Читать книгу Die drei Sherlock's - Ann Bexhill - Страница 4
Peisleys Höllenhaus
Оглавление»Dickerchen kommt.« Birds Mundwinkel zuckten nach oben. Er deutete unauffällig zu dem roten Taxi, in dem Dickerchen saß und das auf den Parkplatz gerollt kam. Dann sprang Dickerchen aus dem Taxi und Calvin kicherte. Dickerchen trug einen schwarzen Anzug, schwarzes Hemd, schwarze auf Hochglanz polierte Lackschuhe und eine weiße Fliege. Auf seiner Nase saß eine Nickelbrille, seine Haare waren mit Frittierfett oder einer Flasche Schmiere nach hinten gegelt. Sein Kopf ähnelte einer Melone, der man eine uralte Perücke aufgesetzt hatte. In der Hand hielt er einen riesigen Koffer, der mit gelben Aufklebern von berühmten Hotels von überall auf der Welt zugepappt war. Sein Koffer sah wie die mit Werbung zugekleisterte Wand vor einer Konzerthalle aus.
»Schon gesehen«, sagte Bird schmunzelnd.
Calvin klappte seinen Regenschirm aus und nickte. »Sieh nicht hin sonst fängt er an zu grinsen und du bekommst einen Lachanfall.«
Bird sah schnell in die andere Richtung und schulterte seinen uralten Rucksack. »Hoffentlich spricht er nicht wieder wie ein alter Oberst aus dem Jahr 1910«, flüsterte er. »Oder ich bekomme einen Lachkrampf.«
Calvin Blackwell schüttelte unmerklich den Kopf. Dann ergriff er ebenfalls eine Sporttasche und wies auf eine Gruppe von Leuten, die sich auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte unter dem Sonnenschirm eines Imbissstandes versammelt hatten. Calvin grinste zu Bird. »Also lass uns rübergehen Bird. The show must go on!«
Während Dickerchen ein Stück an Bird und Calvin vorbeilief als kenne er sie nicht, aber dabei komisch mit den Augen zwinkerte, als hätte er Staub hineinbekommen, liefen Calvin und Bird über den betonierten Parkplatz. Wasserpfützen glänzten wie Öllachen und der schwarze Himmel wollte nicht aufklaren. Calvin beklagte sich.
»Regen seit gestern und der Himmel ist ganz bedrohlich, seit wir hier aus dem Auto von Dad gestiegen sind. Wenn das nicht ein Vorzeichen ist. Der Himmel ist schwarz, seitdem uns Dickerchen gestern von seinem Plan erzählt hat. Scheint, als ob das Wetter uns daran hindern will, bei dieser Show mitzumachen!«
»Kann sein«, beschied Bird mit einem kurzen Blick an den Himmel.
»Meinst du?«
Calvin war überrascht. Schließlich war Bird die Stimme der Vernunft, der jetzt sagen sollte, Blödsinn und ihm dann den Wasserkreislauf erklären sollte.
»Blödsinn das ist eine Tieffront aus Nordost«, sagte stattdessen Calvin und schaute grimmig in den dunklen Himmel. Ein Regenguss ging nieder und pladderte auf sie nieder. Dickerchen hatte seinen schwarzen Regenschirm ausgeklappt. Nun rannten sie alle zu dem Platz, an dem sich die Gruppe versammelt hatte. Und begrüßte einander.
»Guten Tag!«, sagte Bird.
»Tagchen!«, rief Calvin.
Ein Mann mit einem gepflegten Vollbart um die mitte dreißig, der einen dunkeln Mantel über seinem karierten Anzug trug, drehte sich zu den Neuankömmlingen um. »Primo ausgezeichnet! Ihr seit nach meinen Unterlagen demzufolge Bird Polenta der junge Mann mit den indianischen Wurzeln. Und Ihr junger Lebenspartner ist Calvin Blackwell der Balletttänzer der Royal Opera Sidney. Richtig so?«
Polenta dachte Bird, Dickerchen dachte immer irgendwie auch gleichzeitig ans Essen. Und was war das mit den indianischen Vorfahren?
»Exakt, Sir.«
»Schön schön. Wunderbar das ihr gekommen seid. Willkommen! Ich bin Jack Stempel von der Produktion und der Moderator aber das wissen Sie ja als Fans der Sendung ja.« Er gab jedem die Hand. Dann lächelte er. »Und das muss dann der junge Lord Stark sein, wenn sich mein Assistent nicht irrt«, er lachte, »und das tut er nie, er verlässt sich auf seine Computer!«
Alle drehten sich um und beobachteten Lord Starks Ankunft. Er knallte die Hacken zusammen und verneigte den Kopf. »Hallo alte Knaben!«, säuselte Dickerchen. Dann küsste er den Mädchen und der älteren Hausfrau die Hände.
