Читать книгу Die Sandwich-Inseln - Anrep-Elmpt Reinhold - Страница 8

I. Theil
Sandwich-Inseln
VI. Abtheilung
Die Insel Hawaii

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Da ich im Hôtel kein Zimmer fand, so brachte ich mich und meine sieben Sachen bei dem Bäckermeister Herrn Wilhelm in einem kleinen und saubern Zimmer unter.

Das Haus des Bäckermeisters liegt unmittelbar am Hafen in der Nähe der Werft. Er und seine Familie, als auch das Wesen seiner Haushaltung ist echt deutsch.

Das kleine Hilo, die Hauptstadt der Insel Hawaii, der Sitz des Gouverneurs und seiner Regierungsorgane, ist ein liebliches, ziemlich umfangreiches Dorf, dessen kleine, saubere, meist weit auseinander gelegene, mit wenigen Ausnahmen von Gärten umgebene Häuser einen freundlichen, geselligen und ländlichen Anblick bieten.

Unter den Häusern findet man einige recht stattliche, die auf blühenden Wohlstand und Geschmack deuten.

Hauptsächlich jedoch fällt die auffallend strotzende Ueppigkeit der Vegetation auf, die das hügelige, fast bergige Terrain der Stadt und die einem Hufeisen ähnlich geformte Bai umgiebt.

Ein recht schöner, ernster Bau ist der der römisch-katholischen Kathedrale, die während dem gewaltigen Ausbruch des Mauna-Lóa 1869 stark mitgenommen wurde und an der noch Spuren der Verwüstung deutlich zu bemerken sind. Dieselbe ist überraschend gut restaurirt, was besonders auffallend ist, da sie, wie man mir sagt, nahe dem Zusammensturze gewesen war und nur durch die zahlreiche sehr wohlhabende Gemeinde durch eine sofortige und gründliche Reparatur erhalten worden ist.

Wie ich mich überzeugt habe, war zur Zeit meines Dortseins die Zahl der römisch-katholischen Gemeinden im Inselreiche gleich der der Protestantischen.

Den darauf folgenden Tag wanderte ich zur 3 Meilen entfernten „Regenbogen-Cascade“. Der Weg führt über und durch wild durcheinander geworfenes Lavageröll, über tiefe Spalten oder glatte und feste Lavastrecken. Die Stelle der Cascade selbst ist ein längst erloschener Krater. Die eine Seite desselben bildet ein 600 Fuss tiefes Becken; von der andern Seite stürzt fast senkrecht ein Bach, ohne jeglichen Widerstand zu finden, daher glatt und ununterbrochen gleich einem Silberbande vibrirend und glänzend in eine von langjährigem Sturze gebildete Vertiefung oder möglicher Weise in eine durch den Sturz durchbrochene Grotte, die laut Sage zur Heidenzeit von einem Unhold bewohnt war, welcher jegliches lebende Wesen, welches sich der Grotte näherte, vernichtete.

Durch diese Grotte ergiesst sich unsichtbar das Wasser in das früher erwähnte Bassin, aus welchem es durch die zahlreichen vulkanischen, unterirdischen Gänge allmählich seinen Ausfluss findet.

Wenn nun die Sonnenstrahlen gegen die glitzernde Fläche des spiegelglatt niederstürzenden Wasserfalles sich brechen, entfaltet sich ein wundersames Regenbogenspiel, welches der sogenannten Cascade den wohlverdienten Namen gegeben hat.

Es ist in allen Beziehungen eine lohnende Mühe, den Ausflug zu machen und zwar unbedingt besser zu Fuss als zu Pferde, da die Spalten und der höchst unebene Weg, den man, so gut es geht, erst suchen muss, dem Reiter viel ermüdender und beschwerlicher als dem Fussgänger wird.

Höchst lieblich ist bei der Rückkehr der Blick auf die Stadt, auf die Bai und die sie üppig umgebende Vegetation. Namentlich erhöht den Reiz desselben der ausserordentliche Contrast zu dem starren Gewühl der ausgedehnten wüsten Lavastrecken.

Den folgenden Tag, den 2. August, wanderte ich durch die saubere Stadt, deren meist einstöckige, hölzerne, mit Brettern verkleidete Häuser, die meist seit 1869 nach dem verwüstenden Ausbruche des Mauna-Lóa neu erbaut oder renovirt und im zierlichsten Anstrich meist von pflanzenreichen Gärten umgeben sind, zerstreut liegend den Ort bilden. Ausserhalb desselben in regelrechte, parallellaufende Strassen eingetheilt, schmücken Villen mit zierlichen Gartenanlagen die Umgebung.

Wandernd erreichte ich die bemerkenswerthe Hochschule des Mr. Lymon, die 1836 gestiftet und zu ihrer Unterhaltung eine biennale Subvention von 900 Doll. vom Staate erhält.

Das praktisch eingerichtete Gebäude liegt ausserhalb der Stadt in einer luftigen, schattigen, gesunden Umgebung. Ich wohnte dem Unterrichte bei und muss gestehen, dass die Fähigkeiten, die Intelligenz der Jugend, und namentlich das sittsame, bescheidene, nette Benehmen derselben mein Erstaunen erregten und mir eine angenehme Rückerinnerung hinterliessen.

Besonders auffällig war mir das Betragen der Zöglinge im Vergleiche mit dem unserer Schuljugend der gegenwärtigen Zeit, wo das Selbstbewusstsein der Jugend zu einer undisziplinirten Unbändigkeit ausartet und ein Uebel ist, welches von Jahr zu Jahr progressiv zunimmt, da wir in einer Zeit leben, wo das allgemeine Streben nach Schrankenlosigkeit als herrschendes Element zu dem Resultate zu führen scheint, dass jede Achtung für Alter, Gesetz und Ordnung allmählig schwinden muss, wenn nicht ein Riegel der Ausartung dieses Uebels vorgeschoben wird.

Von Herzen wünsche ich, dass der hier herrschende gesunde Geist der Jugend einen steten Einfluss auf die kommende Generation ausübe, um die Bewahrung desselben der Zukunft des Landes zu sichern.

