Читать книгу Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute - Ein Fall für Harald Steiner - Ansgar Morwood - Страница 7

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2. Das Brüsseler Immobilienkartell

Der Dienstagmorgen begann für Harald Steiner wie ein gewöhnlicher Urlaubstag, nur dass er irgendwie gar keine Lust mehr hatte, sich urlaubsmäßig zu verhalten oder zu fühlen. Der Mordfall nebenan - jedenfalls war er überzeugt davon, dass es sich dabei um einen Mordfall handelte - hatte seine gesamte Aufmerksamkeit und sein gesamtes Denken beschlagnahmt.

Aber er war nicht einer jener Sorte, der gleich vor lauter Begeisterung, Unrast oder Beflissenheit rauf- und runterhüpfte. Erstens sollte Rollinger selber zum Urteil gelangen, dass es sich hier wohl kaum um einen Suizid handelte. Zweitens wartete er auf grünes Licht aus Köln.

Letzteres wurde schneller gegeben, als er es zu erwarten gewagt hatte. Denn schon kurz nach elf rief ihn Emil Strasser an.

„Frisch hat noch gestern Erkundigungen über Alfons Wagner eingezogen und brauchte sich dafür nicht einmal mit den Kollegen in Augsburg kurzzuschließen. Wagner ist bei unserem hiesigen Drogendezernat aktenkundig.“

„Wagner und Drogen? Sollte ich mich so sehr in dem Mann getäuscht haben?“ sprudelte es aus Haralds Mund hervor.

„Die Kollegen hatten ihn zeitweise im Verdacht, mit Siggi Jasper in Kontakt zu stehen“, erläuterte Strasser. „Der Verdacht ließ sich aber nicht erhärten.“

„Siggi Jasper, unser Rotlichtkönig?“ fragte Steiner nach.

„Genau der“, bestätigte der Kirminaloberrat. „Folglich war unsere BTM-Abteilung bereits auf Tuchfühlung zur Kripo Augsburg gegangen und verfügt also über ein einigermaßen dickes Dossier zu Wagner. So, und damit und dem, was Sie mir gestern erzählten, bin ich zu Staatsanwalt Werle gestiefelt, um Ihrem Wunsch, an den Ermittlungen beteiligt zu werden, Nachdruck zu verleihen. Aber solche grenzüberschreitenden Ermittlungen erfordern nun einmal im Vorab einen Wust an Formalitäten.“

„Dachte ich mir schon“, warf der Hauptkommissar wenig begeistert ein.

„Nicht gleich den Kopf hängen lassen, Steiner. Die Sache konnte erheblich abgekürzt werden, denn Dieter Werle telefonierte heute Morgen in meinem Beisein mit dem Innenministerium in Düsseldorf. Als meinte es die Göttin Fortuna mal wieder besonders gut mit Ihnen, hält sich unser Innenminister doch just heute zu einer Arbeitsbesprechung mit seinem luxemburgischen Amtskollegen im Großherzogtum auf. Die Angelegenheit ist binnen einer halben Stunde auf höchster Ebene in Ihrem Sinne bewilligt worden.“

„Dass so etwas funktionieren kann, hätte ich nicht gedacht“, staunte Harald.

„Wie dem auch sei. Ich schicke Ihnen noch heute jemanden mit der Akte Wagner nach Luxemburg. Diese Person wird Ihmen dann in den folgenden Tagen assistieren.“

Der Umstand, nicht sofort den Namen dieser „Person“ genannt zu haben, verunsicherte den KHK. „Wer soll denn hierher kommen?“ fragte er, Schlimmes befürchtend.

„Frau Mink“, antwortete Strasser nach einigem Zögern.

„Was soll ich mit der Mink hier anfangen? Und wozu sollte ich überhaupt Unterstützung benötigen?“ brachte Harald mit bebender Stimme hervor, wobei ihm selber nicht klar war, ob dieses Bebende in seiner Stimme durch Verärgerung oder von Angst verursacht wurde.

„Das mit einem Assistenten war eine Bedingung von ganz oben. Die wollen nicht, dass Sie unkontrolliert Ihre Rambomethoden in einem Nachbarstaat austoben. Dass Sie sich trotz eines Kollegen wenig darum scheren werden, ist mir klar, denen aber nicht. Dass ich Ihnen Frau Mink beiordne, dafür haben Sie selber den Grundstein gelegt, weil Sie ihr vor Ihrer Abreise in den Urlaub nur Kinderkram aufgegeben haben, den sie längst bewältigt hat, während Schmidt und Frisch noch vollauf mit der Abwicklung Ihrer Order zu tun haben.“

Harald dachte nach. Die Mink war viel zu unerfahren, als dass sie ihm irgendwie von Nutzen sein konnte. Das hatte aber den Vorteil, dass sie ihm auch nicht allzu sehr im Wege stehen würde. Er brauchte sie lediglich mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen, wie er es immer zu tun pflegte.

Derweil redete Strasser weiter. „Mir ist es immer noch ein Rätsel, was Sie gegen das Mädchen haben. Sie ist klug, verfügt über die besten Referenzen und sieht zudem gut aus. Sie ist übrigens schon auf dem Weg zu Ihnen.“

„Das mit dem guten Aussehen ist nach meiner Meinung ihre einzige Qualität“, höhnte Steiner.

„Nun mal halblang, Herr Hauptkommissar“, ermahnte ihn sein Vorgesetzter. „Sie werden sich ihr gegenüber schon ein wenig konstruktiver verhalten müssen, als Sie es bisher hier in Köln gewohnt waren. Sorgen Sie lieber für eine vernünftige Unterkunft der Dame in unmittelbarer Nähe Ihres augenblicklichen Domizils.“

Auch das noch, dachte Harald. Jetzt bin ich schon zum Quartiermacher meiner eigenen Untergebenen degradiert.

Nach diesem Telefonat begab er sich zu Fuß zum Haus der Betreiberfamilie dieses Ferienkomplexes und erkundigte sich bei der Landwirtin nach Unterbringungsmöglichkeiten für einen Kollegen, nachdem er ihr erklärt hatte, im Fall Wagner an den Ermittlungen teilzunehmen.

