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Büroulette

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„Wie bitte? Sie wollen also allen Ernstes behaupten, daß ich eine Idiotensteuer zahlen muß, nur weil ich nicht mehr als den Hauptschulabschluß habe?“ erkundigte sich ein wütender Mann in einem Amt. „So ist es. Idioten wie Sie müssen für ihre Dummheit bezahlen“, machte der Bürokrat entschieden deutlich. „Und so etwas wagen Sie, mir ins Gesicht zu sagen? Na warten Sie! Jetzt werde ich Ihnen mal zeigen, wie hart dieser Idiot zuschlagen kann!“ brüllte der Mann und ging auf den Beamten los, der sofort einen roten Knopf drückte. Augenblicklich kamen drei muskulöse Männer herein und nahmen den Aufmüpfigen in Gewahrsam. Jener wurde an Händen und Beinen gefesselt und durfte erst dann wieder mit dem Bürokraten reden. „Ich werde mich über Sie beschweren.“ „Tun Sie das nur. Mein Chef wird sich darüber freuen. Falls Sie es noch nicht mitbekommen haben: Seit ein paar Tagen herrschen in diesem Land neue Gesetze und die sagen, daß Sie diese Idiotensteuer zahlen müssen, wenn es ein Bürokrat von Ihnen verlangt.“ „Ich hasse Euch.“ „Mir egal. Ich steh auf Frauen.“ „Ha, ich lieg auf Frauen.“ „Sehr komisch. Aber wenn Sie wollen, kann ich mit Ihnen einen Intelligenztest machen. Wenn Sie den bestehen, dann brauchen Sie keine Idiotensteuer bezahlen.“ „Einverstanden.“ „Gut, fangen wir an: Welcher berühmte Bürokrat ließ sich zu dem Satz „Schlaf ist gesund“ hinreißen?“ „Das war der Herr Schnarchzapfen.“ „Richtig. Wow, das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut. Nächste Frage: Welcher phänomenale Bürokrat hat den Reißwolf erfunden?“ „Herr Faulick.“ „Wieder richtig. Donnerwetter! Ich bin sehr überrascht. Kommen wir nun zur letzten Frage: Welcher Bürokrat hat die gepolsterten Klobrillen erfunden?“ „Das war der Herr Warmscheißer.“ „Wieder richtig. Unglaublich. Woher wissen Sie das alles?“ „So etwas wird im ganzen Land als Witz erzählt.“ „Was! Das ist eine Unverfrorenheit.“ „Aber ich habe doch jetzt den Test bestanden und das heißt, ich brauche keine Steuern mehr zahlen.“ „Nichts da. Sie haben sich ja nur über uns lustig gemacht, wenn man über uns solche Witze macht. Nein, die Idiotensteuer bleibt.“ „Dann verlange ich aber, daß Sie auch eine zahlen müssen.“ „Warum?“ „Weil Sie ein noch größerer Idiot als ich sind.“ „Das war eine astreine Beamtenbeleidigung und das wird nicht billig. Außerdem sind wir Bürokraten von allen Steuern befreit.“ „Das ist ja die größte Sauerei, die ich je erfahren habe.“ „Von wegen! Wenn Sie mal die größte Sauerei sehen wollen, dann kommen Sie morgen nachmittag mal vorbei. Dann läßt der Kollege Risch mal wieder sein Furzorchester hören. Und das Besondere daran ist: Man riecht sie nicht nur, man sieht sie auch.“ „Da bekommt doch das Wort Arschloch eine ganz neue Bedeutung.“ „Was erlauben Sie sich! So, Ihr Protest wurde abgelehnt, Sie können gehen.“ „Wie denn? Ich bin an Händen und Füßen gefesselt. Binden Sie mich los!“ „Äh, das kann ich nicht.“ „Was soll das heißen?“ „Ich bin nicht dazu in der Lage. Darin habe ich keine Unterweisung erhalten.“ „Soll das bedeuten, daß Sie nicht einmal in der Lage sind, ein paar Knoten zu lösen?“ „Vollkommen richtig. Hören Sie, ich bin Beamter. Wenn Sie jemand losmachen soll, dann rufen Sie sich einen Elektriker oder was Ähnliches.“ „Jetzt weiß ich auch, warum Sie keine Idiotensteuer zahlen müssen.“ „Natürlich. Weil ich viel zu intelligent bin.“ „Nein, weil kein Mensch so viel Geld hat.“ „War das jetzt gegen mich?“ „Ist doch egal. Holen Sie eine Schere und schneiden Sie die Bänder durch!“ „Also gut!“ „Aua!“ „Was schreien Sie denn?“ „Sie sollen die Fesseln durch und nicht mir die Pulsadern aufschneiden.“ „Verzeihung! Du meine Güte, das ganze Blut. Das ist ja eklig.“ „Los, drücken Sie Ihren roten Knopf!“ „Ja ja, immer mit der Ruhe.“ So kamen die drei Leibwächter herein. „Helft mir! Ich verblute!“ schrie der Mann. „Tut uns leid! Da haben wir keine Ausbildung für“, gab einer von ihnen kopfschüttelnd zu. „Ja was machen wir denn da?“ wollte ein Anderer wissen. „Ich hab’s. Wir rufen die Putzfrau“, verkündete der Beamte. „Die Putzfrau?“ wunderte sich der dritte Leibwächter. „Na klar. Die soll das Blut wegwischen. Wie das aussieht.“ Erst die Putzfrau rief einen Arzt. Einer von unzähligen Beweisen dafür, daß die Staatsbürokratie lebensgefährlich war.

