Читать книгу Räuchern für die Seele. Kompakt-Ratgeber - Annemarie Zobernig - Страница 8

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Das Riechen – Wissenswertes aus der Forschung

Das Riechen kam aus dem Wasser, aus den Tiefen des Urmeeres, der Dunkelheit und Stille. Die ersten Lebewesen nutzten das Wasser, um chemische Botschaften auszusenden, die nur durch die passenden Sensoren von ihresgleichen aufgenommen und verstanden wurden. So fanden sie Nahrung, erkannten Feinde und konnten sich fortpflanzen. Die meisten dieser Rezeptoren sind unverändert und wurden an die Säugetiere und an den Menschen weitervererbt.

Als dieses Leben an Land ging, wurde die Luft zum Träger der Duftmoleküle. Um herbeigewehte Informationen auffangen zu können, entwickelten sich spezielle vorstehende Organe: die Nasen. Das Vorderhirn war lange Zeit nur für das Riechen zuständig gewesen. Als mehr Reize von Augen und Ohren verarbeitet werden mussten, verlagerte es sich nach hinten und wurde zum Riechkolben (Bulbus olfactorius). Die explodierende Geruchsvielfalt musste abgetastet werden, und in den Nasen entstanden immer neue Rezeptoren.

Wahre Supernasen sind Ratten und Mäuse (1200 verschiedene Riechrezeptoren), gefolgt von Hunden und Katzen (ca. 800–900) und Affen mit ca. 500. Bei uns Menschen bilden mehr als 350 Rezeptoren ein Duftalphabet, mit dem unser Geruchssinn Abertausende Kombinationen wahrnehmen und spezifizieren kann.

Wie die Düfte in die Nase passen

Erst 1991 wurden diese Rezeptoren von der Forscherin Linda Buck in New York entdeckt. Sie liegen in der Zellmembran der Riechsinneszellen in unserer Nasenschleimhaut und nehmen die Duftmoleküle nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip und elektrischer Ladung auf. Nur die Hauptkomponenten des Duftmoleküls müssen passen, der Rest darf variieren. So können wir z. B. verschiedene Apfelsorten ihrer Gattung zuordnen.

Aber der Duft kann noch deutlich mehr: Gerüche dringen über die Atemluft in unsere Nasenmuschel, münden über einen Kanal im Rachen und treffen im Mund auf unseren Geschmacksinn. Erst durch das Riechen werden wir zu Feinschmeckern, und umgekehrt können Duftmoleküle von Speisen »hintenherum« in unsere Nase gelangen.

Den Geruchssinn erforschen – mit einem Stück Apfelstrudel

Die verführerische Duftwolke von frischem Apfelstrudel erwischt mich, als ich vor dem PC sitze. Tausende von Duftmolekülen tanzen durch die Luft und finden ihren Weg in mein linkes gerade aktives Nasenloch.

Erst in etwa 1,5 Stunden ist wieder das andere dran,

Pech gehabt.

Am Dach der Nasenhöhle angelangt, warten 20–30 Millionen Riechzellen mit ihren über 350 Rezeptoren, um die Moleküle zu empfangen. Sie sind in eine feine Schleimschicht eingebettet, und die verschieden geformten Moleküle heften sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an die Rezeptoren. Ich stelle mir vor, da gibt es runde »Schlüssellöcher«, in die fruchtige Äpfel passen, spitze für die würzige Schärfe des Zimts und wellenförmige für Vanille. Über die untere Nasenmuschel atme ich normal weiter, aber durch intensives Schnuppern locke ich die Duftspur in meine obere Nasenmuschel. Riechzellen sind kurzlebig, werden nur etwa einen Monat alt, erneuern sich ständig. Dadurch können wir unser Riechvermögen erhalten, auch wenn wir einmal schädliche Substanzen eingeatmet oder eine Infektion ausgeheilt haben.

Die Duftmoleküle des Apfelstrudels haben mittlerweile angedockt, und die »Duftinfo« wurde an die Zellen weitergeleitet. Jetzt sind die Zellen »aufgeregt« und wollen unbedingt das Gehirn informieren. Dazu müssen aber die Moleküle von einer analogen in eine digitale Form umgewandelt und in Nervenbahnen durch das Siebbein geleitet werden. So landet der Geruchsreiz im Riechkolben – hier endet der Job der Riechnerven meiner Nase. Geschafft: Der Apfelstrudelduft ist in meinem Kopf.

