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Ein liebenswerter Narr

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Norbert war heute mit dem falschen Fuß aufgestanden. Anders konnte es nicht sein. Sonst wäre er bestimmt nicht gleich auf dem Bettvorleger ausgerutscht und beinahe gleich wieder rücklings in seine Matratze gefallen.

„Ach, hätte ich mich doch einfach wieder hingelegt und weiter geschlafen.“ Dachte er bei sich, als er ins Bad schlurfte und mit seinem linken Fuß dabei gegen den Türrahmen stieß. Er jaulte unterdrückt auf, denn seine Angetraute, die liebe Elisa, hätte sonst gleich wieder gemeint, er sei ein Waschlappen. Das glaubte sie ihm ohnehin bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit unter die Nase reiben zu müssen.

Da waren sie jetzt über fünfunddreißig Jahre verheiratet, und immer noch schmierte sie ihm die Sache von damals aufs Butterbrot, als er – gerade dreiundzwanzig geworden, am Bauch operiert werden musste und – weil er die Schmerzmittel nicht vertrug, wirklich mehrere Tage nur gejammert hatte. – Wer hätte das nicht?

Im Badezimmerspiegel schaute ihn ein fast sechzigjähriger Mann an, der eigentlich noch richtig proper aussah. Seine Elisa konnte sich eigentlich glücklich schätzen, dass sie mit ihrem Mann noch so viel Staat machen konnte. Er hatte noch ziemlich üppiges Haar, keinen Schmerbauch, und auch im Oberstübchen funktionierte noch alles, wie es sollte. Gut, dass Elisa seine Gedanken nicht hören konnte! Sie hätte ihn wahrscheinlich lauthals ausgelacht.

Dabei liebte sie ihn doch; das glaubte er deutlich zu spüren.

Zehn Minuten später betrat er das Esszimmer, wo Eli, wie er sie meist liebevoll nannte, schon den Tisch fürs Frühstück gedeckt hatte. Eli war gerade dabei zu telefonieren und Norbert hörte beim Hereinkommen unfreiwillig zu:

„...der Narr hat nicht den geringsten Verdacht!“ sagte Elisa gerade, dann merkte sie, dass Norbert herein getreten war und meinte nur noch: „Ich muss jetzt auflegen, wir hören ja noch voneinander,“ und setzte dann fröhlich zu ihrem Mann gewandt:

„Guten Morgen, Norbert, da bist du ja schon, dann können wir ja gleich frühstücken. Der Kaffee dürfte auch schon fertig sein. Holst du ihn eben aus der Küche?“ in einem Atemzug hinzu. Dabei wirkte sie sichtlich nervös.

„Wer war das denn eben, mit dem du telefoniert hast?“ wollte Norbert wissen.

„Ach, niemand Besonderes, den kennst du sowieso nicht. Lass uns erst mal in Ruhe essen,“ antwortete sie.

Aber als er ihr Kaffee einschütten wollte, zitterte ihre Hand, mit der sie die Tasse hielt.

„Komm, gib mir die Tasse, ich glaube, ich halte sie lieber selbst fest, sonst kannst du gleich die gute Tischdecke waschen.“

„Ach, was, lass schon,“ meinte sie barscher, als sie eigentlich wollte und zog die Hand weg.

„Gut, wie du willst, dann bedien dich selbst,“ erwiderte er daraufhin und stellte die Kanne auf den Tisch. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, wie eigensinnig sie sein konnte.

Während er sein Brot mit Butter bestrich, versuchte er einen neuen Anlauf, neugierig, wie er war:

„Sag, wen meintest du denn mit dem ‚alten Narr‘ von dem du am Telefon vorhin sprachst, und wer sollte einen Verdacht haben?“

„Alter Narr, Verdacht? Ich weiß nicht, was du meinst, du hast da wahrscheinlich etwas missverstanden,“ gab sie mit einem leichten Zittern in der Stimme zurück.

