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I. Theil
Sandwich-Inseln
III. Abtheilung
Ausflug von Honolulu nach Kauai

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Bei recht windigem Abend wars am 2. Juli, als ich um ½4 den kleinen, höchst sauber blau und weiss gestrichenen Schooner „Marianne“ betrat. Um 4 spannten sich dessen verhältnissmässig gewaltigen Segel, und bald hatten wir, einem Pfeile gleich, den kleinen, ruhigen Hafen durchzogen und befanden uns in der recht unruhigen See des „Oahú“ – Kanals. Trotz der glänzenden Beleuchtung der Küste, einer erfrischenden Luft und köstlicher Sicht zwangen die entsetzlichen Bewegungen des kleinen Schooners mit seinem kaum 2 Fuss hohen Geländer alle Passagiere, so auch mich zum Sichausstrecken und Stillliegenbleiben.

Den folgenden Morgen um 6 lag vor uns Navillivilli, der erste und bedeutendste Hafen der Insel Kauai.

Der durch Korallenbänke gebildete Hafen ist wildschön, zugleich aber auch wild-unruhig. Ein durch die gewaltige Wogen oft hoch gehobenes Boot holte die hier Absteigenden, sowie die Briefsäcke vom Schooner ab, wonach die „Marianne“ hin und her schwankend unter vollen Segeln oft sich hochbäumend ihren Weg weiter nach Kolóa nahm. —

In Folge der unbeschreiblich stürmischen Nacht betrat ich mit sehr unsicheren Füssen das Land. Es schien der ganze Boden unter denselben zu schwanken und hin und her wie närrisch taumelnd betrat ich das Haus des Schreiners und Grundbesitzers William Lowel, wo nach gutem Kaffee und einem herzstärkenden Frühstücke bald wieder der Boden unter meinen Füssen fester wurde, die mich umgebenden Wände zu schwanken aufhörten und ich mich wieder factisch auf terra firma fühlte.

Hierauf gab Lowel mir ein Pferd nach Kolóa und zurück für den Miethpreis von 2½ Dollar. Die Strecke soll 12 englische Meilen betragen und mich über die zwei Meilen von hier entfernte Zuckerplantage Lehúa führen.

Der Ort Navillivilli ist klein, besteht nur aus 6 Häusern und einigen Hütten, die zerstreut auf einem hügeligen Terrain liegen. Die Umgebung des Ortes ist wüst, sandig und zugleich reich an kleinen, seichten Lagunen, in welchen üppiger „tárro“ gebaut wird. Das Ganze bildet eine nach der See offne 200′ über dem Meeresspiegel liegende Kesselschlucht, welche von der Landseite kranzförmig von Bergen umgeben ist.

Dank den zahlreichen Lagunen und der nur von drei Seiten umschlossenen Lage ist Navillivilli, – obgleich an concentrirter Hitze und daher auch an Mosquitos auffallend reich, – ein wahres Treibhaus der Natur zu benennen. In Folge der frischen Winde einer beständigen Brise der offenen Seeseite ist der Ort höchst erträglich und sehr gesund.

Mein Pferd war gesattelt und ich bald im Ritt ohne Begleiter.

Von Navillivilli führt ein ziemlich unsichtbarer, oft versumpfter Weg erst über Stauungen der Lagunen, dann bergauf bis zum Ort Niú-malú, der nur aus einem Gefängniss und dem ursprünglichen Hause des Gouverneurs der Insel Kauai besteht (der Gouverneur Mr. Busch residirt augenblicklich in Kolóa). Niú-malú verlassend, liegt rechts vom Wege hübsch angelegt und weit ausgebreitet die Zuckerplantage Lehúa mit ihren zahlreichen Gebäuden. Sie soll nächst Kolóa die älteste Plantage des Reiches sein. Von „Niú-malú“ an wird der Weg ein guter und ist circa eine Meile vom rechts liegenden öden, dürren, vulkanisch-durchwürfelten Basaltgebirge entfernt. Dieser Gebirgskette folgend durchzieht der Weg die üppigen Ländereien des Sir Albert Wilcox, die der Arowrod-Plantage des Herrn Müller und die der reichen Zuckerplantage von Lehúa und endlich an der schattigen, idyllisch isolirt liegenden Behausung des im Königreiche allbekannten tüchtigen Verwalters der Lehúa-Plantage, Herrn Isenbergs, vorbei. Hier beginnt der Weg allmählich schlechter und bedeutend wilder zu werden. Durch gegenwärtig auffallend dürre – sonst, wie man mir gesagt, üppige – Weideländereien, bald Hügel auf, bald ab, bergauf, bergab, stets in Sicht sehr mageren Viehes schlechter Art, auffallend zerfetzt aussehender Schafheerden führt der allmählich fast weglos werdende Weg bis zur „Niú-malú“ – Schlucht. In der Schlucht des Flusses Niú-malú, die charakteristisch ist durch ihre krüppeligen, wenngleich an Früchten reichen Baumgruppen, die hier in spärlichen, wild verworrenen Massen „Wald“ genannt werden sollen, während sie nur höchstens halbwegs einem Urbusche zu vergleichen sind, sind die ihr Fell nachschleppenden Schafe auffallend bemerkenswerth. Das Terrain ist ausserordentlich durchwühlt. Die Brücke über den Niú-malú in der Tiefe der Schlucht soll 6 englische Meilen von Lehúa, demnach der halbe Weg bis Kolóa sein. Von der Brücke aus mit scharfen Curven beginnt die für die geringe Höhe auffallend steile Besteigung des Passes, jedoch mit beständigem Hinauf und Hinab, bis man endlich die stark windige Maximal-Höhe von 600′ über dem Meeresspiegel erreicht.

Die allgemeine Stille der Natur – während der Mittagszeit namentlich – ist hier eine auffallende. Kein Vogel, kein lebendes Geschöpf ist weder sichtbar, noch hörbar, in Folge der gegenwärtig herrschenden Dürre schweigt sogar der Laut der Grille. Nur das unaufhörliche Klappern der langen Blätter der Pandanen, das beständige Sausen des Windes, hin und wieder das ruckweise, entfernte Brausen der brandenden Woge des Oceans und das sonderbare Getöse der wirbelnden, rothen, gewaltigen Lava-Staubwolken begleiten fast unheimlich den auf dieser Strecke meist einsam, rasch dahin eilenden Reiter in der sonst lautlosen Natur.

Selten nur begegnet man auf dieser höchst unwirthlichen Strecke einem Menschen und nur selten einer Behausung oder Grashütte der Eingebornen.

Von der Höhe des Passes entfaltet sich plötzlich die Sicht des gewaltigen Oceans und ein recht hübscher Rundblick über das bunte Felsengewirr der Insel im mannigfaltigsten Farbenspiel.

