Читать книгу Eucharistische Anbetung - Anneliese Herzig - Страница 6
EIN WORT ZU BEGINN
ОглавлениеEin Buch über eucharistische Anbetung. Ausgerechnet. Jetzt, im Jahr 2017. Es hat klar seinen Platz in einer Reihe zu redemptoristischer Spiritualität, ist doch der Gründer der Redemptoristen, der heilige Alfons von Liguori, einer der großen „Troubadoure“ dieser Frömmigkeitsform1. Aber gibt es nicht in der heutigen Welt- und Kirchensituation wichtigere Probleme? Was berechtigt zu einem (weiteren) Nachdenken zu diesem Thema – angesichts so vieler drängender ethischer und pastoraler Fragen? Oder ist es gar eine überholte Gebetsform, die noch dazu „typisch katholisch“ ist und ein Thema berührt, das die christlichen Kirchen teilweise trennt?
Ich schreibe dieses Buch, während ich mich gleichzeitig an meiner Arbeitsstelle in der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs mit Klimawandel, zerstörerischem Bergbau und Menschen, die dagegen ankämpfen, mit Menschenrechtsfragen und vielem anderen mehr beschäftige. Ich schreibe dieses Buch, während Menschen hungern, obwohl die Erde eigentlich genügend Lebensmittel für alle produzieren könnte. Ich schreibe dieses Buch, während in unserem Haus zwei Flüchtlingsfamilien aus Syrien wohnen, die alles verlassen haben und deren Freunde und Verwandten in aller Welt zerstreut sind. Ich schreibe dieses Buch, während unsere Ordensgemeinschaft, wie so viele andere, mit „Nachwuchssorgen“ kämpft und während viele Pfarrgemeinden oft mühsam einen Weg in die Zukunft suchen. Ich schreibe dieses Buch in der Nachbarschaft unserer Einrichtung für wohnungslose Familien und denke an die Menschen, die ohne Obdach sind, auch in meiner Stadt. Egal ob Sommer oder Winter. Ich schreibe dieses Buch, während die christliche Präsenz im Nahen und Mittleren Osten aufgrund von Unterdrückung und Verfolgung im Verschwinden ist und bei uns viele Menschen mit Glauben und Religion nichts mehr anfangen können. Ich schreibe dieses Buch, während wir an 500 Jahre Reformation erinnern und uns dabei der weiterhin bestehenden Trennung der Kirchen schmerzlich bewusst werden, auch wenn vieles an ökumenischem Miteinander gewachsen ist. Verehrung der Eucharistie außerhalb der Messe gehört aber auch zu den theologisch umstrittenen Punkten zwischen der römisch-katholischen und den meisten protestantischen Kirchen. Hat es da wirklich Sinn, über dieses doch sehr „binnenkatholische“ Thema zu schreiben?
Für mich selbst ist die Praxis der eucharistischen Anbetung seit vielen Jahren ein großer Schatz in meinem Gebetsleben. In meiner Ordensgemeinschaft hat sie ihren festen Platz. Es sind kostbare Zeiten, von denen wir leben und die uns helfen, unseren Dienst zu tun und unser Ordensleben zu gestalten. In diesem Buch möchte ich meine Erfahrungen mit dieser Gebetsform teilen. Die Idee dazu ist in vielen Jahren gewachsen. Ich hoffe, dass meine Gedanken und Einsichten für Menschen, mit denen mich schon diese Art des Betens verbindet, vertiefend sein können. Ich hoffe auch, dass das Buch ebenso von manchen gelesen wird, die bisher noch keinen Zugang gefunden haben, aber irgendwie damit in Berührung sind. Und ich hoffe, dass einige Einseitigkeiten, die ich hie und da beobachte, aufgebrochen werden können. Eucharistische Anbetung ist für mich eine gute, sinnvolle Gebetsform. „Heilsnotwendig“ ist sie nicht, aber ich werbe gerne für sie!