Im Riechhirn werden die Informationen über die Intensität und das »Mmmh« oder »Bäh« eines Duftes ausgewertet. Haben wir die Nase voll, oder möchten wir noch hinterherschnuppern? Ist ein Duft, unserer individuellen Erfahrung nach, angenehm oder unangenehm? Jetzt übernehmen die Synapsen des Gehirns in sogenannten Riechknäueln (Glomeruli olfactorii) die Weiterleitung der Info in das Großhirn (Neocortex), und endlich ist es so weit: Ich realisiere den Duft! Zuerst im limbischen System (griech. limbus = Saum), das entwicklungsgeschichtlich zu den ältesten Arealen des Gehirnes zählt, und dann wird der Mandelkern (Amygdala) aktiviert. Eigentlich gibt es zwei davon, und sie beherbergen Emotionen, Instinkte und Triebe. Wenn ein Geruch Gefahr vermittelt, geht in der Amygdala sofort die Post ab und bringt uns dazu zu flüchten, anzugreifen oder zu erstarren – in diesem Fall löst sie einen »Angriff« auf den Apfelstrudel aus. Dann erwacht auch das »untere Zimmer« im limbischen System – der Hypothalamus. Er ist das Schaltzentrum für das vegetative Nervensystem und die Hormonzentrale des Körpers. Emotionen und Triebe werden in bewusste Handlungen umgesetzt – ich gehe also in die Küche. Der Hypothalamus regelt auch Hunger und Durst, Schlafen und Wachen und die Lust auf Sex – und das, ohne nachzudenken, eben einfach »der Nase nach«. Der Geruchssinn hat als einziger Sinn direkten Zugriff auf diese Schaltzentrale und wird nicht bewusst gesteuert.

Und plötzlich tauchen Erinnerungen auf: die Küche meines Elternhauses, meine Mutter in ihrer Schürze, sie knetet den Teig. Das alte Volkslied, das wir so gern beim Kochen gesungen haben, ist wieder präsent. Es ist, als ob ich den Strudelteig von damals wieder auf meinen Händen spüre. Mein Hippocampus, der seinen Namen der Seepferdchen-Form verdankt, hat sich eingeschaltet. Er ist mein Gedächtnis, der Platz des Lernens, meine räumliche Orientierung und innere Landkarte. Die Hormone, die durch diese umfassenden Duft-Erinnerungen vom Hypothalamus produziert wurden, verteilt die Hypophyse nun im Körper. Mir knurrt der Magen, mein Herz klopft vor Liebe für meine Mutter, und wie eine Umarmung wärmt mich wohliges Gefühl von innen: Ich bin zu Hause. Und du hast hoffentlich Lust auf Apfelstrudel bekommen!

Riechen weckt Erinnerung

Riechen heißt, sich zu erinnern. Das Lesen dieser Geschichte dauerte einige Minuten, aber der Vorgang des Riechens kann innerhalb weniger Sekundenbruchteile eine Welle an Ereignissen in uns auslösen. Gerüche öffnen Tore im Körper, in der Gefühls- und Bilderwelt, auf emotionaler Ebene und in den Erinnerungen, im bewussten Verstand und im Unterbewusstsein. Müssen wir deshalb vor dem Räuchern Angst haben? Nein, es kann uns nicht schaden. Es ist unverblümt, ehrlich und kann nur das aktivieren, was in uns an Bildern, Gefühlen, Emotionen und Erfahrungen vorhanden ist. Beim Räuchern helfen uns die dienstbaren Kräfte der Pflanzen, unser innerstes Wesen zu erforschen und zu offenbaren.

Wozu dient der Geruchssinn:

Warnung: Vor Feuer, verdorbener Nahrung, schädlichen geruchsintensiven Substanzen …

Beziehungen: Wen kann ich »gut riechen«, wer gehört zu mir, wen mag ich nicht …?

Erinnerung: An geliebte Orte, Menschen, Speisen, Feste, besondere Ereignisse …

Genuss: Speisen, Getränke, körperlicher Nähe, betörende Düfte …

Naturerlebnis: Wiese, Wald, Fluss, Meer, Jahreszeiten, Wetter, Pflanzen …

Gesundheit: Die Nase filtert Staub und Krankheitserreger aus der Atemluft, erwärmt und befeuchtet sie.

Inspiration: Zu gedanklichen und künstlerischen Höhenflügen, zur Kreativität

Spiritualität: Die Verbindung zu einer höheren Kraft und zu unserem Innersten

SEELENFUNKE

GEHEIMTIPP FÜR FREIE NASEN

Vermeide intensive und vor allem synthetische Düfte, wo immer es dir möglich ist. Sanft dosiertes Räuchern mit natürlichem Kampfer und Eukalyptusblättern macht beleidigte Nasen frei und neutralisiert störende unangenehme Gerüche in Kleidung, Wohnung, Büro, Werkstatt, Keller, Stall oder im Auto.

Räuchern für die Seele. Kompakt-Ratgeber

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