mich zweifellos, und mir gefällt der Gedanke, dass ich ihr geholfen habe. Sie war sehr verwundbar.“

Gerüchte über Charles’ und Dianas angebliche Affären und Ehekrisen kursierten seit ihren Flitterwochen in den Medien, und es wurden von Jahr zu Jahr mehr. Mitte der 1980er-Jahre kam die Behauptung auf, dass Diana dem Polizisten und Mitglied der königlichen Leibwächter-Riege Sergeant Barry Mannakee nahegekommen sei. Er trat in ihren Dienst, als Prinz Harry ein Jahr alt war. Ein Jahr später wurde Mannakee plötzlich einem anderen Aufgabenbereich zugeteilt, und er starb 1987 bei einem Verkehrsunfall, was zu der haltlosen Behauptung führte, sein Tod sei kein Unfall gewesen. Mannakee war fast 15 Jahre älter als Diana, hörte sich ihre Sorgen an, sah, wie verwundbar sie war, und versuchte sie zu unterstützen. Er muss ihr sehr wichtig gewesen sein, denn noch sieben Jahre später sprach sie mit ihrem Stimmtrainer Peter Settelen über ihn, wie Aufnahmen in der bereits erwähnten Dokumentation von Channel 4 belegen. Sie gestand ihm, dass sie sich verzweifelt nach Freunden sehne, nannte Mannakee „den besten Freund, den ich jemals hatte“, und sagte, sie habe eingesehen, dass sie „mit dem Feuer gespielt und sich verbrannt“ habe. Sie sagte auch, sie sei untröstlich gewesen, als er starb.

Ihr Verhältnis mit Hewitt dauerte bereits fünf Jahre an, als er zu ihrem großen Unmut in Deutschland und dann zu Beginn des Ersten Golfkrieges im Irak stationiert wurde. Harry war damals erst fünf Jahre alt, aber er vertraute später einem Armeekameraden an, dass er einen deutlichen Stimmungswechsel bei seiner Mutter bemerkt habe, als Hewitt in Deutschland stationiert wurde. Diana hatte inzwischen ihre Bekanntschaft mit James Gilbey aufgefrischt, den sie bereits vor der Hochzeit mit Prinz Charles kennengelernt hatte. Er gehörte der Familie an, die Gilbey’s Gin produzierte, und arbeitete damals als Autohändler für Lotus. Gilbey war bekannt für sein Talent, Frauen das Gefühl zu geben, sie seien etwas ganz Besonderes. Er und Diana lernten sich bei einer Party von Julia Samuel kennen, Tochter der Guinness-Brauereifamilie. Beim Abschied gab Diana ihm ihre Telefonnummer und forderte ihn auf, sie anzurufen. In den folgenden Wochen trafen sie sich mehrere Male. Harry mochte Gilbey nicht, und er kam auch nicht der Bitte seiner Mutter nach, ihn „Onkel“ zu nennen. Während des Verhältnisses mit Gilbey soll Diana über 100 leidenschaftliche Briefe an Hewitt geschrieben haben. Doch als er nach Großbritannien zurückkehrte, weigerte sie sich, seine Anrufe entgegenzunehmen. 1992 wurden Aufnahmen intimer Telefonate zwischen Diana und Gilbey aus dem Jahr 1989 an die Presse weitergegeben. Man sprach damals vom „Squidgygate“, denn während der Telefonate nannte Gilbey Diana 53 Mal „Squidgy“ oder „Squidge“, aber nur 14 Mal „Darling“.

Mittlerweile lebte Prinz Charles in Highgrove, Diana blieb im Kensington Palace. Harry und William waren noch so jung, dass sie vom enormen Medieninteresse an den elterlichen Streits abgeschirmt blieben. Doch Kinder registrieren es genau, wenn zwischen ihren Eltern eine feindliche Atmosphäre herrscht, auch wenn sie sich nicht trauen, darüber zu reden. Das kann für sie sehr beängstigend sein, es raubt ihnen ihre Sicherheit, und sie können das Gefühl bekommen, das Unglück ihrer Eltern wäre ihre Schuld.

Ein Bericht der Early Intervention Foundation (EIF) aus dem Jahr 2016 hält fest, dass „andauernde Konflikte zwischen den Eltern Auswirkungen auf die geistige Gesundheit des Kindes, die Entwicklung seiner sozialen und emotionalen Kompetenzen und seiner schulischen Leistungen haben können und seine Fähigkeit beeinflussen, später Beziehungen zu gestalten. Konflikte können darüber hinaus gesundheitliche Probleme verursachen, die auch im Erwachsenenleben bestehen bleiben und an die nächste Generation weitergegeben werden. Dies wird bereits ab dem Alter von sechs Monaten beobachtet. Tatsache ist, dass Kinder äußerst aufnahmefähig sind und sich daran anpassen, wie ihre Eltern sich zueinander verhalten.“ Das EIF fand auch heraus, dass Kinder von geschiedenen Eltern „stärker von den Streitigkeiten während der Ehe geschädigt werden als von der Trennung selbst“. Obwohl sie so viel von allem hatten, was man mit Geld kaufen kann, wurde die Entwicklung der beiden Prinzen zweifellos durch die frühen, harten Jahre beeinflusst.

