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Was wird benötigt?
ОглавлениеIn fast jedem Stall gibt es eine Stallapothekenkiste oder einen Erste-Hilfe-Schrank. Leider enthält dieser häufig nur eine Sammlung von ange-brochenen und/oder abgelaufenen Salbenresten, ausgelaufenen Augensalben und Verbandsresten.
Disziplinieren Sie sich im notfallfreien Alltag und legen Sie eine brauchbare Stallapotheke an. Wenn Sie etwas entnehmen, ersetzen Sie es unmittelbar. Kontrollieren Sie den Inhalt und die Verwendbarkeit der Arzneien regelmäßig. Die Stall-apotheke dient allen und soll für alle zugänglich sein – eben nicht im abgeschlossenen Schrank oder beim Pferdehalter zu Hause. Zusätzlich hat es sich bewährt, ein kleines Notfallpäckchen für unterwegs anzulegen, damit man auch beim Turnier oder auf dem Wanderritt das Nötigste dabeihaben kann, ohne die allgemeine Apotheke plündern zu müssen. In größeren Ställen ist es sinnvoll, einen verantwortlichen Menschen zu benennen, der sich um die Instandhaltung kümmert, den Bestand regelmäßig überprüft und notwendigen Austausch vornimmt.
Was die Stallapotheke enthalten sollte:
+ sterile Wundauflagen (am besten nicht haftende)
+ Polstermaterial: Watte, Synthetikwatte (zum Beispiel Rolta)oder Fertigverbände (zum Beispiel Equimoll)
+ selbsthaftende elastische Bandagen (zum Beispiel Alflex, Coflex, Vetrap)
+ Klebeband (zum Beispiel fünf Zentimeter breites Textilklebeband, Isolierband für Hufverbände)
+ Verbandsschere und gebogene Schere
+ desinfizierende Lösung (zum Beispiel Octenisept)
+ Wundsalbe zum Abdecken kleiner oberflächlicher Wunden
+ Fieberthermometer
Zusätzlich brauchbar können folgende Dinge sein:
+ Stethoskop (mit ein wenig Übung können Sie selbst Herz und Atmung abhören)
+ Oberlippenbremse (sehr selten als Überzeugungsinstrument und zu unserer Sicherheit einzusetzen, Anlegen auch mal üben, Anziehen aber nicht üben)
+ Seitenschneider (Wie sonst bekommt man die Beine aus dem Draht?)
+ Eisenabnahmewerkzeug (Abnehmezange und − komfortabel − Nagelziehzange)
+ saubere Tücher
+ sauberes Wasser
+ Seife
+ Sauerkraut (kein Scherz) im Glas, im Aufreißbeutel oder in der Dose
+ Heilerdepaste
+ Kühlgel
+ Notfalltropfen (Bachblüten Rescue)
+ Taschenlampe
+ Einmalhandschuhe
Stallapotheke: Mehr ist nicht notwendig. (Foto: Anke Rüsbüldt)
Ohnehin vorhanden sein sollten gute Stricke (keine Panikhaken, Führketten oder platte Nylonbänder) und feste, intakte und passende Halfter. Zum Befreien festliegender Pferde benötigt man manchmal zwei Longen.
Andere Medikamente, die von Anfang an sinnvoll sein könnten, kann man sich schon aus rechtlichen, aber auch finanziellen Gründen nicht alle im Schrank deponieren, um eine vollständige Apotheke anzulegen. Alles, was Sie zusätzlich zu der vorhandenen Stallapotheke benötigen, besorgen Sie sich im Einzelfall neu.
Beim Zusammenstellen und Erhalten einer funktionstüchtigen Stallapotheke hilft Ihnen sicher gern Ihr Tierarzt. Fallen Sie nicht auf Anbieter aus Internet und Postwurfsendungen herein, die Ihnen Medikamente zu günstigen Konditionen anbieten. Die verkaufen in der Regel nur rezeptfreie Arzneien, die Sie auch direkt erwerben können. Arzneien wie Wurmkuren und Impfstoffe, die ohne Zulassung aus dem europäischen Ausland hier angeboten werden, sind nicht geprüft. Möglicherweise kaufen Sie dort Attrappen.
Schnäppchen können Sie bei Futterzusätzen machen, wenn Sie diese in größeren Mengen einkaufen und wenn möglich direkt beim Hersteller bestellen. Verbandszeug ist meist auch günstiger, wenn Sie Packungen einkaufen statt einzelner Binden. Medikamente fallen in Deutschland unter eine Arzneimittelabgabepreisverordnung und unterscheiden sich dadurch bei unterschiedlichen Anbietern nur geringfügig. Medikamente, die etwas nützen, sind häufig verschreibungspflichtig. Sie erhalten sie bei Ihrem Tierarzt oder auf Rezept in der Apotheke.