Die Frau schüttelte den Kopf. „Bei uns ist nichts frei und wird vorläufig auch nichts freiwerden. Die Wohnung des Herrn Wagner ist ja von der Polizei auf unbestimmte Zeit gesperrt worden. Ich denke, auch im Umkreis von zehn Kilometern wird alles ausgebucht sein. In der Saison kann man höchstens einen Platz auf einem Camping zum Zelten erhalten. Warum lassen Sie Ihren Kollegen nicht in Ihrem Chalet wohnen. Ich bin auch gerne bereit, Ihnen nichts zusätzlich dafür zu berechnen. Es ist immerhin auch in unserem Interesse, dass die Sache schnell geklärt wird.“

Leicht verlegen stellte Steiner richtig, dass dieser „Kollege“ in Wirklichkeit eine Kollegin sei und zudem rangniedriger als er und es sich wohl nicht für ihn gezieme, mit einer solchen Person im gleichen Raum, geschweige denn im selben Bett zu übernachten.

Die Bäuerin versprach ihm, sich nach anderen Übernachtungsmöglichkeiten zu erkundigen, glaubte aber, das sei verlorene Liebesmüh. Sollte es sich aber nicht anders einrichten lassen, stellte sie ihm in Aussicht, ihr Sohn könne gegen Abend eine Matratze und zusätzliche Bettwäsche zum Ferienhaus bringen.

Mit gemischten Gefühlen kehrte Harald zu seinem Chalet zurück. In Gedanken flehte er die Götter und insbesondere Göttin Fortuna an, die Betreiberin möge doch noch irgendwo in der Nähe ein Zimmer für die Mink auftreiben.

Als Monika gegen halbeins im Nachmittag mit ihrem vergammelten Honda vor dem Ferienhaus eintraf und diesen neben den Mercedes ihres Chefs parkte, lag Steiner in seinem Liegestuhl auf der Veranda und döste vor sich hin. Natürlich war er nicht so weit weggetreten, das Geräusch des auf dem Kies anhaltenden Fahrzeugs nicht gehört zu haben, aber er wollte ihr in keinster Weise den Eindruck vermitteln, sie mit Freuden erwartet zu haben.

Monika stieg aus und nahm vom Beifahrersitz den Karton mit den polizeilich gesammelten Werken über Alfons Wagner. Wenige Augenblicke später stand sie neben Haralds Liegestuhl auf der Terrasse, stellte den Karton auf den Gartentisch und begrüßte ihren Chef.

„Hallo, Chef. Da bin ich. Herr Strasser hat sie doch sicher informiert.“

Er blinzelte gelangweilt zu ihr hoch. „Ihre Ankunft war nicht zu überhören, und ja, Strasser hat Ihr Kommen angekündigt.“ Mit einem Blick auf den Karton fragte er: „Ist das die Akte Wagner?“

„Ja, das ist sie. Haben Sie bereits zu Mittag gegessen, oder soll ich etwas zubereiten? Ich habe jedenfalls noch gar nichts gegessen.“

„Können Sie denn überhaupt kochen?“ erwiderte Steiner schnippisch.

„Es ist jedenfalls noch niemand von dem, was ich aufgetischt habe, gestorben.“

„Hätte mich nicht gewundert, wenn doch“, murmelte der KHK brüskierend. „Hinten in der Küche finden Sie alles, was Sie benötigen. Bedienen Sie sich. Mir reicht auch schon eine Tomatensuppe aus der Dose.“

Immer diese niederträchtigen Bemerkungen, ging es Monika durch den Kopf. Sie begab sich ins Innere zum hinteren Teil des großen Raumes und machte sich ein Bild dessen, was ihr Chef an Essbarem eingelagert hatte. Er wollte eine Dosensuppe haben, dann sollte er auch eine Dosensuppe bekommen. Ihr Appetit war größer, und sie entschied sich nach einer ersten Bestandsaufnahme für Pellkartoffeln mit Hering und machte sich ans Werk. Eines musste sie Steiner lassen, zumindest ernährte er sich nicht ausschließlich aus der Dose und hatte auch frisches Gemüse, Obst und Fleisch eingelagert, und sogar die eingelegten Heringe waren nicht bei einem Discounter gekauft worden.

Die Dosensuppe war rasch fertig. Sie servierte sie Harald auf der Veranda. Er hielt es für überflüssig, sie mit einem Wort des Dankes zu bedenken, sondern blätterte nach wie vor in den von ihr mitgebrachten Unterlagen, ohne sie überhaupt zu beachten.

Nach etwa einer Dreiviertelstunde gesellte sich Monika mit einem Teller Pellkartoffeln und zwei Heringshälften zu ihm und setzte sich in den anderen Liegestuhl.

„Wenn Sie wollen, es sind noch Kartoffeln und Heringe da.“

Er sah auf ihren Teller und wunderte sich, dass sie dieses einfache Mahl zuzubereiten in der Lage war. Seine Exfrau wäre jedenfalls nicht dazu befähigt gewesen.

„Vielleicht später“, knurrte er und beobachtete, wie ihr Messer eine Kartoffel in zwei Teile spaltete. Sie hatte es doch tatsächlich fertig gekriegt, die Kartoffeln genau zur richtigen Zeit aus dem kochenden Wasser zu holen, stellte er anhand der Konsistenz des Kartoffelmarks fest. Und dass man die mit Mayonaise essen kann, wusste sie auch. Sie hatte sogar fein gehackte Petersilie in den Klecks Mayonaise auf ihrem Teller gestreut. Ihm lief dann doch das Wasser im Mund zusammen.

„Wissen Sie was, ich gehe mir doch ein paar Kartoffeln und Heringe holen“, sagte er.

„Lassen Sie nur. Das mache ich schon“, entgegnete sie.

Unglaublich, dieses Mädchen, dachte er. Eine Frau, die ihn bedient, ohne dafür bezahlt zu werden oder dazu aufgefordert worden zu sein.

Er war sehr zufrieden mit dem, was er nun gegessen hatte, schob seinen Teller zur Seite und widmete sich wieder der Wagnerakte. Monika räumte den Tisch ab, trug Geschirr und Besteck in die Küche und begann sofort mit dem Abwasch.

Auch das war für Harald eine Erfahrung, die er seit seiner Zeit als zuhause wohnender Jugendlicher und außerhalb von Restaurants nicht mehr hatte machen dürfen. Als sie wieder auf die Terrasse kam und sich erneut in ihren Liegestuhl niederließ, rang er sich dann doch einige Worte des Lobes ab.