Währenddessen schrieb ein verzweifelter Prinz Charles an einen Freund: „Wie schrecklich Inkompatibilität ist. Wie furchtbar destruktiv sie für diejenigen sein kann, die in diesem außergewöhnlichen Drama mitspielen.“ Er wandte sich an seine frühere Liebhaberin und enge Freundin Camilla Parker Bowles in der Überzeugung, sie sei der einzige Mensch, der ihn verstehen und trösten könne. Einige seiner Freunde dachten, er stünde kurz vor einem Nervenzusammenbruch.

Charles und Camilla hatten sich 1970 bei einem Polospiel kennengelernt und waren sich daraufhin nahegekommen. 1974 jedoch heiratete sie Andrew Parker Bowles, einen Offizier der britischen Armee. Sie bekamen zwei Kinder, Laura und Tom, aber sie ließ sich 1995 scheiden. Camilla und Charles waren immer in Kontakt geblieben, doch es wurde bestritten, dass sie während seiner Ehe ein sexuelles Verhältnis miteinander unterhielten.

Vielleicht teils wegen der Turbulenzen zu Hause entwickelten die Prinzen eine ganz eigene, besonders starke Bindung zueinander. Wie die meisten kleinen Jungen stritten sie viel, aber William beschützte Harry, wenn jemand ihm wehtun wollte. Er achtete auch auf Harrys Manieren. Harry hatte die Angewohnheit entwickelt, die Zunge herauszustrecken. Dies war wahrscheinlich nicht seine Schuld. Pressefotografen auf der Jagd nach einem guten Foto streckten Harry die Zunge raus, um ihn anzustacheln, dasselbe zu tun. Eine Zeit lang streckte er automatisch seine Zunge raus, wenn er eine Kamera sah, bis William ihn im August 1988 deswegen zurechtwies. Harry hatte mit seiner Mutter und seinem Bruder im Londoner Portland Hospital die neugeborene Prinzessin Beatrice besucht, das erste Kind von Sarah, Duchess of York, und Prinz Andrew. Als sie wieder abfuhren, streckte Harry der versammelten Presse die Zunge heraus. William, inzwischen ein herrischer Sechsjähriger, sagte: „Hör auf damit, Harry, das ist sehr ungezogen.“ Und Harry hörte damit auf.

Ein paar Monate später galt Harry bereits als reif genug, um sich zusammen mit der königlichen Familie vom Balkon des Buckingham Palace aus zum ersten Mal die Militärparade Trooping the Colour anzusehen. Er stand vor Diana, die ihn festhielt und während der Zeremonie immer wieder an den Wangen kitzelte.

Damals zeigten die Royals ihre Gefühle in der Öffentlichkeit nur selten, wenn überhaupt – nicht zuletzt, weil dies von der Queen missbilligt wurde. Aber Diana wollte sich dem nicht mehr fügen. Prinz Charles folgte dem Vorbild seiner Mutter und stellte die Pflicht über die Familie, doch Diana fand zunehmend Gefallen daran, gegen die royalen Traditionen zu rebellieren. Sie hatte das Gefühl, von allen Mitgliedern der Königsfamilie enttäuscht worden zu sein. Vielleicht schien es ihr anfangs auch so, als könne sie anders nichts bewirken. Sie weigerte sich, William und Harry in Samtmäntel und kurze Hosen zu stecken, wie Charles sie als Kind getragen hatte. Sie kleidete sich selbst gern glamourös und wollte, dass auch ihre Kinder schick und modern aussahen. Sie wählte für sie Outfits wie doppelreihige taubenblaue Mäntel mit weißer Bordüre, Polohemden und knielange Shorts in Blau und Weiß. Jahre später amüsierte sich Prinz Harry in einer Dokumentation des Fernsehsenders ITV über seine damalige Garderobe: „Ich glaube ganz ehrlich, es hat ihr Spaß gemacht, mir und William die bizarrsten Outfits zu verpassen – normalerweise im Partnerlook. Ich trug seltsame Shorts und Lackschühchen. Wenn ich mir die Fotos von damals anschaue, muss ich einfach nur lachen und frage mich: ‚Wie konnte sie uns das antun?‘“

Auch das Outfit, das er mit fünf Jahren zur Hochzeit von Dianas Bruder Charles mit seiner ersten Frau, dem Model Victoria Lockwood, tragen musste, machte ihn sehr verlegen. Er beschrieb es als „ein bisschen mädchenhaft“, und ganz besonders störte ihn, dass er einen dunkelgrünen Hut mit einer burgunderroten Taftbordüre tragen musste. Offenbar hatte er schon in jungen Jahren eigene Vorstellungen davon, was seinem Stil entsprach.