„Da, schaut mal! Wir haben alle Post gekriegt!“ rief Bärbel fröhlich. „Von wem?“ wollte Daniel wissen. „Keine Ahnung. Ich glaube, von irgend so einer Behörde. Natürlich. Das liebe Finanzamt meldet sich.“ Klaus und Daniel öffneten ebenfalls ihre Briefe. Als alle Drei gleichzeitig „Unverschämtheit!“ riefen, war ihnen allen klar, daß es um etwas weniger Angenehmes ging. „Hört Euch das an! Die schreiben, ich solle mir einen anständigen Beruf suchen, oder das Land verlassen!“ erregte sich Klaus. „Angeblich brauchen sie keine Gesellschaftskritiker“, fügte er hinzu. „Mir haben sie dasselbe geschrieben. Sie meinen, Kultur wäre uninteressant. Im gleichen Atemzug weisen sie aber darauf hin, daß sie sich schon auf ein Buch von mir freuen und sie machen mir ausdrücklich klar, daß kein Buch einer Zensur unterliegt. Komisch“, fand Daniel. „Bei mir ist es auch nicht besser. Sie schreiben, ich solle mir einen richtigen Mann mit einem vernünftigen Beruf suchen“, las Bärbel vor. „Was hat das Finanzamt damit zu tun? Was soll das Ganze? Wollen sich jetzt diese Bürokraten in alles einmischen, oder was? Hat man nicht einmal mehr das Recht, sich seinen Beruf selbst auszusuchen?“ wunderte sich Klaus. „Sieht so aus. Na ja, uns kann das egal sein. Von diesen Psychopathen lassen wir uns nichts vorschreiben. Diesen Brief drucke ich auch in meinem Buch“, entschied Daniel. „Da wäre ich vorsichtig. Die hecken irgendwas aus. Es macht mich verdammt stutzig, daß sie ausdrücklich betonen, daß es keine Zensur gibt. So, als wollten sie uns locken, alle unsere Gedanken öffentlich zu machen, um uns dann in die Pfanne zu hauen.“ „Genau. Die erkennen auf diese Art und Weise ihre Gegner und verfolgen die dann mit aller Rücksichtslosigkeit“, vermutete auch Bärbel. „Und wenn schon? Wir müssen kämpfen. Und wenn wir schon die Möglichkeit haben, unsere Gedanken zu veröffentlichen, dann müssen wir sie auch nutzen. Egal, ob wir damit ein großes Risiko eingehen oder nicht“, behauptete Daniel. Damit hatte er seine beiden Freunde auf den gefährlichsten Kurs eingeschworen, doch der war wohl die einzige Möglichkeit, irgendwie vielleicht doch etwas zu bewegen und in andere Bahnen zu lenken. „Es ist schon verrückt: Fast alle Menschen im Land hassen diese Staatsbürokratie, aber keiner traut sich, etwas dagegen zu unternehmen. So wie es wohl damals in der Hitlerzeit war“, glaubte Bärbel. „Nein, ich denke, das kann man wirklich nicht vergleichen. Gut, die meisten Bürger werden schikaniert, Aber deshalb noch lange nicht umgebracht“, widersprach Klaus. „Das nicht. Aber manchmal kann seelische Folter grausamer als körperliche sein“, warf Daniel ein. „Möglich, aber wir sollten doch nicht zu sehr übertreiben. Dieser Brief heute, na ja, der ist schon eine Frechheit und das werden wir diese Leute auch spüren lassen. Aber man darf das noch nicht verallgemeinern und sagen, wir wären von lauter Feinden umgeben“, erläuterte Klaus. Während sich Bärbel in die Küche zurückzog und über den Inhalt des Briefes nur noch lachte, diskutierten Klaus und Daniel weiter. „Was haben die vor? Wollen die uns verunsichern, oder verlangen sie, daß wir uns in ihr System eingliedern?“ fragte sich Daniel. „Scheißegal. Tatsache ist, daß sie den Krieg begonnen haben“, stellte Klaus klar, dem auf einmal der Gedanke gekommen war, dieser Brief wäre beleidigend. „Was ist denn mit Dir auf einmal los?“ „Ich war wohl doch zu naiv. Wir werden ihnen die passende Antwort geben“, versprach Klaus und zog sich dann zurück um nachzudenken. Zwar wußte er nicht, an welche Antwort er da dachte, aber er war fest davon überzeugt, daß ihm noch früh genug etwas einfallen würde. Zunächst galt es, den ersten Schock zu verdauen. Natürlich konnte Klaus nicht wissen, daß Tausende von Menschen einen Brief mit ähnlichem Inhalt erhalten und sich genauso wie er darüber aufgeregt hatten. Doch den Bürokraten machte das nichts aus. Sie hatten einkalkuliert, daß sie sich damit Feinde machen würden und genau das wollten sie auch. Für sie war es nämlich nun wichtig, Freund und Feind zu unterscheiden. Freund hatte nichts zu befürchten, während Feind verfolgt werden sollte. Klaus, Daniel und Bärbel gehörten zweifellos zu letzterer Rubrik.

