Читать книгу Der Synodale Weg - E-Book - Anne Preckel - Страница 41
ОглавлениеIst der Synodale Weg eine Synode oder ein Konzil?
Offiziell nicht. Allerdings war nach der Ankündigung des Projektes ein Streit darüber entbrannt, was unter dem Begriff „verbindlicher Synodaler Weg“ denn nun eigentlich zu verstehen sei. Das liegt daran, dass es für Beratungen und Entscheidungen in der katholischen Kirche eine Reihe von Versammlungsformen mit jeweils unterschiedlicher Verbindlichkeit gibt. Diese folgen bestimmten Regeln und Abläufen und sind im Kirchenrecht genau festgelegt. Auf Weltkirchenebene gibt es zum Beispiel Bischofssynoden, die den Papst zu bestimmten Themen beraten. Wenn hingegen auf Ebene der Kirche eines bestimmten Landes Bischöfe zu Beschlüssen zusammentreten, wird dies Partikularkonzil oder auch Nationalkonzil genannt. Damit deren Vorschläge oder Beschlüsse rechtskräftig werden können, müssen sie in der katholischen Kirche grundsätzlich vom Papst abgesegnet werden.
Die bisherigen Formate passten für den Synodalen Weg alle nicht, und je mehr man über das Projekt erfuhr, desto verwirrender wurde es: Hatte das Ganze nicht den Zuschnitt eines Konzils? Wie verbindlich sollte es werden? Ging es nur um Beratungen oder auch um Entschlüsse? Diese Diskussion schlug ebenso in der Weltkirche Wellen.
Kardinal Marx bemühte sich in der Vorbereitungsphase des Synodalen Weges um eine Eingrenzung. Der Synodale Weg sei „keine Synode im klassischen kirchenrechtlichen Sinn“, die Veranstaltung bewege sich „aber auch nicht außerhalb des Kirchenrechts“, erklärte er Journalisten. (1) Die deutschen Bischöfe hätten für den Reformdialog bewusst keines der üblichen Formate gewählt, man wolle den Synodalen Weg als „eigenen Prozess“ verstanden wissen, erklärte er dem Vatikan. (2) Warum diese Vagheit? Das wurde einen Monat vor dem offiziellen Startschuss deutlich: „Eine Synode bedarf der Zustimmung durch den Heiligen Stuhl, die oft erst nach einem längerfristigen Verfahren erteilt werden kann. Das verlangsamt das notwendige Tempo in der Behandlung der anstehenden Fragen“, schrieb die Deutsche Bischofskonferenz auf ihrer Homepage. (3)
Zwischen Synode und Gesprächsprozess
Angesichts der tiefen Krise der deutschen Kirche sollte möglichst schnell über alles geredet werden, ohne Einschränkungen, ganz offen. Zugleich wollte man wohl auch jene Bischöfe mit ins Boot holen, die der ganzen Reformdebatte eher skeptisch gegenüber eingestellt waren. Auf der DBK-Internetseite wiesen die Veranstalter das Projekt schließlich als Mischform aus: Der Synodale Weg bewege sich „als Format zwischen einer Synode und einem Gesprächsprozess“. (4)
Im Klartext heißt das: Es soll nicht nur geredet werden, sondern Bischöfe und Laien sollen auch zu gemeinsamen Beschlüssen gelangen. Ob und wie diese umgesetzt werden, steht allerdings auf einem anderen Blatt. So ordnete der deutsche Theologe und Professor für Kirchenrecht Georg Bier die Beschlüsse des Synodalen Weges im Vorfeld eher als Empfehlungen ein. „Je mehr Leute hinter diesen Voten stehen, umso höhere moralische Verbindlichkeit haben sie“, sagte Bier: „Aber auch eine noch so hohe Zustimmungsquote genügt nicht, um einen Bischof rechtlich verbindlich dazu zu bringen, sie umzusetzen. Rechtswirkung erlangen die Voten nur durch die Inkraftsetzung der einzelnen Bischöfe. Das widerstrebt zwar dem demokratisch geprägten Verständnis der Gesellschaft – aber so funktioniert die Kirche.“ (5)
Keine Entscheidungen über grundlegende Fragen
Darüber hinaus gibt es beim Synodalen Weg hinsichtlich der Entscheidungsprozesse eine Einschränkung, die mit den verhandelten Themen zusammenhängt. Über grundlegende Fragen, die die ganze Weltkirche betreffen, wie den Zölibat oder die Frauenordination, kann die Teilkirche Deutschland sich zwar einigen, aber nicht entscheiden. Allein der Papst kann hier die Weichen neu stellen. Der Synodale Weg der deutschen Kirche will dieses Prinzip nicht in Frage stellen, wie die Veranstalter mehrfach betonten.
