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Interview 2

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Julia W. (67), verheiratet, war Grundschullehrerin. Sie hat zwei Söhne Jan (39), Ulrich (36). Jan ist noch Single, aber Ulrich hat mit Marlene zwei Kinder: Nils (6) und Flynn (3). Alle wohnen in Hamburg.

Als Sie Nils zum ersten Mal im Arm hatten, was haben Sie da gefühlt?

Das war ein emotionaler Überfall. Ich muss auch sagen, ich habe geweint vor Freude. Und mächtig geknuddelt, soweit ich das durfte. Denn wir durften Nils nur in Anwesenheit der Eltern in den Arm nehmen.

Hatten Sie das Gefühl, dieses Baby gehört auch Ihnen?

Ja, ich denke schon. Ich merke auch heute oft, dass ich «Sohn» und «Enkel» verwechsle. Ja, ganz eindeutig. Ist auch egal, wie die Natur das geplant hat. Die Haut vom Baby ist so weich und so zart. Wenn man ein so ganz Kleines im Arm hält, da ist man hin.

Ein Verhältnis zu Flynn aufzubauen, war wesentlich schwieriger, weil die Mutter-Kind-Beziehung im emotionalen Bereich sehr, sehr eng war. Flynn wurde fast zwei Jahre gestillt. Es war wahnsinnig schwierig, ihn mal ohne die Mutter zu erleben. Oder mit ihm von einem Zimmer zum andern zu gehen. Nach wenigen Minuten wollte er wieder zu seiner Mutter. Und das wirkte sich natürlich auch auf unsere Beziehung zu ihm aus, während uns der Ältere schon früh als zusätzliche Bezugspersonen akzeptiert hat. Beim Jüngeren mussten wir uns einen Platz erkämpfen in seinem Herzen.

Was haben Sie für ein Verhältnis zu Ihrer Schwiegertochter?

Ich schätze sie an vielen Stellen sehr. Ich finde, wie sie mit meinem Sohn umgeht und wie sie ihn zum Teil beeinflusst, imponiert mir schon sehr. Weil das Dinge sind, die wir nicht geschafft haben. Aber es gibt auch bestimmte Eigenschaften, die ich überhaupt nicht mag, nicht so gern mag. Aber ich halt mich da sehr zurück, weil ich fürchterliche Geschichten zwischen Schwiegertöchtern und Schwiegermütter kenne. Und die Rolle der bösen Schwiegermutter will ich nicht spielen.

Wie sieht denn Ihr Einsatz für die Enkelkinder aus?

Als Nils noch nicht zur Schule gegangen ist und Einzelkind war, da haben wir ihn vom Kindergarten abgeholt. Der Weg war sehr weit. Eine gute Stunde sind wir mit dem Auto gefahren. Wir mussten dann natürlich Kaspertheater spielen an den Ampeln. Am Wochenende haben wir den Spaziergang so gelegt, dass wir bei den Kindern vorbeigehen konnten. Wir haben den Kinderwagen geschnappt und sind mit dem Baby noch ein wenig spazieren gegangen. Einen Tag in der Woche haben wir uns immer gegönnt mit dem Kind. Und den haben wir sehr genossen.

Ulrich und Marlene wohnen mittlerweile in der Nähe, und so können wir die Kleinen abends bequem zurückgeben. Wobei ich die Situation früher fast schöner fand, weil Nils bei uns übernachtet hat und die Abend- und Morgensituation, wo man kuschelt und noch mal Geschichten erzählt, die war eigentlich wunderschön. Und das vermisse ich jetzt ein bisschen. Das liegt daran, dass der Jüngere nicht bei uns schlafen will. Das ist ein Mama-Kind. Der kriegt sofort Heimweh. Und der Ältere hat Angst, dass der Kleine in sein Zimmer geht und seine Bauwerke zerstört.

In der Zeitplanung richten wir uns, glaube ich, ziemlich stark nach den Enkeln. Das liegt auch zum Teil daran, dass Nils jetzt in die Schule gekommen ist. Wir übernehmen zweimal in der Woche auch die Überwachung der Hausarbeiten, die angefertigt werden müssen, so dass man da nicht einfach aussteigen kann. Aber auch an den Tagen, wo sie bei uns sind, lassen wir uns abends keinen Kino- oder Theaterbesuch entgehen. Wir laden nur nicht selber ein. Das wissen auch alle unsere Freunde.

Wir richten uns auch in der Ferienplanung nach den Kindern. Ja, und wir übernehmen auch bestimmte Aktivitäten. Mit Flynn geht mein Mann turnen, und mit Nils geh ich schwimmen.

