Читать книгу Räuchern für die Seele. Kompakt-Ratgeber - Annemarie Zobernig - Страница 7

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Die Geschichte des Räucherns

Nehmen wir gemeinsam die Duftspur des Räucherns auf: von den Ursprüngen an den Feuerstellen der Frühzeit bis hinein in unsere Wohn- und Arbeitsräume. Am Anfang war das Feuer – und gleich darauf folgte auch sein Duft. Das Räuchern begleitet die Geschichte der Menschheit von Anbeginn. Es ist überall auf der Welt beheimatet und – wie eine kostbare, duftende Schatzkiste – gefüllt mit dem Wissen der Völker über ihre Pflanzen und deren Wirk- und Heilkräfte, ihre Geschichte und Traditionen, ihre Spiritualität und ihre Auffassung vom Sinn des Lebens. Die tiefsten Geheimnisse eines Volkes wurden am Feuer überliefert, lange noch, bevor es schriftliche Aufzeichnungen gab: lebendig, in bildreichen Geschichten, alle Sinne berührend, bis jedem vor Staunen der Mund offen stand. Das war Lernen durch Erleben.

Urzeit der Menschheit: Feuer und Flamme

Für Jahrmillionen waren alle Lebewesen einzig dem Rhythmus von Tag und Nacht unterworfen, von Hitze und Kälte, den Jahreszeiten. Vor etwa 1,5 bis 1 Millionen Jahren begann der Homo erectus, natürlich entstandenes Feuer für sein Überleben zu nutzen. Aber erst vor etwa 400.000 Jahren lernten die Menschen, es auch selbst zu entfachen. Das Feuer schenkte Wärme und Geborgenheit, Schutz vor wilden Tieren und bekömmlichere Nahrung – es sicherte so das Überleben.

SEELENFUNKE

ENTDECKE DAS FEUER IN DIR

Entzünde von Zeit zu Zeit in sicherem Rahmen ein Feuer. Im Flammenspiel eines Kaminfeuers können Alltagssorgen verblassen; genieße bei Kerzenschein ein romantisches Essen oder eine beruhigende Meditation; schaffe Raum für eine Pause durch ein Räucherritual, oder spüre die Urkraft der Natur am Lagerfeuer. Entdecke so das Feuer in dir, und genieße den Duft unterschiedlicher Zweige und Hölzer, die du ins Feuer gibst. Es verwandelt, nährt und wärmt. Es führt dich zu deinem Innersten – zu deinem Seelenfeuer.

Altsteinzeit: Überleben der Nase nach

Die sensiblen Nasen der Frühmenschen warnten vor Wetterwechsel, wilden Tieren oder unverträglicher Nahrung – bis heute dient der Geruchssinn als Warnsinn. Jede Pflanze musste auf Genießbarkeit erprobt werden, und es wurden dabei auch die aromatischen Hölzer, Harze, Wurzeln und Kräuter entdeckt. Der Duft der Pflanzen wurde eingeatmet, in der Erinnerung abgespeichert und, wie alle Düfte, mit unserer archetypischen Bilder- und Gefühlswelt verknüpft. Man kannte den Geruch seiner Höhle – und konnte ihn nun selbst gestalten und verändern. Paläontologische Forschungen zeigen, dass in der Zeit der Neandertaler, zwischen 90.000 und 35.000 v. Chr., bereits Räucherrituale bekannt waren.

SEELENFUNKE

EIN SICHERES ZUHAUSE

Probiere beim Räuchern, wie es in den Behausungen der frühen Menschen duftete: nach schützendem Wacholderholz, erfrischendem Tannenharz, stärkender Kiefernrinde oder mutmachenden Lärchennadeln.

Und wenn du das nächste Mal dein Zuhause betrittst: Wie nimmst du den »Duft deiner Höhle« wahr?

Wie riecht dein Zuhause?

Jungsteinzeit: Sichtbares und Unsichtbares

Die Fertigkeiten der Menschen im Kampf ums Überleben nahmen zu. Sie hüteten das Feuer, entwickelten Werkzeuge, Kleidung aus Tierfellen und sammelten Wissen um die Nutzung von Pflanzen. Langsam wurden unsere Vorfahren sesshaft. Das Räuchern entwickelte sich, ähnlich wie die verfeinerte Zubereitung der Nahrung, weg von Einzelstoffen hin zu balsamischen Duftmischungen. Der Mensch verehrte mit Ritualen und Düften die Verbindung zwischen der sichtbaren Natur und den unsichtbaren Götterwelten. Von etwa 7200 v. Chr. stammen Funde von »Räucherkuchen« aus der Region des heutigen Dänemarks und Schwedens. Schamanen versetzten sich mit halluzinogenen und psychoaktiven Pflanzen wie Alraune, Bilsenkraut oder Stechapfel in Trance und visionäre Zustände.