Ist der Synodale Weg wieder ein Gesprächsprozess?
Bereits zwischen 2011 und 2015 haben sich Bischöfe und Laien in Deutschland landesweit zusammengesetzt, um über Herausforderungen ihrer Kirche zu sprechen. In der Tat nennt die Deutsche Bischofskonferenz diesen „Überdiözesanen Gesprächsprozess ‚Im Heute glauben‘“ als einen Wegbereiter des Synodalen Weges. (1)
Gesprächsprozess und Glaubwürdigkeit
Ähnlich wie auch beim Synodalen Weg ging es beim Gesprächsprozess darum, die Kirche wieder glaubwürdig zu machen. (2) Begonnen wurde der Prozess noch unter dem damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, beendet unter Kardinal Reinhard Marx. An den bundesweiten Dialogtreffen nahmen Bischöfe und Laien, Vertreter katholischer Verbände und verschiedener Berufsgruppen der Kirche teil.
Reaktion auf sexuellen Missbrauch
Schon mit dieser Reihe an Treffen hatten die Bischöfe versucht, auf das Problem des sexuellen Missbrauchs in der deutschen Kirche zu reagieren. Dabei ging es jedoch vorrangig um die „gestörte Kommunikation“ zwischen Klerus und Laien, die man verbessern wollte; nicht um kirchliche Strukturreformen. Nachdem der Jesuitenpater Klaus Mertes im Jahr 2010 Fälle sexualisierter Gewalt am Berliner Canisius-Kolleg bekanntgemacht hatte und immer mehr Betroffene an die Öffentlichkeit traten, hatten sich Gräben in der Kirche aufgetan. Austritte und Generalverdacht war die Rechnung, die viele Gläubige der Institution ausstellten.
Vor diesem Hintergrund ging es den Bischöfen um Schadensbegrenzung: „Wir sehen die reale Gefahr, dass wir uns in unserer Kirche so zerstreiten, dass Brücken abgebrochen und bestehende Einheit aufgegeben wird. Auf Barrikaden aber lässt sich bekanntlich schlecht miteinander reden“, schrieben sie in einem Brief an die Gemeinden. (3) Die Glieder der Kirche müssten wieder zusammengeführt werden und sie luden das Kirchenvolk zum Gesprächsprozess ein.
Gesprächsthemen
Worüber wurde gesprochen? Weniger über kontroverse Themen wie Zölibat oder Sexualmoral als vielmehr über kirchliche Erneuerung allgemein. So ging es etwa um die „gemeinsame Verantwortung aller Getauften in der Kirche“, das „erneuerte christliche Zeugnis in unserer Gesellschaft“ und das „geschwisterliche Miteinander von Frauen und Männern in der Kirche“; um ein paar Themenbeispiele zu nennen. (4)
Erfahrungen aus Gesprächsprozess
Vielen Menschen war das rückblickend nicht konkret genug; sie hätten sich angesichts des Missbrauchsdebakels mindestens ein paar bindende Beschlüsse gewünscht. Aus diesem Grund sind nach der Erfahrung des Gesprächsprozesses bei vielen Gläubigen die Erwartungen an den Synodalen Weg hoch. Sabine Demel, Professorin für Kirchenrecht in Regensburg, bemängelte in einem Interview, dass beim Gesprächsprozess letztlich „alles im Unverbindlichen geblieben ist“. Mit Blick auf die Struktur ist ihr Hauptkritikpunkt, dass es „keine transparente, geschweige denn gemeinsam erarbeitete Verfahrensordnung über die Steuerungs-, Planungs- und Themenkompetenz“ gegeben habe. (5)
Auch Kardinal Marx sieht die Unverbindlichkeit des Gesprächsprozesses rückblickend als falsch an: „Das machen die Leute nicht mehr mit, da war eine große Unzufriedenheit“, sagte er bei Ankündigung des Synodalen Weges im März 2019 in Lingen. (6) Der Synodale Weg soll also auf Augenhöhe stattfinden und zu gemeinsamen Beschlüssen führen; die Satzung des Reformweges ist dafür die formale Grundlage.
Ist der Synodale Weg eine zweite Würzburger Synode?
Als einen weiteren Wegbereiter des Synodalen Weges nennen die deutschen Bischöfe die Gemeinsame Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland, also der westdeutschen Bistümer, die von 1971–1975 im Würzburger St.-Kilians-Dom stattfand und deshalb auch „Würzburger Synode“ genannt wird. (1)
Approbierte Synode durch den Vatikan
Diese historische Synode, die vom Vatikan abgesegnet war, veränderte das Gesicht der Kirche nachhaltig. Ihre Beschlüsse prägen die kirchliche Struktur und Seelsorge in Deutschland bis heute. Fünf Jahre lang rangen Laien und Bischöfe in Würzburg um eine Erneuerung der Kirche, darunter eine stärkere Mitsprache der Laien. Im Großen ging es um die Umsetzung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965), das einen Wandel in der Weltkirche eingeleitet hatte. Diese Aufbruchsstimmung schlug sich in Deutschland in lebhaften Debatten nieder, unter Eindruck der 68er-Bewegung brodelte es im Kirchenvolk; kontrovers wurde zum Beispiel über Sexualmoral und Empfängnisverhütung sowie wiederverheiratete Geschiedene diskutiert.