„Einfach phänomenal. Großartig. Gigantisch!“ ließ Kurz verlauten. „Was ist denn so toll?“ wollte Schaukle wissen. „Hört mal alle her! Ich habe hier einen Brief von einem gewissen Bertram Opla. Der Name wird Euch sicherlich nichts sagen, aber sein Vorschlag ist phänomenal. Er schreibt nämlich, wir sollten ein Gesetz erlassen, das es Bürokraten ermöglicht, sich scheiden zu lassen, ohne Alimente oder ähnlichen Scheiß zahlen zu müssen.“ „Hurra! Das machen wir! Dann bin ich meine Alte endlich los!“ freute sich Zwink. „Geil. Dann brauch ich mein Krokodil doch nicht erschießen!“ jubelte Tecker. Damit hatten sie schon die absolute Mehrheit und da auch die beiden Anderen nichts dagegen hatten, wurde das neue Gesetz umgehend verabschiedet. „Ein wahrhaft kluger Kopf, dieser Opla“, bemerkte Schaukle. „Na ja, vielleicht sollten wir ihn in unser Team aufnehmen. Er hat bestimmt noch mehr so tolle Ideen“, vermutete Elesser. „Gute Idee. Aber eigentlich sind wir Fünf schon genügend Machthaber“, warf Tecker ein. „Stimmt. Aber das ist auch kein Problem. Machen wir diesen Opla halt ganz einfach zu unserem Berater“, schlug Kurz vor. „Warum nicht? Der hat eh nen tollen Werbespruch für sich. Hoppla, da kommt der Opla“, spottete Zwink. Gelächter kam auf. „Na ja, alles gut und schön, aber es könnte doch auch sein, daß dieser Mann uns dieses Gesetz nur aus Eigennutz vorgeschlagen hat“, gab Tecker zu bedenken. „Aber Günther, Du weißt doch, daß wir alle Gesetze, die wir verabschieden, nur aus Eigennutz machen. Allerdings ist ein Berater ein wenig erbärmlich. Drei sollten es schon sein“, fand Kurz. „Genau. Aber wer?“ fragte Schaukle in die Runde. „Machen wir uns doch keine Probleme, wo überhaupt keine sind. Der Opla muß schließlich mit den beiden Leuten zusammenarbeiten. Soll er sie doch selbst aussuchen“, forderte Zwink. „Hervorragend. Dann wäre diese Sache auch erledigt. Kommen wir nun zu etwas Anderem: Es geht massenhaft Post bei uns ein. Lauter Schikanen, die sich unsere bürokratischen Freunde für die Bevölkerung einfallen haben lassen“, berichtete Elesser. „Prima. Um die Post soll sich Opla mit seinen Leuten kümmern. Dann haben die auch genug zu tun“, stellte Tecker fest. „Genau. Nicht daß wir auf einmal auch noch arbeiten müßten“, stammelte Kurz entsetzt. „Dazu darf und wird es nicht kommen. Also gut. Die Beschwerden der Bürger häufen sich, die Knüppel der Polizisten schlagen sich so durch, eigentlich alles in Ordnung. Ich denke, wir können mit uns zufrieden sein“, resümierte Zwink. Alle klatschten. „Laßt uns etwas trinken und erholen!“ bat Kurz. So setzten sie sich und ließen sich ein wenig vollaufen. Mit der Zeit wurde es natürlich lustig. „Jungs, was haltet Ihr davon, wenn wir jetzt nacheinander die Judith ficken?“ wollte Kurz wissen. „Auf geht’s. Rein in die Uschi, äh, in die Muschi!“ rief Tecker. „Laßt es gut sein, Jungs! Der einzige Ständer, den Ihr habt, das ist der Kleiderständer zuhause“, erwiderte Judith. „Von wegen! Mit diesen tollen Viagrapillen steht sogar mein Langer wieder“, behauptete Kurz. „Da kann ich ja nur noch lachen. Als ob der Kurz einen Langen hätte“, scherzte Zwink. „Das muß ich mir nicht bieten lassen. Ich fordere Dich zum Duell auf. Du darfst die Waffen wählen“, lallte Kurz. „Gut, wer am weitesten pissen kann, hat gewonnen.