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I. Kapitel

Warum muss ich denn Tag und Nacht an Edvard denken? Sucht mich denn seine Seele mit dem gleichen Verlangen? – Ach, ich habe ihn nie vergessen, für den ich in allen Wollüsten jubelnd geschwärmt und geglüht habe! Gibt es wohl einen Himmel der heiteren Liebeswonne, den wir beide nicht Hand in Hand mit selig beflügelten Füßen durchschritten haben, o Edvard? Gibt es wohl eine Hölle der heißen, perversen, extremen und exzentrischen Lüste, in die wir uns nicht mit Wonne gestürzt haben, o Edvard?!


Ich war jung, als ich Edvard liebte, und mein Herz brannte beständig in mir, wie eine lodernde Fackel. Mein Leib war liebeshungrig, und mein Schoß war wie ein Kelch und sehnte sich, bis an den Rand mit dem edlen Feuerwein des Genusses angefüllt zu werden. Ich war jung und geil, und Edvard war reif und geistreich.

Unsere Wünsche klangen wie zwei Glocken zusammen: die meinen fiebernd, hell, gierig und voll Ungestüm, die seinen tief, gewaltsam, triumphierend und allmächtig … O, Edvard, die zwei Glocken unserer Sehnsucht gaben einen guten Klang!

Wir haben uns nie gelangweilt, nie. Später habe ich die Langeweile doch kennengelernt, als ich nämlich verheiratet war. Es ist betrübend, es sagen zu müssen: der hübsche und amüsante Roman meiner blühenden Liebe schloss ganz hausbacken, regelrecht und romanmäßig, aber nicht romantisch mit – einer legitimen Heirat. Mit einem anderen, versteht sich, mit einem anderen! nicht mit meinem geliebten Edvard!

Eine solche Geschmacklosigkeit, wie die Heirat, darf man weder mir, noch Edvard zutrauen. Geschmack be­saßen wir immer, und wir hätten es nie über uns gewonnen, unsere Liebe unter der breiten, bordeauxroten Steppdecke eines legalen Ehebettes langweilig dahin zu morden. Jeden anderen Mord hätten wir natürlich, je nachdem, mit kühler Grausamkeit oder mit überlegter und überlegener Wollust begangen. Aber den Mord an unserer Liebe? – Niemals! – –

Unsere Liebe, meine und Edvards glühende Liebe, erlosch, als ich heiratete. Oder sie ging schlafen.

Ich habe – – – meinen Gatten – – nie – – – betrogen. –

Diesen schrecklichen und unnatürlichen Satz schreibe ich mit ruhigen Händen und zur Ruhe gebändigten Nerven nieder. Ich hasse alle Halbheiten. Ich habe den Becher der Lust bis zum letzten Tropfen ausgeleert. Aber dann kredenzte mir das Leben auf den süßen Wein einen schweren, herben. Das war der klare Kelch, in dem die Wollust der Entsagung funkelt, der Kelch, aus dem ich die hysterischen Wonnen der Keuschheit sog. –

Aber nun, aber nun – –!

O! diese Sehnsucht, die wieder, wie vor jenen vier Jahren, in meinem Schoße wühlt! Diese Sehnsucht, die wie Gift und Feuer mein Blut durchrast! O! – – diese – – – Sehnsucht – – –!

O! alle meine schmerzhaften Begierden! Alle diese geilen Wünsche! Bei Tage umkreisen sie mich, umlauern und umschleichen sie mich, wie hungrige Wölfe, bereit, sich bei dem ersten Zeichen von Schwäche, das ich gebe, heulend auf mich zu stürzen.

