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Oben, unten und all das Dazwischen – ein instinktives Vorwort

Wir kennen es alle – das berühmte Podest, auf dem jene platziert sind, die andere Menschen anweisen, lenken, motivieren und leiten. Je nach Lebensphase und -situation hat jeder von uns schon einmal emporgeblickt und sich – mehr oder minder bereitwillig – von jenen führen lassen, die »da oben« das Sagen hatten: Eltern, Lehrer, Vorgesetzte, Experten, Mentoren, Politiker, Vorbilder, Ikonen, Legenden. Und wir tun es noch immer – sogar dann, wenn wir in die berufliche Situation gekommen sind, selbst Führungsverantwortung inne zu haben.

Menschen blicken gerne empor – auch wenn viele insgeheim davon träumen, sich »von niemand mehr etwas sagen zu lassen« oder »ihr eigener Boss zu sein«. Und doch bleibt es bei vielen bei diesem Wunsch bzw. einem Platz in der zweiten Reihe oder einer Position fernab vom Scheinwerferlicht – und das ist gut so. Ein Stamm mit lauter Häuptlingen wäre nicht erfolgreich.

Das menschliche Zusammenleben und Zusammenarbeiten beruhte im Laufe der letzten Jahrtausende durchwegs auf klaren Hierarchiestrukturen. In diesem Gefüge haben Hunderte Generationen Erfahrungen gesammelt und wurden dabei von zahlreichen Gesetzmäßigkeiten geprägt. Unzählige Mythen und Heldenepen basieren auf starken Führungspersönlichkeiten, die inmitten von Widrigkeiten klaren Kopf bewahrt haben und mit Mut und Zielstrebigkeit den Weg zum Erfolg gesehen und beschritten haben. Gleichzeitig ist die Geschichte voll von Anführern, die tief gefallen sind. Es ist ein schmaler Grat zwischen dem Wunsch, endlich das Sagen zu haben, und dann aber auch der nötigen Größe, das nötige Wissen und den nötigen Mut zu haben, auch tatsächlich das Richtige zu sagen (und das Richtige zu tun).

Die Frage, wer das Zeug zur Führungspersönlichkeit hat, begleitet die Menschheit also durch ihre gesamte Geschichte – mit durchaus extremen und gegensätzlichen Versuchen einer Antwort und einer Erkenntnis: Bei all den vielschichtigen Situationen, Konstellationen, Gegebenheiten und wechselnden Entwicklungen benötigt eine glaubwürdige Führungspersönlichkeit das Gespür, in jeder Situation das Richtige für den Erfolg zu tun, und den Mut, auf dieses Bauchgefühl zu hören. Wir haben dieses Talent unter dem Begriff »Führungsinstinkt« zusammengefasst. Und wie Sie sich vorstellen können, liegen dahinter noch eine Reihe zahlloser weiterer Eigenschaften, Erfahrungen, Erkenntnisse und Ehrenrunden, die wir Ihnen auf den folgenden Seiten auf fundierte und unterhaltsame Art und Weise näherbringen möchten.

Mit einem Irrglauben wollen wir jedoch gleich zu Beginn aufräumen: Ein guter Instinkt ist keine gottgegebene Gabe, sondern will erarbeitet, geschärft und immer wieder unter Beweis gestellt werden. Wie man an vielen aktuellen Beispielen sieht, haben moderne Helden kein lebenslanges Monopol auf Status, Image und Erfolg mehr. Erfolgreich zu bleiben ist ein genauso großes Stück Arbeit wie erfolgreich zu werden. Das wird in der heutigen Zeit, in der Erfolg im Erreichen eines gewissen Status gesehen wird, oft vergessen. Gerade in puncto Glaubwürdigkeit, Auftreten und Charisma brauchen Führungskräfte heute nicht nur einen langen Atem, sondern auch eine klare Alternative zu heißer Luft – auch (oder besser gerade) weil die Hierarchiestrukturen immer flacher werden. Wer in dieser neuen Führungslandschaft nicht aus eigenem Antrieb Schwung generieren kann, rollt ziemlich schnell im Flachen aus.

Das Zeitalter der gefürchteten Bosse, die sich im argumentativen Notfall hinter ihrem Ruf als Choleriker verstecken können, nähert sich genauso dem Ende wie männerdominierte Machtstrukturen oder mit eiserner Hand geführte Regellabyrinthe. Dafür sorgen einerseits das Internet mit seiner Transparenz und andererseits die Generationen, die mit einem neuen Selbstverständnis für diese Freiheiten (und einer gewissen Immunität für konservative Belohnungsformen) aufwachsen. Klar ist: Auch diese Generationen wollen und müssen geführt werden – allerdings mit einem völlig neuen Ansatz, ohne Bluffs und doppelte Böden, besonders dann, wenn man inmitten eines gewaltigen Führungskräftemangels gute, fähige und selbstbewusste Menschen anlocken, motivieren und halten möchte.

Gut zu führen hat einen anderen Stellenwert bekommen. Während man früher beim Thema Menschenführung eher an Methoden, Tools und Ansätzen feilte, braucht es heute mehr denn je authentische und menschliche Qualitäten, die nicht so leicht in Seminaren und Workshops zu vermitteln sind. Es sind gereifte und reflektierte Persönlichkeiten gefragt, die die richtige Balance für Teams finden, die nicht mehr in erster Linie mithilfe von Disziplin, Funktionen und Checklisten funktionieren wollen, sondern mit Möglichkeiten, Vertrauen und Freiheiten. Es braucht Klarheit mit Fingerspitzengefühl, Nähe mit Respektabstand und Wertschätzung ohne Harmoniebedürfnis.

Das dafür nötige Führungs-Charisma eignet man sich nicht bedarfsweise über Nacht an – es ist das Ergebnis einer Reise mit sich selbst hin zu einer glaubwürdigen Unerschütterlichkeit, mit der man leistungsbereite (aber zunehmend leistungsdruckresistentere) Menschen ganz ohne doppelten Boden zu eigenen Erkenntnissen (und damit zu einem gemeinsamen Erfolg) führt.

Genau zu dieser Reise wollen wir Sie mit diesem Buch einladen – und das auf durchaus ungewöhnliche Art und Weise. Der Weg zu Ihrem persönlichen Führungsinstinkt führt nicht nur über Wissen, sondern auch über Erfühlen und Nachdenken. Aus diesem Grund bieten wir Ihnen mit kleinen Geschichten immer wieder einen alternativen Zugang zu gewissen Themen und Aspekten an.

Nehmen Sie die Führungs-Landkarte zur Hand und tauchen Sie dort ein, wo Sie gerade Impulse benötigen. Eine Reise muss nicht immer linear sein – vor allem nicht, wenn man sich dessen bewusst wird, dass Fortschritt, Entwicklung und Reifeprozesse üblicherweise in Kreisbewegungen ablaufen.

Und: So wie gute Führung niemals eine Einbahnstraße ist, soll auch dieses Buch keine einseitige Angelegenheit sein. Wir freuen uns, wenn Sie uns an Ihrem Weg als angehende oder erfahrene Führungskraft teilhaben lassen und uns Ihre persönlichen Erfahrungen, Erkenntnisse und Führungsinstinktsituationen zusenden. Schreiben Sie uns dazu an fuehrungsinstinkt@beekhuis.at. Wir sind gespannt darauf, an Ihrem Weg teilzuhaben!

Anke van Beekhuis & Marco Seltenreich

Wien im März 2020

Führungsinstinkt

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