“ „Einverstanden.“ So ließen also zwei der fünf mächtigsten Menschen im Land ihre Hosen runter und veranstalteten ein Weitpissen. Das entschied Kurz souverän für sich und kehrte so als strahlend voller Sieger zurück. „Ich habe gewonnen“, frohlockte er glückselig. „Aber auch nur, weil der Rüdiger Dich voll gepißt hat, anstatt in die andere Richtung zu schiffen“, entgegnete Schaukle. „Na und? Kann doch ich nichts dafür, wenn der schon zu besoffen ist“, wiegelte Kurz ab. Mit der Zeit wurden sie alle müde und wenig später schnarchten sie um die Wette. Deutschlands höchste Bürokraten schliefen ihren Rausch aus. Hätten das ihre Gegner gewußt, dann hätten sie wohl die einmalige Chance genutzt und der Staatsbürokratie ein schnelles und schmerzloses Ende bereitet. Aber so schlummerten die Besoffenen friedlich vor sich hin. Am besten schlief Elesser, der es gelungen war, nicht von den eigenen Kollegen gefickt zu werden.

„Hey, toll! Ich habe Post von den Machthabern bekommen“, freute sich Bertram, als er ins Amt kam. „Du bist wahrscheinlich der Einzige, der sich über so etwas freut“, mutmaßte Gerhard. „Na klar, schließlich geht es um meine drachenfreie Zukunft.“ „Lies doch mal vor, was sie geschrieben haben!“ bat ihn Ulrike. „Meinetwegen. „Sehr geehrter Herr Opla, das bin ich. Wir freuen uns sehr, Ihnen mitteilen zu können, daß wir Ihren Vorschlag einstimmig angenommen haben.“ „Was heißt das?“ erkundigte sich Ulrike. „Daß einer von den Fünfen dafür ist“, antwortete Gerhard. „Ihr Vorschlag wird in einen Gesetzestext gefügt, der so schnell wie möglich öffentlich gemacht und damit gültig wird.“ „Und was heißt das?“ mischte sich Ulrike wieder ein. „Daß das Gesetz in ein bis zwei Jahren wirksam wird“, erklärte Gerhard, was Bertram doch ein wenig störte. „Seid doch mal ruhig und hört zu! Ich lese weiter: Außerdem haben wir uns entschieden, daß Sie mit sofortiger Wirkung unser Berater werden.“ „Hä?“ murmelte Ulrike. „Also entweder waren die fünf Machthaber besoffen oder Bertram kann nicht lesen“, lästerte Gerhard ungläubig. „Nein, das steht wirklich so da. Bitte kommen Sie, sobald Sie diesen Brief erhalten, nach Berlin, wo wir schon ein Büro und ein Haus für Sie reserviert haben. Zusätzlich geben wir Ihnen die Möglichkeit, noch zwei Personen mitzunehmen, die ebenfalls den Job eines Beraters einnehmen werden. Mit freundlichen Grüßen: Bla bla bla.“ Da schaut Ihr, was?“ meinte Bertram strahlend. „Das gibt es doch gar nicht. Du wirst Berater der Machthaber. Gratuliere, Junge!“ rief Gerhard. „Und das alles nur, weil Du diesen Vorschlag gemacht hast“, bemerkte Ulrike verwundert, die nicht glauben konnte, was sie da gehört hatte. „Hurra, ich bin im siebten Himmel!“ jubelte Bertram. „Schön für Dich“, nuschelte Gerhard ein wenig mißmutig. „Nein, das ist auch schön für Euch. Denn Euch Beide nehme ich auch mit.“ „Wirklich?“ „Klar, da steht doch, daß ich zwei Personen auswählen kann. Und die seid Ihr.“ „Du bist ein Schatz.