Trotzdem bleibt die Frage danach, ob es angesichts der Probleme in der Welt und in der Kirche angemessen ist, ein Buch über dieses Thema zu schreiben. Eine Überlegung von Stephan Ernst gibt mir den Mut dazu2: Im Blick auf die Eucharistiefeier macht er deutlich, dass die Frucht der Feier eine Wandlung unserer Praxis ist. Und zwar in dem Sinn, dass im Glauben unser Leben und Handeln „dadurch verwandelt [wird], dass wir in der Gewissheit des Glaubens vom ängstlichen Festhalten am eigenen sicheren Nutzen befreit und zu wahrhaft mitmenschlichem Handeln befähigt werden“3. In den Sakramenten und zentral in der Eucharistie werden uns die Zuwendung Gottes in Christus Jesus und seine Vergebungsbereitschaft präsent und offenbar gemacht.
„In der Eucharistiefeier geht es also nicht nur um die Verwandlung von Brot und Wein in Fleisch und Blut Jesu Christi im Sinne einer distanzierten Verzauberung. Es geht vielmehr wesentlich darum, dass die Mitfeiernden selbst, ihr Leben, ihr Herz und ihr Handeln verwandelt werden, indem die verborgene Voraussetzung der Gemeinschaft mit Christus und der Zuwendung Gottes für sie bestimmend wird. … Den Mitfeiernden wird deutlich, dass sie zu Christus gehören, dass sie Söhne und Töchter Gottes sind und deshalb zu allen Menschen in geschwisterlicher Beziehung stehen. … Dieser Gedanke lässt sich auch kosmisch weiten. Insofern nämlich nicht nur die Menschen, sondern die Welt im Ganzen in Christus geschaffen und damit von Gott angenommene und geliebte Welt ist, wird in der Eucharistie auch die Verbundenheit des Menschen mit der ganzen Welt als Schöpfung Gottes deutlich.“4
Dass es auch um die Wandlung der Mitfeiernden geht, wird daran deutlich, dass der Heilige Geist im Hochgebet der Eucharistiefeier nicht nur auf die Gaben von Brot und Wein, sondern auch auf die Gemeinde herabgerufen wird. Sie soll ihrer Berufung nachkommen können und, von der ängstlichen Sorge um eigene Sicherheit, Wohlergehen und Bequemlichkeit befreit, sich und ihr Handeln öffnen können für die Nöte der Welt. Darin eingeschlossen sind die Armen und die Leidenden ebenso wie die gequälte Schöpfung.
Auch eucharistische Anbetung als eine Art meditativer „Verlängerung“ der Feier der Eucharistie hat daran Anteil. Wenn auch das zweckfreie Element der Anbetung gewahrt bleiben muss, wird sie doch gerade dann zu ihrem Ziel kommen, wenn sie den Menschen innerlich umwandelt, befreit und je mehr befähigt zu einer Praxis in der Nachfolge Jesu. Sie erlaubt gerade nicht – wie Gottfried Bachl kritisch und pointiert formuliert – eine „risikofreie Umgehung der Umkehr, wie sie Paulus für den Genuss der Eucharistie fordert“5. Die Aussagen des päpstlichen Lehramts zu Eucharistie und eucharistischer Anbetung haben diesen Zusammenhang hinlänglich und eindrücklich ins Wort gebracht. Bereits Papst Paul VI. hat in seiner Enzyklika Mysterium Fidei(1965)6 klargelegt, dass „der Kult der Eucharistie nachdrücklich zur ‚sozialen‘ Liebe“ drängt (Nr. 70). In praktisch allen Schreiben seiner Nachfolger zur Eucharistie wird dasselbe mit anderen Worten betont. Der Einsatz für Arme und für eine gerechtere Welt ist Kriterium nicht nur der Echtheit der Teilnahme an der Eucharistiefeier, sondern auch der eucharistischen Anbetung (vgl. Johannes Paul II., Mane nobiscum Domine 2004, Nr. 28)7. Eucharistische Spiritualität umfasst das ganze Leben, nicht nur die Mitfeier der Messe und die Verehrung der Eucharistie (Benedikt XVI., Sacramentum Caritatis 2007, Nr. 77)8. Diesem Ansatz fühlt sich auch das vorliegende Buch verpflichtet. Er gibt dem Thema Berechtigung inmitten großer Nöte und Herausforderungen in der Welt.