Niedersteigend bis zu einer Höhe von 228′ über dem Meeresspiegel bei zunehmend sich besserndem Wege erreicht man die rechts vom Wege liegenden Häuser der auffallend lautlosen Zuckerrohr-Plantage des Herrn Dreier, die im üppigsten Grün fruchtreicher, schattiger Bäume verschiedenster Art lieblich und gesund gelegen ist. Gleich darauf folgen, rechts und links am Wege zerstreut liegend, die zahlreichen, vollständig schattenlosen Gebäude der Plantage Kolóa, die auf gleicher Höhe mit Dreier’s Plantage, d. h. 228′ über dem Meeresspiegel, liegt. Hier entfaltet sich ein köstlicher Blick auf das glitzernde Wogenspiel des heftig brandenden Oceans und auf den Ort Kolóa nebst seiner sonderbaren Umgebung. —

Zur Nacht wurde ich gastlich von A. Haneberg, dessen Bruder ich auf der „City of Sydney“ kennen gelernt und der hier angestellt ist, nach echt deutscher Art und Weise empfangen und aufgenommen, was mir höchst angenehm war, da hier kein Gasthaus vorhanden ist.

Den 4. Juli erwachte ich frisch und gekräftigt; leider aber war es meinem, vom Ritte Tags vorher recht ermatteten, an und für sich schwachen Pferde schlechter ergangen. Eine fast graslose Weide hatte das arme Thier sichtlich matt und missmuthig gestimmt. Ich fand das arme Geschöpf starr niederblickend mit halb geschlossenen Augen und langhängenden Lippen, dem besten Zeichen des Hungers.

Meine Absicht, zwei Tage hier zu bleiben, gab ich dieser armseligen Weide wegen auf und entschloss mich, noch denselben Tag um 2 Uhr wieder aufzubrechen und nach Navillivilli zurückzureiten, um mir daselbst ein kräftigeres Pferd, zum Weiterritt durch die Insel zu verschaffen.

Das Städtchen Kolóa ist weitläufig angelegt und circa 2 englische Meilen vom Ufer entfernt, welches Ufer, keinen Hafen, sondern den Strand der off’nen See mit einer sehr heftigen Brandung bildend, die Landung sehr erschwert. An diesem Ufer liegt die Werfte und die verschiedenen Häuser und Speicher des Zollamtes. Das Haus des Gouverneurs liegt isolirt, ½ Meile vom Ufer entfernt und ist in keiner Weise bemerkenswerth.

Die Kolóa-Zuckerrohrplantage wurde im Jahre 1840 durch die amerikanische Firma Ladd & Co. und das mit ausserordentlichen Concessionen der Regierung angelegt. Verschiedene Eventualitäten zwangen die Compagnie 1844 das Land zu verkaufen, wodurch es in die Hände des Dr. R. W. Wood kam. Unter seinen Händen erhielt die Plantage ihren systematischen Aufschwung. Später kam dieselbe wieder in andere Hände. Es ist die älteste Plantage des Inselreiches.

Weder der Ort noch die Zuckerrohrplantage weisen auf System und Ordnung, obgleich, wie man mir sagt, der Ertrag derselben ein bedeutend günstiger sein soll.

Um 2 verliess ich Kolóa und ritt mit meinem ermatteten Pferde denselben Weg bis Lehúa zurück. In Lehúa machte ich einen kurzweiligen Besuch dem liebenswürdigen Kaufmann Schulz, dem ich wärmstens empfohlen worden war. Zur Nachtszeit ritt ich nach Navillivilli hinab, wo mich ein gutes Bett und zum Abendbrot gekochte „tarro“ – Wurzel, gebackener „poi“, roher Fisch, Fleisch und Thee erwarteten. W. Lowell, bei dem ich wieder abstieg, ist schottischer Herkunft, seine Frau eine feiste, echte Kanakin. Sein hölzernes Haus ist von ihm selbst erbaut. Im Innern desselben zeigt sich die den Eingeborenen charakteristische Unordnung. An Zahl der Möbel reich – was sonst in den Häusern der Eingeborenen nicht der Fall ist – zeigen dieselben, gleich wie Alles im Hause, ein auffallendes Durcheinander, was im Allgemeinen in allen Häusern der sehr lieben Leute des Landes zu finden ist.

Den 5. Juni kurz nach Sonnenaufgang wanderte ich zur „Lehúa“ – Plantage. Die Plantage, die Zuckerrohrmühle, die Siederei und Raffinerie umfassen ein Terrain von 10,000 engl. Acker, und gehören einer Compagnie, deren Hauptverwalter Paul Isenberg ist und dessen Tüchtigkeit im Lande in vielen Beziehungen einen bedeutenden Ruf hat.

Die Plantage macht in allen ihren Zweigen den Eindruck einer geregelten Verwaltung, sie trägt den Stempel der Gediegenheit und Vollkommenheit – das vollständige Gegentheil der von Kolóa. Wo man hinblickt, trifft das Auge tief bearbeitete Felder und namentlich eine auffallende Gleichmässigkeit und Ueppigkeit im Zuckerrohr, dessen Qualität eine vorzügliche ist. Nachdem ich die überaus vollständigen Fabrikeinrichtungen der Mühle, der Siederei und Raffinerien, die ausserordentlich beachtenswerthen Maschinerien neuester Construction besichtigt hatte, kehrte ich zur Nachtszeit zu W. Lowell zurück.

Den Abend verbrachte ich in Gesellschaft meiner liebenswürdigen Wirthsleute, des Sherifs und vieler Eingeborenen. Das Abendessen wurde auf nationale Art eingenommen, d. h. es wurde auf einer reinen Matte des Fussbodens gedeckt. Das Gedeck besteht aus einer riesigen, recht saubern Schüssel, die nämlich aus einem ausgehöhlten Riesen-Kürbis besteht, in welchem der wohlschmeckende, säuerliche „poi“ sich befindet. Um diese Hauptspeise stehen diverse flache Schalen mit Fleisch, gekochter „tarro“ – Wurzel und rohem Fisch. Die Gesellschaft lagert im Kreise um das Gedeck und Jeder fährt mit einem, oder zwei, drei auch vier Fingern, je nach seinem Hunger in die sogen. „poi“ – Schüssel; mit einer kleinen Drehung derselben umwickelt er die Finger mit dem „poi“ und bringt sie alsdann in seinen zierlich geöffneten Mund. Dann folgt Lecken der Finger mit schnalzender Begleitung; hin und wieder wird etwas vom Fleisch, etwas vom Fisch, etwas vom „tarro“ gerissen und genascht. Alsdann kehren die Finger wieder in den kleistrigen „poi“ u. s. w.

Während des Essens wird viel laut geredet, gelacht und gescherzt und das, je gesättigter, desto lauter und in rascherem Tempo.