“ Ulrike fiel ihm um den Hals. „Heute ist mein Glückstag. Erst die Nachricht, daß das neue Gesetz bald kommt, was bedeutet, daß ich meine Alte endlich wegschmeißen kann und dann noch die Mitteilung, daß ich ganz nach oben komme. Wahnsinn!“ stöhnte Bertram. „Und was müssen wir als Berater der Machthaber machen?“ erkundigte sich Gerhard. „Scheißegal. Wir kriegen einen Haufen Kohle, ein schönes Haus und haben ausgesorgt. Ich denke, wir werden weiter so tolle Gesetzvorschläge machen sollen“, vermutete Bertram. „Aber soll ich wirklich meine Familie hier alleine lassen?“ überlegte sich Gerhard. „Na klar. Scheiß auf Deine Familie! Was willst Du denn mit Deiner Frau? Die ist fast so fett wie meine.“ „Aber meine Frau ist schwanger.“ „Das ist ja fast genauso schlimm. Noch so ein schreiendes Balg, das Dir die Freizeit versaut. Das mußt Du Dir wirklich nicht mehr antun. Und Deine beiden anderen Kinder können schon alleine für sich sorgen.“ „Sie sind fünf und sieben.“ „Siehst Du? Ist doch alles kein Problem. Was willst Du denn mit einer Familie? In Berlin gibt es Unmengen von Nutten. Da kaufst Du Dir jeden Tag eine Andere und brauchst Dich nicht um Hausaufgaben oder Haushaltsgeld kümmern. Außerdem kannst Du Dich nach dem neuen Gesetz eh problemlos scheiden lassen.“ „Bertram, ich danke Dir. Du hast vollkommen Recht. Von meiner Frau habe ich sowieso die Nase voll. Die hat letztens sogar gesagt, unser Hund sehe schöner aus wie ich.“ „Na ja, da hat sie sicher Recht. Trotzdem freue ich mich, daß Du mitkommen willst. Und was ist mit Dir, Ulrike?“ „Oh ja, ich komme!“ stöhnte sie. „Sehr schön. Dann ist ja alles geregelt.“ „Sei doch still! Siehst Du nicht, daß Ulrike gerade wieder ihren Nebenjob erledigt?“ fragte Gerhard. „Ach, Du meinst das mit dem Telefonsex. Jetzt wo Du es sagst. Aber sie hat das voll drauf. Ich seh ihr immer wieder gerne zu.“ „Also, ich rufe sie lieber an. Kostet zwar ein paar Euro, aber sie ist das Geld wert.“ „Aber wirklich. Die macht das so täuschend echt, da könnte man meinen, sie ist voll dabei.“ „Ulrike, was sagt eigentlich Dein Mann zu Deinem Nebenjob?“ wollte Bertram nach ihrem Telefonat wissen. „Der findet’s toll. Er ist nämlich mein bester Kunde.“

„Können Sie denn nicht anklopfen?“ fragte die Beamtin ein wenig entrüstet. „Aber die Tür war doch ganz offen“, verteidigte sich der junge Mann. „Ach darum zieht es hier so.“ „Also hallo erstmal. Ich weiß nicht ob Sie’s wußten, aber in mein Haus regnet es hinein.“ „Was geht mich das an?“ „Sie haben mir verboten ein Dach zu bauen.“ „Ach Sie sind das. Ja, richtig und dabei bleibt es auch. Ein Dach auf Ihrem Haus paßt nicht in das Stadtbild.“ „Aber jedes Haus hat ein Dach. Ihres doch auch.“ „Das mag schon sein. Trotzdem heißt das nicht, daß Sie auch eins bekommen.“ „Was haben Sie denn gegen mich?“ „Das darf ich nicht sagen. Hören Sie! Freuen Sie sich doch, wenn es hereinregnet. Erstens bekommen Sie auf diese Art und Weise billiges Wasser, brauchen Ihre Kleidung nicht waschen, brauchen sich nicht waschen und auch unser giftiges Leitungswasser nicht benutzen.“ „Wissen Sie wie das ist, wenn man jeden Morgen pitschnaß im Bett aufwacht?“ „Ach, schwitzen Sie auch so fürchterlich? Ja, ich weiß wie das ist. Meinem Mann geht es ähnlich.