SEELENFUNKE

REISE ZU DIR SELBST

Jede Räucherung öffnet die Tore für innere Erfahrungen. Es ist unnötig, sie mit halluzinogenen Pflanzen aufzureißen. Schließe bei jeder Räucherung die Augen, richte die Aufmerksamkeit auf den Punkt zwischen deinen Augenbrauen (dort befindet sich das dritte Auge), und stelle dir vor, wie sich eine Tür öffnet und deine Reise nach innen beginnt!

Kelten und Germanen: Rhythmus des Lebens

Die ersten Nordeuropäer beobachteten den Lauf von Sonne und Mond bei Externsteinen und Felsheiligtümern, errichteten als Erste Kalender-Steinkreise, und Dolmenreihen, und Kult- und Opferstätten entstanden – überall dort ging Rauch auf. Pflanzen wurden nicht als bloße Träger von Wirkstoffen gesehen, sondern galten als beseelte Wesen mit heilenden und heiligen Kräften. Alles in der Natur war von Elementarwesen belebt: die Bäume und Blumen von Elfen und Gnomen, die Steine und Berge von Zwergen und Riesen, die Gewässer von Nixen und Wassermännern, die Luft von Sylphen, das Feuer von Drachen und Salamandern. Druiden waren die alten Weisen, denen wir unsere traditionellen Feste zu Ehren von Sonne, Mond und Erde verdanken. Als heilige Pflanzen galten die Mistel und die Eiche, beliebt waren auch Alantwurzel, Beifuß- und Johanniskraut.

SEELENFUNKE

NUTZE DIE KRAFT DER BÄUME

Nimm Platz bei einer Eiche oder unter einem Baum mit einer Mistel. Räuchere getrocknete Eichenrinde oder die Blätter der Mistel, und tauche in die Welt der Druiden ein. Vielleicht begegnet dir eines der Elementarwesen, versteckt in einer knorrigen Wurzel, in den vorüberziehenden Wolken oder in den Wellen eines Baches.

Hochkulturen: Tempelbauer für die Götter

War es vielleicht sogar der balsamische Duft heiliger Hölzer und Harze, der den Geist des Menschen für Schrift, Städtebau, Politik, Handel, Kunst, Wissenschaft, Kultur und Religion öffnete? Die größten Tempel der Menschheit wurden seit ca. 4000 v. Chr. dort gebaut, wo auch die wertvollsten Duftstoffe der Welt herkommen. Die Räucherstoffe der Hochkulturen wurden meist zu kostbaren Mischungen, wie zum ägyptischen Kyphi, verarbeitet und in großen Mengen den Göttern geopfert. Die kostbaren Mischungen dienten der Erbauung der Priester und Pharaonen – die kraftvollen Harze der Gesunderhaltung, Beruhigung und dem Erstarken des Volkes. Weihrauch ist der Sammelbegriff für die Harze tropischer und subtropischer Balsambaumgewächse (Burseraceae). Der klebrige Saft wurde und wird durch das Einritzen der kostbaren Bäume gewonnen. Den uns vertrauten Weihrauchgeruch liefert der Weihrauchstrauch (Boswellia sacra) aus den kargen Gebieten Afrikas, Arabiens und Indiens.

Einige der bekanntesten Räucherstoffe der Tempelbauer: Ägypten – Welt der Pharaonen:

Weihrauch, Myrrhe, Opoponax

Mesopotamien – versunkener Garten Eden:

Zeder, Zistrose, Galbanum

Arabien – Zauber des Orients:

Weihrauch, Myrrhe, Rose, Styrax

Indien – Paradies der Gewürze:

Sandelholz, Dammarharz, Zimt, Nelke

Südamerika – Inkas, Mayas und Azteken:

Copalharz, Palo Santo, Tonkabohne, Eukalyptus

SEELENFUNKE

BAU DIR EINEN TEMPEL

Wähle einen Duft der Tempelbauer einer Kultur, die dich besonders anzieht. Räuchere ihn in Stille während eines Gebetes oder einer Meditation.

Genieße die heilige, heilsame Zeit, und mache damit einen Stuhl, eine schöne Ecke, einen Meditationsplatz in deinem Zuhause zu deinem persönlichen Tempel.