„Ich nehme meine voreiligen Bemerkungen zu Ihren Kochkünsten zurück. Jedenfalls hat es mir gemundet.“ Er wandte sich wieder den Dokumenten zu.

„Freut mich“, sagte sie leise. „Aber Sie haben mir noch nicht gesagt, wo ich heute Nacht untergebracht werde.“

Er sah sie nachdenklich an. Die Bäuerin hatte sich immer noch nicht bei ihm gemeldet. Also nahm er sein Handy und rief sie an. Das Ergebnis fiel aus seiner Sicht negativ aus. Er sah sich gezwungen, ihr Angebot einer zusätzlichen Matratze samt Bettwäsche anzunehmen, und wandte sich alsdann wieder seiner Assistentin zu.

„So leid es mir tut, Frau Mink, werden Sie wohl hier in meiner Hütte übernachten müssen. Weit und breit ist kein Zimmer zu bekommen. Ich überlasse Ihnen mein Bett und werde auf einer Matratze auf dem Boden schlafen.“

„Das kann ich nicht zulassen“, erwiderte sie. „Das Bett ist doch breit genug für uns beide, ohne dass wir uns dabei in die Quere kommen müssen.“

„Ich mit Ihnen in einem Bett, Frau Mink?! Nein, das geht nun wirklich nicht! Es ist sogar schon suspekt, wenn wir beide im selben Raum nächtigen.“

„Dann schlafe ich eben auf dem Boden“, schlug Monika vor. „Es ist Ihre Wohnung, Ihr Bett und Ihr Urlaub.“

„Das kann nun wiederum ich nicht zulassen. Sie sind eine Frau. Ich als Mann bin da mehr gewohnt. Bitte keine Widerrede.“

Monika trug ihr Gepäck vom Auto ins Haus und verstaute ihre Sachen in einen der freien Abteile des raumhohen Kleiderschranks. Als sie wieder auf die Veranda hinaustrat, lag die Akte auf dem Tisch, und Steiner schien einen Mittagsschlaf angefangen zu haben. Sie wunderte sich ein wenig über seine inerte Haltung, denn immerhin hatte er, wie sie von Strasser erfahren hatte, selber darum gebeten, in den Fall Wagner involviert zu werden.

Also entschied sie, sich auch ein wenig in die Sonne zu legen, wofür sie sich erst einmal umziehen wollte, immerhin trug sie immer noch die Klamotten, die sie am Morgen angezogen hatte, bevor sie zur Arbeit gefahren war. Und als sie dann erfahren hatte, für eine unbestimmte Zeit nach Luxemburg beordert zu werden, hatte sie nur schnell bei sich zuhause Kleider für mehrere Tage eingepackt, darunter auch viele Freizeitsachen, die sie im Präsidium bestimmt nie tragen würde.

Um 16 Uhr schickte sie sich an, Kaffee und belegte Brötchen zu machen. Harald schlief immer noch, als sie wieder mit allem draußen erschien, und sie weckte ihn mit sanfter Stimme.

„Chef, ich habe Kaffee gemacht. Sie wollen doch sicher welchen.“

Steiner öffnete die Augen und benahm sich wie jemand, der im ersten Moment nicht wusste, wo er war. Dann sah er zu ihr auf und runzelte die Stirn. Er hatte die Mink noch nie in so leichten Klamotten gesehen. Sie trug weiße Hotpants und ein ärmelloses rotes Top. Unverkennbar trug sie unter dem Top keinen BH, und ein einigermaßen gediegener Slip wäre irgendwie bei der bescheidenen Größe der Hotpants zum Vorschein gekommen.

Steiner verkniff sich eine Bemerkung und entgegnete: „Ja, Kaffee wäre mir schon genehm.“

Er brachte seinen Liegestuhl in Sitzposition und staunte über die belegten Brötchenhälften, die sehr fachgerecht mit fein geschnittenen Gurken, Tomaten und Zwiebeln garniert waren.

Während sie tranken und aßen, begann Monika erste zaghafte Fragen zum neuen Fall zu stellen. „Leider hat man mich mit dem Vorgang noch nicht vertraut gemacht.“

Steiner kaute gerade an einer Brötchenhälfte und überlegte dabei, inwiefern er der Mink etwas preisgeben wollte. Sie ahnte, wieso er seine Antwort hinauszögerte. Im Kommissariat in Köln hielt er sich ihr gegenüber auch immer mit Informationen bedeckt, wenn es sich einrichten ließ. Aber zu ihrer Überraschung entschied er sich diesmal für einen umfassenden Bericht der bisherigen Geschehnisse, weil er sich dessen bewusst wurde, nur sie hier als Stütze zu haben, wenn es mal etwas kniffliger werden sollte.

Nach etwa einer Dreiviertelstunde der Explikationen über den Todesfall Wagner fragte er: „Haben Sie denn wenigstens schon die Akte, die Sie mitgebracht haben, eingesehen?“

„Nein, dazu hatte mir die Zeit nicht gereicht. Als man sie mir in die Hand drückte, hieß es, ich solle meine Sachen packen und mich umgehend auf den Weg zu Ihnen machen.“

„Dann werde ich Sie jetzt wohl auch darin einweihen müssen.“ Und er begann zu erzählen, was er auch erst vor einigen Stunden aus der Kölner Wagnerakte gewahr geworden war.

Seit drei Jahren war das Drogendezernat Siggi Jasper wegen Rauschgifthandels auf der Spur. Das heißt, man wusste, dass einige seiner Leute regelmäßig Geldtransaktionen in Kölner Lokalen mit Dealern abwickelten, wobei aber niemals direkt Drogen über den Tisch gingen.

Ganz nebenher war den Beobachtern dabei auch immer wieder ein Mann aufgefallen, der just immer dann in solchen Lokalen verkehrte, wenn diese Geldtransfers stattfanden. Dieser Mann schien diese Leute selber zu observieren. Seine Identität wurde als die von Alfons Wagner aus Augsburg ermittelt.

Man stellte Untersuchungen über Wagner an und konstatierte, dass die Aktivitäten seines Bauunternehmens seit Jahren rückläufig waren, Wagner selber aber seinen Lebensstil unvermindert beibehielt. Außerdem unternahm er sehr viele Auslandsreisen.