Homöopathische Medikamente sollen auch nur nach einer Diagnose eingesetzt werden. Sie können sich aber gern Traumeel als Tabletten, Salbe und Spritzampullen anschaffen. Alle Verletzungen, Quetschungen und ähnliche Schäden lassen sich mit diesem Komplexpräparat positiv beeinflussen. Bei Pferden, die häufig Krampfkoliken haben oder Harnabsatzprobleme zeigen, kann man mit Nux vomica erfolgreich intervenieren. Besprechen Sie den Einsatz dieser Medikamente mit einem Tierheilpraktiker. Ein ganzes Arsenal von Naturmedizin anzulegen ist nicht sinnvoll, da viele der wirksamen Präparate leicht verderben und gegenüber Wärme und Licht empfindlich sind. In der akuten Notsituation benötigen Sie diese Präparate nicht. Wenn Sie sich später entscheiden, zusätzliche Medikamente einzusetzen, um den Krankheitsverlauf zu beeinflussen, können Sie diese innerhalb eines Tages in Ihrer Apotheke bekommen.
So nutzt das Vorhandensein von Hilfsmitteln nichts. (Foto: Anke Rüsbüldt)
Ein ebener und trockener, am besten noch beleuchtbarer Raum oder Platz erleichtert vieles. Wasserkocher oder Boiler erhöhen den Komfort und machen das Auflösen von Arzneien leichter. Die verwendeten Elektrogeräte und Steckdosen müssen intakt sein und regelmäßig überprüft werden. Auch in den pferdefreundlichen Haltungen, die ohne Einzelboxen auskommen, sollte eine Krankenbox vorhanden oder abtrennbar sein. Sichtkontakt zu den anderen Pferden ist dabei wünschenswert. Klären Sie untereinander Möglichkeiten ab, kranken Pferden Gesellschaft zu verschaffen. Zum Beispiel kann man verabreden, im Wechsel immer ein zweites Pferd mit im Stall zu lassen, wenn eines ruhiggestellt werden muss. Verabreden Sie das in einer Situation, wo nicht der eine in Not ist und als Bittsteller auftreten muss. Allgemeine Regeln dienen allen. Sie wissen ja nicht, wen es trifft.
Etwas Heu und nicht fressbare Einstreu (Späne, Hanf oder Torf) kann man gut vorrätig haben, denn sie sind zum Beispiel sonntags schlecht zu bekommen. Auch eine leichte Decke ist immer wieder hilfreich. Zudem sollte eine Transportmöglichkeit für verletzte und kranke Pferde vorhanden sein oder zumindest schnell geschaffen werden können. Absprache ist nötig. Viele Hänger am Stall nützen wenig, wenn diese abgeschlossen oder unterwegs sind, aus zwischenmenschlichen Erwägungen nicht verliehen werden können, keinen TÜV haben oder zu unsicher sind. Zudem benötigt man ein Zugfahrzeug und jemanden, der bereit und in der Lage ist zu fahren. Selbst ist man leicht zu nervös, wenn das eigene Pferd betroffen ist, oder man ist verletzt, wenn man mit seinem Pferd gemeinsam einen Unfall hatte. Das erste Mal mit Anhänger zu fahren, wenn man ein verletztes Pferd transportieren muss, ist auch nicht gut. Schaffen Sie sich einen Kontakt zu einem kommerziellen Transporteur und notieren Sie seine Handynummer. Machen Sie vorab einen Ausflug zu der Tierklinik, die für Sie infrage kommt. Sie kennen dann auch schon den Weg und wissen, was Sie erwartet.
Und wie bereits erwähnt, eine Möglichkeit zum Telefonieren sollte vorhanden sein. Wichtige Nummern notiert man am besten an zent-raler Stelle im Stall und speichert sie auch im Handy − unter Stress hat man vielleicht die Nummer der nächsten Tierklinik nicht mehr im Kopf. Die Anschrift des Stalls und die Nummer des für den Stall Verantwortlichen können Tierärzten und Feuerwehr das Auffinden erleichtern und sollten ebenfalls schnell verfügbar sein.
Zu jedem Pferd sollte eine Telefonnummer bekannt sein, unter der der Besitzer, die Reitbeteiligung oder sonst jemand Befugtes erreichbar ist. Sprechen Sie Horrormeldungen nie auf Band, bitten Sie lediglich um Rückruf. Ein dringendes, eiliges oder zittriges „Bitte, geh ran!“ macht eine ruhige und überlegte Reaktion des Angerufenen unmöglich. Dass jemand vom Stall anruft, erschreckt in aller Regel genug. Hinterlassen Sie Ihre Nummer. Hilfreich ist es, wenn über jedes Pferd Informationen über die letzte Tetanusimpfung, eventuelle Arzneimittelallergien und bevorzugte Tierärzte vorhanden sind.
Im Fall einer Kolik ist es gut, wenn man sich vorher Gedanken gemacht hat, ob das Pferd im Fall der Fälle in eine Klinik transportiert werden soll (und eventuell in welche) und ob man es operieren lassen will. Zu dieser Frage finden sich weitere Informationen im Kapitel „Kolik“.
Zu den eventuell benötigten Kliniken muss man dann auch zügig hinfinden. Deponieren Sie am besten eine Wegbeschreibung im Stall und speichern die Adresse auch möglichst in Ihrem Navigationsgerät. Die bekommen Sie in den meisten Kliniken sogar mit einem Straßenkartenauszug. Hinweisschilder zu Tierkliniken sind aufgrund der Wettbewerbsbeschränkungen leider nicht im erforderlichen Umfang erlaubt. Wenn Sie zu einer Tierklinik fahren, kündigen Sie Ihre vermutliche Ankunftszeit an.