»Jack Stempel der Moderator der Show!« Der Mann streckte Dickerchen die Hand entgegen. Einen Moment lang sah es so aus als wolle ihm Abel seinen Koffer in die Hand drücken. Dann lachte er über das verduzte Gesicht aller Anwesenden und alle lachten, bis auf einen abseitsstehenden finster dreischauenden Mann.
»Ja, ich bin Mister Stark.«
Stempel zwinkerte ihm beeindruckt zu. Bird dachte, wenn, man sich so einen Lord vorstellte, dann gäbe er den Lords keine Chance in England.
»Sind wir komplett?«, fragte Dickerchen.
»Nein wir warten noch auf den Catcher der Folge!«
Alle Kandidaten sahen verwirrt zu Mister Stempel. Jeder schien sich zu Fragen was ein Fänger in der Show zu suchen habe, es war ja schließlich keine Cricket Veranstaltung. Mister Stempel hob lachend die Hände.
»Oh ich vergaß ihr habt mit dem Showbiz ja bisher nichts am Hut. Der sogenannte Catcher ist ein Prominenter, der uns Medienrepräsentanz bringt und ...«
Dickerchen fiel ihm ins Wort. »Meistens ein abgehalfterter Sänger oder Schauspieler oder ein B Promi!«
Mister Stempel nickte. »Meistens schon ... aber nicht in diesem Fall.« Er grinste spitzbübisch. »Nicht in diesem Fall, es ist die einhundertste Sendung!« Er drehte sich zu dem düsteren Mann und sagte: »Darf ich Sie nun alle miteinander bekannt machen. Das ist Mister Joseph Dylan. Mister Dylan kommen Sie doch zu uns!«
Der dünne Mann mit stechend grauen Augen und silbergrauen Haaren, der vorgestellt wurde, nickte und trat einen Schritt zu der Gruppe zu. Er war groß kräftig und sein Alter war schwer zu schätzen. Er machte einen abweisenden Eindruck. Der Blick seiner Augen leuchtete aus seinen im Schatten liegendem Gesicht. Er hielt die The Daily Telegraph Tageszeitung in der Hand und las. Er trug unauffällige aber teure Kleidung und an seinem Ringfinger steckte ein goldener Ehering.
Stempel nickte nun auf ein älteres Paar links von Dylan. Er trug einen blauen Anzug mit goldfarbenen Manschettenknöpfen und seine Frau einen blauen Mantel und einen Damenfilzhut auf dem Kopf.
»Das sind Mr Iggy und Mrs Penny Petersen.«
»Die größten Fans der Show«, sagte sie kichernd. »Wir haben keine einzige Folge verpasst!« Mrs. Petersen lachte.
»Hm stimmt nicht ganz Darling, Folge dreizehn!«, nuschelte Iggy Petersen in seinen grau melierten Schnurrbart. »Ging nicht mussten ins Krankenhaus, Elvira hat entbunden, aber wir haben die Folge selbstverständlich aufgezeichnet?«
»Herzlichen Glückwunsch dann darf man den stolzen Großeltern wohl gratulieren. Und ein Junge oder ein Mädchen?«, fragte Stempel mit funkelnden Augen und einem Showmaster lächeln.
»Sowohl als auch!«, sagte Penny Petersen. Ihr Ehemann erklärte: »Achtlinge vier Rüden vier Weibchen.«
»Ihre Tochter hat Achtlinge bekommen?«, hauchte Dickerchen beeindruckt, das war eine Story für die Zeitung seines Vaters. Die Schlagzeile sah er auch schon in seinem Kopf: Sensation englische Frau gebiert Achtlinge: sechs Rüden und zwei Weibchen.
»Tochter? Nein wieso unser Foxterrier!«, sagte Mrs Petersen verwirrt und sah verduzt zu Iggy Petersen.
Mister Stempel biss sich auf die Unterlippe, um nich lauthals in Gelächter auszubrechen, und stellte schnell zwei junge Frauen vor: Agnes Hansen und Elisabetha Williams. Studentinnen. Außerdem Kasper Rattleborn Junior, ein junger Mann mit Nickelbrille in Anzug, der die beiden sexy Studentinnen anzuhimmeln schien und kaum den Mund aufmachte. Und dann stellte Mister Stempel noch Lord Stark den beiden Agenten vor.