Doch Norbert schüttelte den Kopf: „Mir erschien das aber ganz anders. Außerdem sehe ich dir doch an, wie aufgewühlt du bist."

„Ach, vergiss es einfach, dann tust du uns beiden einen Gefallen, ich habe es auch schon beinahe vergessen.“, Elisa gelang es nicht wirklich, das in fröhlichem Ton zu sagen.

„Das kann ich dir nicht glauben. Ich bin schließlich weder senil noch habe ich schlechte Ohren, also erzähl mir keine Märchen. Haben wir beide das denn nötig? Ich dachte immer, wir könnten über alles reden, oder hast du Geheimnisse vor mir?“

„ Du bezichtigst mich der Lüge!“, meinte Elisa darauf in etwas weinerlichem Ton. „Das hätte ich nicht von dir gedacht.

Norbert reagierte gar nicht erst auf diesen Versuch, ihn weich zu kochen:

„Dein Verhalten ist es, das dich verrät. Glaubst du denn, ich wäre so blöd, dass ich gar nichts merke. Du telefonierst, legst ganz schnell auf, als ich hereinkomme. Dann willst du nicht sagen, mit wem du gesprochen hast, behauptest gar, es nicht mehr zu wissen. So ein Blödsinn!"

„Ja, und? Musst du denn immer alles wissen? Es sieht ja fast aus, als wenn du mir hinterher spionierst!"

„Du weißt, das das nicht stimmt. Du fühltest dich nur sichtlich bei etwas ertappt, und ich wüsste zu gern, was es damit auf sich hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mit so einer Geschichte unsere Vertrauensbasis zerstören willst.“

„Zweifelst du an meiner Aufrichtigkeit?“, fragte Elisa nun heftig.

Norbert versuchte immer noch, Ruhe zu bewahren: „Ohne deine Heimlichtuerei wäre das ja gar nicht nötig. Bisher sind wir eigentlich anders miteinander umgegangen."

„Jetzt bin ich also an deinen Zweifeln schuld?"

Aha, dachte Norbert, so wird aus dem Täter ein Opfer. Langsam reichte es ihm.

„Du könntest meinen Unglauben schnell ausräumen, wenn du sagen würdest, mit wem du telefoniert hast", meinte er zu ihr.

„Das Gespräch war eigentlich wirklich nicht wichtig.“

„Dann kannst du mir ja auch sagen, mit wem du gesprochen hast.“

„Eigentlich hast du Recht,“ sie zögerte ein wenig, dann fuhr sie fort: „Es war Wilhelm. Jetzt, wo seine Evi tot ist, meldet er sich manchmal bei mir. – Geht es dir jetzt besser?“

„Ach so, dann ist es ja gut,“ entgegnete Norbert etwas eisig. „Nein, ganz ehrlich, gar nichts ist gut.“

Willi hatte Eli den Hof gemacht, bevor Norbert sie kennenlernte. Damals hatte Norbert ihn ausgestochen, aber er gab wohl immer noch nicht auf. Jetzt verstand Norbert endlich, wer der Narr sein sollte: Das war er, ganz klar, und Elisa dachte doch tatsächlich, er merke nichts. – Naja, er hätte ja tatsächlich nichts gemerkt, wenn er nicht dieses Gespräch gehört hätte.

„Was hast du denn mit diesem Wilhelm zu schaffen?“

„D-das geht dich nichts an!", stotterte Elisa

„Das wird ja immer schöner! Dein größter Verehrer ruft dich an, und mich soll das nichts angehen?"

„Du sagst es."

Jetzt war es mit Norberts Ruhe endgültig vorbei:

„Pass mal schön auf, meine Gute. Ich sag dir jetzt, ob mich das was angeht, wenn du mit einem anderen rummachst! Glaubst du etwa, ich lass mir so einfach von so einem dahergelaufenen Alt-Playboy Hörner aufsetzen?"

„V-von mir erfährst du kein weiteres W-wort mehr."