Des Nachts verwandelt sich dies Rudel knurrender Wölfe in eine Schar gefräßiger Geier. Ach! sie trachten nach meinem Leben, sie dürsten nach meinem Blut! Sie sitzen auf meinem zuckenden, schauernden Leibe – ich fühle ihre scharfen Krallen – und hacken nach mir mit den unbarmherzigen Schnäbeln. Sie fressen an mir, wie sie den Prometheus angefressen haben. Denn wie Prometheus bin ich ihnen wehrlos preisgegeben, und ich bin angeschmiedet an die Kissen meines ehelichen Bettes … Sie hacken, wie Raubvögel, mit ihren scharfen, mitleidlosen Schnäbeln nach meinem zitternden Schoße …

Manchmal ändert sich die Marder. Manchmal erfasst mich jäh und scheinbar grundlos eine unerträgliche Sehnsucht nach einer bestimmten, geilen Situation. Seit einer Woche oder länger befinde ich mich in Gedanken fast beständig in einer prachtvoll wollüstigen, schmerzhaften Stellung. Ich muss oftmals am Tage die Augen schließen, so gewaltsam und lebhaft empfinde ich Folgendes:

Mein Freund liegt nackt und lang ausgestreckt auf meinem breiten, niederen Bette. Keine Muskel seines schlanken, kräftigen Körpers regt sich, aber das entzückende Wahrzeichen seiner Männlichkeit ragt straff und schlank und steil zum Himmel. Der Atem vergeht mir vor Lust, kaum kann ich der Versuchung widerstehen, die rot und weiße Blüte mit durstigen Lippen zu umfangen … Aber ich verzichte auf das kleinere Vergnügen, um das größere zu genießen. Ich schiebe mich, auf dem Rücken liegend, langsam abwärts, bis mein Kopf etwa an seiner Hüfte ruht. Dann schwinge ich meine Beine geschickt über seinen Körper, dass ich schräg über meinen Freund zu liegen komme. Welche Wonne, welche Überraschung: so hart ist sein elfenbeinerner Turm, dass er die Last meines Körpers aufrecht trägt!! Solche Kraft muss gut aufgenommen werden; sie verdient es! Rasch und geschickt biege ich mich ein wenig, um dem schönen schlanken Gaste den Eintritt in meinen ­begehrlichen Leib zu erleichtern. Ich tue ihm nicht die weite, purpurne Pforte auf, die bequem und mit weichem Vergnügen den an­mutigen Gast empfängt, sondern die enge, kleine Pforte zwischen den beiden weißen Hügeln, die siebenmal stärkere Wollust zu geben und zu empfangen hat. Langsam lasse ich meinen Körper hernieder, langsam gleite ich herab auf das steile, weiße, starrende Schwert, das schmerzbringend mit prachtvoller Kraft eindringt, eindringt … Der süße, rasende Schmerz droht mich zu zerreißen, aber ich beiße die Vorderzähne fest in meine Unterlippe und drehe mich langsam, langsam – – um die Wonne ganz auszukosten – – auf dem lebendigen Pfahl, bis ich fühle, dass er ganz in mir steckt … ganz …

– Ach, alle meine Schmerzen! ach, alle meine Wollust! Ach, ihr, all meine geliebten, feurigen Wollustschmerzen der Begierde! – Meine heißen, zitternden Knie zerren sich, während ich diese Zeilen schreibe, unwillkürlich auseinander und mein Schoß möchte sich schmachtend und gierig auftun, um zu genießen!

Wo bist du, Edvard! – dass du mich überflutest mit deiner Lust?

Wo weilest du, Edvard, dass deine harten, eisenfesten Schenkel meine Knie noch breiter, immer weiter üppig auseinanderdrängen, bis mein Leib in allen Gelenken kracht und alle meine Glieder sich gleichsam auflösen, um ganz zu zerfließen und dahinzuschmelzen in tödlicher Wollust?

Ah! – – – –

– – Aber in den geilen, nächtlichen Ekstasen meiner Sehnsucht höre ich plötzlich an meiner Seite das ruhige Atmen meines schlummernden Gatten. – –

– – Edvard, wo bist du? Du musst mich wieder durchdringen und durchbohren. Du musst mir wieder deine Wonnen schenken. Wir müssen wieder, o, immer wieder! unter der geliebten Peitsche der Göttin Wollust stöhnen und bluten, verbluten und zu neuen Genüssen auferstehen!