Kultur des Ostens: Weg des Duftes

Weit im Osten gelegen blieb Japan für uns lange Zeit unentdeckt und somit auch seine Räuchertradition. Erst etwa Mitte des 6. Jahrhunderts kam das Räuchern von China nach Japan, und im japanischen Zen-Buddhismus entwickelte sich die wohl detailreichste und feinste Art des Räucherns: die Kunst des sogenannten »Koh-Doh« (»der Weg des Duftes«), bei dem man sich über den Geruchssinn bewusst und meditativ ins Hier und Jetzt versenkt.

Japanische Räucherstoffe: Sandelholz, Elemi, Jasmin

SEELENFUNKE

SPIEL MIT DEM RAUCH

Nimm dir Zeit für ein kreatives Duftspiel nach japanischer Art: Reiche einen Räucherduft in eine Runde aus Familienmitgliedern oder Freunden. Ein Spieler beginnt eine Geschichte mit einem bildreichen Satz, zu dem ihn der Duft inspiriert. Der nächste setzt die Geschichte fort, und so geht es weiter und weiter …

Bedrohte Kulturen in West und Ost

Viele Völker pflegten ihre eigenen Bräuche in farbenfrohen Zeremonien und mit uralten Räuchertraditionen, wie zum Beispiel die Ureinwohner Nordamerikas oder die Bergvölker des Himalaja.

Native Americans

Die Indianer Nordamerikas lebten (und leben) in tiefer Achtsamkeit mit der Natur. Sie sprechen mit den Geistern ihrer Ahnen, der Tiere und der Pflanzen, sind verbunden mit Mutter Erde und dem göttlichen Spirit. Räuchern ist wichtiger Teil ihrer Tradition und wird bei Friedenszeremonien (»Friedenspfeife«), bei der Visionssuche und Krafttier-Reisen, zur Vorbereitung auf die Jagd oder den Kampf, bei reinigenden Schwitzhütten- und Heilzeremonien und Lebensfesten eingesetzt.

Düfte der Native Americans: Weißer Salbei (Smudge Sticks – Räucherbündel), Wacholder, Beifuß, Tabak

SEELENFUNKE

(BE)SUCHE DEIN KRAFTTIER

Räuchere an einem kraftvollen Platz in der Natur mit einem Smudge Stick aus Salbei oder Beifuß. Schließe die Augen, und öffne dich im Inneren dafür, dass sich dein Krafttier zeigt. Es kann dir in einer Vision oder auch im Außen begegnen. Klein oder groß – Krafttiere stehen für Emotionen, Antriebskraft, zu entwickelnde Charakterstärken oder für seelisches Potenzial.

Tibet und Nepal

Am Dach der Welt zu überleben funktioniert nur mit größter Ausdauer, im Zusammenhalt der Familie und in Verbundenheit mit der kargen Natur. Da braucht es fleißige Hände, ein offenes Herz, Humor, Freundlichkeit und tiefe Gespräche mit Gott. Die Räucherstoffe, die bei Gebetsmühlen, Wegmarken und auf Passübergängen am »Dach der Welt« verräuchert werden, bieten, ähnlich wie bei uns die Stationen der »Kreuzwege«, die Gelegenheit, im harten Alltag und auf schwierigen Wegen im Gebirge innezuhalten, Atem zu holen, um Schutz und Segen zu bitten und in Gebet und Meditation die Verbindung zur göttlichen Kraft zu pflegen.

Räucherstoffe des Himalaja: Narde, Sal-Harz, Galgantwurzel, Räucherschnüre mit Himalaja-Salbei, handgedrehte Räucherstäbchen, Tibetischer Beifuß »Ganden Khämpa«, Wacholder

SEELENFUNKE

RÄUCHERSTÄBCHEN, SELBST GEMACHT

Mache dir eigene »Räucherstäbchen« aus den Stängeln von getrocknetem Lavendel, Salbei, Schafgarbe oder Johanniskraut, die nach dem Abrebeln der Kräuter sonst oft weggeworfen werden.