“ „Nein, das ist nicht der Schweiß, Sie dumme Pute! Das ist das Wasser.“ „Na prima! Dann haben Sie ja sogar ein Wasserbett. Also ich weiß gar nicht worüber Sie sich aufregen. Viele Leute wären froh, wenn sie an Ihrer Stelle wären.“ „Gut, wenn das so ist, dann tauschen wir halt.“ „Äh, nein, das geht leider nicht, weil ich mich sehr leicht erkälte.“ „Sehen Sie! Was ist jetzt? Darf ich endlich ein Dach auf mein Haus bauen oder wollen Sie, daß das ein riesiges Aquarium wird?“ „Hmh, darauf wäre ich gar nicht gekommen. Nein, so leid es mir tut. Ich kann Ihren Antrag nicht genehmigen.“ „Wissen Sie was! Dann baue ich mir mein Dach eben ohne Genehmigung.“ „Das würde ich an Ihrer Stelle schön bleiben lassen. Denn dann kommt die Abrißbehörde und reißt das Dach wieder ab. Und da kann es schon mal sein, daß versehentlich das ganze Haus abgerissen wird.“ „Gibt’s denn das? In der ganzen Stadt stehen Häuser. Jedes hat ein Dach, nur meins nicht. Sind Sie hier von „Verstehen Sie Spaß?“ oder was?“ „Nein, wir sind hier im Amt und ich meine es ernst. Und jetzt verschwinden Sie, ich habe noch viel zu tun.“ „Das möchte ich sehen.“ „Auf wiedersehen.“ „Nein, ich bleibe so lange hier, bis Sie mir mein Dach genehmigen.“ „Soll das hier ein Witzstreik werden?“ „Ja genau. Mir reicht es jetzt nämlich mit Euch Bürokraten. Seit drei Jahren habe ich kein Dach über dem Kopf. Ich komme mir vor wie ein Obdachloser. Meine Frau hat sich scheiden lassen, weil sie nicht mehr wußte, ob ich gekommen bin, oder ob das Nasse, Feuchte nur der Regen war.“ „Hören Sie, Ihre Potenzprobleme gehen mich nichts an.“ „Unverschämtheit. Daran sind nur Sie schuld. Sie und Ihre dämliche Behörde.“ „Das war jetzt aber eine ganz gemeine Behördenbeleidigung. Wir müssen nicht nur uns selbst, sondern auch die Behörde vor Beleidigungen und Verleumdungen schützen. Die Behörde kann gar nicht dämlich sein. Wenn, dann trifft das höchstens auf uns Beamte zu.“ „Na endlich. Selbsterkenntnis ist der erste Weg zur Besserung.“ „Ha, da irren Sie sich. Verschwinden Sie endlich, bevor ich es mir noch anders überlege und Sie einsperren lasse.“ „Weswegen denn?“ „Wegen Beamtenbelästigung. Dafür gibt es lange Haftstrafen. Wer uns länger als fünf Minuten bei der Arbeit stört, wird festgenommen.“ „Ich werde Sie auch gleich fest nehmen.“ „So? Sexuelle Belästigung kommt noch hinzu.“ „Von wegen fünf Minuten. Ich bin gerade mal zwei Minuten hier.“ „Tja, bei uns gehen halt die Uhren ein bißchen anders.“ „Ich weiß, ich weiß. Zwei Minuten arbeiten am Tag, drei Stunden Mittagspause und den Rest Schönheitsschlaf.“ „Sie untertreiben mal wieder. Also, jetzt haben Sie mich genug mit Ihren unbedeutenden Problemen genervt. Vor der Tür stehen arme, unschuldige ausländische Kinder, die genauso wie ihre Eltern in einem anderen Land verfolgt werden.“ „Na immerhin, Sie haben ja doch ein Herz. Was machen Sie denn mit denen?“ „Na was wohl? Dorthin abschieben, wo sie hergekommen sind natürlich. Schließlich ist das hier kein Einwanderungsland.“ Der junge Mann schüttelte den Kopf und ging. Er knallte die Tür zu. „Hey, wecken Sie nicht das ganze Amt auf!“ rief die Beamtin ihm hinterher.

