Читать книгу DNA-Genealogie - ein praktischer Ratgeber - Anja Kirsten Klein - Страница 4

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3. Was habe ich davon einen DNA-Test zu machen?

Wenn Du anfängst, Dich mit der DNA-Genealogie zu beschäftigen, kann das ganze Thema wie ein undurchdringlicher Dschungel erscheinen. Und bevor Du Dich auf den Weg machst, stellst Du Dir sicherlich die Frage: Was bringt mir das eigentlich?

Darum geht es in diesem Kapitel. Du erfährst, was für Testergebnisse Du erwarten kannst. Und was für Möglichkeiten sich Dir durch die DNA-Genealogie eröffnen und welche Bedenken und Risiken zu beachten sind.

3.1 Ergebnisse von DNA-Tests

Alle DNA-Tests der in diesem Ratgeber vorgestellten Anbieter liefern grundsätzlich zwei Arten von Ergebnissen:

 DNA-Matches

 Herkunftsschätzungen

3.1.1 DNA-Matches

Sogenannte DNA-Matches sind Personen, die sich in der Datenbank des Testanbieters befinden (durch eigene Tests dort oder durch das Hochladen von Rohdaten anderer Testanbieter) und mit der getesteten Person zu einem gewissen Anteil gemeinsame DNA teilen. Die Länge dieser identischen Abschnitte der DNA (DNA-Segmente) wird in der Maßeinheit Centimorgan (Abk. cM) angegeben.

Als Faustregel gilt dabei:

 Je größer die cM-Zahl, desto länger ist das gemeinsame Segment.

 Je länger die übereinstimmenden Abschnitte zweier oder mehrerer Testpersonen sind, desto weniger Generationen ist der gemeinsame Vorfahre (engl. Most Recent Common Ancestor, MRCA) bzw. das gemeinsame Vorfahrenpaar entfernt.

Anhand der cM kann der Verwandtschaftsgrad zwischen zwei Menschen geschätzt werden.

DNA-Matches stellen also Verbindungen zu Personen dar.


3.1.2 Herkunftsschätzungen

Die sogenannten Herkunftsschätzungen, auch Ethnizitätsschätzungen oder Abstammungsmix genannt, sind Prozentwerte, die die genetische Ähnlichkeit der Testperson im Vergleich zum Erbgut von Menschen bestimmter Regionen abbilden. Sie geben Hinweise auf die jüngere ethnische Herkunft.

Anhand zahlreicher sogenannter Referenzgruppen, die in ihrer genetischen Zusammensetzung typisch für bestimmte Regionen sind, werden diese Werte für jede getestete Person ermittelt.

Die Anzahl verschiedener Referenzgruppen sowie die Zusammensetzung der Referenzpopulationen sind von Anbieter zu Anbieter sehr unterschiedlich. Das liegt vor allem daran, daß die zugrundeliegenden Referenzpopulationen regional ganz unterschiedlich abgegrenzt und auch zahlenmäßig unterschiedlich groß sein können.

Sie werden durch fortschreitende Forschung außerdem kontinuierlich weiterentwickelt. So kann sich die Darstellung der Testergebnisse immer weiter verändern. Die Testergebnisse selbst verändern sich natürlich nicht.

Herkunftsschätzungen stellen also Verbindungen zu Orten dar.

Welche Anteile der einzelnen ethnischen Gruppen von der mütterlichen oder väterlichen Seite kommen und aus welchen Generationen diese stammen, kann dabei nicht bestimmt werden.

Und bitte denk immer daran:

Herkunftsschätzungen sind Schätzungen.

Bitte nimm sie nicht für bare Münze, sondern betrachte sie als Annäherung an die Realität mit groben Richtwerten.


3.2 Ziele und Chancen

Nun, wo wir uns angeschaut haben, welche Arten von Erkenntnissen Dir genealogische DNA-Tests überhaupt liefern können, stellt sich die Frage: Was willst Du eigentlich erreichen? Welches Ziel verfolgst Du damit, einen DNA-Test zu machen?

