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VORWORT
ОглавлениеOft werde ich gefragt, warum eine Frau über Väter forschen und schreiben will. Nun, die kurze Antwort lautet, dass ich mit einem verheiratet bin. Vor zehn Jahren brachte ich mein erstes Kind zur Welt und drei Jahre später mein zweites. Es stellte sich heraus, dass Gebären nicht zu meinen Stärken zählte, und vor allem die erste Geburt wurde ein langwieriges Drama, an dessen Ende es eine sehr kranke Mutter und ein sehr krankes Baby gab. Nach dieser Geburtserfahrung bot man mir Beratung und Unterstützung bei der Verarbeitung des erlebten Traumas an, aber um meinen Ehemann – der alles miterlebt hatte, während ich besinnungslos in einem Meer aus Morphium schwamm – kümmerte sich niemand.
Nun, das muss ich hier klarstellen, weil ich sonst in ernste Schwierigkeiten geraten würde: Mein Mann erwartete gar keine Unterstützung, denn er fand, mein Baby und ich sollten zu Recht im Mittelpunkt stehen. Aber nach einem Jahr, als ich wieder arbeitete und mein Mann immer noch nicht über die Geburt unserer Tochter sprechen konnte, ohne deutliche Zeichen von seelischem Stress zu zeigen, wurde ich wütend. Wütend darüber, dass mein Mann, der andere Elternteil meines Kindes, ein Trauma erlebt hatte ähnlich dem, mitansehen zu müssen, wie ein geliebter Mensch in einen schrecklichen Autounfall verwickelt wird, und dass niemand ihn fragte, ob er in Ordnung sei oder Hilfe brauche. Da ich Wissenschaftlerin bin, tat ich, was Wissenschaftler am besten können: Ich schaute mir die Forschungsliteratur an, um herauszufinden, was meine Wissenschaftlerkollegen über Väter und ihr Erleben wussten.
Die Antwort lautet: sehr wenig. Es existierte zwar reichlich Literatur darüber, welche Auswirkungen es auf die Kinder hat, wenn der Vater nutzlos oder abwesend ist, aber zu hingebungsvollen, aktiv beteiligten Vätern, die die Windeln wechseln, beim Fußball an der Seitenlinie stehen, einen französischen Zopf flechten können und nächtliche Monster vertreiben, schwieg die Literatur. Ohne Zweifel gibt es eine kleine Minderheit von Vätern – genau wie von Müttern –, die sich durch ihre Abwesenheit definieren, und ihr negativer Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder ist real und problematisch. Aber es gibt sehr viel mehr Väter, die da sind und ihr Bestes geben, und sie verdienen ebenfalls, dass man sie wahrnimmt und versteht. Und so habe ich es zu meiner Aufgabe gemacht, zu erforschen, was die Väter erleben, die im Leben ihrer Kinder präsent sind, und ihre Geschichte aus einem positiven und nicht aus einem negativen Blickwinkel zu erzählen.
Seit meinem reichlich bewegten Eintritt ins Elternleben vor zehn Jahren habe ich meine berufliche Tätigkeit der Aufgabe gewidmet, unmittelbar die Erfahrungen frischgebackener Väter zu untersuchen. Die Väter, mit denen ich mich befasst habe, kamen aus allen Schichten und sozialen Verhältnissen, es waren homosexuelle und heterosexuelle Männer darunter, Freiberufler und Handwerker, Schulabbrecher und Hochschulabsolventen, und sie hatten ganz unterschiedliche ethnische Hintergründe. Sie erlaubten mir, in einem der persönlichsten und privatesten Momente einen Blick auf ihr Leben zu werfen: in dem Moment, als sie zum ersten Mal Vater wurden. Ich sprach mit ihnen in den Wochen vor der Geburt, als sie aufgeregt und vielleicht ängstlich in eine weitgehend unbekannte Zukunft blickten. Und ich kehrte in den ersten wertvollen Wochen zurück, als die Aufregung von grenzenlosem Staunen über das winzige Wesen abgelöst wurde, das in ihr Leben getreten war und es auf den Kopf gestellt hatte. Ich habe ihre Hormone analysiert, ihre Verhaltensweisen beobachtet, mir ein Bild von ihrem psychischen und physischen Gesundheitszustand gemacht und ihre Gehirne untersucht, oft über viele Monate hinweg. Ich habe sie bei zahllosen Tassen Kaffee interviewt, und nicht selten war das Baby mit dabei. Die Stimmen, die in diesem Buch zu hören sind, sind ihre Stimmen, sie geben ihre Gedanken, Gefühle und Erfahrungen wieder. Ich hoffe, dass es allen Lesern, die diesen Vätern auf ihrem Weg vielleicht folgen werden, helfen wird, ihren eigenen Gefühlen und Erfahrungen zu trauen, und dass durch ihre Schilderungen die wissenschaftlichen Studien, die ich zitiere, für uns alle größere Bedeutung bekommen.