Neuer Ton im kirchlichen Miteinander
Die Würzburger Synode bot dafür einen geordneten Rahmen und schlug einen neuen Ton im kirchlichen Miteinander an. Die über fünf Jahre dauernden Gespräche etablierten eine neue Streitkultur in der Kirche, die Bischöfe wie Laien als hilfreich empfanden. „Wir wurden zu einem Prozess gezwungen, dem wir einen neuen Stil des Miteinander-Redens und Miteinander-Umgehens zwischen Bischöfen, Priestern und Laien verdanken, und den möchten wir nicht mehr missen. Wir haben gelernt, miteinander zu streiten, ohne uns zu zerstreiten“, bilanzierte der Synodenpräsident, der damalige Münchner Kardinal Julius Döpfner, in seiner Schlussansprache. (2)
Gemeinsame Entscheidungen
Doch es wurde nicht nur gestritten, sondern auch entschieden, und zwar gemeinsam. Der damalige Papst Paul VI. hatte für die Würzburger Synode eine eigene kirchenrechtliche Sonderregelung approbiert, die alle Schritte und Kompetenzen genau festlegte. Demnach besaßen die Stimmen von Bischöfen und Laien gleiches Gewicht. Wenn die Bischöfe eine Abstimmung verhindern wollten, mussten sie zuvor ein Veto einlegen. (3) Der Papst wünschte sich von der Synode, sie möge „unter der Leitung und in enger Zusammenarbeit mit ihren Bischöfen die Zeichen der Zeit richtig verstehen und fruchtbare Aufbauarbeit leisten“. (4)
Zölibat im Niederländischen Pastoralkonzil und in der Würzburger Synode
Vor dem Hintergrund der allgemein aufgeheizten bis nahezu revolutionären Stimmung im Kirchenvolk war dem Papst daran gelegen, dass die Veranstaltung nicht aus dem Ruder lief. Schließlich hatten Laien ein paar Jahre zuvor beim „Niederländischen Pastoralkonzil“ (1966–1970) bereits für eine Freigabe des Zölibats und eine schrittweise Zulassung von Frauen in Weiheämtern gestimmt. (5) Auch die deutschen Laien brachten in Würzburg Vorschläge zu verheirateten Männern als Priester vor, den sogenannten „Viri probati“. (6)
Doch anders als in den Niederlanden hielten sich die deutschen Bischöfe im Rahmen des Erlaubten. Während der holländische Kardinal Bernard Jan Alfrink über Fragen wie den Zölibat abstimmen ließ und sich damit dem Willen des Papstes widersetzte, nutzten die deutschen Oberhirten ihr Veto, um dieses „heiße Eisen“ von Beschlüssen auszunehmen. Sie machten die Erlaubnis, über das Thema weiter zu diskutieren, davon abhängig, dass die Frage der Zulassung verheirateter Männer zum Priestertum ausgeklammert würde. (7) Aufgrund dieser Weisung konnte über die Frage deshalb in Würzburg nicht entschieden werden. Im Beschlusstext war deswegen nur allgemein von einer Prüfung neuer Zugangswege zum Priestertum die Rede. (8) Bei der Frage der Diakoninnen formulierte die Synode die Bitte an den Papst, ein Frauen-Diakonat sei „zu prüfen“ und „womöglich“ zuzulassen. (9) Die Bischöfe wollten dem Vatikan bei solchen Fragen wohl nicht in die Quere kommen. Papst Paul VI. zeigte sich dann auch zufrieden. Die Beschlüsse der Synode segnete er ab.
Neuerungen durch die Würzburger Synode
Neuerungen brachte die Würzburger Synode der deutschen Kirche zum Beispiel in der Jugendarbeit und im Religionsunterricht. Ebenso wurden das spezifisch deutsche System der Diözesanräte und ein neuer Seelsorgeberuf geschaffen: „Pastoralreferent/in“. Weiteres Ergebnis der Würzburger Synode ist jenes gemeinsame Organ von Bischöfen und Laien, das auch beim Synodalen Weg eine Rolle spielt: die „Gemeinsame Konferenz“ der deutschen Bischöfe und Laienvertreter, die in Würzburg als ständiges Organ mit jeweils zehn Vertretern errichtet worden war. (10)