Читать книгу Winterfee Chiarina und Ruppi der Rabe - Annina Boger - Страница 6

Ruppi der Rabe

Оглавление

Wimmebimmel sauste mit seiner kleinen Winterfee und den gefüllten Satteltaschen in gerader Linie Richtung Norden. Bald darauf erreichten sie die Schranke zwischen der Erde und dem Feenreich.

Chiarina klopfte ihrem Silberschimmel auf die Flanken und rief dann froh:

»Brav Wimmebimmel, bald haben wir’s geschafft, es ist nicht mal so spät geworden!«

Doch sie hatten zu früh gelacht, denn es kam ganz anders als sie es sich gedacht! Knapp bevor sie das Tor zum Feenland erreichten, vernahmen sie eine Stimme aus dem Wald hinter ihnen und erbleichten:

»Krah, krah, der Ruppi ist da, haltet ein, haltet ein!«, hörten sie es krächzen und auch schrei‘n.

Der Ruppi? Kennen wir den, fragte sich die kleine Winterfee und spitzte die Ohren. Sie bremste Wimmebimmel ab und lenkte ihn nochmal zurück ins Tal. De Rufe kamen von nirgends und überall.

»Wer ist da? Wo bist du, Ruppi? Bitte melde dich«, rief Chiarina in den Wald hinein, wo es raschelte und flatterte, als würde jemand umherrennen.

Wimmebimmel und Chiarina kreisten über den weißen Tannen und sahen sich ratlos an.

Doch da ... fast auf der Spitze schien einer zu sitzen. Etwas bewegte sich dort, und es krächzte erneut:

»Krah, krah, seid ihr zwei bereit?«

Nun entdeckten sie einen jungen schwarzen Raben. War das etwa der Ruppi? Aber was konnte er von ihnen wollen? Sie hätten doch ganz schnell heimkehren sollen.

»Wozu müssen wir denn bereit sein, Ruppi?«, fragte die kleine Winterfee verwundert. »Sag, haben wir etwas vergessen?«

Der kleine Rabe schüttelte von seinem Federkleid den Schnee, bevor er ihnen verriet: »Schon, krächz krah he, manche Leute haben heute Nacht kein Essen!«

Ruppi hüpfte wie wild auf dem Ast herum, während er mit heiserer Stimme rief:


»Tief im Wald ist eine Schneise,

dort wohnt die Familie Kneise.

Sieben Kinder und kein Brot,

krah, riesengroß ist ihre Not.

Die Mutter krank, der Vater im Spital.

Schnee ist ihr karges Weihnachtsmahl,

krah, die Hütte ist ein zugiges Loch

die Familie friert dort noch und noch.

Krah, alles zugefroren, eingeschneit,

kein einz’ges Holzscheit weit und breit!«

Krah, eiskalt sind auch ihre Betten,

nur ihr zwei könnt sie jetzt noch retten.

O Schreck, das war ja eine schlimme Nachricht! Der Silberschimmel wieherte jämmerlich auf und senkte den Kopf. Auch die kleine Winterfee guckte ganz erschrocken bei so viel Not.

»Dann nichts wie hin zum Wassertopf, schnelle Hilfe ist jetzt oberstes Gebot!«, entschied Chiarina sofort. Vergessen war die gute alte Oberfee, und vergessen waren auch die übrigen Grazien.

Sie mussten sofort umkehren und zu dieser armen Familie gehen. Das würden die im Feenreich bestimmt verstehen! Nur so würden sie es selber sehen, ob dieser Ruppi-Rabe die Wahrheit sagte, oder ob er nur mit ihnen scherzen wollte; was er natürlich nicht tun sollte.

»Führst du uns zur Familie Kneise, lieber Ruppi?«, bat Chiarina den zerzausten Raben, der sich immer wieder den Schnee aus dem Gefieder schüttelte. Ganz putzig sah er aus mit den gefrorenen Eisflocken auf dem Schnabel.


Ruppi deutete mit dem Kopf in den dichten Wald hinein und flog voraus von Ast zu Ast:

»Krah, krah, folgt mir da lang, krah«, krächzte er, als er seinen angefrorenen Schnabel wieder öffnen konnte.

Schon bald landete Wimmebimmel am Waldrand, weil hier unten die Tannen und Fichten ihn am Fliegen hindern würden. Seine Hufe versanken im dicken Schneeteppich, doch er überwand alle Hürden. Tapfer bahnte er sich einen Pfad zwischen den Baumstämmen, Was nicht ganz einfach war, denn er musste sich oft hindurchzwängen.

Die kleine Winterfee jedoch war so winzig klein, dass sie hinter Ruppi dem Raben schweben konnte. Mit ihrem Zauberstab leuchtete sie nach unten, denn die Abendsonne schien nicht bis auf den Waldesgrund runter.

Zwischen den verschneiten Tannen guckte scheu ein Rudel Wölfe hervor. Sie heulten zum Gruß und sahen zu, wie die Drei sich ihren Weg durchs Gehölz suchten.


Chiarina winkte ihnen nur, mit ihren Gedanken war sie bei der bettelarmen Familie. Sie überlegte sich, wie man dieser am besten helfen konnte.

»Ist es noch weit, Ruppi?«, fragte sie nach einer Weile atemlos.

»Nein, krah, wir sind ganz nah!«, krähte Ruppi bloß.

Und dann, mitten im Wald, auf einer kleinen Lichtung, stand eine tief eingeschneite, alte Holzhütte. Unter der Last des Schnees ächzten, knarrten und stöhnten die Dachbalken, als ob ihnen jemand was angetan hätte. Einige kleinere Tannen – ebenfalls schneebeladen – standen wie Wächter daneben und schienen aufrecht zum Himmel zu streben.


»Krah, krah, jetzt sind wir da!«, lärmte Ruppi munter, setzte mit wildem Flügelschlag zum Landeflug an und landete auf der vorderen Dachspitze. Von dort hingen überall Eiszapfen herunter; ein kalter Nordwind heulte durch alle Ritzen.

Im trüben Fenster flackerte ein schwaches Kerzenlicht. Es lud Ruppi den Raben, die kleine Winterfee und ihren Silberschimmel ein, willkommene Gäste zu sein.

Auf einmal hörten sie eine leise Kinderstimme, die zu den Sternen sprach: »Bitte, bitte, vergiss uns nur heute nicht!«

Chiarina hörte dies mit und war ein wenig abgelenkt:

»Was hätte dieses arme Kind wohl gern geschenkt?« Sie seufzte bekümmert, denn sie ahnte, dass es hier mehr brauchen würde als eine kleine Gabe.

Dasselbe dachte auch Ruppi, der junge Rabe. Er sah besorgt, wie immer mehr flaumig weiche Flocken auf die Erde sanken.

Die kleine Winterfee landete auf des Schimmels Rücken und klopfte ihm nochmal leicht auf die Flanken.

»Na, dann wollen wir mal, komm Wimmebimmel!«

Ruppi fragte nicht erst den Schimmel. Er setzte sich krächzend auf Chiarinas Schulter und plusterte sich auf. Ein letztes Mal wirbelte er den Schnee von seinem Federkleid, dann war auch er zu einem Besuch bereit.

Winterfee Chiarina und Ruppi der Rabe

Подняться наверх