»Sir das sind Mister Calvin Blackwell der berühmte Balletttänzer aus Sidney Australien und Bird Polenta. Bird ist ein echter Chaochao Indianer, der Letzte. Jungs das ist Lord Stark.« Flüsternd: »Der Sohn von Lord Stark aus Carlisle!« Noch leiser zu Bird und Calvin. »Tragische ... tragische Geschichte!«
Dickerchen stand hinter Mister Stempel und mit den Rücken zu den anderen Kandidaten und schnitt Fratzen. Er zwinkerte und rollte mit seinen Augen.
Mister Stempel sah in die grinsenden Gesichter der beiden Jungen. »Lord Stark wurde von einem Rasenmäher geköpft!«
Dickerchen streckte die Zunge weit heraus und verdrehte leise röchelnd seine Augen. Calvins Mundwinkel zuckten nach oben. Bird starrte auf Dickerchen der nun seine Arme wie ein Zombie nach vorn ausstreckte. Bird kicherte.
Ein tragischer Tod! Der junge Lord war gerade in Monte Carlo als er ... ist das etwa Lustig?«
Plötzlich war das krachende stotternde Motorengeräusch eines schweren Motorrads war zu vernehmen. Eine silberfarbene Harley Davidson knatterte über den Parkplatz. Das Motorrad kam vor der Gruppe zum stehen und ein groß gewachsener Mann nahm seinen Helm ab und stieg von seinem Motorrad. Er sah sich um und schien enttäuscht.
»Was keine Kameras?«, fragte er enttäuscht. »Da hätte ich mir ja den Auftritt sparen können.«
Der zwei Meter große Hüne war in Jeans und Leder gekleidet, seine Lederhosen quietschten bei jeder seiner Bewegungen unangenehm, als würden die kleinen Kälbchen aus denen seine Hosen gemacht waren noch um Gnade blöken.
»Oh Gott das ist Harold Royce!«, Elisabetha machte große Augen und beide Studentinnen strahlten ihn an.
Royce war Schauspieler und vor Jahren dick im Actionfilm Geschäft. Der britische Schwarzenegger nannte man ihn damals. Jetzt machte er Seifenopern und trat hin und wieder im Shoppingsender auf um seine Sportlernahrung und Fitnessgeräte zu verkaufen.
»In Person und in Lebensgröße und zehn Minuten zu spät«, sagte Royce und strich sich die dicken blonden Locken aus der Stirn und lächelte. Er hob seinen Arm und spannte seinen Bizeps an. Die Mädchen fassten sich daraufhin an den Händen und fingen zu kichern an.
»Mister Royce Sie dürfen es sich auch leisten!«, rief Mister Stempel begeistert. Dann widmete er sich wieder dem Anlass seines Hierseins und klatschte gut gelaunt in die manikürten Hände.
»Meine Damen und Herren, Bitte folgen Sie mir ... es wird ernst!«
Alle nahmen ihr Gepäck und folgten Stempel zu einem Kleinbus. Sie stiegen nacheinander ein und der Fahrer schaltete die Autoscheinwerfer ein und fuhr los. Von der Raststätte auf die Autobahn und dann nach einer halben Stunde auf eine Ausfahrt. Weiter ging die Fahrt durch mehrere Dörfer und dann bog er von einer Allee in einen Waldweg. Nach einer Stunde Fahrt durch unberührte Natur und mehreren abgelegenen Ortschaften hatten sie ihr Ziel endlich erreicht. Jeder streckte die Köpfe, um sich das geheime Ziel genauer anzusehen. Calvin konnte sehen, wie nervös Mrs Petersen plötzlich die Hand ihres Mannes suchte und drückte.
»Oho Komponenten der Neogotik und Queen Ann Stils beeindruckend so hat er es nicht beschrieben«, meinte Rattleborn Junior.
Trotz des Regens, der gegen die Autoscheiben pladderte und den dicken grauen Nebelbänken, die über den feuchten Boden zogen, konnte man das Bauwerk gut erkennen. Das riesige Anwesen war von einem sehr hohen alten, schmiedeeisernen Zaun umgeben. Im verwilderten Park wuchsen uralte knorrige Bäume und undurchdringliches Buschwerk. Der Park hatte seit mindestens einhundert Jahren keine Gärtner mehr gesehen.
»Mit einem Rasenmäher könnte ich hier ein Vermögen machen«, flüsterte Bird beeindruckt zu seinen neben ihn sitzenden Freunden.
