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Bei Tagesanbruch, als Walter Littelwood beim Frühstück saß und lustlos seinen am Kohleherd warm gemachten Toast mit Orangengelee aß, und seinen Kaffee trank gestand er sich ein, dass es ihm an Mut fehlte, zu Archer zu gehen und ihm zu sagen, dass die Suche sinnlos sei. Selbst wenn er Neville fände, es gab nichts das er ihm anbieten könnte. Er konnte den Mann ja nicht zwingen, sich in Behandlung zu begeben. Dem Minister würde wahrscheinlich lang anhaltendes Leid erspart bleiben. Mesmatischer Magnetismus ein Salon Hokuspokus wie Séancen oder elektrische Vorführungen. Das Beste war Phineas Sohn sei tot oder bereits als John Smith in einer guten und sicheren Unterkunft für Geisteskranke untergebracht. Wer wusste, ob sich sein Zustand nicht mit klassischer Medizin im Irrenhaus besserte. Welches Nervenfieber mochte diesen Wandel in seinem Charakter nur bewirkt haben? Was war geschehen. Walter hatte ihm sein Wort gegeben und jetzt musste er, ob es kalt war oder nicht, sich auch überwinden und in diese Schlammtümpel der Verkommenheit den Docks von Limehouse und Spitalsfield eintauchen. Sein Bestes war zu tun, was auch immer bei der Suche nach Neville herauskam. Wo sollte er nur anfangen? Zu einer Zeit, als er ein Kraftstrotzendes vom Selbstbewusstsein seiner Klasse berstendes Ungetüm war, was jetzt schon gut zwanzig Jahre zurücklag, hatte er sich hemmungslos gehen lassen. Er hatte sich ganze Nächte um die Ohren geschlagen und anschließend seine Arbeit bei Scotland Yard gemacht. Er hatte Bier getrunken, hatte Opium geraucht hatte Mutwilligkeiten begangen. Er hatte das getan, was ihm gut gedünkt hatte, er hatte Damen gekannt, von denen die Spießbürger sich nicht einmal vorstellen konnten, dass es solche Akrobatinnen überhaupt gab. Gute Erinnerungen waren das Salz in der Suppe, im Alter speiste man köstlich von seinen Erinnerungen. Trotz einer Karriere, die ihn zu einem der gefragtesten Spezialermittler des Landes machte, hatte er sich seine Eigenheiten nie verbieten lassen. Seine Skandale umgaben ihn mit einem Nimbus des Geniehaften. Und nun noch, bevor er es selber wusste, war er alt geworden ein Gentleman, dem man seine Exzentrik verzieh. Ihm war klar was ihn bewegt hatte andauernd gegen die herrschenden Regeln zu verstoßen. Ihn trieb die Langeweile der Verdruss, aber was trieb einen Menschen aus bestem Stand, einem Menschen nicht des lasterlichen Leibes, sondern der Bildung in die Gassen des Vergessens. In die trügerische Freude des Lasters? Was Neville umtrieb, war es vielleicht ein Verlangen, sich selbst auszulöschen oder trieb ihn eine literarische Forschung zu den Menschen der untersten Klasse? Walter breitete die Liste vor sich auf den Küchentisch aus die ihm Phineas gegeben hatte. Es war die Liste der Örtlichkeiten, an denen man den jungen Mister Neville kannte. Wie Polizeispitzel von Scotland Yards Irland Abteilung herausgefunden hatte. Er brauchte jemanden der sich in den Stadtteilen der niedrigen Klasse auskannte, an wen konnte er sich wenden? Es ging ja nicht darum abends mit Freunden in die durchaus, respektable Commercialstreet in ein gewagtes Kabarett oder Varieté zu, gehen. Eigentlich fiel ihm nur Mister Saint James ein. Ein Zeitungsmann, der die besten Kontakte zu beiden Seiten des Gesetztes pflegte. So weit er sich erinnerte arbeitete er an einer Artikelserie über das Leben der unteren Klassen. Er war der Mann, den er brauchte und wenn er nicht weiterhelfen konnte, gab es immer noch seine Klienten die es mit den Gesetzen so genau, wie es Huren mit der Moral nahmen. Walter kleidete sich sorgfältig an und verließ das Haus. Leichtfüßig ging er die überfrorene morgendliche Straße entlang und erblickte entlanghuschende Dienstmägde, die gerade zum Markt aufbrachen. Er lief bis zum Kutschenstand und winkte eine Droschke heran. Bei seinem Einkommen und mit den Zuwendungen seines Vaters hätte er sich einen Kutscher und eine private Kutsche leisten können, aber bisher war ihm noch niemand begegnet an dem er nichts auszusetzen gehabt hätte. Seine Vorliebe galt den verkommenen Kreaturen der kriminellen Klasse, die erfolgreichen seine Klienten hatten, selber Kutscher und die Erfolglosen waren meistens dümmer als Bohnenstroh. Der Kutscher beugte sich hinab und nuschelte etwas das erst beim zweiten mal hinhören, als Frage wohin Sir, zu erkennen war. Walter kannte dieses Kauderwelsch. Cockney, der bunte für die Linguistik Bewanderten interessante Dialekt der Menschen aus dem Osten Londons. Es schien so als hätte jede Nation ihren Teil dazu beigetragen diese Sprache möglichst doppeldeutig zu, machen.