Weil mir diese Männer Einblicke in ihr Leben und das ihrer Familien gewährt haben, haben meine Kollegen und ich viele unerwartete Dinge über den Papa in der heutigen Zeit herausgefunden: dass seine Rolle einzigartig und anders ist als die Rolle der Mama und dass der Unterschied entscheidend wichtig für die gesunde Entwicklung des Kindes ist. Dass viele moderne Väter in westlichen Ländern ihre Aufgabe als Elternteil im vollen Umfang und gleichberechtigt wahrnehmen wollen, aber damit zu kämpfen haben, dass sie in einer Gesellschaft, die dafür noch nicht bereit ist, zu wenig Unterstützung und Informationen erhalten. Dass die Rolle des Vaters eine komplexe Mischung aus Geschichte, Kultur und Politik ist, dass aber die Biologie eines Mannes viel stärker als gedacht beeinflusst, was für eine Art von Vater er sein wird. Und dass Väter wunderbar flexible Wesen sind und ihre Rolle von einer Minute zur anderen verändern können, um das Überleben und Wohlergehen ihrer Familie zu sichern.
Ich habe dieses Buch aus drei Gründen geschrieben. Erstens wollte ich das Bild der Väter zurechtrücken. Ich wollte den unerbittlich negativen Berichten in der Presse über abwesende Väter eine positive Botschaft von Vermögen und Bedeutung des anwesenden Vaters gegenüberstellen. Zweitens wollte ich den Männern helfen, die vielleicht gerade ganz am Anfang ihres Weges als Väter stehen. Ich hoffe, die Informationen, die ich vermittle, und die Berichte echter Väter, die über das gesamte Buch verstreut sind, werden ihnen helfen, sich bei dem, was vor ihnen liegt, wohler und sicherer zu fühlen. Drittens und vielleicht am wichtigsten denke ich, dass alle Väter und darüber hinaus die ganze Welt ein Recht haben, zu erfahren – und erfahren sollten –, was biologisch, psychologisch und emotional in Vätern vorgeht. Nach Angaben des britischen Statistikamts waren in Großbritannien 2015, dem letzten Jahr, für das wir Zahlen haben, knapp über 6 Millionen Väter aktiv an der Erziehung beteiligt. Ist es nicht an der Zeit, dass wir mehr über sie erfahren?
Im ersten Kapitel blicken wir in die Welt vor 500.000 Jahren zurück, wir lernen den ersten menschlichen Vater kennen und erforschen, warum sein revolutionäres Auftauchen uns immer noch viel über die Rolle und Bedeutung der Väter in unserer Zeit zu sagen hat. In Kapitel zwei untersuchen wir das starke Band zwischen Vater und Kind, das entsteht, bevor das Kind geboren ist, und die hormonellen Veränderungen, die beide Eltern in der Schwangerschaft prägen. Wir schauen uns an, was das Vatersein für den werdenden Papa bedeutet und wie die neue Rolle einem Mann ermöglichen kann, Grundlegendes in seinem Leben zu verändern und eine willkommene neue Identität anzunehmen. In Kapitel drei betrachten wir Väter in anderen Ländern und beginnen zu verstehen, wie unterschiedlich und wunderbar die Rolle des Papas sein kann. Wir erfahren, dass in manchen Gesellschaften der soziale Vater wichtiger ist als der biologische, und verfolgen, wie die menschliche Familie sich gewandelt hat, seit die Liberalisierung des Adoptionsrechts und die Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin dafür gesorgt haben, dass selbst im Westen die Kernfamilie nicht mehr unbedingt die Norm ist. Zuweilen mag der Eindruck entstehen, dass die Parforcetour rund um die Welt ein bisschen sehr weit weg von unserer Erfahrung führt, aber dadurch werden wir besser begreifen, dass es beim Vatersein um Präsenz und Handeln geht und nicht nur um die Gene.
In Kapitel vier konzentrieren wir uns auf die Geburtserlebnisse junger Väter und ihre Gesundheit und beziehen auch den besorgniserregenden Anstieg psychischer Probleme ein, der zum Wohl der Männer, ihrer Familien und der Gesellschaft insgesamt dringlich unserer Aufmerksamkeit bedarf. In Kapitel fünf betrachten wir die beiden Säulen der einzigartigen Verantwortung – schützen und unterrichten –, die seit einer halben Million Jahren im Zentrum der Vaterschaft stehen und bis heute wichtig sind. Wir werden sehen, dass es so viele Formen der Vaterschaft gibt, wie es Väter gibt, und dass die Rolle des Papas sich durch seine Flexibilität definiert, dass aber alle Väter primär bestrebt sind, erfolgreich alle Risiken abzuwehren, die die Überlebenschancen ihres Kindes beeinträchtigen könnten. In Kapitel sechs geht es um den Einfluss von Kultur, Geschichte, Politik und Ökologie, und wir konzentrieren uns darauf, wie sich die individuelle Biologie und Psychologie des Mannes auf sein Vatersein auswirkt; wie seine Gene, sein Hormonspiegel und seine Kindheitserfahrungen prägen, was für ein Vater er sein wird. Wir schauen uns an, wie seine Gene seine Sensibilität beeinflussen, wie dank seiner Persönlichkeit noch das schwierigste Kind traumhaft zu erziehen ist und wie das Verhalten seiner Eltern sich in seinem Verhalten als Vater widerspiegelt. In Kapitel sieben erforschen wir die grundlegende, lebenslange Bindung zwischen Vater und Kind und erfahren, warum wildes Spielen und Toben als Interaktion so wichtig sind, damit diese Bindung überhaupt entstehen kann. Aber wir erfahren auch, dass sie sich mitunter erst verspätet einstellt, weil Männern die Geburtserfahrung mit der entsprechenden hormonellen Umstellung fehlt und weil das sich entwickelnde Baby Zeit braucht, bis es auf den Papa reagiert. Die Botschaft lautet: keine Panik, das Band wird entstehen.