Das System des quasi freien Unterrichtes im Inselreiche ist ein reines Zwangssystem. Die Eltern sind verpflichtet, ihren Kindern das Lesen, Schreiben und Rechnen lehren zu lassen, dieselben zu ernähren, zu kleiden und zu erhalten. Jeder Distrikt hat mindestens eine gemeinschaftliche Schule für Knaben und Mädchen. Der Unterhalt derselben wird zur Hälfte von der Bevölkerung und dem Staate getragen. Die erforderlichen Lehrer und Lehrerinnen derselben werden von der lokalen Schulkommission erwählt. Diese Kommission besteht aus dem lokalen Friedensrichter, einem vom hohen Rathe in Honolulu ernannten, und einem zweiten von den Eltern der Schulkinder gewählten Inwohner des betreffenden Distriktes und wird präsidirt vom Oberintendanten der öffentlichen Aufklärung oder seines Stellvertreters.

Die Pflichten dieser Commission bestehen in der Ueberwachung und Leitung der Schulen, der Zöglinge und der schulpflichtigen Kinder des Distriktes. Alle Bestimmungen der Commission müssen dem hohen Rathe in Honolulu zur Bestätigung vorgelegt werden.

Die Trennung der Kirche von der Schule ist obligatorisch. Der Unterricht in der Religion ist vollständig den Eltern überlassen und zum Unterrichten in derselben wird den betreffenden Seelsorgern das Lokal der Schule von 3–4 Uhr täglich zur Disposition gestellt. Die allgemeine Schulzeit ist von 9 Uhr morgens bis 2 Uhr festgestellt. Die meisten Geistlichen ziehen es vor, in ihrer Kirche oder in einem derselben angrenzenden Bethause den religiösen Unterricht zu ertheilen.

Der Staat – ohne prononcirte Staatsreligion – trägt keine Last für irgend welche Confession. Die Kirchen und zahlreichen Kirchenschulen werden daher von der betreffenden konfessionellen Gemeinde oder von der Kirche selbst unterhalten.

Die Distriktsschulen sind primäre, aus denen die Zöglinge zu ihrer weitern Ausbildung in die sekundären und alsdann in die Normalschulen (Hochschulen) treten können. Hochschulen gibt es 3: eine in Honolulu, eine in Lahaïna und eine in Hilo.

Der Eintritt in Privat- und Kirchenschulen statt in die Distriktsschulen ist gestattet, so lange erstere das Lesen, Schreiben und Rechnen lehren.

Die Folgen eines normalen, nicht übertriebenen Systemes sind hier auffallend günstige gewesen, da man gegenwärtig factisch unter der ganzen Bevölkerung – mit Ausnahme der übrigens selten hier zu findenden Idioten – keinen Mann oder Frau trifft, die nicht lesen, schreiben und rechnen können. Besonders auffallend ist dieses Resultat, wenn man bedenkt, dass erst von 1820, den 4. April, dem Tage der Landung der ersten Missionäre im Inselreiche, der Beginn einer öffentlichen Aufklärung im Lande zu rechnen ist und dass ältere Leute sich im Alter sichtlich einer Aufklärung unterworfen haben müssen, um das erwähnte Resultat zu erreichen.

Hochgelehrte findet man natürlich unter denen, die die hiesigen Hochschulen verlassen, keine, aber um desto mehr Wohlunterrichtete mit normalem, gesunden Verstande, was die kernig gesunde Entwicklung des Landes beweist.

Auf meinem Rückwege accordirte ich den Preis für ein gutes Pferd, und als Führer hatte ich den „Joe Puni“ für einen Ritt zum Vulkan Kilanéa und von dort zum Mr. Waelsch, circa 46 engl. Meilen, für 35 Dollar mit der Absicht, den folgenden Tag in der Früh aufzubrechen und in der Hoffnung, dass die gestrigen Strichregen und die fast wolkenbruchartigen der letzten Nacht den Weg nicht zu schlecht gemacht haben werden.

Bei höchst wild brausender, die Werfte überwogender See langte ich zu meiner, diesem Prachtschauspiele nahe liegenden Behausung. Die Luft war trotz der heissen Sonne des Tages eine erquickende. Es weht nämlich hier stets eine erfrischende Brise, weshalb die Nächte immer kühl, einen erquickenden Schlaf gönnen und hier alle lebenden Wesen frisch, wohl und munter aussehen. Kurz gesagt, Hilo ist in allen Beziehungen ein anziehender Ort, in welchem ein jeder Naturfreund, der keine Ansprüche auf Luxus macht, sich ein gesundes und verjüngendes Leben verschaffen kann.

Wasserreichthum umgibt den Ort; wohin man blickt rieseln Rinnen, oder es fliessen die Gewässer kleiner Gräben und Bäche, umgeben von strotzender, fruchtbarer Vegetation.

Die Feuchtigkeit der Gegend mit Ausnahme der der Lavastrecken, ist eine so bedeutende, dass sogar die recht hoch gelegenen Zuckerrohrplantagen um Hilo meist ohne Bewässerungen üppig gedeihen. Sogar die Sumpfpflanze, der „Tárro“, erfordert zu seinem vollständigen Gedeihen hier keine beständige Bewässerung.

Die verhältnissmässige Theuerung der Lebensmittel im Allgemeinen, der merkwürdige Mangel an Fischen für ein am Ufer des Oceans in Mitte einer so üppigen Vegetation und einem so fruchtbaren Boden gelegenen Orte wie Hilo, ist mehr denn auffallend. Ich schreibe die Ursache der Indolenz und theilweise der Trägheit der hiesigen, dem dolce far niente gern ergebenen Nation zu, deren grösste Liebhaberei es ist, entweder im zum Halbdunkel verhängten Zimmer auf reiner Matte des Fussbodens sich auf den Bauch zu strecken, oder „poi“ zu essen, im Fingerlecken, Orangen und Mangos zu saugen oder zu schlafen, oder aber darin besteht, hoch zu Pferde, mit Blumen geschmückt als famos kühne Reiter und Reiterinnen die wild zerrissene aus tiefen Spalten bestehende Lavaumgebung im eiligsten Tempo ihrer kernigen Ponys zu durchziehen.

Sonntag den 4. August war ich um 5 Uhr auf; Pferd und Führer waren bereit. Ich bezahlte Herrn Wilhelm meine Rechnung für drei Tage mit nur 3 Dollar 5 °Cents und ritt nach kräftigem, famosen Frühstück ab.