Zum Schluss folgt gewöhnlich ein Schluck Wasser, hin und wieder auch Thee oder Kaffee. Dem folgt das gründliche Waschen der Hände, das Erheben von den Sitzen mit gewaltigem Magenaufstossen zum Zeichen der Verdauung. Alles geschieht in heiterster Art und Weise und mit endlosen charakteristischen Höflichkeitsverbeugungen.

Für den Ritt durch die Insel gab Lowell mir dieses Mal ein gutes Pferd.

Den 6. Juli um 5 Uhr nach einem kräftigen Frühstück war ich mit leichtem Gepäck im Sattel, und frisch ging es im kurzen Galopp bergauf nach Lehúa. Nach kurzem Abstecher bei Herrn Schulz ging’s weiter, bald Trab, bald Galopp, bergauf, bergab durch die üppigen Zuckerplantagen Lehúas, bei festem, gutem Wege, dann durch den „Honomaúluú-Fluss“ an der neuen „Lehúa“ – Zuckermühle vorbei, dem schäumenden Strande zu. Dann folgt links ödes und wild durchworfenes Gebirge, rechts bald nah, bald fern der wogende Ocean.

Intensive Sonnenstrahlen, Schauer, Spritzregen und Regenbogen waren in beständigem Wechsel und trotz Regen wirbelte unaufhörlicher Staub. Die Vegetation war spärlich und höchst bemerkenswerth die Stille der Natur, bis wir 7 engl. Meilen von Lehúa den Wailúa, den an Tiefe bedeutendsten Fluss der Insel, erreichten. In der Nähe seiner Mündung und breitesten Stelle derselben setzte uns für 5 cent. pro Pferd ein gutes Floss über.

Das an der Mündung des Flusses in recht sumpfiger Umgebung liegende kleine Dorf Wailúa mit seinen sehr interessanten Grashäusern war in alter Zeit der Sitz der Königin Kapúle, des lieblichen Weibes des letzten Königs der Insel, des traditionell bekannten, in meinem geschichtlichen Theil erwähnten Kaúmuálii, der im Kampfe gegen Kamehámehá I. gefallen war. Die Königin Kapúle ist die in unserer Theaterwelt bekannte „Deborah“. —

Von Wailúa links in das schmale Thal einkehrend, dem Fluss aufwärts folgend, trifft man den schönen, ca. 200 Fuss hohen Sturz desselben, den im Lande besungenen Wailúa-Sturz, dessen Umgebung – gleich der der ganzen Länge des Flusses mit Ausnahme seiner Mündung – eine an Vegetation üppige zu nennen ist. Umringt von wilden Bananen, Kaffeestauden mit ihren dunkelgrünen Blättern, Citronen- und Orangenbäumen in vollster Frucht und Blüthe, dichten Gruppen des „hau“ (Hybisius tiliaceus), des „Kukúi“ (Aleorites triloba), Tamarinden, Pandanen, hochwüchsiger Typhaceen mit ihren kriechenden Wurzelstöcken, mannigfaltigster Form u. s. w. bietet kurz gesagt, eine Ueppigkeit und Vielseitigkeit der Vegetation, die ihres gleichen sucht.

Vom Wasserfall zurückgekehrt, drei Meilen dem Strande entlang reitend, erreichten wir das Dorf Kapaá, eine neue, in vollster Bearbeitung begriffene Privatplantage des Königs Kalakaua, die unter der umsichtigen Leitung des Herrn Lilikaláni steht und, da sie, wie gesagt, neu angelegt, keiner andern Bemerkung bedarf als nur der, dass das zur Bewässerung sehr geeignete Terrain und der humusreiche Boden derselben unzweifelhaft günstiges Resultat erzielen wird, was übrigens schon das stellenweise sichtliche Zuckerrohr in seiner Kraft und Ueppigkeit der Farbe beweist.

Nach einer eiligen Kräftigung im chinesischen Restaurant und einem kurzweiligen Besuche bei der liebenswürdigen Mrs. King, deren Mann leider nicht zu Hause war, ritt ich, da Lowell hier blieb, allein weiter.

Die folgenden 9 Meilen führte mich mein Weg links in das Gebirge, beständig bergauf, bergab, mit hin und wieder bedeutenden Steigungen und unter oftmaligem Durchreiten reissender Gewässer, bis ich das Viehgut des Mr. E. Krull erreichte. – Die auffallend dürre Zeit der letzten Jahre hatte Futtermangel erzeugt. Die öden dürren Weidestrecken boten nur spärlich Nahrung dem Vieh, so dass der Anblick der Heerden ein deprimirender war. Freilich war nach dem verflossenen, besonders trocken gewesenen Jahre im Allgemeinen kein richtiges Urtheil über die Ertragfähigkeit der Weiden zu fällen, doch gewinnt man die vollste Ueberzeugung, dass durch übertriebene Entholzung der Gegend die herrschende Dürre – wenn auch nicht durch dieselbe entstanden, – so doch unzweifelhaft befördert worden ist und dass auch in Jahren häufigerer Niederschläge der Graswuchs nur theilweise und zwar nur stellenweise üppig sein kann, im Allgemeinen aber das Gras, gleich wie alle andern Gewächse der freien Natur – abgesehen von der unsinnigen Entholzung des Landes – den Charakter vulkanischer Länder trägt, d. h. der des krüppligen, niedrigen Wuchses auf den Hügeln und Höhen, den der vollständigen und üppigen Vegetation in den verhältnissmässig kurzen, schmalen, aber tiefen und feuchten Lagen der Gegend.

Daher bin ich der festen Ueberzeugung, dass hier, im Kleinen betrieben, die Viehzucht günstig dem Lande, im Grossen jedoch dieselbe im höchsten Grade schädlich und gefährlich werden kann.

Von E. Krull’s Besitzung bei – nach zurückgelegten vier Meilen – zunehmender Steigung lag rechts am Ufer des Oceans, tief unter mir der kleine Ort Moloá mit schmuckem, blendend weissem Kirchlein. Ueber die tiefe Schlucht hinweg, mir gegenüber, lag ein Schlachthaus, in dessen unmittelbarer Nähe zu meinem grossen Erstaunen und meiner Freude einmal wieder ein recht üppiger und gut erhaltener Wald zu sehen war.

Ein Schwindel erregender, schmaler, höchst beschwerlicher Pfad führte mich mit bedeutendem Umritt zum Schlachthaus. Das Bild der Verlassenheit, die leblose Stille desselben in Mitte unzähliger Schädel und Knochen machten mich glauben, dass ich meine Richtung verfehlt hatte. Somit ritt ich zum Dorfe hinab, einen halsbrecherischen, unbeschreiblich steilen Pfad, was mein wackeres Pferd mit erstaunlicher Gewandtheit bewerkstelligte. Zu meinem Schrecken fand ich auch das sumpfig liegende kleine Dorf in lebloser Stille, und nach Menschen suchend, nahm ich durch Sumpf und Gräben meinen Weg und fand endlich eine redende Seele, aber leider eine mir unverständliche. Durch Zeichen und Gebärden gelang es mir, den Weg nach Pelaá, Herrn Bertelmann’s Besitzung, zu erfahren und durch diese Nachricht die überraschende Kunde zu erlangen, dass das leblose Schlachthaus von der wahrscheinlich ebenfalls leblosen Besitzung des Herrn Bertelmann 100 Schritt entfernt liegt und nur durch einen Ausläufer des dichten Waldes von derselben getrennt sei.