Diana plante mit ihren Jungs gern geheime Unternehmungen, die jedoch manchmal an Leichtsinn grenzten. Im September 1988 – die Familie verbrachte den Sommer wie gewöhnlich in Balmoral – entkam sie ihren Leibwächtern und der Polizei, indem sie sich zusammen mit Harry sehr früh am Morgen hinausschlich und rund eineinhalb Kilometer zum Craigendarroch Hotel fuhr, das über eine luxuriöse Freizeitanlage verfügte. Sie kam um 7 Uhr morgens an und ging mit Harry schwimmen. Ein Hotelmitarbeiter sagte damals: „Die Prinzessin wirkte ein wenig nervös, so allein“, und dass normalerweise der Hotelmanager im Vorfeld benachrichtigt werde, wenn ein Mitglied der königlichen Familie zu Besuch komme, damit die Polizei die gesamte Hotelanlage überprüfen könne. Die Mitarbeiter erkannten Diana und sagten dem Manager Bescheid, der die Polizei informierte, und innerhalb von wenigen Minuten waren zwei Zivilfahrzeuge der Polizei am Hotel, um Dianas und Harrys Sicherheit zu gewährleisten.

Auch im März 1993, als sich Diana im Jahr nach ihrer offiziellen Trennung mit William und Harry zum Skiurlaub im österreichischen Lech aufhielt, mangelte es ihr an Verantwortungsbewusstsein. Ihr Leibwächter Ken Wharfe berichtete, dass Diana und die Jungen „die ganze Zeit“ bewacht worden seien, aber eines Nachts sprang Diana aus dem Fenster ihrer Suite im ersten Stock – sie landete sechs Meter tiefer im Schnee – und blieb bis zum Morgen fort. Ihr Ausflug wurde erst um 5.30 Uhr bemerkt, als sie an der Tür des exklusiven Albert Hotels klingelte. Ihre Erklärung lautete: „Ich brauchte frische Luft.“

Im September 1989 wechselte Harry vom Kindergarten in die Vorschule – ein riesiger Schritt für den kleinen Jungen. Er besuchte die Wetherby-Vorschule in Notting Hill zum ersten Mal vier Tage vor seinem fünften Geburtstag und vier Tage nach offiziellem Schulbeginn, weil er zuvor an einer Virusinfektion erkrankt war. Dieses Mal zeigte er sich vollkommen furchtlos. Auf dem Gehweg vor der Schule schüttelte er seiner neuen Direktorin Miss Frederika Blair die Hand und drehte sich dann mit einem selbstsicheren Lächeln und ohne herausgestreckte Zunge zu den Kameramännern um, die seine Reaktion auf den Schulbesuch einfangen wollten. In Begleitung der Prinzessin von Wales und Williams schritt er voller Zuversicht die Stufen zu der Jungenschule hinauf, bevor er sich den zwölf anderen Schülern seiner Klasse und ihrer Lehrerin Alexandra Barnes anschloss.

Er besuchte anfangs nur den Vormittagsunterricht und bastelte am ersten Tag einen Elefanten, bis heute eines seiner Lieblingstiere. Harry, bei dem eine leichte Legasthenie vermutet wird, fielen die Hausaufgaben schwer, aber er ging gern zur Schule. Kurz vor Ende des Schuljahres sang er ein Solo beim Weihnachtskonzert in der St Matthew’s Church in Bayswater. Mehrere Besucher, darunter Prinzessin Diana, mussten bei seiner Darbietung von „Rudolph the Red-Nosed Reindeer“ eine Träne verdrücken. Um nicht hintanzustehen, sang der siebenjährige William, der bereits seit zwei Jahren zur Schule ging, auch ein Solo – den Refrain von „Gloria in Excelsis Deo“. Die Prinzessin hatte ihre Mutter, Frances Shand Kydd, mitgenommen und berichtete, sie habe sich „gefreut wie eine Schneekönigin“, dass die beiden sich solche Mühe gegeben hatten und den Ton halten konnten.

Diana hatte eine unstete Beziehung zu ihrer Mutter und weigerte sich zeitweise, mit ihr zu sprechen. Ihr Weggang hatte Diana damals sehr mitgenommen, und in ihrer Wahrnehmung als Kind verstand sie es so, dass ihre Mutter sie verlassen hatte, weil sie Diana nicht genug liebte. Das verstärkte ihre lebenslange Unsicherheit. William und Harry waren gern mit ihrer Großmutter mütterlicherseits zusammen und nannten sie auch „Supergran“. Trotz der großen Entfernung zu ihrem Wohnort auf der Insel Seil nahe Oban in Schottland reiste sie gelegentlich nach Highgrove, um zu versuchen, die langen, eisigen Phasen der Stille zwischen Diana und Charles aufzulockern und eine bessere Atmosphäre für William und Harry zu schaffen. Lief es gut zwischen Mutter und Tochter, nahm Diana ihre Söhne mit zu einem Besuch auf der abgelegenen Insel, wo sie am Meer und in der freien Natur spielen konnten.