Ganz allgemein lassen sich fünf zentrale Anwendungsmöglichkeiten für Deine Familiengeschichtsforschung identifizieren:

1 Direkte Vorfahren: Papierforschung verifizieren und "Tote Punkte" überwinden

2 (Entfernte) Verwandte entdecken

3 Leibliche Eltern und weitere Verwandte identifizieren

4 Herkunftsschätzungen

5 Medizinische Auswertungen

3.2.1 Direkte Vorfahren: Papierforschung verifizieren und "Tote Punkte" überwinden

Mit "Papierforschung" ist die traditionelle Ahnenforschung gemeint, also das, was Du bisher auf der Grundlage schriftlicher und mündlicher Quellen gemacht hast. Sozusagen mit Papieren als Quelle.

Dieses Ziel ist vermutlich für die meisten Ahnenforscher das wichtigste. Denn hier geht es zunächst darum, mit Hilfe der Quelle DNA Deine direkten Vorfahrenlinien zu bestätigen. (Oder natürlich auch unerwartet zu widerlegen, wenn die DNA eine andere Sprache spricht als die herkömmlichen überlieferten Quellen. Doch dazu mehr im folgenden Abschnitt.)

Daß Du in jeder früheren Generation ein Vorfahrenpaar hast, steht definitiv fest :-)

Je nachdem, wie weit Du mit Deiner genealogischen Forschung bisher gekommen bist: Es geht darum, mit Hilfe der DNA bisher identifizierte Ahnen zu verifizieren sowie weitere zu finden und zu belegen.

Die Primärquelle DNA hilft Dir also in diesem Fall zum einen beim Auffinden früherer Vorfahren, nach denen Du einfach noch nicht geforscht hast. Zum anderen hilft sie Dir bei kniffligen Fällen, bei denen Du anderweitig noch nicht weitergekommen bist - die berüchtigten "Toten Punkte" (englisch: "brickwalls").

Letztere ergeben sich z.B., wenn die Quellenlage - aus welchen Gründen auch immer - dünn ist. Das ist leider so, wenn Personen nicht erfaßt wurden (z.B. bei einer unehelichen Geburt der Vater nicht angegeben wurde), Quellen nicht zugänglich sind oder gar vernichtet wurden.

Mit DNA-Genealogie kannst Du also:

 die Identität von Vorfahren und die genealogische Verwandtschaft zu ihnen verifizieren

 Tote Punkte überwinden

Beispiele für Forschungsfragen, die sich in diesem Zusammenhang beantworten lassen:

 Wer von zwei Brüdern ist der Vater?

 Wer war die Mutter von Urgroßmutter Hedwig?

 Stammen alle Träger eines Familiennamens wirklich aus derselben Familie, von demselben Stammvater ab?

3.2.2 (Entfernte) Verwandte entdecken

Eine weitere tolle Möglichkeit, die Dir die Quelle DNA eröffnet, ist das Entdecken von weiteren, meist recht weit entfernten Verwandten. Dazu gehören z.B. Geschwister Deiner Vorfahren und Cousins und Cousinen aus diesen Seitenzweigen.

Vielleicht hast Du von ihnen schon einmal in grauer Vorzeit gehört. Vielleicht waren sie Dir bisher gänzlich unbekannt. Oder ihr habt Euch aus den Augen verloren. Ein DNA-Test bietet die Möglichkeit, über das DNA-Matching eine Verbindung herzustellen.

Mit DNA-Genealogie kannst Du also:

 Dir vorher völlig unbekannte Verwandte entdecken

Beispiele für Forschungsfragen, die sich in diesem Zusammenhang beantworten lassen:

 Hatte Uroma Wilhelmine eigentlich Geschwister?

 Habe ich Verwandte in den USA?

 Was ist bloß aus Großcousin Hans geworden, der nach Brasilien ausgewandert ist?

3.2.3 Leibliche Eltern(teile) finden

Dieses Ziel ist ganz besonders für Menschen interessant, die zur Adoption freigegeben wurden, oder bei denen ein Elternteil - meist der Vater - unbekannt ist.

Auch in Fällen, wo die Vaterschaft eines anderen Mannes vermutet wird, kann ein genealogischer DNA-Test hilfreich sein, um den potentiellen leiblichen Vater zu bestätigen oder überhaupt erst zu finden.

Adoptierte haben mit der DNA als Quelle völlig neue Möglichkeiten, ihre Eltern und natürlich auch mögliche bisher unbekannte Geschwister und andere Verwandte aufzuspüren. Diese Möglichkeit kann ihnen die reine Papierforschung z.B. wegen fehlender Informationen oft gar nicht bieten.