Eine neue, breite und gute Fahrstrasse, obgleich etwas steil, führte mich im Zickzack wieder auf die Höhe von 228 Fuss, zum Schlachthaus, und um 4 Uhr erreichte ich das liebliche, im duftigen Walde gesund gelegene Haus des Herrn Bertelmann, den ich leider nicht zu Hause traf. Seine liebenswürdige Frau jedoch empfing mich und forderte mich gastlich auf, die Nacht in ihrem Hause zu bleiben. Bald kehrte auch Herr Bertelmann heim und zwar in Begleitung des katholischen Geistlichen aus Moloá, dem Pater Sylvester, einem Belgier. Wir unterhielten uns höchst gemüthlich bis 11 in die Nacht hinein, und Herr Bertelmann fand meine früher ausgesprochene Ansicht über den Betrieb der Viehzucht im Kleinen oder Grossen, nicht nur für diese Insel, sondern für das ganze Inselreich für richtig. Bei schönem Mondlicht und der hier so auffallenden Stille, sogar der nächtlichen Natur, kehrte der geistreiche Pater in sein Thal zurück, und ich begab mich in das mir angewiesene, nach dem ermüdenden Ritte höchst willkommene Bett.

Nach einer köstlich vollbrachten Nacht erwachte ich den 7. Juli Morgens, einem Sonntag. Nach dem Frühstück liess ich satteln und ritt um 10 Uhr, nachdem mich Bertelmann aufgefordert, ihn nach meiner Rückkehr zu besuchen, in scharfem Tempo ab.

Mein Weg führte mich durch krüppeliges Gehölz eines höchst verworrenen Waldes Kilauéa, der grossen Plantage des Herrn Titcomb zu, die 228 Fuss über dem Meeresspiegel liegt. Die Umgebung des Weges, der fast beständig sich bergauf bergab hinzieht, besteht aus vollständig grasloser Weide, auf der jammervoll magere Viehheerden zu sehen sind.

Wie sehr die Dürren der letzten Jahre gewirkt, beweisen die Verluste Bertelmann’s, der in diesem Jahre durchschnittlich 27 Stück Grossvieh wöchentlich verlor. Die Zahl seines damaligen Verlustes betrug 320 Stück, und zu bemerken ist, dass es im gleiche Massstabe allen übrigen hiesigen Viehzüchtern erging.

Von Moloá bis Kiloéa ist ungeachtet der dürren Weidestrecken die Gegend wild-pittoresk. Rechts in der Entfernung ist die Sicht des rauschenden Oceans; links krüppelige, meist niedrige, an mannigfaltigsten Früchten reiche Bäume des Waldes; in den Tiefen des Gebirges zahlreiche, absonderlich geformte, kahle Höhen, üppige Schluchten, Kesselthäler, Engthäler und zahlreiche Wasserfälle, die glitzernd gleich einem Silberband von der Höhe niederziehend etwas Leben den dürren, öden, steilen Abhängen geben und das Gebirge charakterisiren.

Ich liess – da Sonntag – die Plantage rechts in der weitsichtigen Fläche liegen, ohne daselbst einen Besuch zu machen und ritt der 6 Meilen entfernten Plantage des Hanaléi-Thales zu. Es folgt links die romantische Sicht des an Wasserfällen und Wald ziemlich reichen Kahiliwaí-Thales. Der Wald besteht nur aus niedrigem „kauhála“ und hin und wieder aus demselben hervorragend dem „hau“, „kukuï“, als auch hin und wieder Sandelbäumen, die jedoch meist krüppelig und selten erscheinen.

Nachdem ich 4 Meilen zurückgelegt und eine verhältnissmässig günstige Grasfläche traf, so liess ich mein Pferd, da es vergangene Nacht wenig Futter gehabt, zwei Stunden grasen und streckte mich selbst in das nichts weniger als weiche Gras.

Als ich wieder aufbrach, entfaltete sich bald vor mir der Ocean; links tauchten üppige Zuckerrohrfelder aus dem Thale hervor und wie ich die höchste Höhe des Hochplateaus erreichte, lag unmittelbar vor mir das Haus des Mr. Hackfield und unter mir in einer Thalschlucht die reizende Bai von Hanalei, in welche sich der tiefe, durch das „Hanalei“ – Thal und dessen üppige Zuckerrohrfelder lieblich sich schlängelnde und in der Nähe seiner Mündung stark austretende „Hanalei“ – Fluss ergiesst. Unmittelbar an der Mündung, d. h. auf dem durch die überschwemmende Mündung gebildeten Delta liegt das kleine unzusammenhängende Dorf Hanalei. – Im Thale selbst, glatt an der Bergwand, auf deren Plateau ich mich befinde, liegen romantisch die Gebäude der reichen „Princewille“ – Plantage im üppigsten Grün schattiger Bäume.

Diese Plantage ist von R. C. Wyllie gegründet worden und ist Dank ihrer günstigen Lage, ihrem Wasserreichthum und auffallender Weise durch häufigeren Regen die vortrefflichste und ertragreichste des Inselreiches. Einen Uebelstand derselben bilden die häufigen Ueberschwemmungen des reissenden Hanalei.

Von Lehúa bis Hanalei war der höchste Punkt des Weges 450′ über dem Meeresspiegel.

Nachdem ich kurzweilig die schöne Sicht genossen, kehrte ich um und ritt der glücklich gefundenen Stelle einen höchst praktischen, jedoch steilen, schmalen Zickzack-Weg zur Plantage hinab, die circa 52′ über dem Niveau des Thales, umgeben von schönen und schattigen Bäumen, liegt. Magnolien – unter denen auch die Magnolia grandiflora – reichtragende Orangen-, Pomeranzen-, Citronen-, Pfirsich-, Aprikosen-, Oliven-, Mandeln-, gewaltige Mango-Bäume, Reben mit den verschiedenfarbigsten Trauben, Ananas, stämmige und sich schlingende Rosen, Erdbeeren, eine reiche Mannigfaltigkeit zierlicher Blumen, hochwüchsige Rohrpflanzen und Blattstauden zieren im üppigsten Durcheinander duftend die Umgebung des Wohnhauses. Vom Wohnhause aus entfaltet sich höchst praktisch für die Verwaltung der Plantage die volle Sicht des ganzen Thales, welches mit Ausnahme der Seeseite von vulkanisch wild zerworfenen, meist öden und dürren, jedoch an Färbung reichem, waldlosen Gebirge umschlossen ist.