„Sie wollen sich also beschweren?“ erkundigte sich ein älterer Bürokrat lächelnd bei Klaus. „Ja. Erst einmal über die Behandlung hier. Wieso mußte Daniel draußen bleiben?“ „Weil hier nur höchstens zwei Personen gleichzeitig herein dürfen.“ „Und für was soll das gut sein?“ „Na hören Sie mal! Das wäre doch viel zu gefährlich, wenn wir mehr Leute auf einmal rein ließen. Die könnten uns bedrohen, ausrauben, verprügeln, foltern und was weiß ich noch alles.“ „Oder um den Schlaf bringen.“ „Richtig. Sie kennen sich aus. Also, worüber wollen Sie sich denn beschweren?“ „Über diesen Brief.“ Klaus legte das Papier auf den Schreibtisch. „Ach Sie sind das. Hervorragend. Also, die Arbeitsbeschaffungsstelle ist einen Stock tiefer, da können Sie sich gleich einen neuen Job suchen.“ „Moment mal! Ich will und werde mir keinen neuen Job suchen. Ich liebe meinen Beruf und werde ihn auch behalten.“ „Das geht aber nicht. Wir brauchen keine Gesellschaftskritiker mehr. Unser Staat ist perfekt organisiert, wird hervorragend verwaltet und es gibt überhaupt keinen Anlaß zur Kritik mehr.“ „Das haben Sie wohl auswendig gelernt?“ „Selbstverständlich. So, wenn Sie schon so ein sturer Bock sind, dann hoffe ich wenigstens, daß sich Ihre Frau entschlossen hat, einen richtigen Mann zu ehelichen“, wandte er sich an Bärbel. „Ich habe einen richtigen Mann“, erwiderte sie energisch. „Möglich. Aber Sie müssen einen Mann mit einem richtigen Beruf heiraten.“ „Warum muß ich das?“ „Weil Ihnen sonst die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen wird.“ „Also gut, meinetwegen. Wir waren eh nie stolz, Deutsche zu sein. Und jetzt erst recht“, stellte Klaus klar. „Mir kann’s recht sein. Da muß ich Sie aber darauf aufmerksam machen, daß Sie jederzeit des Landes verwiesen werden können und daß Sie nicht unter dem Schutz der deutschen Polizei stehen.“ „Von diesem Schutz habe ich nie etwas gemerkt. Passen Sie mal gut auf, Sie Krawattenheini! Damit wir uns hier richtig verstehen: Ich werde weiterhin diese Gesellschaft und vor allem Leute wie Sie kritisieren, auch wenn es Ihnen nicht paßt. Einen Maulkorb lasse ich mir nicht verpassen. So wie Sie werde ich die Medien nutzen und allen Menschen beweisen, daß diese Staatsbürokratie krank ist.“ „Träumen Sie weiter. Wir sind die Einzigen, die die Medien zu unseren Zwecken nutzen können. Wir haben nämlich alles unter Kontrolle und gleichgeschaltet. Das hätten Sie eigentlich merken müssen, wenn Sie Fernsehschauen.“ „Pech gehabt, Bürokrat. Mich erreichen Sie mit Ihrer Propaganda nicht, weil ich fast nie in die Glotze glotze, um nicht von Leuten wie Ihnen verblödet zu werden.“ „Das tut mir aber leid für Sie. Da verpassen Sie so tolle Sendungen wie „Tatort Büro“, „Für alle Fälle Beamte“, oder auch so phantastische Filme wie „Schlaf ruhig Teil zwei“, „Der Bürokratenpate“ und „Günther allein im Büro“. Daß Sie auf so tolle Unterhaltung verzichten, beweist, daß Sie nicht ganz richtig im Kopf sind.“ „Warten Sie nur! Wie ein Kartenhaus wird Ihr Bürokratenstaat zusammenfallen und ich werde der Windhauch sein, der ihn umstößt.“ „Mir können Sie keine Angst machen. Ich habe meine Schwiegermutter schon mal nackt gesehen.“ „Soll das heißen, daß dieser Brief kein blöder Witz, sondern vollkommen ernst gemeint ist?“ „Ja. Ich stelle fest, daß Sie von nun an keine deutschen Staatsbürger mehr und damit vogelfrei sind.“ „Gut, das bedeutet aber auch, daß wir von Euch Bürokraten nicht mehr belästigt werden können.“ „Das würde Euch so passen. Nein, nein. Solange Ihr in diesem Land lebt, werdet Ihr genauso oder noch mehr schikaniert wie alle Deutschen.“ „Wir sind aber keine Deutschen mehr. Ich glaube, ich werde auch ein Buch schreiben, über Leute wie Sie und ihre Methoden.“ „Tolle Idee. Schreiben Sie nur. Sie wissen ja: Es gibt keine Zensur bei uns.“ „Wahrscheinlich das einzig Positive an Eurem Staat.“ „Irrtum. Oh wie freut es mich, daß Leute wie Sie nichts mehr zu lachen haben. Wie oft habe ich mich schon über Ihre Kritiken aufgeregt und jetzt kann ich Ihnen das Wort im Hals umdrehen.“ „Meine Güte. Gibt es denn nur Sadisten in den Ämtern?“ wollte Bärbel wissen. „Natürlich. Wir haben alle die Satanistenprüfung, äh die Sadistenprüfung, gemacht und glorreich bestanden.“