Es war also durchaus denkbar, dass Wagner die Drogentransporte durchführte. So wurde er selber auch zum Objekt polizeilicher Observationen. Aber es war nur festzustellen, dass er immer nur nach Köln kam, wenn diese Geldtransfers stattfanden, nie aber mit den Leuten, die daran beteiligt waren, in Kontakt trat.

Mehrmals hielt man an solchen Tagen Wagner bei Verkehrskontrollen in der Hoffnung an, Drogen bei ihm zu finden. Aber alle Vorstöße dieser Art blieben ergebnislos. Weder führte Wagner jemals Unmengen an Geld mit sich, noch irgendwelche Drogen. Nach einiger Zeit verloren die Leute vom Rauschgiftdezernat das Interesse an ihm.

Einer der Gründe dafür war der Umstand, dass Wagner plötzlich aufgehört hatte, dort zu erscheinen, wo man offensichtlich die Drogendeals zu verhandeln pflegte.

„Hat man denn nie die Leute kassiert, die diese Transfers über die Bühne brachten?“ interessierte es Monika.

Steiner lächelte müde. „Da sehen Sie, warum ich Sie nicht gerne an die vorderste Front mitnehme. Sie können mit Ihren paar Dienstjahren noch nicht den Durchblick haben. Was hätte es den Ermittlern genützt, zwei, drei oder vier Leute dabei zu ertappen, ein Bündel Banknoten über den Tisch zu schieben oder einzustecken?“

Er wartete absichtlich auf eine dumme Antwort. Den Gefallen tat ihm Monika nicht. Lieber schwieg sie und wartete seine Erläuterung ab.

„Hören Sie, Mink“, plusterte sich der Hauptkommissar auf, „ohne Drogen ist die Chose doch sowieso witzlos. Aber selbst wenn solche Drogen gleichzeitig die Seiten gewechselt hätten, wäre nicht viel gewonnen worden. Man wollte an den Kopf der Bande heran, an Siegfried Jasper. Man rottet das Übel eben am besten an seiner Wurzel aus.“ Er lachte kurz auf. „Oder am Kopf, schließlich sagt der Volksmund, der Fisch stinkt vom Kopf her. Hauptsache Sie verstehen, wie es gemeint ist.“

„Das kann ich nachvollziehen, Herr Steiner, aber wie soll denn nun die Zusammenarbeit mit den hiesigen Kollegen konkret gestaltet werden?“

Auch auf diese Frage konnte sich Steiner mal wieder als der Besserwisser hervortun.

„Solange Commissaire Rollinger die Selbstmordvariante für die Wahrscheinlichere hält, sollte man ihn in seinem Glauben belassen. Wir sind hier aus seiner Sicht doch nur Fremdkörper, auch wenn er sich gerne meine Meinung anhören will. Warten Sie es einfach ab, Frau Kollegin. Vielleicht dauert es noch mehr als einen Tag, aber Rollinger wird sich besinnen und von sich aus auf uns zukommen.“

„Ich meine, Herrn Strasser doch so verstanden zu haben, dass wir uns direkt in die Ermittlungen einklinken sollen oder sogar müssen“, gab Monika zu bedenken.

„Es gibt da einen theoretischen und einen menschlichen Aspekt. Theoretisch könnte ich den Commissaire jetzt anrufen und mit ihm einen Termin zwecks Koordinierung ausmachen. Er dürfte mein Anliegen nach der neuesten Lage der Dinge nicht einmal zurückweisen. Es wird ihn aber jetzt schon schwer wurmen, dass ich mich auf diese Weise über Amtshilfe und von oben her in die Sache hineingedrückt habe, jedenfalls mehr, als er es gewünscht hatte. Da kann ich nicht auch noch hingehen und dem Feldherrn des Feldzugs offenbaren, jetzt die Führung übernehmen zu wollen.“

Wie dreist und logisch zugleich, dachte Monika, musste dann aber doch noch eine Frage an Harald loswerden.

„Welche Rolle soll ich denn eigentlich spielen?“

„Das, Frau Mink, habe ich mich auch schon von Anfang an gefragt, als Strasser mir eröffnete, ausgerechnet Sie zu mir zu schicken.“

„Ausgerechnet Sie“, hallte es ins Monikas Ohren wieder. Kann der gemein sein.

Steiner fuhr unbeirrt in seinen Darlegungen fort: „Vielleicht ist das Ihre Chance, sich zu beweisen. Zunächst warten wir ab, was uns Rollinger zu berichten hat. Dann wird sich Ihre Rolle ganz von allein herausschälen.“

Monika dachte noch eine ganze Weile über Steiners Vortrag nach. Trotz aller seiner Seitenhiebe gegen sie persönlich, waren seine Argumente von taktischem und logischem Inhalt. Er hatte Recht; Rollinger dürfte keine Luftsprünge gemacht haben, als man ihm erklärt hatte, Steiner und sie seien direkt an den Ermittlungen zu beteiligen. Noch niederschmetternder würde es für den luxemburgischen Kommissar sein, wenn sich tatsächlich Mord statt Selbstmord herausstellen sollte.

Wenn Steiner also nicht direkt auf Rollinger zuging, sondern ihm den Vortritt ließ, Mord als Todesursache festgestellt zu haben, gab er ihm den Spielraum, sein Gesicht zu wahren. Das war zwar ein unsinniges Spielchen mit Emotionen, aber es war psychologisch sehr gut von ihrem Chef durchdacht.

André Rollinger meldete sich früher, als es Monika für wahrscheinlich gehalten hatte. Etwa um 19.40 Uhr surrte Haralds Handy.

„Herr Steiner, ich bin es, André Rollinger. Es haben sich interessante Spuren im Fall Wagner aufgetan, die ich gerne so schnell wie möglich mit Ihnen erörtern möchte. Wenn es geht, noch heute. Ich könnte in einer Dreiviertelstunde bei Ihnen sein. Wäre Ihnen das recht?“

Es war Harald recht, und als das Gespräch beendet war, grinste er Monika an. „Sehen Sie, Frau Mink, so ist das wirkliche Leben. Rollinger wird noch heute Abend herkommen.“

Einige Minuten später erschien der Sohn des Betreiberehepaars der Ferienwohnungen mit einem Handkarren, auf dem eine Matratze und saubere Bettwäsche lagen. Steiner entschied, er solle die Sachen auf der rückwärtigen Veranda abladen. Er wollte Rollinger nicht allzu viel Stoff zum Nachdenken über Nebensächlichkeiten bieten.