Ein eigensinniges Pferd und ein Halt bei dem Führer gestatteten uns erst um ½8 Hilo zu verlassen.

Obgleich ich meinem Führer als Hauptbedingung gestellt hatte, dass er mir ein gutes, starkes Pferd und einen guten Sattel liefern müsse, so hatte ich leider während des kurzen Rittes durch die Stadt die bedeutende Mangelhaftigkeit des Sattels, der sehr eng und schwülstig war, erkannt. Mein fast uneingerittenes Pferd suchte mit aller Macht, mit gebogenem Rücken seinen Kopf zwischen die Beine zu bringen, um mit gehörigem Bocken sich von meiner Last zu befreien. Einige gehörige Hiebe mit kräftiger Gerte zwischen die Ohren brachten den Gaul freilich vorwärts, der jedoch dann bald rechts, bald links ausschlagend, sich auf die Seite werfend, sich rüttelnd und schüttelnd, endlich im gestreckten Karriere durch die Strassen rannte. Es erinnerte mich dieser Ritt lebhaft an meine Büffeljagd unter den Apachen am Rio grande in Texas.

Obgleich ich ein fester Reiter, brachte mich doch der rundgebogene Rücken, das ausserordentlich bewegliche Kreuz des störrischen Pferdes, als auch der erbärmliche Sattel über einen Zoll hoch aus demselben, und mir wurde die Aussicht, auf diesem Dromedar in Pferdegestalt den weiten Ritt machen zu müssen, nicht angenehm. Die Versicherung aber des Joë Puni, dass es sein bestes Pferd sei und es später ordentlich gehen würde, erwies sich sehr bald als gerechtfertigt.

Um ½8 wie gesagt, verliessen wir Hilo. Es folgte eine Stunde lang, circa 4 Meilen, eine weite wellenförmig steigende, wüste, theilweise mit struppigem Grase und Farrenkräutern bewachsene Lavageröllfläche.

Der Weg war sumpfig und eigentlich kaum ein Weg zu nennen. Er zog sich bald über höchst glatte grossartige Lavalagen, oft über tiefe Spalten derselben oder über Strecken verhärteter treppenartig geformter Lavastrecken, und war daher nur im Schritt zu reiten möglich.

Alsdann folgte eine Stunde lang circa 6 Meilen Wald, d. h. hochwüchsiges, verworrenes Buschland mit nur hin und wieder erscheinenden hochstämmigen Bäumen, die mit grauen, dürren, schroffig flachen und oft stachligen, gleich Krystallen in einander gewirkten, oft tief niederhängenden Flechtenformen stark belegt waren. Der Boden selbst und die herumliegenden Blöcke und Gesteine sind mit gelblich-grünen, dicht gedrängten, sanft geschwollenen Formen diverser Moose belegt. Das ganze verworrene Gedränge des Busches besteht hauptsächlich aus einem üppigen Gemisch des zitternden Laubes der mannigfaltigsten zierlich-zarten, vielfach zerschlitzten, schirmartig ausgebreiteten Blattformen der verschiedensten Kraut-, Zwerg-, Strauch- und Baum-Farren, aus den ewig rasselnden Pandanen mit ihren hohen, glänzend grünen, zweischneidigen, steifen, eigenartig in sich gewalzten oder schraubenartig gedrehten, schlanken Blättern, aus dem hartholzigen Tek-Strauch mit seinen glänzenden, rothen Blüthen, hin und wieder aus Palmen, jedoch in unausgebildeten Formen, hochstämmigen Pisang- oder Bananen-Pflanzen mit dem üppigen, saftigen Grün ihrer gewaltigen Blätter, ferner aus Liliengewächsen mit ihrer dem Schilfe ähnlichen Tracht der Blätter, aus Schilfformen verschiedenster Art und tropisch edlen, hohen, baumartigen Wuchses, Thy-Sträuchern mit ihren hochwüchsigen, grasartigen Blättern u. s. w. Das ganze Gemenge ist durchschlungen von mannigfaltigen Schlingpflanzen, deren hochstrebende Wurzeltriebe kaum von ihren Zweigen zu unterscheiden sind und die namentlich dazu beitragen, dem sich hier entfaltenden Bilde den Charakter der tropischen oder subtropischen Verworrenheit der Buschvegetation zu geben. Dieselbe ist jedoch lange nicht der der Pracht und Vielseitigkeit der ostindischen und der von Ceylon zu vergleichen, da die schönste Vegetation des hiesigen Busches der schwächsten Vegetation des Djungles von Ceylon gleichzustellen ist.

Die Fama der althawaiischen Flora ist vorbei, die Flora der Jetztzeit des Inselreiches bietet nur stellenweise Reichthum, Ueppigkeit und Fülle, wie z. B. hier, jedoch ein wirklich ausgebildetes Modell einer Pflanzenformation ist faktisch nicht mehr zu finden. Es liegt, so zu sagen, auf dieser Vegetation, sogar an den üppigsten Stellen derselben, der Stempel entweder der zerstörenden Macht des vulkanischen Elementes oder aber noch deutlicher, der des Elementes einer willkürlich eingedrungenen, eigennützigen, verwüstenden, dem Lande fremdartigen Cultur, die wie an so vielen Stellen der Welt, wo dieselbe civilisatorisch während Jahrhunderten eingedrungen, stets, gleichsam die geschaffene Verwüstung fliehend, verwüstetes Land hinterliess, so lange noch irgendwo in der Welt ein Strich jungfräulicher Natur zum Verwüsten ihnen noch üppig entgegenschien.

Denn wodurch entstehen die verwüstenden Folgen der eindringenden Cultur, namentlich in den Tropen und Subtropen? Meiner Ansicht nach hauptsächlich durch die Verminderung und allmähliche Vernichtung der Feuchtigkeit in Folge der masslosen Entholzung und unnatürlich übertriebenen Entwässerung der Gegend zur Einführung materiell vortheilhaft erscheinender, systematischer Culturpflanzungen, deren niedriger Wuchs und meist lichter Stand den Boden dem aussaugenden, daher dem allmählich austrocknenden Einflusse der Sonnenstrahlen aussetzt, wodurch natürlich die Urfeuchtigkeit des Bodens rascher verbraucht wird, und die Ausdünstungen desselben und dem zufolge natürlich auch die Feuchtigkeit der Atmosphäre und ihre von der Natur geregelten Niederschläge sich allmählich mehr und mehr verringern.

