Читать книгу Gewaltkette - Anita Nair - Страница 2

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Dieser intensive Verbrechensroman eröffnet mir ein Stück ­Indien. Auf seiner alten Royal Enfield Bullet röhre ich mit ­Inspector Borei Gowda durch Oberschicht-Enklaven, Konsum­tempel im Schatten der Hightechwolkenkratzer, durch wimmelnde Großstadtgassen und ländlich-staubige Randbezirke: Bangalore, eine Metropole in stetem Umbruch. Es beginnt als klassische Mordermittlung, geleitet von Gowda, den seine Integrität zum Eigenbrötler und latenten Rebellen macht. Seine sarkastisch gefärbten Innenansichten zeigen die umfassende Korruption in Behörden und Machtzentralen ebenso beiläufig wie die hilflos-selbstgerechte Haltung des privilegierten Mittelstands. Und er ist bestrickend fehlbar, dieser wohlsituierte Kindskopf mit dem manchmal überscharfen Blick.

Kunstvoll verflochten mit der Ermittlergeschichte ziehen weitere Handlungsstränge auf. Anita Nair gelingen feinste Balanceakte zwischen Einfühlung und Nüchternheit, Ranzoomen und Abblenden, Fakten und Gefühlen. Sie erzählt sinnlich und empathisch, doch ohne Pathos und Klischee, sie navigiert fernab jedes Voyeurismus. Die aus der Innensicht gezeigten, krass verschiedenen Lebensrealitäten vermitteln das lebenssprühende, hochkomplexe Bild einer Gesellschaft voller Ethnien- und Kastenvorurteile, mit strikten Hierarchien, ganz eigenen Rassismen, zutiefst patriarchalen Normen und blühendem Raubtierkapitalismus: Indien heute an einem seiner dynamischsten Brennpunkte. Beim Lesen meine ich es vor mir zu sehen, zu riechen und zu schmecken. Ein Fenster zur Welt, eine packende Lektüre-Reise, die keine Abgründe ausspart, sondern sie sichtbar macht, ein Geschenk an uns alle von einer Schriftstellerin, die offenbar fühlt, was sie sieht. Auch das kann Kriminalliteratur auf der Höhe der Zeit. Else Laudan

Gewaltkette

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