Rollinger traf erst wenige Minuten vor 21 Uhr ein. Steiner empfing ihn auf der Terrasse und bat ihn ins Innere des Chalets. Dort machte er ihn mit Monika Mink bekannt. Rollinger fielen fast die Augen bei ihrem Anblick aus den Augenhöhlen, denn Monika trug wegen der warmen Temperaturen immer noch ihre leichte Bekleidung. Doch hielt sich der Commissaire mit diesbezüglichen Bemerkungen zurück. Monika fragte ihn, ob er etwas zu trinken wünsche. Der Commissaire entschied sich für ein Pils wie Steiner auch.

„Nun, Herr Steiner“, läutete der Luxemburger das Gespräch ein, „ich hatte ja nicht damit gerechnet, dass Sie sich gleich so intensiv in die Sache hineinhängen würden. Mir wurde vom Innenministerium mitgeteilt, Sie sollen mir für die Dauer der Ermittlungen im Wagnerfall behilflich sein, weil es da in Ihrer Heimat wohl auch schon Recherchen zu diesem Mann gegeben hat. Hätten Sie mir nicht gleich gestern sagen können, ein Interesse an einer aktiven Beteiligung haben zu wollen?“

Steiner mimte den Unschuldsengel. „Gestern wusste ich ja auch noch nicht, was ich erst seit heute Morgen weiß, nämlich das, was Sie gerade zu deutschen Ermittlungen in Sachen Wagner erwähnten. Es war nicht meine Absicht, mich über Gebühr der Chose anzunehmen. Ich hatte nur aus Neugier in Köln nachgehorcht, ob der Mann bei uns aktenkundig ist. Der Rest ergab sich dann ganz von allein.“

„Wenn Sie das sagen“, argwöhnte Rollinger, „muss ich es wohl glauben.“

Monika hatte den Herrn zwei Flaschen Bier und zwei Gläser hingestellt und setzte sich nun ebenfalls an den Tisch.

Der Commissaire kam zum eigentlichen Grund seines Besuchs. „Wir haben uns immer noch nicht darauf festlegen können, ob wir es mit einem Mord oder einem Selbstmord zu tun haben. Die Patrone in Wagners Gehirn wurde tatsächlich aus der Waffe abgegeben, die er in der Hand gehalten hatte, die offenbar in kurzer Entfernung auf seine Stirn abgefeuert worden ist, allerdings nicht aufgesetzt. Die errechnete Entfernung zwischen dem Waffengriff und dem Einschussloch entspricht aber durchaus noch der Armlänge Wagners. Zugegeben, eine selten dämliche Art, sich umbringen zu wollen, aber immerhin, wenn man die kalkulierte Vortäuschung eines Mordes in Erwägung zieht, nicht ganz abwegig.“

„Vor allem nicht narrensicher“, warf Steiner ein. „Manche Leute leben auch nach einem Kopfschuss noch mehr oder weniger munter weiter.“

„Auch das ist in unsere Überlegungen eingeflossen. Es sind aber andere Umstände, die uns mehr und mehr davon überzeugen, dass Herr Wagner durch das Zutun einer anderen Person ums Leben gekommen ist, wobei Ihre Theorie über den Fundort der Patronenhülse durchaus eine Rolle spielt.“

„Sicher doch“, meinte Harald, „weder Abstand noch Winkel stimmen mit der Lage der Leiche Wagners überein.“

„Genau“, räumte Rollinger ein. „Doch sogar das ließe sich dadurch erklären, dass Herr Wagner nach der Abgabe des Schusses noch einige Schritte nach hinten getaumelt sein könnte und dabei eine erstaunliche axiale Drehung seines Körpers zuwege gebracht hat, wie Sie es gestern ja auch schon als eine schwache Möglichkeit angedeutet hatten. Die interessanteren Befunde unserer Recherchen ergaben sich aus dem Inhalt seiner Brieftasche, dem von mir gestern bereits erwähnten Zettel, auf dem Namen und Telefonnummern notiert waren, mehreren Befragungen von Leuten, die er hier im Land kontaktiert hatte, und einer regen Reisetätigkeit, die er in der letzten Woche vor seinem Tod entwickelt hat.“

Das war Wasser auf Steiners Mühlen und nach seiner Meinung der geeignete Zeitpunkt, endlich das offenzulegen, was er schon seit dem Vorabend sicher wusste.

„Ehe Sie in Ihren Darlegungen fortfahren, Herr Kollege, möchte ich Ihnen den nahezu schlüssigen Beweis liefern, dass Wagner umgelegt wurde. Kommen Sie bitte mit mir mit.“

Obwohl es draußen noch einigermaßen hell war, nahm Steiner eine Taschenlampe mit und führte Rollinger zu einem Apfelbaum, der ungefähr zwanzig Meter gegenüber von Wagners Ferienhaus stand. Er leuchtete dem Stamm des Baumes entlang, bis er im Lichtstrahl der Taschenlampe wiederfand, was er hier tags zuvor entdeckt hatte.

„Sehen Sie das?“

Rollinger beugte sich vor und nahm seine Brille ab. Endlich kam auch er zum selben Ergebnis wie Harald schon tags zuvor. „Das ist ein Einschussloch.“

Er drehte sich um und sah in die Richtung des Wagnerschen Bungalows. „Offensichtlich aus der Richtung von Herrn Wagners Chalet abgegeben. Jetzt verstehe ich auch, wieso Sie mich gestern nach einer zweiten Patrone innerhalb des Hauses gefragt haben. Aber warum kommen Sie jetzt erst damit?“

„Als ich Sie nach einem Einschussloch innerhalb des Hauses fragte“, erläuterte der KHK, „war es nur eine Überlegung meinerseits gewesen. Da ja keine weitere Patrone im Gebäude selber gefunden worden ist, wie Sie mir sagten, konnte meine Hypothese nur stimmen, wenn das Geschoss aus der Wohnung heraus ins Freie abgefeuert worden war. Wenn Wagner diesen Schuss zwecks Vortäuschung eines Fremdverschuldens abgegeben hat, dann müsste auch irgendwo die Hülse dieser ersten Patrone zu finden sein. Doch lassen wir erst einmal zu meiner Wohnung zurückgehen. Es wäre vielleicht nicht falsch, wenn Frau Mink, der ich meine Entdeckung ebenfalls bislang vorenthalten habe, mit von der Partie ist.“

Wieder am Küchentisch sitzend, wiederholte Steiner in Monikas Beisein, was er Rollinger gerade erst gezeigt und berichtet hatte, um dann seine Theorie weiter zu entfalten.