Da nun bekanntlich die Hauptbedingungen zu einer vollkommenen, formenreichen, üppigen tropischen oder subtropischen Pflanzenwelt die Feuchtigkeit und die Wärme sind, und zu deren Mannigfaltigkeit die Auflösung der bei genügender Feuchtigkeit leicht auflöslichen, jährlich sich progressiv ansammelnden unorganischen Stoffe des tropischen und subtropischen Grundbodens die Entwickelungsursache bildet, so lässt sich hiermit deutlich die Ursache des Zuerstsichverkrüppeln und dann das allmähliche Schwinden der Vegetation durch den Mangel an Grundfeuchtigkeit und das Sichnichtauflösen der unorganischen Stoffe des Bodens erklären.

Es entfaltet sich hierdurch der deutliche Beweis, dass die fieberhaft geschäftig wirkende Thätigkeit des rastlos als Herr der Natur sich dünkenden eitlen Menschen trotz seiner kühnen Weisheit nicht im Stande ist, die Gesetze der Natur auch nur in ihren kleinsten Wirkungen zu ändern, und dass die Natur vernichtend, erhaltend oder erzeugend stets der tyrannische Herr der Schöpfung und der Geschöpfe, daher auch des Menschen von Ewigkeit zu Ewigkeit war, ist und bleibt und dass erst dann die Cultur ihren wahren Begriff zum Vortheil der Natur, ohne Verwüstungen zu hinterlassen, entfalten wird, wenn der unbändige Träger derselben, „der Mensch“, sich von den Banden des Egoismus und der Willkür befreit haben wird!

Dann folgt 1½ Stunden circa 6 Meilen steigend ein wilder Geröllweg in wüster Farrenumgebung, unter denen einzelne schlanke, meist jedoch krüpplige Stämme des „hau“, Teek-Bäume, Akazien, Mimosen, hin und wieder auch Sandelbäume sich erheben.

Diese Strecke zieht sich bis zum sogenannten „Half-way“ – Haus des Kaaua, 1177 Fuss über dem Meeresspiegel und 16 Meilen von Hilo entfernt liegend hin. Bei letzterem traf ich um 11 Uhr bei einer Temperatur von 80 Grad Fahrenheit ein. Der Ort selbst heisst Olaá und besteht aus einigen Grashäusern und einer kleinen weiss gestrichenen Kirche ohne Thurm.

Von Hilo bis Olaá hat man die Sicht des Mauna-Kéa rückwärts und rechts die des Mauna-Lóa, in Wolken gehüllt und ohne jede Spur von Dampf.

Kaauá’s Grashaus ist sauber und rein gehalten und ausnahmsweise mit Möbeln versehen.

Bald wurde mir ein dampfendes Huhn, „tarro“, Kaffee und frisches Quellwasser vorgesetzt.

Um 1 Uhr war ich wieder in meinem höchst unbequemen Sattel, und vorwärts ging es bald im Trabe, bald im Galopp über Farrnflächen und verhärtete Lava – eine höchst beschwerliche Strecke. Namentlich ist dieselbe lästig für die Pferde, da einige Stellen derselben dem Glatteis gleichen.

Die Steigung im Allgemeinen ist kaum merklich; man würde, so zu sagen, ohne sich zu besinnen wetten, dass man auf einer horizontalen Fläche reitet, wenn nicht hin und wieder der Ocean, der stellenweise in Sicht, jedes Mal tiefer liegend erscheinen würde.

Nicht die geringste Spur von Dampf oder leuchtender Atmosphäre ist zu sehen, noch Schwefelgeruch zu spüren, so dass man unwillkürlich glaubt, entweder eine falsche Richtung eingeschlagen zu haben oder noch weit entfernt vom Kilauéa-Becken zu sein.

Vor uns liegt der in Wolken gehüllte Gipfel des Maúna-Lóa, rechts die volle Sicht des breiten Maúna-Kéa.

Um ½5 begann ein merkwürdiges Rauschen, Zischen und unaufhörliches, unterirdisches Rollen. Je mehr wir vorwärts schritten, desto intensiver wurde das Zischen, welches ähnlich dem eines Bleigusses in Wasser ist, und desto häufiger spürte man das gewaltige Erdröhnen der Erde und die Luft begann nach Schwefel oder richtiger gesagt nach Glüheisen zu duften.

Circa 3 engl. Meilen vor dem Kraterhause bildet sich aus dem fast spurlosen Wege ein gut erhaltener. Dieser Weg führt uns wieder durch einen üppig hochwüchsigen Wald, durch zahlreiche auffallend dampfende Stellen, welche aus dem üppigen Grase und der hier so mannigfaltigen Farrn-Vegetation hervorqualmen und die uns unser Ziel sichtbar zu erkennen geben.

Um ½6 endlich hielten wir nach zurückgelegten guten 18 engl. Meilen von Olaá ab, auf einer Höhe von circa 4407 Fuss über dem Meeresspiegel, vor dem überraschend stattlichen Kraterhause bei einer Temperatur von 61 Grad Fahrenheit im Schatten und Windschutze.

Das Haus besteht in seiner Front einerseits aus vier Gastzimmern und einem Gesellschaftszimmer („Parlor-Room“) mit Ausgängen auf eine breite Veranda und vollster Sicht auf den Vulkan d. h. das „Kilauéa“ – Becken. Vier Gastzimmer und das Speisezimmer haben ihren Ausgang und Sicht nach hinten. Die andere Seite des Hauses bilden die Wohnzimmer, die Küche etc., des Verwalters.

Es ist ein grosses einstöckiges Gebäude, dessen Wände und das Dach aus Schindeln bestehen.

Der Krater war diesen Tag höchst aufgeregt, und die grasreiche Umgegend dampfte stark. Obgleich der Wind von unserer Seite, d. h. gegen den Krater wehte – was, wie man mir sagt, ein gewöhnlicher Fall ist – war demungeachtet ein starker Schwefelgeruch zu spüren.