Harrys zunehmend eigensinnige Art begann, Probleme zu verursachen. Mit fünf Jahren fragte er den Leibwächter Ken Wharfe einmal, ob er sein Polizeifunkgerät benutzen dürfe. Was zunächst wie eine unschuldige Bitte wirkte, verwandelte sich beinahe in eine Katastrophe. In seinem Buch Diana: Closely Guarded Secret erzählt Wharfe, was dann geschah: „Weil er so ein liebenswerter Junge war, gab ich ihm das Gerät. Wir erfanden ein Spiel. Ich sagte ihm, er solle zu bestimmten Orten im Palast gehen und sich dann über den Polizeifunk bei mir melden.“ Harry machte mit und funkte Wharfe von einigen sicheren Orten aus an. Dann wurde es still, und Wharfe erinnert sich: „Harry informierte mich per Funk, dass er zum Plattenladen auf der Kensington High Street gegangen sei. Was die Leute gedacht haben müssen, als sie den Enkel der Queen allein und mit einem Funkgerät in der Hand über die geschäftige Straße laufen sahen – ich habe keine Ahnung. Ich befahl ihm zurückzukommen und rannte ihm entgegen, aber ich wusste, dass wir kurz vor einem Sicherheitsdesaster standen. Die Londoner Polizei hätte mich wohl mehr als kritisch beäugt, aber das ist nichts im Vergleich dazu, wie die Prinzessin reagiert hätte. Zum Glück hat sie nie davon erfahren.“

Dies war ein frühes Beispiel von Harrys Draufgängertum – eben benahm er sich noch gut, doch schon im nächsten Moment konnte sein Verhalten entgleisen. Später führte eine Mischung aus mangelnder Selbstkontrolle, schlechtem Urteilsvermögen und zu viel Alkohol bei ihm dazu, dass er beispielsweise mit Hakenkreuzbinde auf einer Kostümparty erschien, sich beim Stripbillard in Las Vegas all seiner Kleider entledigte und in der Nacht vor der Hochzeit seines Bruders vom Balkon des Goring Hotels sprang.

Prinz Charles war einverstanden, dass Diana auch die nächste Schule der Prinzen aussuchte. Sie wählte Ludgrove School, ein unabhängiges, 1892 gegründetes Internat in Berkshire, dessen Besuch 2350 Pfund pro Trimester kostete. Hier war Platz für 180 Jungen im Alter von acht bis dreizehn Jahren. Der damalige Schulleiter Gerald Barber beschrieb das Schulethos folgendermaßen: „Wir versuchen, Knaben mit guten Werten und guten Freundschaften hervorzubringen, die Einsatzfreude zeigen und sich anständig betragen.“

Es war sinnvoll, William und Harry auf Abstand zu den emotionalen Turbulenzen und Feindseligkeiten zu Hause zu bringen. Der Internatsbesuch bedeutete auch, dass sie vom Presserummel um die inzwischen täglich neuen Gerüchte und skandalösen Fakten über das Verhalten beider Elternteile ferngehalten wurden. Vor Williams Ankunft wurde das 53 Hektar große Gelände neu umzäunt, alle Fenster wurden sicherheitsverstärkt und Videokameras an strategisch wichtigen Punkten installiert. Zusätzlich saßen Leibwächter in den Klassenräumen und ermahnten die Prinzen gelegentlich, sich zu benehmen.

William besuchte Ludgrove ab September 1990, Harry ab 1992. Etwa zu jener Zeit begann sich das Verhalten beider Jungen zu ändern. Sie waren jetzt acht und sechs Jahre alt, und ihre Manieren hatten sich bedeutend verbessert. Sie waren daran gewöhnt, Hände zu schütteln, Danke zu sagen und, als sie älter wurden, auch Dankesbriefe zu schreiben. Ihre Persönlichkeiten indes entwickelten sich unterschiedlich. William wurde unabhängiger, aber zunehmend misstrauisch und verschlossen, während Harry unberechenbarer und frecher wurde, Eigenschaften kultivierte, die er, wie er mir sagte, immer noch an sich mag. Diana wusste, dass Harry sich schlecht benehmen konnte, tat sein Fehlverhalten aber oft mit einem Lachen ab und sagte lediglich, er sei „auf dumme Gedanken gekommen“.

Er wurde sich nun seines Talents bewusst, die Menschen zum Lachen zu bringen. Eines seiner damaligen Lieblingslieder war eine Variation des traditionellen Kinderreims über Humpty Dumpty, der hier Bananenschalen im Schlafanzug des Königs verschwinden lässt: „Humpty Dumpty sat on a wall eating squashed bananas. Where do you think he put the skins? Down the king’s pyjamas.“

Sie hatten auch unterschiedliche Essensvorlieben. William hatte einen eher anspruchsvollen Gaumen, mochte heimisches Gemüse und Obst und pochierte Eier von den Highgrove-Hennen. Harry war verrückt nach typischem Kinderessen wie Fischstäbchen, Spiegeleiern mit Speck, Baked Beans auf Toast, Hamburger, Coca-Cola und unendlich viel Schokolade. Während der Schulferien speiste Diana regelmäßig mit ihnen in Restaurants, aber Süßigkeiten blieben die Ausnahme.