„Ich nehme an, dass Alfons Wagner sich gestern um die Mittagszeit für seine Fahrt zur Handelskammer nach Luxemburg fertiggemacht hatte. Er wird sich geduscht oder gebadet haben ...“

„Geduscht“, unterbrach ihn der Commissaire. „Das ist festgestellt worden. Die Badewanne war trocken, die Duschkabine feucht.“

„Gut. Also er hatte sich geduscht, sich in Schale geworfen und die Unterlagen, die er mit der Person, die er bei der Handelskammer treffen sollte, bereitgelegt. Dann erschien ein Besucher, den er offensichtlich nicht erwartet hatte. Dieser Besucher war mit der Pistole bewaffnet, die man später in Wagners Hand sicherstellte. Mit der tötete er aus kurzem Abstand Herrn Wagner und manipulierte nun den Tatort und den Tatvorgang. Er lud das Magazin dieser Waffe mit einer Patrone nach, sodass es wieder voll war, legte sie in Wagners Hand und löste einen Schuss durch die geöffnete Tür ins Freie. Dass dieser Schuss ausgerechnet den schmalen Stamm des weit und breit einsam auf der Wiese stehenden Apfelbaums treffen würde, bekam er nicht mit und erahnte es nicht einmal. Das war ja auch viel zu unwahrscheinlich. Dann durchsuchte er das Haus nach irgendwelchen Dingen und nahm sämtliche Akten und Niederschriften mit, die er finden konnte.“

„Er war aber dabei nicht sonderlich gründlich“, glaubte der Commissaire. „Denn den Zettel in einer Jackentasche im Kleiderschrank hat er übersehen, und auch den Inhalt von Wagners Brieftasche hat er unangetastet gelassen.“

Nun mischte sich Monika ein. Ein Frevel, wenn Ihr Vorgesetzter ein Gespräch dieser Art führte. „Vielleicht hatte es der Täter ja nur auf die Unterlagen abgesehen.“

Steiner blickte sie missbilligend an, wandte sich aber wieder Rollinger zu.

„Eventuell hat Frau Mink Recht. Ich denke jedoch, dass der Täter unter Zeitdruck stand oder gar glaubte, mit den Akten und dem Notizbuch alles gefunden zu haben, was er brauchte, einen Suizid vorzutäuschen. Vermutlich waren die Akten gar nicht einmal wichtig, sondern bestenfalls für den Mörder verräterisch. Aber sogar das halte ich für unwahrscheinlich. Eher wollte er aufzeigen, dass es gar kein Wagnerprojekt in Luxemburg gibt, Wagner also mit dem Rücken zur Wand gestanden und deshalb Hand an sich selber gelegt hatte.“

Hierauf ging Rollinger ein. „Das Wagnerprojekt gibt es aber tatsächlich. Ich sagte bereits, wir haben Leute befragt, mit denen er hier in Luxemburg in letzter Zeit gesprochen hatte. Und das waren nicht gerade sehr wenige. Ein Versicherungsmakler namens Jos Weißler hat uns zu berichten gewusst, Wagner habe über ihn an Leute rankommen wollen, die in unmittelbarer Nähe von Luxemburg Stadt Baugrundstücke besitzen. Weißler vermittelte ihm Kontakte zu solchen Personen, und mit zwei dieser Personen war es dann auch zu Vorverträgen für den Ankauf von Baugrundstücken gekommen. Des Weiteren hatte er Verbindung mit einem hiesigen Rechtsanwalt und einem hiesigen Notar aufgenommen. Das ebenfalls im Rahmen eines Projektes, das er in Planung hatte. Und auch sein Termin bei der Handelskammer, den er nicht mehr wahrnehmen konnte, zielte auf dasselbe ab.“

Der Commissaire legte ein kopiertes Blatt Papier auf den Tisch und schob es Steiner zu. „Diese Liste haben wir sehr genau zu überprüfen versucht. Sämtliche aufgeführten Personen wohnen in Deutschland, in Belgien oder in Luxemburg. Einige der luxemburgischen Kandidaten habe ich gerade benannt. Über die Deutschen liegen uns bislang keine Erkenntnisse vor. Über die Belgier wissen wir besser Bescheid.“

Harald sah sich die anhand der Telefonvorwahlen nach Belgien und Deutschland zuzuordnenden Namen an und hätte fast einen Laut der Verwunderung von sich gegeben.

„Siegfried Jasper? Das wäre ja der Beweis, dass es doch eine Verbindung zwischen ihm und Wagner gegeben haben muss.“

Rollinger sah ihn erstaunt an, und Harald sah sich genötigt zu erklären, was in der Kölner Wagnerakte stand und wer Siggi Jasper war. Der Commissaire hörte gebannt zu und kam zu einer verblüffenden Feststellung.

„Eine seltsame Sache, muss ich schon sagen. Auch ein Teil der belgischen Leute auf der Liste gelten als nicht besonders sauber. Sie gehören einer Gruppe an, die man in Belgien das ,Brüsseler Immobilienkartell’ nennt, denen aber nie das Handwerk gelegt werden konnte.“

Monika meldete sich zu Wort. „Was sollen die denn verbrochen haben?“

„Tja, Frau Mink, was die verbrochen haben und wahrscheinlich immer noch aushecken, ist in Belgien sogar allgemein bekannt. Bei öffentlichen Ausschreibungen machen sie Preisabsprachen und schmieren Beamte und Politiker. Sie sollen Connections bis in die Polizei und zur Justiz unterhalten. Was die an sich reißen wollen, reißen sie auch an sich.“

„Wie sollen wir das verstehen?“ schaltete sich Harald wieder ein.