Das Thal ist ein überaus üppiges und schönes, in welchem sich gemüthlich leben lässt und wo ein nach Ruhe sich Sehnender ein idyllisches und, wenn er will, zugleich thätiges und dem Lande Nutzen bringendes Heim sich gründen kann. Leider ist dieses Thal klein und untheilbar und glaube ich, dass kein zweites ihm ähnliches im Inselreiche zu finden ist. Viele Jahre hat der jetzt verstorbene Mr. Wyllie gebraucht und vieles Geld verbraucht, um dieses sein Kleinod zu seiner jetzigen Gestalt und seinem jetzigen Werthe zu erheben.

Um 3 Uhr hielt ich vor der Pforte des Hauses, wo eine zahlreiche Gesellschaft versammelt war. Ich band mein Pferd an den Zaun, trat ein, stellte mich vor und erhielt sofort von Herrn Konrad, Oberinspektor der Plantage, ein Zimmer und die Einladung, einige Tage bei ihm zu bleiben. Während ich mich säuberte, erhielt ich den Besuch des Oberzuckerkochers Herrn C. Killing, den ich aus Honolulu her kannte und der die weitere Versorgung meines Pferdes freundlichst übernahm.

Die Frau Konrad ist eine gebildete, liebenswürdige Kanakin, er ist ein Deutscher sowie auch seine Beamten meist Deutsche, daher verbrachte ich einen höchst gemüthlichen Abend auf der Veranda bei erfrischendem Getränk im hellen Mondlicht und erquickender Brise. Hin und wieder fiel ein kurzweiliger Strichregen, der hier so üblich sein soll, dass die Bewohner der Plantage denselben kaum mehr bemerken.

Den folgenden Tag, den 8. Juli, wanderte ich frühzeitig hinaus und folgte dem sich schlängelnden Fluss durch die üppigen Zuckerrohrfelder, besuchte den 3 Meilen von der Plantage entfernt wohnenden Missionär Mr. Johnson, dessen Kirche und Haus am Flusse, umgeben von einem Garten, gelegen. Ich fand nur die Damen zu Hause und wurde aufgefordert, wiederzukommen. Als ich zur Plantage zurückkehrte, nahm ich meinen Weg über das Schlachthaus derselben, wo ich Herrn Bertelmann in vollster Beschäftigung Ochsen zu schlachten, fand – eine Thätigkeit, die die ganze Gegend seiner zu diesem Geschäfte kunstvollen Hand übergeben hatte.

Den Abend besuchte ich den 3 Meilen von der Plantage auf dem Plateau wohnhaften Mr. Hackfield. Es war dasselbe Haus, dessen ich auf meinem Herritte erwähnte und mir vom Plateau aus nahe erschien; dasselbe war jedoch durch eine tiefe Schlucht von mir getrennt und es erforderte einen bedeutenden Umweg, um das Haus zu erreichen.

Die Behausung liegt, wie gesagt, auf einem Berge mit prachtvoller Sicht auf den Ocean und das üppige Thal. Sie ist umgeben von alten, höchst schattigen Bäumen. Das Wohnhaus ist gross, einstöckig, aus Holz erbaut, mit Schindeln gedeckt, sehr geräumig, aber niedrig. Die Räume des Hauses sind ohne Möbel, nur ein grosser Schaukelstuhl war zu sehen. Der Boden der Räume ist reichhaltig mit doppelten, auch dreifachen Matten belegt. Die Matten sind zierlich in bunten Mustern aus den Fasern der Pandane geflochten. Auf diesen Matten wird geschlafen, gespeist, geliebt, geschnattert, geklatscht, gelacht und auf dem Bauche liegend die höchst saftige Pfeife geraucht. Die meisten Frauen und Männer rauchen hier im Lande. Gewöhnlich geht die Pfeife im Kreise von Mund zu Mund. Diese Pfeife ist gewöhnlich kurz und klein und oft auffallend saftig glänzend und schmierig. Der gerauchte Tabak ist meist einheimischer, der aromatisch, kräftig und wohlschmeckend ist.

Bei meinem Erscheinen wurde mir erst der Schaukelstuhl als Ehrensitz angeboten, den ich aber bald mit dem auf der Matte tauschte, da die stark im Hause vertretenen Frauen auf derselben sich niedergelassen und mir das Niederreden von der Höhe ungemüthlich und unpassend vorkam. Die Kleidung dieser Frauen wie allgemein im Lande bestand aus einer in langer Schleppe ausartenden Kapotte aus farbigem Zeuge und ohne Taille, d. h. von den Schultern breit niederfallend und hoch bis an den Hals ragend. Der Hals war zierlich geschmückt mit aus duftigen natürlichen Blumen kunstvoll und farbenreich verfertigten Ketten, die auffallend kunstvoll, stark und dabei zierlich gearbeitet sind. Die Verfertigung dieser Ketten bildet den Erwerb zahlreicher Frauen dieses Landes. Auf dem an Haaren reichen Haupte, die meist lose hängend getragen werden, haben sie im Freien stets, oft auch im Zimmer, unter dem Kinn befestigt, einen flachen, sehr breiten, einheimisch verfertigten Rohrhut, der ebenfalls mit natürlichen oder auch in Folge des zunehmenden Importes mit künstlichen Blumen in grellsten Farben, oft überladen geschmückt ist. Trotz dieser Ueberfüllung steht aber die grelle Farbenpracht derselben vortrefflich dem etwas dunklen Teint der Gesichter mit ihren grossen so glanzvollen und so treuen, lieblich-weiblichen Augen der Kanakinnen. Das Auge ist unwiderstreitlich die höchste Zierde ihres meist prachtvollen Körperbaues, solange ihn nicht die hier herrschende Fettsucht verunstaltet hat, und bildet den schönsten Theil ihrer mongolenartigen Kopfbildung. – Der so offenherzige Ausdruck ihres fast sprechenden Auges, glaube ich, ist die Ursache der so auffallend vielfältigen Ehen mit Europäern!

Meine Rückkehr nahm ich bergab durch das von der untergehenden Sonne glänzend beleuchtete Thal, einem im Baue begriffenen neuen Wege folgend und traf erst mit Beginn der Dunkelheit in der Plantage ein, wo man mich mit dem Abendessen erwartete.

Die Lebensweise ist hier, wie auf allen Plantagen des Reiches, eine höchst unruhige, d. h. Keiner hat Zeit. Von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang herrscht rastloses Treiben zu Pferde und zwar oft grundlos übertrieben, da eigentlich nicht viel zu thun ist.

Circa 20 °Chinesen sind hier zur Arbeit angestellt und werden von den Europäern fast sklavenartig behandelt. Auch regt sich besonders hier eine merkliche Unzufriedenheit unter jenen gegen die Europäer, die gegen die arbeitsame, in das Land durch Versprechungen gelockte Nation oft grenzenlos ungerecht, gehässig und brutal sich benehmen.