Nach einem guten Abendessen bei lustigem Feuer im Kamine des Gesellschaftszimmers, verbrachte ich den Abend bei prachtvoll speiendem Feuerspiel und lautem Brausen und Zischen der wüthenden „Péle“, der althawaiischen Göttin des Kilauea-Kraters.

Den folgenden Morgen, den 5. August, erwachte ich nach überaus lebhaften Träumen über Feuermeere und sternfunkelnden Himmel um 6 Uhr, und um ½7 zog ich nach kräftigem Frühstück mit meinem Führer dem Krater zu.

Nach einer schroffen Niedersteigung langten wir um ¾7 an der Kante des Lava-Sees an, welche 1150 Meter über dem Meeresspiegel, demnach 174 Meter tiefer als das Kraterhaus liegt.

Von hier ging es sofort springend über Spalten und Risse, über sich rührende Schollen und fliessende Lavaströmungen.

Die erst heisse Unterlage wurde allmählich glühend, so dass mein Stab zu brennen anfing und eine silberne Münze, die ich niederlegte, in unglaublicher Geschwindigkeit geschmolzen war.

Nach zurückgelegten 4 englischen Meilen einer glühenden Fläche erreichten wir in einer Stunde, d. h. um ¾8 die 1200 Meter über dem Meeresspiegel liegende schwülstige Kante des wogenden Feuerbeckens.

Unter uns – nicht tiefer als 25′ – tobte sichtlich die unheimliche Glühmasse, die, bald hoch sich hebend, ihre Umfassung vernichtend beleckte, bald wüthend mit einstürzenden Theilen derselben in sich selbst versank, um von Neuem aus sich selbst sofort wieder gewaltig sich zu erheben.

Aus dieser unaufhörlich auf und nieder wogenden Tiefe entfaltet sich eine derartige Hitze, dass man nur kurzweilig hineinblicken kann, um die Farbe der glühenden Masse mit ihren sonderlichen Schattirungen genauer zu betrachten.

Die Farbe derselben ist gleich der einer schäumenden Mischung von Blut und Milch, in der hin und wieder sich dunkelbläuliche, in den verschiedensten Farben schimmernde Durchzüge zeigen, die die Masse gleich Adern langsam durchziehen und allmählich gleichwie auseinander gehend, sich mit ihr vermischen.

Das beständige Donnern, Dröhnen, Schmatzen, Zischen, Lechzen, Stöhnen und Keuchen der Tiefe, das oftmalige Erdröhnen, das höchstgewaltige Erdbeben unserer Unterlage und dem folgend, das hastige Hinausspeien – so dass oft Tropfen der Glühmasse zu unseren Füssen niederfielen, die bald darauf als erkaltete Lava in den eigenthümlichsten Formen von uns gesammelt werden konnten – namentlich aber das oftmalige plötzliche Einstürzen unserer unmittelbaren Grundumgebung erweckten unwillkürlich ein grausiges Gefühl der Unsicherheit, aber auch zugleich dasjenige des Erstaunens in uns.

Unwillkürlich fühlt man sich geneigt, bei dem Anblick dieses ernsten Schauspieles der Natur gleich den Hawaii-Kanaken auszurufen: „Lúcu lúa Péle a lohá,“ d. h.: „Vernichtendes Loch Péle, sei gegrüsst!“

Um 8 verliessen wir das mir unvergessliche Schauspiel und trotz verkohltem Stabe, verkohlten Sohlen und gesengtem Haare gereute mich der Gang nicht, der obgleich heiss und theilweise gefahrvoll, jedoch unbeschwerlich und vom grössten Interesse war. Nirgends in der Welt ist es möglich, unter den gleichen klimatischen Verhältnissen, so leichtem Erreichen und in so unmittelbarer Nähe das glühende Centralelement in seiner gewaltigsten Action beobachten zu können.

Um ½10 war ich wieder unter dem Schutze der stets frischen, luftigen Veranda, um mich mit Sodawasser und Brandy zu erquicken und einige Gedanken der Erinnerung in das Fremdenbuch einzutragen.

Die Sicht des vor einem liegenden, tobenden Lavasees, seiner weit im Umkreise dampfenden Umgebung – dampfend aus dem See, aus dem üppigen hohen Grase und aus der so mannigfaltigen Farrn-Vegetation der links nach Hilo zu dicht bewaldeten Gegend – rechts die Sicht der unwirthlichen Abhänge des Maúna-Lóa mit seinen die gewaltige Macht des verwüstenden vulkanischen Elementes klar beweisenden, wilddurchworfenen oder schichtenweise gestapelten, oder in Flächen glatt gelagerten Lavagebilden, die weit ausgebreitet und allmählich steigend in unabsehbare Ferne sich entfalten: dies Alles begeistert und erhebt unwillkürlich die Stimmung des Menschen zur Bewunderung der gewaltigen Constellationen der Kräfte der Natur im Schaffen, Vernichten und im Wiederschaffen durch das Vernichten.

Der Maúna-Lóa liegt im Centrum des südlichen Theiles der Insel Hawaii, erhebt sich bis 13,430′ über den Meeresspiegel und ist mit seinen zahlreichen Kratern der einzige noch thätige Vulkan der Insel. Seinen Gipfel bildet ein Krater, dessen Umkreis 24 engl. Meilen beträgt und dessen innere Böschungen eine Tiefe von 1270′ ergeben sollen. Dieser Central-Krater ist beständig activ, jedoch soll derselbe laut urältester Tradition nie über seine Oeffnung ausgetreten sein. Nur starke Gase entsteigen ihm beständig und hin und wieder Aschenauswürfe. Seine Eruptionen entfaltet er in gewaltigster Art aus den zahlreichen tiefer liegenden Nebenkratern seiner Abhänge, unter denen der bemerkenswertheste der vorhin beschriebene Kilauéa ist, der am südlichen Abhange des Maúna-Lóa gelegen und in seiner Art einzig in der Welt dasteht.