Was Calvin unter dem bewölkten Abendhimmel, an dem sich ein schweres Unwetter aus Richtung Norden ankündigte, erblickte, ließ ihn nur frösteln. Die Farbe der Fassade bröckelte und ließ Fetzen von Backstein erkennen. Das Haus mit Dutzend Türmchen, Giebel, Balkone und Balustraden stand, wie ein Mahnmal an die Vergänglichkeit inmitten des unheimlichen Parks in dem Regen gesättigte Erde eine Nebelbank entstehen ließ. Fenster neben Fenstern, abweisend kalt und mit getrübten Scheiben. Das ganze Bauwerk mochte früher nur prächtig und prahlerisch ausgesehen haben, doch jetzt wirkte es so unheimlich wie eine leere verwaiste Kirche in einer verlassenen Stadt.
In andächtiger Stille kletterten alle aus dem weißen Kleinbus. Sie folgten in Paaren Mister Stempel, der vor dem riesigen Eingangstor zum Park einen Schlüssel herausfischte und das Vorhängeschloss öffnete und die Eisenketten abnahm und die knarrenden Torflügel aufstieß. Birds Blick fiel auf ein vom Alter schwarz angelaufenes Schild, wo vor langer Zeit mit verspielter Schrift: Lebensgefahr niemals am Abend Betretten, geschrieben stand.
Stempel wartete, bis sich alle Teilnehmer der Fernsehshow hinter ihm versammelt hatten, und lief dann voraus. Die Schritte knirschten auf dem mit rotem Kies bedeckten, sich durch wilde Vegetation schlängelnden Zufahrtsweg. Schritt um Schritt, je näher sie dem Haus kamen, desto stiller wurden die Leute. Jeder starrte auf das drei Stockwerke hohe Gebäude. Verwinkelt und so konfus gestaltet, dass es einem beim Anschauen schwindelig wurde.
Mister Stempel sprang auf die erste der Stufen zum Haupteingang und machte eine einladende Handbewegung.
»Da sind wir! Das ist das berüchtigte Anwesen von Sir und Lady Peisley!«, verkündete Stempel mit prophezeiender Stimme.
»Iggy!«, piepste Penny erschrocken.
»Ist es das original Haus, von dem ich gelesen habe?«, wollte der undurchschaubare und unbeeindruckt wirkende Mister Dylan von Stempel wissen.
»Das ist es, ja«, bestätigte Stempel. »Genauso wie an dem Tag, an dem die letzten Bewohner es fluchtartig verlassen haben. Unsere Fernsehproduktion wollte der Glaubwürdigkeit wegen, mit dem letzten noch lebenden Gärtner von Peisley Haus sprechen. Doch der 99 jährige Arthur Gimpel verweigerte jedes Interview zum Haus und was vorgefallen ist.« Stempel seufzte nachdenklich. »Bedauerlich das hätte gut ausgesehen. Zuerst ein Interview mit Mister Gimpel und dann wie die Gruppe durch die Tür in die Halle tritt.«
»Kein Wachschutz? Hier gibt es doch bestimmt Antiquitäten von Wert, haben die Besitzer keine Angst vor Dieben?«, fragte Rattleborn Junior.
Stempel flüsterte: »Keiner hat versucht dem Haus etwas wegzunehmen«, er kicherte. »Jedenfalls keiner, der sich noch an seinem Profit erfreuen könnte ... hahaha.«
Calvin betrachtete die beeindruckende Flügeltür. Ein schwerer Türklopfer aus Messing hatte die Gestalt eines Wasserspeiers. Links und rechts der Tür wuchsen ziselierte graue Säulen empor und trugen einen Vorsprung, in dem farbige Mosaikfenster eingelassen waren. Über der Tür war der Wahlspruch des Hauses in eine Marmorplatte gemeißelt. Ruhe und Frieden stand, dort geschrieben.
Bird trat etwas zurück auf den halbrunden Vorplatz und betrachtete die Motive der farbigen Bleiglasfenster, wie man sie sonst nur an Kirchen sah. Ziegenköpfe mit menschlichem Gesichtsausdruck starrten auf die Besucher hernieder.
Stempel nestelte einen Schlüssel aus seiner Tasche er betrachtete ihn eine Weile und sagte: »Nun dann muss es wohl sein. Ich war übrigens bei der Themenbesprechung bei der Auswahl der Gespensterhäuser gegen dieses Haus.« Er führte den Schlüssel ein und zögerte ihn umzudrehen. Seufzend hob sich sein Brustkorb und drehte ihn um und öffnete nach ewiger Zeit das ...