Bemerkenswerth ist die aus Kalifornien hierher gebrachte grundlose Gehässigkeit, deren Ursache nur in der Eifersucht liegt. Sie sehen, dass der Chinese thätig, gewandt, ausdauernd und vernünftig, – wenngleich mehr Zeit gebrauchend – jede Arbeit gleich gut und für den halben Preis zu liefern im Stande ist, dass derselbe treu in seinen nationalen Gewohnheiten, nüchtern und einfach im Aberglauben seiner Tradition unter ihnen weiterlebt und trotz der auf ihn ausgeübten Unterdrückung und gesellschaftlichen Verachtung, reich wird: und das ist es, was sie ihm nicht verzeihen können.

Es ist nicht zu leugnen, dass alle Elemente dieser Plantage einer pflichttreuen, rastlosen Thätigkeit sich rühmen können, zugleich aber auch die ausgeartetste Rohheit und Bildungslosigkeit beweisen. Ein jedes Glied derselben, d. h. vom Europäer gesprochen, ist hier im richtigsten Sinne des Wortes ein kleiner Despot, der aber zugleich als Mann der Freiheit des Sozialismus sich rühmt. Die meisten derselben sind an einheimische Frauen verheirathet, daher ist ihre Häuslichkeit höchst gemischten Charakters, d. h. so zu sagen Bier oder Porter zum einheimischen „poi“ gepaart. Die Sprösslinge dieser Paarung werden meist unter dem wirksamen Einflusse der Mutter und den mystischen Legenden und Ueberlieferungen des Landes einheimisch-national erzogen. Die etwas thierisch sinnliche Tendenz der Nation, ihre eigenthümlichen traditionellen Gewohnheiten und Gebräuche als z. B. in der Kleidung, der Art des Speisens, der des Wohnens, ihren Liebesbezeugungen u. s. w. üben einen derartigen Reiz auf die Jugend und auf die Ausbildung ihres Charakters, dass man oft gerade unter diesen die schroffsten Nationalen trifft.

Um 8 Uhr ist gewöhnlich die Zeit, wo alles sich hier zur Ruhe begiebt; somit zog auch ich mich – da ich andern Tages früh wieder aufbrechen wollte – von meinem liebenswürdigen Wirthe auf das herzlichste mich verabschiedend auf mein Zimmer zurück.

Was die Rentabilität der Zuckerplantagen des Inselreiches anbelangt, so meinte der in dieser Branche höchst unterrichtete Herr Konrad, dass eine bedeutende zu erzielen wäre, wenn man im Stande ist, mit eigenem und zwar genügendem Kapital zu beginnen. Auf Schuld, meinte er jedoch, so glanzvoll sich auch die Berechnungen herausstellen würden, sei jedes solches Unternehmen zu widerrathen, da, abgesehen davon, dass hier 40–50 Procent für aufzunehmendes Kapital gefordert werden, Kapitalien überhaupt schwer im Lande zu beschaffen sind. Wenn man aber mit eigenem und genügendem Kapital, ohne Schulden zu machen, beginnt, so würde folgendes Resultat sich herausstellen:


Den 9. Juli um 5 Uhr in der Frühe war ich im Sattel. Mein Pferd in Folge der grasreichen Weide munter und muthig. Ein Floss setzte uns über den Hanalei. Dann folgte ich dem Flusse abwärts in dem bei den hiesigen Pferden so eigenthümlichen, sehr bequemen Pass-Galopp, an der Behausung Johnson’s vorbei, dann bergauf, bergab bei prachtvoll sich entfaltenden Gebirgsscenerien durch üppige Schluchten, zahlreiche reissende Bäche und zahlreiche Wasserfälle. Stellenweise in Sicht des von der Sonne glänzend beleuchteten Oceans erreichte ich das tief in das Gebirge ziehende, an Vegetation üppige Waióli-Thal, welches die grosse Reisplantage des reichen Chinesen „Afong“ mit gediegenen chinesischen Bewässerungseinrichtungen einnimmt und die vollste Beachtung verdient.

Das Thal quer durchritten, führte mich ein sehr schmaler Geröllweg oft so nahe an den Ocean, dass die heftig schäumende Brandung desselben mir das Gesicht netzte und ich oft links hart der steilen Felswand entlang durch die Brandung hindurch reiten musste, bis ich Naue, die Behausung des Herrn Robinson, 10 Meilen von Honalei erreichte (gerechnet werden 10 Meilen, sicher aber sind es 12, da ich bei ziemlich scharfem Ritte fast 2 Stunden gebraucht hatte).

In vielen Zeiten des Jahres, namentlich wenn der heftige Südsturm, der „Kona“, herrscht, soll Herr Robinson nicht zu erreichen und ihm jegliche Verbindung mit der Insel genommen sein, da er von einer steilen Felswand vollständig umschlossen ist.

In einer kleinen grasreichen Fläche liegt sein Haus, welches mittelgross, in echt nationalem Stile erbaut ist. Die Wände desselben bestehen aus einem doppelten, sehr festen Grasgeflecht, desgleichen auch das Dach. Diese Grasbedeckung vereitelt jede durchdringende Wirkung der Sonnenstrahlen und des Regens und ist von einer ausserordentlichen Dauerhaftigkeit. Das Haus hat keine Oberlage und ist in drei überaus kühle Räume durch Matten getheilt. Diese Räume haben keine Möbel; an deren Stelle bedecken den Boden saubere, in buntesten Mustern geflochtene Matten, die in mehreren Ueberlagen eine höchst bequeme Ruhestätte bieten und auf welchen zahlreiche Kissen zur Bequemlichkeit und viele leere und gefüllte Flaschen mit Branntwein („Gin“ und „Whisky“) und Hopfenbier zerstreut umher liegen.

Bei meiner Ankunft wurde ich vom Besitzer und seiner etwas dunkelfarbigen, doch höchst liebenswürdigen Frau freundlichst aufgenommen und sofort mit gutem „Whisky“, sehr bitterm Hopfenbier und Zwieback bewirthet.

Nach kurzweiliger Stärkung und Rast bestieg ich mein Pferd und ritt einen unbeschreiblich beschwerlichen Weg zu den Grotten von Haéna, die an der nordöstlichen Spitze der Insel gelegen.

Der Grotten sind drei: Sie liegen am Fusse eines circa 2500 Fuss hohen Abhanges mit einem einzigen Eingang, der 12 Fuss breit. Stalaktitartige Säulen ziehen sich von circa 20 Fuss Höhe bis fast zum Boden, gleich als ob sie die natürliche Form der Kuppel tragen würden.