»Zur Christ Church Street Whitechapel bitte«, rief er dem Kutscher zu, kletterte in das Hansom Cab schlug die Plane herunter und machte es sich bequem. Die Fahrt im Dämmerlicht des trüben Dezembermorgens würde nicht allzu lange dauern, hoffte er, wenn nicht schon dichter Verkehr herrschte. Es war London die Beherrscherin der Welt mit dem höchsten Vorkommen an privaten und geweblichen Kutschen, Omnibussen, Karren, Bierwagen, Marktkarren.

»Ist es nicht ein Hundewetter nicht Sir? Hagelt geköpfte aber Christ Church Street ist mir recht, mein Herr«, sagte der Kutscher und trieb sein lustloses Pferd vorwärts. Von Tyburnia mit seinen Vorstadthäusern, in denen vor allem Juristen und Journalisten und Bankangestellte lebten, den Strand entlang und dann links in die Commercial Road. Die Gaslampen brannten gegen die Winterdämmerung an. In etwa einer Stunde würden die Laternenanzünder unterwegs sein und die Tausend Gasglühlampen abstellen. Die beiden Kutschräder klapperten auf dem holprigen Straßenpflaster und das zweisitzige Hansom Cab fuhr in einen Nebel aus Kohlenrauch aus hunderttausend Schornsteinen und eiskalten Regen. Walter hörte erstaunt das Zischen der Regentropfen auf den nassen eisglatten Pflastersteinen, er hatte an den Stock gedacht doch dafür den Schirm vergessen.

»Gesegnete Weihnachten London! Käse der beste Käse der Welt! Zwei Schilling der Leib!«, rief ein Straßenhändler. Seine laute Stimme übertönte die Flüche des morgendlichen Londons, in dem es nicht die kleinste Spur von Weihnachtsstimmung gab. Wer Weihnachtsstimmung zum Fest wollte, musste noch warten. Erst zwei Tage vor dem Fest entdeckten die Londoner ihre Liebe und Zuneigung zu ihren Mitbürgern, nicht vorher.

»Fahr schon, zu Kutscher!«, zischte Walter. Verfluchte Erziehung, er war Ermittler verdammt. Als Spitzel, Detektiv Schnüffler war er nicht besser als seine Klienten. Er war sogar moralisch dazu verpflichtet sein Wort zu, brechen und die Gerechtigkeit in die irrezuführen, um manchen guten Namen reinzuwaschen. Sie bogen nach links in die Aldgate High Street kurz vor dem Ziel ein ehemaliges Möbel Warenhaus an der St. Batholomews Church klopfte Walter mit dem Silberknauf seines Gehstocks gegen das Dach. Der Kutscher fuhr an den Straßenrand und entblößte sein ruiniertes Gebiss zu einem weihnachtlichen Abschiedsgruß.

»Vielen dank Kutscher. Ich werde den Rest des kurzen Weges laufen.«

»Sir«, sagte der Kutscher. »Gesegnete Weihnacht, Sir

Der Kutscher blinzelte in Richtung der Frauen, die wie Gänse vor der Kirche auf und ab gingen und auf Freier warteten. Die Prostituierten Kirche nannte man die Batholomews Church deshalb in der Gegend. Walter bezahlte den Kutscher und gab ihm ein Sixpence Trinkgeld. Er passierte die Straße zur Christ Church Row und ging voller Zweifel in die Gasse hinein. Es gab nur wenig Straßenleuchten, London war hier ausgesprochen schlecht beleuchtet. Am Ende ragte das rote Backstein Gebäude der ehemaligen Cohen Möbelfabrik hervor, er kannte seinen Weg von früher. Saint James war ein alter Freund, mit dem absonderlichen Glauben etwas Gutes für die Armen tun zu müssen. Und wenn er sich dazu wie ein Lump verkleiden musste, über seine Erlebnisse schrieb und hunderttausend Exemplare nur in London seiner moralischen Bücher verkaufte.

Mord zum Picknick

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