Diana wollte ihren Kindern unbedingt die Stabilität geben, die sie selbst als Kind vermisst hatte. Sie sollten sich wahrhaft geliebt und gewollt fühlen. „Ich möchte, dass sie mit einem Gefühl der Sicherheit aufwachsen“, sagte sie. „Ich liebe meine Kinder über alles und lege mich abends zu ihnen ins Bett.“ Sie fügte hinzu: „Ich bin einfach verrückt nach meinen Kindern. Und sie nach mir.“ Ihre Nähe zu ihnen wuchs, während die Beziehung zu Charles zerbrach, und zunehmend schien sie zu vergessen, dass sie die Erwachsene war und William und Harry die Kinder waren. Diese Rollenumkehr führte dazu, dass sie sich William mehr und mehr anvertraute, ihm ihre Sorgen erzählte, über ihre Liebhaber sprach und emotional abhängig von ihm wurde. Dies war eine sehr schwere Last für seine jungen Schultern, zumal mit dem Wahrnehmungs- und Erfahrungshorizont eines kleinen Jungen. Trotzdem versuchte er, der Mann im Haus zu sein, und fühlte sich für das Glück seiner Mutter verantwortlich. In der ITV-Sendung Diana, Our Mother: Her Life and Legacy, die 2017 anlässlich ihres 20. Todestages ausgestrahlt wurde, brachte er seine beständigen Schuldgefühle zum Ausdruck: Er habe „unsere Mutter im Stich gelassen“, weil er „sie nicht beschützen konnte“. Es war herzzerreißend.

Harry musste zwar nicht die wenig erstrebenswerte Rolle des Mannes im Haus übernehmen, aber als William aufs Internat ging, tröstete Diana sich mit seiner Anwesenheit. Sie nahm ihn mit, wann immer sie konnte, ganz besonders wenn eine Familienveranstaltung des Königshauses stattfand, an der sie teilnehmen musste. Oft hielt sie ihn dann in ihren Armen, als wäre er eine menschliche Schmusedecke. Sie überhäufte ihn mit Liebe und Küssen, und die Bindung zwischen ihnen verstärkte sich noch. Harry ist sehr viel emotionaler als sein Bruder, aber ich hatte den Eindruck, dass er etwas weniger als William unter ihrem teils verzweifelten Bedürfnis nach ihm litt, dafür aber vielleicht stärker als sein Bruder unter ihrem Verlust.

Entgegen den Expertenmeinungen und Statistiken hat sich jedoch mit der Zeit erwiesen, dass die Intensität von Dianas Liebe ihren Söhnen nicht nur den Mut und die Kraft gegeben hat, die sie brauchten, um die Probleme und Traumata ihrer Kindheit aufzuarbeiten, sondern dass sie auch ein menschliches Vermächtnis darstellt, auf dessen Grundlage sie ihre Ziele entwickeln konnten.

Trotz des Gefühls, ihrer Söhne beraubt zu werden, akzeptierte Diana mit großer Selbstlosigkeit deren Wechsel aufs Internat. „Ich werde nicht traurig sein, denn es ist das Beste für Harry“, sagte sie einem Freund und fügte hinzu: „Zu viele Leute haben uns jeden Morgen auf dem Weg zur Vorschule angestarrt. Die Touristen lehnten sich aus den Hotelfenstern, um uns zu beobachten. Damit muss er sich in Ludgrove nicht auseinandersetzen.“ Es tröstete sie auch, das Gefühl zu haben, dass Harry den Weggang von zu Hause gut verkraften konnte. „Er ist ein echter kleiner Spaßvogel, immer zu Scherzen aufgelegt, und er lernt gern neue Menschen kennen.“

Beide Jungen widmeten sich auch außerschulischen Aktivitäten. William war gut im Fußball (er spielte am Ende für die Schulmannschaft), Tennis und Hochsprung. Harry war ihm im Reiten, Mountainbike- und Skifahren überlegen. Beim ersten Ausritt mit seinem Shetlandpony Smokey war er so entspannt, dass die Pferdepflegerin Marion Cox, die dann regelmäßig mit ihm die Wiesen rund um Highgrove durchstreifte, kaum glauben konnte, dass er noch nie im Sattel gesessen hatte. Er schien die gleiche besondere Art mit Pferden zu haben, die er im Umgang mit Menschen entwickelte. Er konnte draufgängerisch und laut sein, wusste aber auch, wann er sanft mit einem Pferd umgehen musste, und das spürten die Tiere offenbar.

Im April 1991 machten die jungen Prinzen erstmals Skiurlaub. Diana reiste mit ihnen in das österreichische Skigebiet um Lech, Charles war nicht dabei. Paul Harris, damals Reporter der Daily Mail, wurde ausgesandt, um von dem Urlaub zu berichten. Er erzählte mir: „Kurz nachdem ich am Anfängerhügel angekommen war, tauchten William und Harry, damals acht und sechs Jahre alt, mit ihrem Skilehrer und ihren Leibwächtern auf. Ich glaube, es war erst ihr zweiter Unterrichtstag, aber sie hatten schnell gelernt, obwohl sich der Schnee größtenteils schon in Matsch verwandelt hatte.