Die erste Grotte ist circa 200 Fuss im Quadrat. Von dieser Grotte aus führt rechts eine offene Spalte in die zweite und zwar grössere Grotte, die man nur in einem kleinen „Káno“ besuchen kann. Diese zweite Grotte ist das sogenannte Bassin der „Wa-i-aka-a-lúa“ (Wasser der Schrecken). Mit einiger Mühe könnte man zu Fuss die Umfassung des Bassins umklettern, doch ist dieses nicht rathsam, da die Steine glatt und das Wasser eine Tiefe von 100 Fuss haben soll. Demungeachtet versuchte ich es dennoch, kam aber eiligst von meinem Vorhaben zurück, da mir die Glätte und ein ganz sonderbares Gefühl von Lebendigkeit der Steine höchst zuwider wurde. Die Farbe des Wassers ist auffallend klar und durchsichtig. Beim Hineinwerfen eines kleinen Steines ist es stark, ohne jegliches Hineinwerfen schwach phosphorescirend. Von dieser Grotte begiebt man sich – und das ist nur im „Káno“ möglich – bei verhältnissmässig angenehmer Atmosphäre, durch eine vulkanisch geformte Arche in die dritte Grotte, die die grösste ist. Hier ist das Wasser unermesslich tief und weniger klar. In demselben zeigen sich unheimlich hin und her langsam auf und ab sich bewegende, schwefelfarbige Gewächse. Die gigante Kuppel, die die hohe Decke der Grotte bildet, giebt einen für den geringsten Laut überraschenden Widerhall, da jeder Laut sich bedeutend stärker und intensiver wiederholt. Dieser See heisst Wa-i-akána-lóa (Wasser der grossen Verzweiflung).

Diese Grotten, die unmittelbar am See gelegen, sind unzweifelhaft die Endpunkte uralter Lava oder vulkanischer Wassergänge, wie es ihrer so viele neuerer Bildung im Inselreiche giebt, mit dem Unterschiede nur, dass diese alter Bildung sind und durch langen Ruhestand zu stalaktitartigen Ausbildungen Zeit gehabt haben.

Von hier nahm ich, wo es mein Weg nur irgend wie ermöglichte, im raschesten Tempo meinen Weg nach Hanalei zurück. Recht hungrig hielt ich vor der Thüre des Missionärs Johnson, in der Hoffnung, eine materielle Stärkung bei ihm zu erhalten, da es hier keine Gasthäuser oder Restaurationen giebt und ich den ganzen Tag, mit Ausnahme einiger Zwiebacke, die ich bei Robinson erhalten, nichts genossen hatte.

Ich fand leider den ehrwürdigen Seelsorger nicht. Seine beiden Töchter empfingen mich auf das Herzlichste. Nach kurzer Unterhaltung und ohne jegliche Erfrischung brach ich auf, an der Plantage vorbei, den Zick-Zack-Weg bergauf und im festen Galopp über Berg und Thal erreichte ich die Plantage Kilauéa, wo ich – da es schon 5 Uhr Abends war und ich demnach fast 12 Stunden mit wenigen Unterbrechungen im Sattel gewesen und mein Pferd, das nur kurzweilig bei Robinson gegrast hatte, von der Parforcetour von mindestens 40 guten englischen Meilen ermattet war – um Einkehr bitten wollte. Zufällig traf ich den rothäugigen, kleinen, kräftigen Mr. Chs. Titcomb auf dem Felde und trug ihm sofort mein Anliegen vor. Zu meinem grossen Erstaunen schlug er mir meine Bitte kurz und bündig ab und rieth mir, zur Nacht nach Moloá zu seinem Schwiegersohn Bertelmann zu reiten. Da zufälliger Weise derselbe im hiesigen Schlachthause sein sollte, so ritt ich dahin und wurde nach herzlicher Begrüssung nach Moloá zur Nacht eingeladen, wo ich um 7 Uhr eintraf und wo zu meiner Verwunderung Bertelmann, der mit besserem und frischerem Pferde geritten war, mich schon längst erwartete.

Den Abend plauderten wir noch lange über die günstigen Verhältnisse des Landes, die zunehmende Sterblichkeit des Viehes, das alljährliche Abnehmen des Grases, die abnorme Sterblichkeit der Eingeborenen, über Herrn Titcomb, über Frau Bertelmann’s rheumatische Leiden, über Deutschlands Einigkeit, die allgemeine stete Uneinigkeit, über chinesische Kulis und die der Südsee-Inseln, über Himmel, Sterne und Kometen, über die Verwüstung der Waldungen, über vulkanische Eruptionen, über Schlachtmesser, über die Liebe und über Schleifsteine – kurz gesagt: an Vielseitigkeit der Gedanken fehlte es nicht, auch nicht an Humor, obgleich wir beide viel harte Sorgen und Schläge des Schicksals im Leben getragen hatten und noch zu tragen haben.

Herr Chs. Titcomb, der so unerwartet und so gegen die hiesige Üblichkeit mir ein Obdach versagt hatte, ist jedoch eine so merkwürdige Persönlichkeit und charakterisirt derartig die in dem Inselreiche sich niedergelassenen Europäer, dass es von Interesse ist, diesen Mann und seine thätige Laufbahn im Lande zu beschreiben.

Mr. Chs. Titcomb ist Engländer von Geburt, Engländer im Charakter und Engländer in seinem ganzen Wesen, d. h. im Allgemeinen kalt, barsch und unfreundlich; geschäftlich kurz, bündig und klar; in seinem Wirkungskreise tüchtig und energisch.

Als er in das Land kam, richtete er mit wenig Mitteln im Kleinen eine Seidenraupenzucht im Thale von Hanalei ein. Die Maulbeerbaum-Anlage derselben kam vortrefflich fort. Auf sichere und reiche Erträge rechnend, verschrieb er aus China und Japan die besten Puppen. Im Besitze gut ventilirter grosser Räumlichkeiten und von Allem, was zur Beförderung des Unternehmens erforderlich war, schien es unzweifelhaft, dass sein Unternehmen gleichwie es im Kleinen gewesen, auch im Grossen günstige Resultate aufweisen würde. Es fehlte ihm jedoch die richtige Arbeitskraft, d. h. in derselben das Verständniss, die Ehrlichkeit und der Fleiss. Die Indolenz der Kanaken brachte ihn fast aus der Fassung; er gab den Gebrauch der Männer auf, benutzte nur Frauen, und es ging besser: er erzielte Cocons vorzüglicher Qualität.

Das Beispiel wirkte und bald legten sich diese bei ihm arbeitenden Frauen, bald auch andere bei sich zu Hause im Kleinen auf die ihnen sehr zusprechende Raupenzucht mit auffallendem Gelingen, sodass der sichere Glaube erwachte, dass durch diese Industrie bald dem ganzen Lande eine glänzende Zukunft eröffnet werden würde, da die klimatischen Verhältnisse, der fruchtbare Boden unzweifelhaft, wie es Titcomb bewiesen, die Entwicklung dieser Industrie begünstigen.