Das ist das Programm an einem Wochentag. Und am zweiten Tag, an dem sie bei uns sind, da geht der Große zu einem Freund, der im Haus wohnt, zum Spielen und mit dem Kleinen spielen wir dann.

Mischen Sie sich in Erziehungsfragen ein?

Wir haben tatsächlich, finde ich, eine Verantwortung. Ich versuche aber Dinge, die ich zum Beispiel anders regeln will, direkt mit den Enkeln auszumachen. Hinterher bespreche ich das Thema in Ruhe mit meinem Sohn. Schwiegertöchter sind so empfindlich.

Zum Beispiel gibt es bei mir bestimmte Regeln beim Essen. Also, ich lege durchaus Wert darauf, dass da bestimmte Sachen durchgezogen werden, z.B. Hände waschen, Besteck benutzen, mit Essen nicht herumschmieren. Ich lege auch Wert darauf, dass Nils nicht bei den Schulaufgaben gestört werden darf. Und da bin ich streng. Macht der Ältere Schularbeiten, wird die Tür zugemacht, dann darf der Kleine nicht rein. Ich finde es unheimlich wichtig, dass man eine gewisse Regelmäßigkeit in der Erledigung der Hausaufgaben durchsetzt und ein Ritual da reinbringt.

Und will Flynn was bauen, und der Große will nur gucken oder ihn ärgern, dann muss er raus. Und das läuft bei meiner Schwiegertochter anders, aber ich sag ihr das nicht, denn ich denke, das verletzt sie. Wenn wir aber allgemein über Erziehung reden, dann bau ich das so schnell wie möglich ein.

Was mich auch ein bisschen nervt, ist, dass wir Aktivitäten in ziemlich hohem Maße übernehmen: schwimmen, turnen, oder z.B. die Winterreise. Nils soll in diesem Winter Skilaufen lernen. Nicht weil ich es gut finde, mit ihm Winterurlaub zu machen, sondern weil ich glaube, dass mein Sohn und die Schwiegertochter nicht mit ihm in den Winterurlaub fahren werden und er so nicht Skilaufen lernt.

Aber sonst machen sie ganz viel ganz toll. Die Art, wie sie mit ihren Kindern spielen, finde ich sehr gut.

Als erfahrene Grundschullehrerin waren Sie dagegen, dass Nils eingeschult wurde. Warum haben Sie sich nicht durchsetzen können?

Äh, das war wirklich ein wunder Punkt. Es gab verschiedene Gründe. Einmal hat wohl meine Schwiegertochter die Erfahrung gemacht, dass sie selbst sich in den ersten Grundschuljahren entsetzlich gelangweilt hat. Sie war damals über sechs. Sie bestand darauf, dass Nils diese Erfahrung, die für sie negativ war, nicht machen sollte. Das kann ich nachvollziehen.

Wir haben allerdings unseren älteren Sohn auch zu früh eingeschult, weil ich die Tests für ein Frankfurter Institut durchgeführt habe und der dortige Institutsleiter Anhänger der Früheinschulung war. Aber wenn die Reife nicht da ist, sind die Kinder bei allen Spielen Claqueure, aber die richtigen Mitspieler sind sie nicht. Ich plädiere dafür, dass die Kinder eine ganz stabile Psyche haben, ehe sie dem Schulstress ausgesetzt werden.

Ich habe mich mit Marlene nicht gestritten, aber ich habe das Thema immer wieder angefangen und habe auch geredet und an Beispielen gezeigt, dass Nils einer der Kleinsten und Zartesten ist. Er ist sehr zierlich und noch sehr stark in der Spielphase. An der Schule interessiert ihn auch nur, was seine Freunde machen. Er selbst wollte nicht zurückgestellt werden, wollte mit seinem Freund Tim in die Schule. Ich war bei der Schulleiterin, die ich als Kollegin auch privat kenne, und ich habe ihr die Situation geschildert. Sie hätte inoffiziell über den Schulpsychologen veranlasst, dass Nils für ein Jahr zurückgestellt wird, obwohl er genau sechs war, als er eingeschult wurde. Aber er fühlt sich wohler unter jüngeren Kindern.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Für meine Enkelkinder wünsche ich mir, gerade weil es Jungs sind, dass sie ihre Emotionen zeigen können. Und ich wünsche mir, dass sie zufrieden und glücklich sind. Dann wünscht man sich natürlich auch so die materiellen Dinge, klar.

Wir möchten noch lange leben, dass wir die Kinder auch aufwachsen sehen und ihnen helfen können. Ich würde mir auch wünschen, dass man gerade in der Pubertät, wo ja naturgemäß die Konflikte mit den Eltern eskalieren, immer jemand da ist, der ein bisschen weiter weg steht und einen neutraleren Standpunkt einnehmen kann.

Omas und ihre Enkel

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