Der „Kilauéa“ – Krater oder richtiger die „Kilauéa“ – Lava-Krater haben einen Umfang von 3,867,500 □ M. oder 3,8675 □ Kilometer halbwegs verhärteter Oberfläche, durch oder über welche zahlreiche offene Lavaströmungen schlängelnd sich wälzen. Diese ganze Oberfläche befindet sich meist in einem elastischen, wellenförmigen sich Heben und Senken, starke Spalten und hin und wieder bewegliche, schollenartige Theile bildend, denen qualmend erstickende Gase entsteigen.

Dieser Lavasee ist umgeben von einem fest zusammenhängenden wallartigen Kranz, dessen steiler Abhang höchst unregelmässig in seiner Höhe ist. Im N. N. O. erhebt sich derselbe bis circa 644′ über das Niveau des Sees oder 4104′ über den Meeresspiegel, in S. S. W. bis circa 1000′ über den See oder 4470′ über den Meeresspiegel. Das Gebilde des Kranzes besteht aus Lavageröll oder aus saigeren und frischen Schlacken-Gebilden.

Im Lavasee befinden sich 6 Krateröffnungen, von welchen die grösste die ist, an deren Oeffnung wir die Möglichkeit fanden, auf verhältnissmässig sicherer Unterlage einen Blick in die Tiefe des vulkanischen Elementes zu werfen. Diese Oeffnung ist umgeben von einem 150′ hohen Wall, den sogenannten Hále-maú-maú, (d. h. die Palastgründe). Von diesem Wall wurden die gereinigten Knochen der verstorbenen Könige und hohen Häuptlinge als Opfer der Göttin Péle in den Abgrund des siedenden Kraterschlundes geworfen. Diese Krateröffnung hat einen Umfang von 250,830 □ M., während die anderen 5 einen Umfang von 4180 bis 4167 □ M. oder in Summa einen Umfang von 22,365 □ M. haben, wonach der 3,867,500 □ M. umfassende ovale See – der eine durchschnittliche Länge von 2275 M. und eine durchschnittliche Breite von 1700 M. hat – circa aus 1/12 beweglicher und strömender Masse, 1/12 Krateröffnungen nebst ihrer festen, unmittelbaren Umgebung und 10/12 aus meist verhärteter, oft auf und nieder sich hebender, mit vielen Rissen versehener Masse besteht.

Der grosse Kranz des Lavasees hat zahlreiche unterirdische Ausgänge. Die Ausgänge sind reich an grottenartigen Lavaausbildungen, die hin und wieder durch stattgefundene Versenkungen sichtbar sind und durch welche die Ausströmungen in tiefere Gänge stattfinden. Aus letzteren haben sich gebildet und bilden sich noch jetzt zahlreiche vertikale Ausgänge in der entfernteren Umgebung des Lavasees, welche zum Auslassen der gewaltig sich entwickelnden Gase dienen und in denen man, gleich wie in den oberen Theilen der Kraterschlünde bemerkenswerthe kubisch krystallisirte Gebilde von Schwefelarsenik- und Alkalisulphat-Inkrustationen findet.

Der Kilauéa-Krater, Dank seinen zahlreichen Ausgängen, soll laut der Tradition urältester Zeit nur einmal sein Niveau überschritten haben, indem er namentlich seinen Wall in südlicher Richtung durchbrechend, den Distrikt Puna verwüstete, bei Puhú-Kuhúluú die jetzt noch bestehenden von Hilo 25 Meilen entfernten Schwefelquellen und bei Kalohiá und Kopéla die sonderbar konischen Sandhügel bildete und sich in das Meer wälzte. Seitdem haben Eruptionen des Kilauéa in den Jahren 1823, 1840, 1859 und 1868 stattgefunden.

Meine Absicht war, denselben Tag um 12 aufzubrechen, meinen Weg über den südlichen Abhang des Maúna-Lóa zu nehmen und zur Nacht die Ranch des Kapitän Walsh zu erreichen.

Meine Rechnung betrug:


Genau um 12 nach vortrefflichem „Lunch“, das heisst Gabelfrühstück war ich im Sattel, und vorwärts ging es steigend, der hohen Kante des Lavasees entlang und über meist hohl tönende Lavaplatten der unterirdischen Grotten und Gänge, deren zahlreiche Spalten und Oeffnungen gewaltiger Schwefelqualm entsprang. Links in Sicht des eifrig unruhigen Kraters, dem wir uns allmählich näherten und dem wir – bald bedeutend höher – oft prachtvoll in die Tiefe seines Schlundes blicken konnten, führte der unwirthliche Weg.

Die Sicht des Kraters verlassend, schlugen wir eine vollständig spurlose Richtung ein. Unser Ritt war bald abwärts, bald steigend, bald über hohl tönende Lavaplatten oder durch wild durchwürfeltes Lavageröll, über Spalten und Risse, durch Versenkungen und eingestürzte Grotten, kurz gesagt, durch eine weglose, wüste, für Pferd und Reiter höchst ermüdende Strecke. Man vernahm beständiges Donnern, Rollen und Erdröhnen der Unterlage, und es zeigte sich gewaltiger Schwefelqualm und fast unerträglicher Lavastaub, den der fast beständig wirbelnde Wind im eiligen Hin und Her über die wüste Umgebung trieb.

Vor uns rechts erhob sich die Spitze des vom dichten Nebel umhüllten Maúna-Lóa. Der Nebel nahm mir jede Möglichkeit, weiter hinaufzureiten, da er bald uns dicht zu umhüllen begann.

Mit Ausgleiten, Stöhnen und Stolpern der Pferde ging es unter oftmaligem Gebrauch der Sporen mühsam über die feuchten Platten, Steine und Blöcke 8 sehr lang erscheinende englische Meilen. Dieser wüsten Strecke folgte ein waldiges Terrain, d. h. eine vor langer Zeit durch Lavaausströmungen niedergebrannte, stellenweise nur versengte Waldstrecke, aus deren Stuppen sich üppiges Gestrüpp gebildet hatte.

Der sogenannte Weg wird etwas ebener und wegartiger, so dass wir stellenweis traben und den hier üblichen Passgalopp versuchen konnten. Wir erreichten, nach vom Kraterhause zurückgelegten 20 englischen Meilen, um 5 Uhr Kapapála, die 700 M. über dem Meeresspiegel liegende Ranch des Herrn Walsh, welche ein Herr Wabs verwaltet.