Es fiel sofort auf, wie unterschiedlich die Brüder an diese neue Sportart herangingen. Vor seiner ersten langen Abfahrt ging Harry oben auf dem Hügel in die Hocke, presste die Arme an den Körper und stieß sich mit melodramatischer Geste ab. Er sauste den Hügel bei maximalem Tempo in einer geraden Linie herunter und stieß dabei ein Kriegsgeheul aus. Er wirkte begeistert und lachte laut auf, als er den Fuß des Hügels erreichte.

William indes blieb, wo er war, ohne sich zu bewegen. Wenn ich hätte raten müssen, ich hätte gesagt, dass er weinte. Nach einem Moment mit seinem Lehrer fuhr er vorsichtig etwa den halben Hügel hinunter und kam dann sanft zum Stehen, während Harry schon wieder auf dem Weg nach oben war. Ich denke, ich wurde Zeuge einer faszinierenden charakterlichen Ungleichheit zwischen den beiden Prinzen – einer Ungleichheit, die sich in ihrem Erwachsenenleben wiederholt zeigen sollte.“

Im Wasser war Harry ebenso furchtlos. Mit acht Jahren segelte er mit seiner Mutter und William auf der Jacht eines Freundes in der Ägäis. Eines Tages tauchte er vom Heck aus über neun Meter in die Tiefe und brüllte vor Lachen, als er wieder auftauchte.

Beide Jungen gingen während ihrer Aufenthalte in Balmoral auch gern mit ihrem Vater auf die Jagd, anfangs imitierten sie ihn noch mit Spielzeugwaffen. Diana lehnte die Jagd strikt ab und war dagegen, dass Charles die Kinder mit auf die Fuchsjagd nahm, aber er setzte sich darüber hinweg, vielleicht weil er sah, dass seine Söhne großes Vergnügen daran hatten. Er machte jedoch einen kleinen Kompromiss und nahm Harry eher zur Hasenhetze mit statt zur Fuchsjagd. Diana fand das genauso schlimm, denn auch bei der Hetzjagd werden Tiere getötet.

1992 war ein hartes Jahr für die königliche Familie. Die Queen nannte es im November in einer Rede anlässlich ihres 40. Thronjubiläums ihr „Annus horribilis“. Am 19. März wurde bekanntgegeben, dass der Duke und die Duchess of York sich getrennt hatten und die Scheidung einreichen würden. Kurz darauf folgte die Nachricht, dass Dianas Vater, Earl Spencer, mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus lag. Obwohl der Earl herzkrank war, hielt man seinen Zustand nicht für allzu kritisch, sodass die Prinzessin einen weiteren Skiurlaub in Lech plante. Am Mittwoch, dem 25. März, einen Tag vor ihrer Abreise nach Österreich, besuchte sie ihren Vater im Krankenhaus, um sich zu vergewissern, dass sie ihn dort zurücklassen konnte. Der Prinz von Wales schloss sich Diana und ihren Söhnen an, als ein Versuch des familiären Beisammenseins in ihrer zunehmend unterkühlten Ehe. Die Prinzessin hatte auch einige Freunde der Prinzen eingeladen – den achtjährigen Harry Soames, den siebenjährigen George Grumbar und die Cousine der Prinzen, die elfjährige Laura Fellowes, Tochter von Dianas Schwester Jane. Auch Charles’ Cousin Viscount Linley war mit von der Partie.

Der Urlaub begann vielversprechend, die Prinzen hatten große Freude am Skifahren und Rodeln. Diana rief jeden Tag im Krankenhaus an. Es hieß, ihrem Vater gehe es gut und er erfreue sich an Englands Erfolgen im Cricket World Cup. Drei Tage nach Urlaubsbeginn zeigte sich Diana in bester Stimmung und bot Reportern sogar lachend an, sie huckepack den Berg mit hinunterzunehmen. Zusammen mit Charles, William und Harry aß sie in einer Berghütte zu Mittag, Schneeböen und beißende Kälte konnten sie nicht schrecken. Anschließend zog sie sich auf ihr Zimmer im Hotel Arlberg zurück und erschien kurz darauf in einem weißen Frottee-Bademantel und mit nassem Haar auf dem Balkon. Sie schaute gerade zu, wie William und Harry sich mit ihrem Vater und Freunden eine Schneeballschlacht lieferten, als das Telefon klingelte. Sie nahm das Telefonat entgegen, trat dann wieder ans Fenster und bat die Fotografen wegzugehen. Ein Palastsprecher informierte die Presse, dass Diana eben die Nachricht vom Tod ihres Vaters erhalten hatte. Earl Spencer hatte um 14 Uhr einen Herzinfarkt erlitten. Er starb beinahe unmittelbar darauf, dem Krankenhaus zufolge war es ein friedlicher Tod. Er starb allein. Charles überbrachte die Nachricht seinen Söhnen, die ihren Großvater beide sehr mochten. Nach ein paar Minuten Stille fragte Harry: „Heißt das, wir dürfen heute nicht Ski fahren?“

Diana zog sich für mehrere Stunden zurück. Charles war bei ihr, doch es ist fraglich, wie viel Trost er ihr an diesem Punkt in ihrer Ehe noch spenden konnte. Sie wollte umgehend nach Hause zurückkehren, aber weil kein Flugzeug verfügbar war, musste sie bis zum nächsten Morgen warten. Sie waren sich einig, den jungen Prinzen das Trauma der Beerdigung ersparen zu wollen, und ließen sie mit ihrer Nanny Jessie Webb am Urlaubsort zurück.