Klaus und Bärbel gingen entnervt nach Hause, während Daniel noch warten mußte. Nach einer halben Stunde wurde er dann ins Büro gelassen. „Also eines würde mich jetzt schon interessieren: Was haben Sie in der letzten halben Stunde gemacht?“ erkundigte sich Daniel. „Das geht Sie gar nichts an. Sie sind schließlich nicht mein Chef“, kläffte der Beamte. „Zum Glück. Da würde ich ja verrückt werden. Aber deshalb bin ich nicht hier. Ich habe da von Ihrer Behörde einen komischen Brief erhalten, der einerseits aussagt, daß ich mir einen anderen Job suchen soll, mich aber andererseits dazu ermuntert, weiterhin Bücher zu schreiben.“ „Na ja, das ist alles ganz einfach: Im Prinzip sind wir der Meinung, daß Schriftsteller faule Halunken sind, die fast nichts tun. Aber trotzdem müssen wir Ihnen erklären, daß Sie Bücher schreiben können, weil es ja bei uns keinerlei Zensur gibt.“ „Können Sie das nicht so erklären, daß es ein normaler Mensch auch versteht?“ „Nein. Tut mir leid. Schließlich habe ich jahrzehntelang nur Bürokratendeutsch gesprochen und da ist es mir nicht mehr möglich, eine reguläre Sprache zu sprechen.“ „Na schön. Sagen Sie mir wenigstens, was ich jetzt Ihrer Meinung nach tun soll.“ „Mit dem größten Vergnügen. Es freut mich, daß es doch noch vernünftige Menschen gibt, die sich von einem erfahrenen Beamten etwas sagen lassen. Wenn Sie ein schönes, ruhiges, friedliches Leben führen wollen, dann suchen Sie sich einen anderen Job und werden damit glücklich. Wenn Sie aber eine Menge Ärger, Staatsterror und Krieg haben wollen, dann schreiben Sie fleißig Bücher.“ „Soll das heißen, daß alle Schriftsteller verfolgt werden?“ „Nein, nur die, die ein bißchen zu kritisch mit unserem neuen, phantastischen Staat sind.“ „Ich dachte es gibt keine Zensur.“ „Richtig. Aber es ist doch klar, daß wir auch die Bücher von Staatsfeinden begutachten und dann genau erkennen können, was der Autor von uns hält.“ „Ich verstehe. Ihr macht Euch jetzt auf Feindessuche.“ „Vollkommen korrekt. Sie sind ein schlaues Bürschchen. So, genug geplaudert. Ich muß wieder arbeiten.“ „Haben Sie denn immer noch nicht genug geschlafen?“ „Wie kommen Sie darauf? Ein normaler Mensch braucht acht Stunden Schlaf, ein Beamter 16. Also bitte, nehmen Sie doch etwas Rücksicht.“ „Wie Sie wünschen.“ Daniel verließ das Büro und blieb dann kurz davor stehen. Sekunden später hörte er bereits ein deutlich vernehmbares Schnarchen. Da riß er die Tür auf und brüllte: „Schneider!“ Erschrocken sprang der Bürokrat auf, wollte sofort einen Telefonhörer in die Hand nehmen um ein Telefonat vorzutäuschen, aber als er das grinsende Gesicht von Daniel sah, da stockte er. „Frechheit so was! Ich hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen.“ „Selber schuld. Würden Sie arbeiten, würde ihnen das nicht passieren.“ „Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Dreck!“ „Den habe ich schon entsorgt. Aber hier drin bei Ihnen stinkt es gewaltig. Ich glaube, da ist eine Menge faul.“ „Wenn Sie jetzt nicht gleich verschwinden, dann rufe ich die Leibwache.“ „Das können Sie sich sparen. Ihre drei Leibwächter haben sich entschlossen, Sie zu ihrem Vorbild zu machen.“ „Was meinen Sie damit?“ „Daß Sie tief und fest schlafen.“ „Was! Das ist ja eine Ungeheuerlichkeit!“ „Hiergeblieben, Freundchen!“ tönte Daniel und hielt den Beamten auf, der das Büro verlassen und seine Leibwächter wecken wollte. Da bekam es der Bleistiftterrorist mit der Angst zu tun. „Was wollen Sie von mir?“ stotterte er. „Nichts. Ich will Dir nur eines sagen: Du bist Abschaum, genauso wie Deine Kollegen. Keinen einzigen Euro seid Ihr wert, den Ihr bekommt. Selbst wenn Ihr mal nicht schlaft und sogar arbeitet, baut Ihr nur Scheiße. Aber das Schlimmste ist, daß Leute wie Ihr an der Macht sind. Und ich verspreche Euch, daß ich solange gegen Euch kämpfen werde, bis ich tot bin, oder dieser Wahnsinn endlich ein Ende hat.“ Daniel drehte sich um und verließ das Büro. Man sah deutlich, daß der Bürokrat zitterte. Es hatte ihm gar nicht gefallen, was er da gehört hatte. Doch schon bald darauf hatten seine Arroganz und seine Selbstherrlichkeit wieder gesiegt und er schrieb drei Namen auf eine Liste. Keine schwarze, weil man sie sonst nicht lesen hätte können. Drei Feinde für den Staat.

Der heilige Bürokratius

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