Unzähliges todtes Vieh oder Gerippe desselben bedeckten die Umgebung und verpesteten die Luft.

Angelangt, erbat ich mir, da die Sonne nahe ihrem Untergang, ein Nachtlager, welches mir jedoch abgeschlagen wurde, und war ich demzufolge gezwungen, meinen Führer durch einen Zuschlag von 4 Dollar zu überreden, mich über den Ort Kaiwa bis zur 6 Meilen von hier entfernten Plantage Pohalla zu führen, die wir denn auch im festen Galopp um 6 Uhr noch bei vollster Helle des westlichen Horizontes erreichten.

Der liebenswürdige Besitzer der grossen Plantage Kapitän W. Welfong, empfing mich gastfreundschaftlich und verschaffte mir sofort für den folgenden Tag ein Pferd für 10 Dollar bis zum 18 englische Meilen entfernten Orte Waiohino.

Ich entliess meinen Führer nebst Pferde, nach von Hilo zurückgelegten 60 englischen Meilen, mit 39 Dollar und einem Händedruck.

Den Abend verbrachte ich im confortablen „parlor-room“ nach vortrefflichem Abendessen in angenehmer Unterhaltung mit den höchst distinguirten Damen des Hauses bei musikalischen Vorträgen.

Den folgenden Morgen, den 6. August, erwachte ich gestärkt um 5 Uhr und nach einem vorzüglichen „breakfast“ d. h. Frühstück führte mich Kapitain W. Welfong durch die Wirthschaftseinrichtungen seiner Plantage, die neu, und im vollsten Entstehen sich befand.

Sehr praktische Cisternen und Fleischereien sind in grossen Lavahöhlungen theilweise schon eingerichtet, theilweise im Bau begriffen. Sie sind in jeder Beziehung eine auffallend günstige Nutzung derselben.

Die Dürren der letzten Jahre hatten auch hier deprimirend gewirkt. Alles war dürr und todt, doch scheint der unternehmende rastlose Geist des Seemanns Sir Welfong den Muth zu erhalten, denn ungebeugt, voll Lebensfrische, ungeachtet der Alles vernichtenden Dürre, der verheerenden Seuche unter dem Vieh geht er tapfer in seinen giganten Unternehmungen vorwärts, voll Hoffnung auf bessere Zeiten und die günstigen Resultate seiner enormen Auslagen. Eine Wasserleitung z. B., die er angelegt, hatte ihn 11,000 Dollar gekostet; er war gerade im Begriff eine andere, noch kostspieligere anzulegen. Mir erscheint es jedoch sehr fraglich, ob diese kostspieligen Wasserleitungen zur Bewässerung der umfangreichen Felder der Zuckerrohrplantage genügend sein werden, da der vulkanische, durchweg unterminirte Boden – namentlich in dieser Gegend – die Grundfeuchtigkeit so auffallend rasch mit Beihilfe der hier fast beständig herrschenden trockenen Winde verbraucht.

Eine Eisenbahn, die die erste des Königsreichs sein sollte, war von hier zum Transport der Produkte der Plantage zur Bai von Panáluú in Arbeit und auf 25,000 Dollar veranschlagt. Ich zweifle jedoch, dass dieselbe für diesen Preis beendet und sich überhaupt rentiren wird, da im Allgemeinen auf der Insel Hawaii, insbesondere in der Umgebung dieser Plantage sehr wenig Holz noch vorhanden ist und die vorhandenen Waldungen geschont werden müssen, wenn nicht die Insel vollständig entholzt werden soll und ferner weil die Kohle, die hier im Lande erst importirt werden muss, zu kostspielig wird.

Um 9 war ich im Sattel und trabte ohne Führer auf einem kleinen grauen, sehr ermatteten Pferde dem 28 Meilen entfernten Waiohina zu. Meine riesigen Sporen und eine gute Gerte mussten mir helfen, das Ziel zu erreichen. Ganz auffallend hart scheint das Fell der hiesigen Pferde zu sein. Man muss, um nur halbwegs sie in Bewegung zu erhalten, mit Gewalt und zwar beständig spornen, was trotz der gebrauchten Gewalt das Thier oftmals kaum spürt und mit der Zeit den Reiter sehr ermüdet. Ich möchte gerne eines der fanatischen Mitglieder unserer Thierschutzvereine, deren Princip ich vollständig, jedoch ohne zu übertreiben, beistimme, auf dem Buckel eines solchen Pferdes und dem gleichsam mit Aepfeln gepolsterten Sattel sehen und dessen Aeusserung vernehmen! Was würde der sagen? „Oh! ich armes gequältes Thier, das ich bin!“ würde er sicherlich ausrufen und seine Geduld mit Gaul und Sattel nähme bald ein schrecklich Ende.

Mein Weg führte meist wieder über Lavageröll-Flächen, bald auf, bald niedersteigend, bei lästig sengenden Sonnenstrahlen, dürrer Umgebung und – so weit das Auge blickt – fast vegetationsloser Sicht.

Vor mir in weiter Ferne entfaltete sich der Ocean mit zwei Schoonern unter vollen Segeln. Die Atmosphäre war dunstig und in einer dem Inselreiche eigenthümlichen, sichtbar vibrirenden Bewegung.

Um 11 nach zurückgelegten 10 Meilen hielt ich im chinesischen Kaffeesalon des Ortes Púnalún, der unmittelbar am Ocean gelegen ist. In der Nähe dieses Ortes befindet sich ein kleiner See, der circa 500 Schritt vom Ufer entfernt, reich an Springquellen ist und – ungeachtet der Nähe des Oceans – auffallend klares, vortreffliches Wasser enthält. Die Scheidung zwischen Ocean und See bildet eine niedrige Lava-Düne.

Púnalún war nach der 1869 stattgefundenen Eruption durch das vulkanisch steigende Meer vollständig zerstört, wurde darauf theilweise wieder neu erbaut und liegt nunmehr theilweise noch im Bau begriffen in einer seit 1869 trostlos verwüsteten Umgebung.