Im August 1992 erschien Andrew Mortons explosive Biografie Diana: Ihre wahre Geschichte. Damals war nicht bekannt, dass Morton Dianas Einverständnis und ihre eigenen Aussagen verwendet hatte. Das Buch berichtete von Seitensprüngen, autoaggressivem Verhalten und Essstörungen und wurde auf Anhieb zu einem Beststeller, der jegliche Illusionen über die Ehe von Charles und Diana zerstörte. Der Erscheinungstermin lag mitten in den Schulferien, und es muss William beschämt haben, dass seine Klassenkameraden und Lehrer nun so viele persönliche Informationen über ihn erhielten. Kein Wunder, dass der Zehnjährige ein sehr verschlossener Junge wurde.

Zwar kam Harry oberflächlich betrachtet besser damit zurecht, doch muss das Buch auch ihn mit Furcht davor erfüllt haben, seine neuen Mitschüler zu treffen. In dem Maße, wie es Charles’ und Dianas öffentliche Fassade zerstörte, offenbarte das Buch auch Dianas mangelndes Urteilsvermögen und vielleicht auch psychische Erkrankung, denn es liegt außerhalb jeglicher Vorstellungskraft, dass dies die bewusste Handlung einer Mutter gewesen sein kann, die ihre Kinder über alles liebte.


Harrys erstes Schuljahr in Ludgrove begann am 7. September 1992. Er reiste mit seinen Koffern und Truhen sowie zwei Leibwächtern an. Das Zimmer teilte er sich mit vier anderen Jungen. Der Raum mit den eisernen Bettgestellen und dem Linoleumboden war kleiner als die Bedienstetenzimmer im Buckingham Palace. Die Jungen durften die Wände mit Postern von Popstars, Autos und Flugzeugen dekorieren. Adelstitel wurden an der Schule ignoriert, aber Harrys königlicher Status führte dazu, dass er beim Vornamen genannt wurde und nicht beim Nachnamen wie die anderen Jungen. Neuankömmlinge bekamen den Spitznamen „Stöpsel“ verpasst. Seine Schuluniform bestand aus blauen oder grauen Cordhosen, blauem Hemd und blauem Pullover mit V-Ausschnitt.

Die Zöglinge wurden um 7.15 Uhr geweckt. Anschließend ging es zum Waschen und Zähneputzen ins Gemeinschaftsbadezimmer. Im eichengetäfelten, mit den Namen ehemaliger Schüler geschmückten Speisesaal wurde zunächst gebetet. Der Unterricht begann für die 14 Jungen aus Harrys Klasse unmittelbar nach dem Frühstück. Ein brandneuer, 53 Hektar großer und 500 000 Pfund teurer Sportkomplex war jüngst eröffnet worden. Harry hatte die Wahl zwischen Fechten, Schwimmen, Reiten, Tischtennis, Fußball und Tontaubenschießen, und es gab sogar einen Golfplatz mit neun Löchern. Um 12.20 Uhr wurde zum Mittagessen geläutet, und die etwa 180 Schüler machten sich zum Speisesaal auf. Sie mussten jeden Tag eine Portion Obst essen. Süßigkeiten waren nur dreimal die Woche erlaubt. Harry durfte jedoch seine Mutter bitten, ihm Kuchen zu schicken. Das Abendessen wurde um 17.20 Uhr serviert. Am frühen Abend und am Wochenende durften die Jungen ausgewählte Fernsehsendungen schauen. Die australische Seifenoper Neighbours mit Kylie Minogue war erlaubt, die etwas gewagtere BBC-Serie EastEnders jedoch nicht. Die Jüngeren mussten um 18.30 Uhr ins Bett und sollten noch lesen, bevor um 20 Uhr das Licht ausgemacht wurde.

Harry durfte einmal wöchentlich seine Mutter anrufen und dreimal pro Trimester über das Wochenende nach Hause fahren. Das Taschengeld war auf 5 Pfund pro Trimester beschränkt. Die Schule war für ihre Disziplin bekannt, aber es gab keine körperliche Züchtigung. Schlechtes Benehmen oder Fehlverhalten wurde mit Hausarrest am Wochenende, früherem Zubettgehen oder Süßigkeitenverbot geahndet. Für Diana war es schwierig, dass sie weder jeden Tag mit Harry sprechen noch ihn umarmen oder abends ins Bett bringen konnte.

Er war erst einige Wochen auf dem Internat, als man ihm den Besuch seiner Mutter ankündigte. Dass dies eher ungewöhnlich war, wurde Harry und William spätestens dann klar, als sie von einem Lehrer in einen Privatraum geleitet wurden, um dort auf Diana zu warten. Mit einer Stimme, die kaum lauter war als ein Flüstern, den Blick zu Boden gerichtet, um ihnen nicht ins Gesicht sehen zu müssen, sagte sie ihnen, der Premierminister John Major werde am folgenden Tag im Parlament bekannt geben, dass sie und ihr Vater sich trennen und nicht mehr zusammenleben würden. William brach in Tränen aus, und Harrys spontaner Kommentar „Ich hoffe, ihr werdet nun beide glücklicher sein“ zeigte, wie einfühlsam er war. Er fragte auch, ob er irgendetwas tun könne, um Mummy und Daddy wieder glücklich zu machen.