In Kapitel acht erweitern wir unseren Fokus und beziehen die Partnerin des Vaters ein. Der Blick ins Gehirn von Mutter und Vater zeigt uns, wie die Evolution dafür gesorgt hat, dass beide Eltern ohne überflüssige Überlappungen die Entwicklungsbedürfnisse ihres Kindes erfüllen. Und wir werden uns anschauen, wie sich die Ankunft eines Kindes (oder von zwei oder drei oder noch mehr Kindern) auf die Beziehung der Eltern auswirkt. Wir werden der Frage nachgehen, wie beide Eltern Zeit investieren können, um sicherzustellen, dass ihre Beziehung die Erweiterung der Familie unbeschadet übersteht und hoffentlich dadurch bereichert wird. In den Kapiteln neun und zehn betrachten wir, was ein Vater für die Entwicklung seines Kindes leistet: seine einzigartige Rolle, dem Kind etwas beizubringen, seine Unabhängigkeit und soziale Autonomie zu fördern, und seine Bedeutung für die künftige seelische Gesundheit des Kindes. In Kapitel elf schließen wir dann mit einer Bilanz, wo wir stehen. Wie will ein Papa heute, nach 500.000 Jahren Evolution, sein, und tut die Gesellschaft alles, was sie kann, um ihn zu unterstützen, damit er sein Ziel erreicht? Wie kann das »Papa-Team« – die Wissenschaftler, Aktivisten und politisch engagierten Väter, die für eine aktive Rolle von Vätern eintreten – die grundlegenden kulturellen Veränderungen voranbringen, die nötig sind, damit alle Väter, die das wollen, sich wirklich als gleichberechtigte Elternteile bezeichnen können?
Dieses Buch ist kein Ratgeber. Ich werde Ihnen nicht sagen, wie Sie Windeln wechseln oder eine Wiege bauen oder was ganz sicher bei Koliken hilft. Stattdessen hoffe ich, dass ich die aktuellste Antwort auf die Frage geben kann, was es heißt, Vater zu sein, und dass ich nebenbei ein paar Hinweise und Tipps habe, die den Schritt zum Vatersein für all jene, die dabei sind, ihn zu tun, so leicht und angenehm wie möglich machen. Für den Rest von uns, die wir uns irgendwo auf dem Familienweg befinden, wird es hoffentlich eine unterhaltsame Lektüre über eine Person sein, die wir – unabhängig von unserer jeweiligen Beziehung – alle in unserem Leben hatten oder haben, wie lange ihre Anwesenheit auch gedauert haben mag. Ich hoffe, das Buch spiegelt manche Ihrer Erfahrungen wider, rückt einige Ihrer Sorgen zurecht und erklärt einige Ihrer Gefühle und Verhaltensweisen. Den Müttern, so hoffe ich, vermittelt es faszinierende und hilfreiche Einsichten über ihre Partner. Und die stärker naturwissenschaftlich Interessierten kommen mit den allerneuesten Erkenntnissen aus den Gebieten der Neurowissenschaften, Genetik, Psychologie, Endokrinologie und Gesundheitsforschung hoffentlich auf ihre Kosten. Ein Großteil der Forschungen, über die ich berichte, konzentriert sich auf heterosexuelle Paare, weil das Forschungsfeld noch so neu ist, aber in vielen Fällen gelten die Erkenntnisse für alle Väter. Und während immer deutlicher wird, wie vielfältig die Väter sind, erweitern wir unser Blickfeld und beziehen schwule Väter und Familien mit mehreren Vätern ein. Ich kann Ihnen versichern: Wenn es Studien gibt, werde ich darüber berichten.
Am Ende des Buchs hoffe ich, dass ich zeigen konnte, was für eine komplexe, aber wichtige Bedeutung der Vater hat und wie grundlegend die Erfahrung des Vaterseins einen Mann verändert. Aber zunächst müssen wir, um die Rolle des modernen Vaters zu verstehen, zu den Anfängen zurückkehren: in die Welt vor einer halben Million Jahren und zum allerersten Vater.