Um ½12 ritt ich weiter, stets bei dürrer, vegetationsloser Sicht, stellenweise durch oder über gigantisch, unbeschreiblich wild durch einander geworfenes Lavageröll der 1869 stattgefundenen Eruption bis Hanoápuu, einer ebenfalls 1869 verwüsteten Ortschaft. Von hier bei beständig ansteigendem weglosen Terrain, ermüdet durch das unausgesetzte Spornen meines matten Pferdes, erschlafft durch die glühenden Strahlen der Sonne und den unerträglichen Staub der Lava erreichte ich um 4 Uhr endlich Waiohino als – halber Mohr.

Eine halbe Meile vor Waiohino passirte ich die Plantage gleichen Namens, wo ich einen Makakau aufsuchte, der mein Pferd in Empfang nehmen sollte. —

Die Mühle der Plantage liegt 250 M. und die Kirche des Ortes als höchster Standpunkt desselben 350 Met. über dem Spiegel des Oceans.

In Waiohíno angelangt, suchte ich einen gewissen Herrn Meneke, der ein Deutscher ist, hier ein Handlungsgeschäft hat und dem ich empfohlen worden war, auf. Dank seiner Vermittlung fand ich, da hier kein Gasthaus vorhanden, ein Zimmer, und wurde von ihm aufgefordert, weil Waiohíno keine Restauration hatte, während meines hiesigen Aufenthaltes bei ihm zu speisen.

Von der Plantage bis Waiohíno, schon kurz vor Beginn derselben, beginnt die Gegend an Vegetation reicher und – näher zur Stadt – sogar eine üppige zu werden.

Die Lage Waiohínos und ihrer unmittelbaren Umgebung ist – obgleich auf einer Höhe von 350 Met., eine tiefe zu nennen. Die Stadt Dank dem sie umgebenden Gebirgskranze, gleichsam wie in denselben vertieft, ist überaus reich an Grundfeuchtigkeit und im Schutze der Alles verdörrenden Winde, wodurch ihr humusreicher Boden eine auffallend üppige Vegetation entwickelt, die man der eines tropisch-botanischen Gartens vergleichen kann.

Das Keimen und Wachsen der Pflanzen zeigen hier eine ganz eigenthümliche Kraft, die ich nirgends in der Welt gefunden habe, so z. B. 2½jährige Bäume aus der Saat erzogen ergeben oft Stämmchen von 6 Zoll im Durchmesser; ein frischer Stab in die Erde gesteckt, wurzelt und keimt; der Kohl steht perennirend baumartig mit Zweigen und daher mit mehreren Kopfbildungen und wird stets ertragreich viele Jahre alt u. s. w. Die Zuckerrohrfelder ziehen sich meist hoch bis an das Gebirge hinauf, werden zwar nicht bewässert, doch stehen sie demungeachtet üppig.

Meine Wohnung in dem Hause echter Kanaken war im Ganzen genommen eine leidliche. Das von schattigen Bäumen umgebene, etwas düstere Haus war verhältnissmässig gut erhalten. Mein Zimmer war geräumig, aber leider die Behausung diverser Familien des Wanzengeschlechtes und die der verschiedenartigsten sich emsig herumtreibenden, in Alles hineindringenden Ameisen, sowie der Wandelraum zahlreicher kleiner Eidechsen, die die von Alter und Staub dunkel gewordenen Wände belebten. Meine Wirthsleute waren herzlich liebe Frauen und zugleich recht hübsche Erscheinungen, die sich die grösste Mühe gaben, mir den Aufenthalt so bequem als möglich zu machen, und offenherzig den Wunsch aussprachen, mich recht lange zu beherbergen.

Den 7. August um 5 Uhr in der Früh durchwanderte ich die kleine recht hübsche Stadt mit ihren circa 800 Einwohnern, die gleich ihrer Plantage wenig Bemerkenswerthes hat, es sei denn ihre hügelige Lage, die auffallende Ueppigkeit der Vegetation, die günstige, völlig sichere Lage gegen die Wirkungen der vulkanischen Eruption, der Stillstand der hiesigen Geschäfte und das im Allgemeinen im ganzen Inselreiche herrschende dolce far niente der Bevölkerung.

Den Abend wanderte ich mit dem ungezogenen oder richtiger verzogenen sechsjährigen Meneke jun. durch das üppige Zuckerrohr der Schluchten und Abhänge des Gebirges bei oft prachtvollem Blicke auf den glänzenden Ocean.

Das Zuckerrohr war im Verhältniss zur herrschenden Dürre des Jahres auffallend üppig und lieferte den deutlichsten Beweis einer reichhaltigen Bodenfeuchtigkeit.

Das auffallend kräftige Zuckerrohr wird hier von den Bergen hinab, wie es eben stattfand, durch eine Rinnenwasserleitung mit auffallender Geschwindigkeit von den entferntesten Feldern zur Mühle geschwemmt.

Den 8. August verbrachte ich den Morgen unter den Kanaken und um 9 durchritt ich die Plantage, die ein Muster der Ordnung und der Ueppigkeit des Rohres war.

Den 9. August, nachdem ich den vorhergehenden Tag meine Zimmerrechnung mit 3 Dollar für 3 Nächte bezahlt, mir ein Pferd für 1½ Dollar, um die 7 Meilen bis zum Hafenort Kaálualú zu machen, bestellt hatte, verabschiedete ich mich von der liebenswürdigen Familie Meneke und ritt um 7 Uhr ab. Mein Sattelgepäck hatte ich leider einer sehr unsichern Fürsorge, nämlich dem Treiber eines zweiräderigen Ochsenkarrens in der Hoffnung anvertraut, dass das Versprechen einer guten Belohnung den indolenten Führer der 2 störrischen, weissen Ochsen des höchst morschen Karrens bewegen würde, meine Sachen auf dem schlechten Wege vor Beschädigung und namentlich vor Erdrückung zu hüten, eine Hoffnung, die sich leider nicht erfüllte.

Ueber Lavaplatten, durch Lavageröll, bald auf, bald ab, bald im Schritt, bald im Trab, bald im Galopp erreichte ich um ½9 den trostlos öde gelegenen Hafenort Kaálualú in Sicht des schon angelangten Dampfers, der „Likelíke“, und, nachdem ich einem gewissen Kiaaïna mein Pferd übergeben hatte, eilte ich mit meinem sehr zerdrückten Gepäck zum Schiff. —

Die Sandwich-Inseln

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