Dadurch, daß DNA-Ergebnisse in vielen verschiedenen Datenbanken für das

Matching genutzt werden können, bieten sich große Chancen - und das weltweit.

Mit DNA-Genealogie kannst Du also:

 Auch ohne andere Quellen leibliche Eltern und andere Verwandte finden

 Gewißheit zur Vaterschaft bekommen

Beispiele für Forschungsfragen, die sich in diesem Zusammenhang beantworten lassen:

 Wer sind meine Eltern?

 Ist Hans Meier wirklich mein Vater?

 Ich bin aus einer Samenspende entstanden, wer ist mein Vater?

 Habe ich vielleicht sogar (Halb-)Geschwister, von denen ich nichts weiß?

3.2.4 Herkunftsschätzungen

DNA-Tests werden im Fernsehen und in anderen Medien gern plakativ mit den Herkunftsschätzungen beworben, z.B. mit solchen Aussagen wie "Du bist zu 14% Engländerin". Das mag für viele der erste Anreiz sein, einen DNA-Test zu machen.

Doch die Ergebnisse zur ethnischen Herkunft sollten für ernsthafte Ahnenforscher eher Mittel zum Zweck und nicht Hauptzweck für einen Test sein.

Im Zusammenspiel mit dem DNA-Matching bieten Dir die Zahlen zur ethnisch-regionalen Herkunft aber natürlich spannende Erkenntnisse. Diese können nämlich dazu beitragen, die Papierforschung zu untermauern oder Hinweise auf bisher noch nicht bedachte Forschungsregionen geben.

Mit DNA-Genealogie kannst Du also:

 Die ethnische Herkunft herausfinden

 Vermutete Herkunftsregionen von Vorfahrenzweigen untermauern

Beispiele für Forschungsfragen, die sich in diesem Zusammenhang beantworten lassen:

 Eine Familienlegende bei uns besagt, daß der Urgroßvater aus dem Kaukasus kommen soll. Kann das sein?

 Stammt der Familienzweig Lindenau wirklich aus Ostpreußen?

3.2.5 Medizinische Zwecke

Dieser Bereich ist stark im Kommen, soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter thematisiert werden.

Durch eine entsprechende Gesetzgebung sind solche medizinischen DNA-Tests, wie sie inzwischen auch im Zusammenhang mit der Genealogie angeboten werden, nämlich in einigen europäischen Ländern verboten. Dies betrifft den deutschsprachigen Raum (Deutschland, Österreich, Schweiz) sowie Frankreich.

3.3 Bedenken und Risiken

Ob DNA-Genealogie das richtige für Dich ist, kannst nur Du entscheiden. Die Entscheidung dafür oder dagegen kann Dir niemand abnehmen.

Wichtig ist, daß Du Dich gut informierst, mit Bedenken und potentiellen Risiken beschäftigst und diese stets im Hinterkopf behältst.

Folgende Aspekte solltest Du in diesem Zusammenhang genau beleuchten:

 Datenschutz

 Unerwartete Ergebnisse

 Zukünftige Entwicklungen

3.3.1 Datenschutz

Ein wichtiges Thema ist der Datenschutz. Da es sich bei DNA-Daten um äußerst sensible persönliche Daten handelt, ist es richtig und wichtig, sich als zukünftige DNA-Tester gründlich damit zu beschäftigen. Bis auf Living DNA ist außerdem keiner der gängigsten und in diesem Ratgeber vorgestellten fünf Anbieter in Europa bzw. in der EU ansässig. Das macht das ganze Thema noch etwas komplexer. Bei einigen Anbietern sind Informationen auch nur in englischer Sprache verfügbar.

Grundsätzlicher Standard beim Umgang der Testunternehmen mit Deinen bei ihnen gespeicherten Daten ist, daß alle personenbezogenen Metadaten und Deine DNA-Daten soweit wie möglich voneinander getrennt behandelt werden. So werden die zu analysierenden Proben im Labor mit einer Nummer anonymisiert und erst später wieder auf der Online-Plattform des Anbieters zusammengeführt.