Antike: Die Düfte beflügeln den Geist

Die reichen Mittelmeerländer waren durch ihr Klima mit heilkräftigen Kräutern voller ätherischer Öle gesegnet: stärkender Rosmarin, wohlschmeckender Oregano, erfrischender Salbei und würziger Thymian. Lorbeer schmückte die Sieger Roms und Myrte das Haar griechischer Bräute. Die kostbarsten Harze des Orients wurden über den Seeweg gehandelt. Mastix, das Harz des Pistazienbaumes, wurde geräuchert und in der Zahnpflege und Kosmetik geschätzt. Die Psychologie der Düfte wurde von den Minoern, Griechen und Römern entdeckt. Die Schwefeldämpfe beim Heiligtum von Delphi dienten den Priesterinnen für ihr Orakel und Weissagungen. Dichter und Denker fanden Inspiration in den Wohlgerüchen, und die genussfreudigen Römer schwelgten darin bei rauschenden Festen.

Düfte der Griechen: Iriswurzel, Lorbeerblätter, fossiles Bernsteinharz, Mastixharz, Salbei, Piniennadeln und Pinienharz

Düfte der Minoer auf Kreta: Zistrose, Koriander, Majoran, Kamille

Düfte der Römer: Kamille, Oregano, Lavendel

SEELENFUNKE

HELDENREISE

Räuchere zerkleinerte Lorbeerblätter, um dich wie ein römischer Sieger zu fühlen, und wirf dich in Pose. Lass sanften Lavendelduft deinen Geist klären und erhellen, oder bade im sinnlichen Duft des Zistrosenharzes »Labdanum«, und begib dich auf eine innere Heldenreise.

Mittelalter: Kirche, Pest und Klostergarten

Durch die Kreuzzüge kamen die Harze und Duftpflanzen aus dem Heiligen Land nach Mittel- und Nordeuropa. Die edlen Düfte waren den Königshäusern und dem Klerus vorbehalten. Das Volk musste sich mit den heimischen Harzen von Fichte, Tanne, Zirbe und Wacholder behelfen, die – mit Kräutern wie Beifuß, Johanniskraut, Mädesüß, Königskerze oder Alantwurzel vermengt – in der Kirche geweiht und so als »Weihrauch« in Haus und Stall verräuchert wurden.

Das alte Pflanzenwissen wurde während der Hexenverfolgungen nahezu ausgemerzt und musste der neuen Religion weichen. Dennoch suchten die Menschen bei Epidemien wie Pest oder Cholera Hilfe und Schutz im Duft von Wacholder, Baldrian, Pfefferminze, Kamille oder Kampfer. Hildegard von Bingen, Paracelsus, Dr. Samuel Hahnemann und Pfarrer Kneipp begleiteten das Räuchern aus dem Mittelalter in die Medizin unserer Zeit.

Heute: Zwischen Tradition und Esoterik

Bei uns im Dorf wurden Haus und Stall jedes Jahr zu Weihnachten mit Myrrhe und Weihrauch oder selbst gemachten »Aflkerzen« aus Fichtenharz, Kräutern und Heublumen traditionell ausgeräuchert. Am Dreikönigstag kamen die Sternsinger mit Weihrauch und Segensliedern ins Haus, und wenn ein Gewitter nahte, warf meine Mutter getrocknete Weidenkätzchen und Buchsbaumzweige vom Osterbuschen ins Herdfeuer.

Heute sind Räuchernde überall zu finden: daheim, um in der Familie und Beziehung Positives zu bewirken, in Schulen, um das Lehren, Lernen und das Miteinander zu unterstützen. In Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, um Helfenden und Hilfsbedürftigen mehr Kraft zu geben. In Büros und Betrieben, um dem Arbeitsleben besser gewachsen zu sein. In Hotels, um das Wohlbefinden der Gäste zu fördern. Am Bauernhof, im Stall, in Tierarztpraxen, Seminarhäusern, in Kirchen und Tempeln und zur Unterstützung in allen Lebenslagen. Der Beruf des Räuchermeisters, den es einst im alten Ägypten gab, etabliert sich heute langsam wieder.

Leider ist der Begriff Esoterik heute sehr umstritten, wir dürfen uns aber daran erinnern, dass die Geheimwissenschaften die Vorläufer unserer heutigen Wissenschaften sind. Natürlich gibt es hier wie da »schwarze Schafe«, deswegen ist es uns beim Räuchern besonders wichtig, eine Verbindung zwischen Tradition, esoterischer Energiearbeit und moderner Wissenschaft zu schaffen.

SEELENFUNKE

URLAUB FÜR DIE SEELE

Zu welchem Land fühlst du dich besonders hingezogen? Verwende die Räucherdüfte dieses Landes als Reiseleiter. Lass dich von Gewürzen, Speisen, Aromen, Farben und Klängen des Landes inspirieren.

Räuchern für die Seele. Kompakt-Ratgeber

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