„Du hast doch schon genug gesagt. Deine Augen, deine Hände und dein Stottern verraten dich doch sowieso. Gib’s doch endlich zu, dass du fremd gehst mit diesem Hurensohn."

„Was bist du nur für ein Trottel; nein, du bist wirklich ein Narr!"

„Der wohl seine Schuldigkeit getan hat, was? Dann kann ich ja gehen! Tschüs, Weib. Ob ich aber zurück komme, wenn ich jetzt gehe, weiß ich noch nicht!"

Und er drehte sich auf dem Absatz um und ging zur Tür.

„Norbert,“ schluchzte Elisa nun laut auf, bleib bitte, du machst alles viel schlimmer als es eigentlich ist. Wilhelm hilft mir nur bei einer Überraschung. Aber dich kann man ja offensichtlich nicht einmal mehr zum Geburtstag überraschen, ohne dass du Flöhe husten hörst.“

„Sag das noch einmal!“

„Willst du, dass ich noch genauer werde oder kannst du dich drei Wochen gedulden?“

„Drei Wochen gedulden? Was soll das denn jetzt schon wieder?“ Norbert war inzwischen so aufgebracht, dass er gar nicht mehr in der Lage war, richtig nachzudenken. Doch dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: In drei Wochen hatte er Geburtstag, wurde er sechzig. Das hatte er fast vergessen.

„Wenn das wieder eine Ausrede ist, war es das gewesen!“

„Nein, ganz bestimmt nicht, aber bitte, sei mir wieder gut. Ich weiß, ich bin ein bisschen heftig zu dir gewesen. Entschuldige!“

Norbert, der schon beinahe in der Haustür stand, kam langsam zurück. Umarmen konnte er sie jetzt noch nicht, doch nickte er leicht mit dem Kopf, als er an ihr vorüber ging und stieg dann die Treppe hinauf um in sein Arbeitszimmer zu gehen. Er musste erst einmal nachdenken.

Im Hintergrund hörte er, wie Elisa unten den Tisch abräumte und in der Küche hin und her lief.

Nach einer halben Stunde kam er zu ihr in die Küche, wo sie bereits anfangen wollte, Gemüse für das Mittagessen zu waschen.

„Eli, lass das mal einen Moment!“ sagte er zu ihr, nahm sie von hinten sanft in den Arm und meinte dann: „ Wir sollten heute zusammen ausgehen zum Essen, aber nicht irgendwo. Such ein schönes Lokal aus und dann fahren wir da hin, einverstanden?“

„Elisa drehte sich zu ihm um, schaute ihm in die Augen und meinte: „Du hast recht. Was hältst du davon, wenn wir runter zum See fahren, wo wir früher öfter eingekehrt sind. Wie hieß das noch gleich?“

„Du meinst das Haus mit den vielen Trophäen an den Wänden?“

„Ja, genau. Das soll aber jetzt ganz anders aussehen. Nur die Terrasse am See ist immer noch genauso wie früher.“

„Das ist eine gute Idee, warm genug zum draußen sitzen ist es ja. Müssen wir da vorher anrufen?“

„Wenn wir nicht wissen, wie das Haus heißt, wird das schwierig. Ich glaube aber auch nicht, dass mitten in der Woche so viel Andrang herrscht. Lass es uns einfach versuchen, Norbert. Ich freue mich riesig.“

„Da ist noch etwas, Eli,“ sagte er und blickte ihr intensiv in die Augen.“

„Ja?“, hauchte sie.

Er zog sie zu sich heran und küsste sie erst sanft und dann immer verlangender. Sie konnte gar nicht widerstehen; das hatte sie bei ihm noch nie gekonnt. Bald bekam sie kaum noch Luft, aber sie wollte genauso wenig aufhören, wie er.

„Sollen wir rauf gehen?“ fragte sie in einer kleinen Pause.

„Wir haben ja noch genug Zeit,“ meinte er, nahm sie einfach an die Hand und wie zwei Teenager liefen sie gemeinsam hinauf in ihr gemeinsames Schlafgemach.

Laurins Berg

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