Ein weiteres wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist die Nutzung der DNA-Daten für andere als genealogische Zwecke. Du hast dabei die Möglichkeit, Deine Zustimmung z.B. zu Forschungsprojekten des Anbieters zu geben oder auch nicht.

In der letzten Zeit ist auch die Nutzung der DNA-Daten von Ermittlungsbehörden im Kontext der Aufklärung von Mordfällen und anderen schweren Verbrechen in den USA in den Fokus gekommen.

Wir als Nutzer und Testpersonen haben jedoch kaum eine andere Möglichkeit, als uns letztlich auf die eigenen Aussagen der Testunternehmen zu ihrem Umgang mit unseren Daten zu verlassen und selbst eine Entscheidung für oder wider zu treffen.

Dafür solltest Du folgendes tun, bevor Du einen DNA-Test machen läßt:

Lies Dir alle Unterlagen der Testanbieter genau und kritisch durch:

die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB, engl. Terms of Service)

die Datenschutzbestimmungen (engl. Data Policy)

und sämtliche weiteren Hinweise zum Umgang mit Deinen Daten

In den Kapiteln zu den einzelnen Anbietern findest Du jeweils einen Abschnitt mit Links zu den von den Anbietern selbst bereitgestellten Informationen zum Datenschutz.

Nutze ggfs. Übersetzungsprogramme und Wörterbücher, wenn Du in englischen Texten nicht alles verstehst

Wenn Du etwas nicht verstehst, frage nach

Das kannst Du direkt beim jeweiligen Anbieter tun oder einem der deutschsprachigen Foren zur DNA-Genealogie (siehe Weiterführende Informationsquellen)

Beschäftige Dich gründlich mit allen Einstellungsoptionen der Plattformen

Auf jeden Fall solltest Du immer darauf achten, ob es für bestimmte weitere Nutzungen der DNA-Daten eine Widerspruchsmöglichkeit ("Opt-out") bzw. eine Zustimmungsmöglichkeit ("Opt-in") gibt. Das betrifft z.B. eine anonymisierte Auswertung Deiner Daten für Forschungszwecke.

3.3.2 Unerwartete Ergebnisse

Ein oft unterschätztes und vorher nicht wirklich bedachtes Thema sind unerwartete Ergebnisse von DNA-Tests. Diese können die Testperson selbst (den Probanden), aber natürlich auch alle verwandten Personen direkt und indirekt betreffen.

Ein solch unerwartetes oder sogar schockierendes Resultat kann z.B. der Nachweis "schwarz auf weiß" sein, daß eine Person nicht der ursprünglich angenommene biologische Elternteil ist.

Weniger gravierend – aber dennoch in vielen Fällen äußerst ärgerlich – kann die Erkenntnis sein, daß Du womöglich die "falsche" Vorfahrenlinie erforscht hast - weil ein Vorfahr durch außereheliche Verhältnisse, Adoption o.ä. doch nicht blutsverwandt ist.

Natürlich können auch Herkunftsschätzungen ziemlich unerwartet kommen.

Wichtig

Kläre unbedingt vorher für Dich selbst und mit allen zu testenden Personen und anderen potentiell Betroffenen, wie im Fall der Fälle mit solch einem unerwarteten Ergebnis umgegangen werden soll.

Daß solche Ergebnisse immer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten können - das solltest Du stets im Hinterkopf haben.

3.3.3 Zukünftige Entwicklungen

Die DNA-Genealogie entwickelt sich kontinuierlich weiter – so wie sich Wissenschaft und Forschung in immer kürzeren Zyklen weiterentwickeln.

Damit einhergehend verändern sich auch die Möglichkeiten für uns Ahnenforscher, z.B. im Hinblick auf neue Methoden der Auswertung unserer DNA in den Laboren oder die Werkzeuge, die wir selbst nutzen können.

Vieles was vor einigen Jahren noch undenkbar war, kann heute von jedermann genutzt werden. Und was wir in einigen Jahren für Möglichkeiten haben werden, können wir heute auch nur ahnen.

Und auch nur einen Tag später kann alles ganz anders sein. Dann, wenn sich in der Zwischenzeit weitere Personen haben testen lassen und Du plötzlich DEN Treffer in der Matching-Datenbank findest.

DNA-Genealogie - ein praktischer Ratgeber

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