Wir müssen sie endlich wieder genießen, die Liebe in Wollüsten!

– – Und wenn mein Gatte um unserer Wollust willen sterben müsste. – –

Hörst du es, Edvard? – Sterben. – O, das Wort klingt dir und mir nicht fremd, noch grausig, sondern süß vertraut. Wir sind selbst nicht bange vor dem Sterben, aber unsere Hände sind auch nicht zu feige, den Tod zu geben. Wir haben es einmal gehört, das leise Röcheln der Agonie. O, es war uns Musik, es war uns Gesang!

Fürchten wir unseren Tod? Nein, o nein! Das ist die feinste, höchste Wollust: das wir einmal sterben müssen. Dass wir zu Asche werden, wenn das heilige Feuer der Lust uns gänzlich aufgezehrt hat. Dass wir mit der »last rose of summer« zur kühlen Erde zurückkehren. Sterben ist für den wahrhaft Liebenden gleich dem Einschlafen auf blühenden Mohnfelde, wo die roten, weichen Blumenköpfe sich lässig schmeichelnd auf den Schläfer niederbeugen, während die silbernen Sterne leuchtend hoch darüber wachen. – – Meine Lippen flüstern es voll Zärtlichkeit, lieblich gleitet es mir aus der Feder: Sterben.

Wir lieben das Leben und wir spielen lüstern mit dem Tode. Nur wer den Tod kennt, nur wem der Tod ein Freund in Wollüsten war, vermag das heilige Leben ganz auszukosten. Leben und Tod, Schnee und Rosen, Süßigkeiten und Bitternisse, Küsse, Peitschen, Stricke, Dolch und Feuer, alles ist uns nur Mittel zum Zwecke, in Wollust zu lieben. – –

In den folgenden Kapiteln erzähle ich den reizenden, kurzweiligen Roman meiner sonnigen Liebe.

Dieses Buch gehört den Männern und den Frauen gleicherweise. Es soll gelesen werden zwischen Wachen und Einschlafen, des Abends, wenn alle Nerven in fieberiger Spannung sind und die Hand, halb wissend, halb unbewusst, sich tastend ausstreckt, um an die Pforte der Wollust zu rühren.

Ihr, liebe Schwestern! ihr sollt dieses kleine Buch lesen, wenn ihr den Freund eures Herzens zum verliebten Tête-à-Tête erwartet, damit die Lektüre alle falsche Scham und alle Prüderie von euren feinen Seelchen abstreift und euch fröhlich macht, den Geliebten in klarer, liebeswacher Sehnsucht zu empfangen. In der Liebe ist es schade um jede versäumte Minute. Nur aus Wollust sollen sich eure Brüste sträuben, sollen eure Augen und Lippen lächeln, flehen, drohen, verweigernd gewähren, versagend hingeben … Die Liebe ist ein süßes Spiel, aber sie erfordert den Einsatz einer ganzen Seele, einer vollen Intelligenz, einer zähen Energie, um auch ihren wollüstigen Martern selig guckend standzuhalten. –


Ihr aber, meine Freunde! ihr sollt dies Büchlein euren reizenden Freundinnen vorlesen, die ein wenig kühl und spröde und unerfahren im Liebesgenusse sind. Von eurem Munde sollen den zarten, liebenden Frauen die weichen Worte träufeln, bis ein ungestümes Verlangen im Schoße der Schönen erwacht; sie zittern, sie erbleichen und werden rot, sie wissen ihre Ungeduld nicht mehr zu verbergen; sie stürzen zu euren Füßen, sie suchen mit zärtlichen Lippen den schwellenden Gegenstand ihrer Begierde, nehmen das hübsche Spielzeug in die Hände … es steigt, es regt sich … Das Buch wird beiseite gelegt, da es einen amüsanteren Zeitvertreib gibt, um erst in den Pausen der Lust wieder aufgenommen zu werden.

Wonnen der Wollust

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