Die Seidenraupe erfordert bekanntlich eine ununterbrochen pünktliche, sorgfältige Pflege und Aufsicht, und gleich jedem lebenden Wesen keine sonntägliche Ausnahme in der Ernährung. Die sonntäglich sich wohlnährenden Herren Missionäre waren jedoch anderer Ansicht; sie erzwangen durch ihren damaligen bedeutenden Einfluss von der Regierung ein Gesetz, durch welches jede Arbeit am Sonntag gegen harte Strafe verboten wurde. Dieses soll, wie man sagt, eine kleine Rache gegen den nicht genügend kirchlich gestimmten Titcomb gewesen sein.

Natürlich konnte Titcomb diesem Gesetze keine vollständige Folge leisten; er zahlte die erhobenen Strafen ohne Widersetzung, blieb aber nothgedrungen dabei, an Sonntagen seinen sich bedeutend vermehrenden Raupen das erforderliche Futter reichen zu lassen bis endlich die erzürnten Missionäre – da sie die Fruchtlosigkeit ihrer Rache gegen Titcomb sahen – auf den Gedanken kamen, den Frauen das Erscheinen zur Fütterung der Raupen am Sonntag auf ihr Seelenheil hin von der Kanzel aus zu verbieten. Die abergläubischen Leute glaubten der Drohung und in Folge ihres Ausbleibens kamen eine Unmasse Raupen um.

Titcomb war ruinirt, es blieben ihm jedoch treu die Eigenschaften seiner Nationalität: der Stolz, der Muth, die Hartnäckigkeit und die Ausdauer.

Mit erneuerter Energie legte er sich auf den hier so leichten und dabei rentablen Kaffeeanbau, eine Pflanze, bei der die sonntägliche Ruhe und Rast ohne Schaden beobachtet werden konnte. Durch Umsicht und rastlosen Fleiss gelang es ihm, in Verbindung mit einer damals günstigen Viehzucht ein wohlhabender Mann zu werden, und ist er augenblicklich im Begriff aus Kiloéa eine rentable Zuckerplantage zu creiren.

Der Insel war freilich durch diesen kleinlichen Neid der Missionäre und einer gewissen Kurzsichtigkeit der Regierung das Aufblühen einer ihr gewinnreichen Industrie – die wahrscheinlich sich über das ganze Inselreich verbreitet hätte – im Keime erstickt worden. Doch glaube ich fest, dass noch einmal die Seidenraupenzucht im Inselreiche wieder eingeführt werden wird, da der Boden und die klimatischen Verhältnisse desselben das günstige Gedeihen des Maulbeerbaumes fördern, und die Nation für die Seidenraupenzucht ihrem Charakter nach höchst geeignet ist.

Den 10. Juli um 8 Uhr Morgens verliess ich die lieben Bertelmann’s und eilte im nationalen „Pass-Galopp“, ohne mich auf dem Wege aufzuhalten, zurück nach Lehúa, wo ich um 11 eintraf.

Der Dampfer „Kilauéa“ sollte am selbigen Tage um 4 Uhr von Kolóa nach Honolulu abgehen, und da ich die Gelegenheit benutzen wollte, mein Pferd aber 26 engl. Meilen in 3 Stunden gemacht hatte und ermüdet war, so ritt ich noch zwei Meilen hinab, nach Navillivilli, zahlte Lowell für meinen Ritt durch die Insel 13 Dollar und erhielt ein frisches, sehr rasches Pferd für die 12 engl. Meilen weite Strecke nach Kolóa, die ich dann auch im gestreckten Galopp in einer Stunde zurücklegte. Um 1 Uhr verliess ich Navillivilli, um 2 war ich am Hafen von Kolóa, um 4 auf der Kiloéa, und um 5 steuerten wir in die sehr wilde See. In der Insel Kauai – dank dem über die verhärtete Lavamasse dick gelagerten Humus, dank dem im Verhältniss zu den anderen Inseln grösseren Reichthum an Bächen und Flüssen und an günstig gelegenen Thälern, deren Fruchtbarkeit eine wuchernde ist, dank dem hier früheren Erlöschen gewaltiger Krater, wodurch dem Boden eine längere Ruhe zur Bildung der hier so üppigen subtropischen Vegetation geboten war, – ist die Flora und namentlich die Mannigfaltigkeit der Blüthen derselben eine bemerkenswerthe.

Der erste Eindruck der Insel bei der Landung ist, wie schon früher erwähnt, der einer wilden, wüsten, vulkanischen, unwirthlichen. Es umgiebt dieselbe eine steile, von alten Lavaausflüssen oder heftiger Brandung ausgehöhlte Felsenküste, die in ihrer Farbe düster, in ihrer Form scharf durchlöchert und rauh, oder aber gerundet ist, wo der Einfluss der Woge gewirkt. Die Umgebung dieser Küste bilden zahlreiche schwarze Riffe, die finster drohend aus dem hier stets unruhigen Ocean meist konisch hervorragen. Unzählige kleine seichte Buchten, Einschnitte, Landvorsprünge, die, entblösst von jeglicher Vegetation, dürr und kahl sind, bilden das starre Ufer, welches der Engländer so charakteristisch „the iron bound coast“ benennt.

Ein gleiches Bild entfaltet der ganze Kreis der Küste der Insel; hauptsächlich jedoch ist es der Charakter von Kolóa. Hier ist die Landung nicht nur beschwerlich, sondern oft unmöglich, da entweder das Wasser zu seicht, wenn der Wind vom Lande weht, oder aber zu unruhig, wenn der Wind vom Ocean, der „Kona“, herrscht. Es soll oft vorkommen, dass Schiffe kurz vor Kolóa gezwungen sind, ohne zu landen nach Honolulu zurückzukehren, um eine günstigere Zeit zu erwarten.

Die Insel Kauai bildet das nordöstliche Ende des Hawai-Archipels. Die Entfernung von Honolulu wird auf 110 Meilen gerechnet. Die heftige Strömung des Kanals ist die Ursache, dass Segelschiffe 28 Stunden zur Ueberfahrt gebrauchen, und sollen Fälle gewesen sein, wo letztere 7–8 Tage erfordert hat.

Den 11. Juli um 6 Uhr Morgens lag vor uns die Küste von Oahú, die wir auf Schussweite umfuhren. Sie ist ähnlich der von Kauai. Bald nach 6 die Sicht der glanzvollen Felsmasse des „Diamond-Head“, gleich darauf die Honolulu’s und ihrer Bai, und nach 13stündiger Fahrt hielten wir vor der Werfte des Dampfers.

Meine vor 11 Tagen verlassene Behausung fand ich in bester Ordnung und viele Briefe vor. —

Nachdem ich mich 11 Tage in Honolulu erholt hatte, richtete ich wiederum mein Sattelgepäck, da ich folgenden Tags aufbrechen wollte, um die Inseln Maui und Hawaii zu besuchen. —

Die Sandwich-Inseln

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