„Das sind Immobilienmakler, Bauunternehmer und ein ganz gewiefter Anwalt. Wird irgendwo ein Megaprojekt auch nur erwähnt, sind sie schon zur Stelle, um dessen Durchführung an sich zu reißen, und meistens erhalten sie es dann auch noch. Da ist Korruption im Spiel, Erpressung und sonst was. Ihrer Herr zu werden, ist unmöglich, obwohl jeder weiß, dass es sich so verhält, wie ich es schilderte.“

„Und wer sind von denen die Personen, die hier auf der Liste stehen, im Einzelnen?“ fragte Steiner.

„Alain Noel, Luc Korthals, Cornelis De Witte, Serge Charlier, Jaques Gaston und Olivier Gaston. Noel soll der Anführer sein. Er ist Immobilienmakler. Korthals, De Witte und die beiden Gastons sind Bauunternehmer. Charlier ist der Anwalt dieser Burschen.“

„Was sollte Wagner mit diesen Leuten am Hut haben?“ wollte Monika wissen.

„Keine Ahnung“, erwiderte Rollinger. „Aber das Projekt, das Wagner plante, könnte haargenau zu der Art von Projekten passen, in die sich das Kartell gerne einbringt.“

„Bevor wir damit weitermachen“, sagte Steiner, „würde ich gerne wissen, wer denn die anderen Leute auf der Liste sind.“

„Einer namens Auguste Lebrun betreibt in Lüttich eine Reiseagentur. Ein gewisser Herr David Grootman aus Antwerpen ist Diamantenhändler. Die von uns kontaktierten Kollegen in Belgien haben bei denen nachgefragt und erfahren, dass Lebrun und Grootman sich bereits als Investoren für das Wagnerprojekt eingeschrieben und beachtliche Summen investiert haben. Dann gibt es da zwei Architektinnen. Die eine heißt Sandra Altiari, die andere Myriam Berlotti. Die Frau Altiari gab gegenüber unseren belgischen Kollegen an, den Herrn Wagner zu kennen, weil er bei ihr eine Vorstudie für den Bau einer Villa in Belgien in Auftrag gegeben habe. Myriam Berlotti gab an, nie etwas mit einem Alfons Wagner zu tun gehabt zu haben.“

„Hm!“ Steiner überlegte. „Dann ist das mit dem Projekt Wagners also ein Faktum. Er hatte Kontakte zu einer oder gar zwei Architektinnen, er hatte Kontakte zu Bauunternehmern, er hatte Optionen auf Bauland genommen, er hat versucht, etwas in Luxemburg auf die Beine zu stellen, und er hatte sogar schon Investoren an der Angel. Und was soll sein Projekt beinhaltet haben?“

Rollinger lächelte müde. „Hier in Luxemburg blüht in der Baubranche eine Sparte besonders gut: Appartementhäuser. Wer in Luxemburg arbeitet, will meistens auch hier wohnen. Wir haben wichtige Institutionen der EU hier im Lande, Banken sind übermäßig zahlreich hier vertreten, und sogar große Industriebetriebe gibt es hier in großer Menge. Dem gegenüber steht, dass hier die Wohnflächen knapp und teuer sind. So ungefähr jeder dritte effektive Arbeitnehmer ist ein Ausländer. Da ergibt es sich automatisch, dass Bauland und auch das Bauen selber eine teure Angelegenheit ist. Man bedient sich im Bau relativ billiger Arbeitskräfte aus dem benachbarten Ausland oder der ebenso billigen Gastarbeiter aus Portugal. Per saldo kann man so sehr große Profite erwirtschaften, wenn man zudem auch noch billige Baugrundstücke erwerben kann. Und darin scheint Wagner durch Weißlers Vermittlung Erfolg gehabt zu haben. Er wollte zwei Residenzen in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt errichten.“

„Residenzen?“ fragte Monika ungläubig nach. „Sie meinen doch nicht etwa Paläste für Würdenträger und dergleichen.“

Rollinger gab einen Lachlaut von sich. „Nein, Frau Mink, in Luxemburg versteht man unter dem Begriff Residenz eine Wohnanlage der gehobenen Klasse für mehrere Mieter oder Eigentümer. Luxuswohneinheiten eben, die im Block errichtet werden.“

„Haben Sie bereits die Namen der Deutschen auf der Telefonliste an die deutschen Kollegen weitergeleitet?“ erkundigte sich Steiner.

„Klar doch, aber von der Seite ist noch nichts gekommen.“

„Wenn Sie erlauben“, bot sich Steiner an, „lasse ich diese Leute über mein Kommissariat prüfen. Das geht garantiert fixer. Aber Sie erwähnten auch noch Wagners Brieftasche in der Art, als ließen sich daraus Schlussfolgerungen ableiten.“

„Ja, und zwar im Zusammenhang mit seinen ebenfalls von mir angesprochenen Reisetätigkeiten in der letzten Woche“, sprach Rollinger. „Der Mann muss nach unseren Erkenntnissen seit seiner Ankunft hier in Wellscheid nochmals so an die 800 bis 1.000 Kilometer mit seinem Wagen zurückgelegt haben. Das errechneten wir anhand seiner Tankquittungen. Wir konnten auch ungefähr rekonstruieren, wo er überall hingefahren ist.“

Wohl um der Bedeutung seines Wissensvorsprungs den richtigen Anstrich zu verpassen, schwieg der Commissaire erst einmal, und Steiner tat ihm den Gefallen, ihn um eine Fortsetzung zu bitten. „Und wo ist er überall gewesen?“

„Er ist jeweils am Montag und am Dienstag in den Süden des Landes gefahren. Hierbei hat er sowohl Frau Germaine Schiffer in Kehlen wie auch Herrn Norbert Klein in Schrassig aufgesucht. Das sind die beiden Eigentümer jener Grundstücke, auf die er Optionen genommen hatte. Dann soll er am Mittwoch die Architektin Altiari in Eupen, den Herr Lebrun in Lüttich und den Herr Grootman in Antwerpen besucht haben. Am Donnerstagabend war er dann noch einmal in St. Vith - das ist ein Ort gleich hier über der nördlichen ...“

„Ich weiß, wo St. Vith liegt“, unterbrach Harald ihn.