Harrys scheinbare Fähigkeit, mit allem zurechtzukommen, sein entspannter Umgang mit anderen Menschen und sein genereller Elan brachten Diana auf den Gedanken, er sei besser für die Rolle als König geeignet als William. Sie nannte ihn in Anlehnung an ein beliebtes Weihnachtslied sogar „Good King Harry“. Chris Hutchins Buch Harry: The People’s Prince zufolge hörte ein Passagier auf einem Flug mit Diana und Harry einmal mit, wie sie ihn fragte, was er tun würde, sollte er Williams Platz einnehmen und König werden. Offenbar dachte Harry ein paar Sekunden nach und antwortete dann: „Ich werde König Harry sein. Ich werde die ganze Arbeit machen.“ Zu William hatte Diana weniger Zutrauen. „William will nicht König werden, und das macht mir Sorgen. Er will nicht, dass jeder seiner Schritte überwacht wird.“ Tatsächlich hatten beide Jungen seelischen Schaden genommen, aber sie gingen unterschiedlich mit der Trennung um.

Unglücklicherweise hatte die Nanny der Prinzen, Jessie Webb, nach fünf Jahren gerade ihren Dienst quittiert. Ihr Umgang mit den Kindern war von großer Selbstverständlichkeit geprägt, sie war der Meinung, dass sie wie gewöhnliche Jungen behandelt werden sollten und nicht wie verwöhnte Prinzen, und die beiden gewannen sie sehr lieb. (Als Prinz George noch ein Baby war, bat William Jessie Webb, aus dem Ruhestand zurückzukehren, um seine Familie in Teilzeit zu unterstützen.) Sie achtete auch darauf, die beiden aus dem Schussfeld zu nehmen, wenn die Feindseligkeiten zwischen ihren Eltern überhand nahmen. Sie versuchte, sie abzulenken, besonders wenn ihre Mutter weinte. Da die Jungen eine enge Bindung zu ihr entwickelten, wurde sie beinahe unvermeidlich Opfer von Dianas Eifersucht. Diana sprach nicht mehr mit ihr, und es wurde vereinbart, dass die Nanny die Familie verlassen sollte, sobald Harry auf das Internat ging. Und dieser Zeitpunkt fiel nun einmal mit der Verkündung von Dianas und Charles’ Trennung zusammen. Die beiden Jungen müssen sich vollkommen verlassen gefühlt haben. Es ist nicht nur schwierig für Kinder, mit diesem Gefühl umzugehen, sondern in späteren Jahren haben sie es aufgrund solcher Erfahrungen mitunter schwer, Vertrauen zu einem Partner aufzubauen.

Nach Jessies Weggang übernahm Hauptnanny Olga Powell das Kommando. Am Tag, als Harry von der Trennung seiner Eltern erfuhr, schrieb er ihr einen Brief. Mrs. Powell, von Harry „Granny Nanny“ genannt, war nicht nah am Wasser gebaut, aber sie sagte, nach der Lektüre dieses Briefes habe sie den ganzen Tag geweint.

Am 9. Dezember 1992, dem Tag nach Dianas Besuch bei ihren Söhnen, hörten sich beide im Arbeitszimmer ihres Schulleiters Gerald Barber an, wie John Major vor dem Unterhaus die offizielle Trennung ihrer Eltern verkündete: „Buckingham Palace gibt bekannt, dass der Prinz und die Prinzessin von Wales mit großem Bedauern beschlossen haben, sich zu trennen. Ihre Königlichen Hoheiten haben nicht die Absicht, sich scheiden zu lassen, und ihr konstitutioneller Rang bleibt davon unberührt. Die Entscheidung wurde im gegenseitigen Einvernehmen getroffen, und sie werden sich beide weiterhin vollumfänglich an der Erziehung ihrer Söhne beteiligen.“ Sich eine solche Kundgebung anzuhören, ohne dass ein Elternteil ihnen dabei den Rücken gestärkt oder sie in den Arm genommen hätte, muss eine unvorstellbare Belastung für William und Harry gewesen sein, zumal sie gegenüber ihrem Schulleiter Haltung bewahren mussten.

Harry rief seine Mutter drei Tage später an und bat sie, zum Nachmittagstee in die Schule zu kommen. Während ihres Besuchs unterhielt sie sich mit den Lehrern darüber, wie ihre Söhne zurechtkamen. Ihr wurde berichtet, dass Harry sich zwar anfänglich gut gemacht habe, mittlerweile aber nur noch wenig bis gar kein Interesse an den meisten Fächern zeige, zweifellos ein Anzeichen dafür, dass seine problematische Kindheit ihren Tribut zu fordern begann.

Harry - Gespräche mit einem Prinzen

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