„Also dort hat er zu Abend gegessen, wie es eine Restaurantrechnung belegt.“

Rollinger legte die Tankquittungen und einige sonstige Belege, darunter auch die von dem Essen in St. Vith, auf den Tisch, und Steiner nahm sie in Augenschein.

„Sehr interessant“, urteilte er. „Ist auch bekannt, was er mit den Leuten, mit denen er auf diesen Fahrten zusammenkam, besprochen hat?“

„Was Madame Schiffer und Monsieur Klein angeht, sind wir recht gut im Bilde. Er soll ihnen in Aussicht gestellt haben, die Optionen noch vor dem 1. September in Kaufverräge umzuwandeln. Was Frau Altiari angeht, wissen wir es nicht, und was Lebrun und Grootman betrifft, scheint es um das von ihnen investierte Geld gegangen sein. Leider hatten unsere belgischen Kollegen nicht weiter nachgefragt, weil wir es ihnen auch nicht weiter ans Herz gedrückt hatten.“

„Gut, das könnten meine Kollegin und ich ja noch nachholen, wenn Ihnen das recht ist.“

„Das ist mir sogar sehr recht, denn wenn ich jetzt den belgischen Kollegen bis ins Detail nahebringen muss, was sie zu fragen haben, wird das unnötig viel Zeit in Anspruch nehmen“, stimmte Rollinger Haralds Vorschlag zu.

„Mit wem hat Wagner denn in St. Vith diniert?“ fragte Steiner.

„Wie meinen Sie das?“ erwiderte der Commissaire verdattert.

„Nun ja, wenn Herr Wagner alles selber gegessen und getrunken haben soll, was auf der Rechnung des Hotels Schiltz aufgeführt worden ist, muss er aber ein echter Vielfraß gewesen sein. Alle Speisen sind darauf doppelt aufgeführt.“

Rollinger griff nach der Rechnung und besah sie sich genau.

„Verdammt, das hätte Kaiser doch sehen müssen“, schimpfte er und erläuterte: „Henri Kaiser ist mein Assistent. Der hat den Inhalt von Wagners Brieftasche geprüft. Aber Sie haben Recht, in St. Vith hat Herr Wagner wohl nicht allein getafelt.“

Als wäre Monika nicht anwesend, gab Steiner mal wieder eine seiner eigentümlichen Ansichten zum Besten. „Machen Sie sich nichts daraus. Ich traue meinen Mitarbeitern ganz allgemein nicht zu, wichtige Beweise sichern und auswerten zu können, und habe es mir daher angewöhnt, alle solche Dinge selber zu regeln oder zumindest den Assistenten noch einmal über die Schultern zu schauen.“

Monika fand diese Bemerkung wirklich demütigend, wollte ihrem Chef aber nicht den Triumph gönnen, irgendeine Form des Schmollens an den Tag zu legen. Sie bevorzugte es, durch eine Zwischenfrage von Haralds „dämlicher“ Einlage abzulenken.

„Könnte jemand versucht haben, Wagner an der Durchführung seines Projekts zu hindern?“

Das war mal wieder so eine Interpellation, die Steiner eigentlich nicht duldete.

Rollinger antwortete: „Möglich ist das, jedoch ist es noch zu früh dafür, diese Annahme als gegeben zu betrachten.“

Steiner zog die Moderation nun echt an sich. „Um Vermutungen anzustellen, ist es nie zu früh. Aber vorher will ich noch wissen, was die belgischen Behörden von den anderen belgischen Teilnehmern auf Wagners Zettel erfahren haben.“

„Die auf der Liste aufgeführten Mitglieder des Immobilienkartells haben alle bestritten, überhaupt jemals etwas mit einem Alfons Wagner zu tun gehabt zu haben oder ihn auch nur vom Hörensagen zu kennen. Dasselbe gilt für diese Myriam Berlotti, die Architektin aus Brüssel, wie ich schon sagte.“

„Haben Sie auch schon mit Wagners nächsten Verwandten Kontakt aufgenommen?“ wollte der Hauptkommissar wissen.

„Gewiss. Offenbar ist Herr Wagner schon vor zehn Jahren von seiner Frau Karla geschieden worden. Ich hielt es nicht für opportun, sie einem Interview zu unterziehen, nachdem mir Frau Gerlinde Schneider, Wagners Sekretärin in Augsburg, mitteilte, Frau Wagner habe auch schon vor der Scheidung keinen Einfluss auf und keine Einsichten in die Geschäfte ihres Mannes gehabt.

Ich habe dann auch mit Wagners Sohn Jürgen gesprochen, der offensichtlich im Unternehmen seines Vaters so etwas wie der stellvertretende Geschäftsführer ist. Er bestätigte mir, dass der Umsatz der Firma seit Jahren rückläufig ist. Vor fünf Jahren habe man noch 140 Arbeiter und Angestellte beschäftigt, momentan sind es noch gerade über 30. Er wusste auch, dass sein Vater seit etwa einem Jahr daran werkelt, etwas in Luxemburg auf die Beine zu stellen, aber beteuerte, inhaltlich so gut wie gar nichts darüber zu wissen.“

„Machten Jürgen Wagner und Frau Schneider einen niedergeschlagenen Eindruck auf die Nachricht vom tragischen Versterben des Herrn Alfons Wagner?“ fragte die Mink.

Gute Frage, dachte Harald widerwillig.

„Jürgen Wagner auf jeden Fall. Seine Position zu dem Vornehmen seines Vaters hier im Lande war aber deutlich ablehnend. Bei der Frau Schneider war ich mir da nicht ganz so sicher. Sie machte eher einen sachlichen Eindruck auf mich und redete nicht mehr, als nötig war.“

Steiner begann zu philosophieren. „Da haben wir also eine höchst interessante Konstellation. Wagners Betrieb in Augsburg geht allmählich den Bach runter, und er will sich ein neues Standbein hier in Luxemburg aufbauen, das mit dem Bau von Eigentumswohnungen starten soll. Dieses Projekt will oder kann er nicht allein finanzieren, weshalb er Investoren mit ins Boot nehmen will oder muss. Da fragt man sich doch, was er mit Leuten wie Jasper und den Kartellburschen am Hut hatte. Wollte er die erpressen, oder wollte er sie unbeleckt als Investoren gewinnen? Und dann scheint ja sein Sohn wenig davon zu halten, was sein Vater hier trieb.“

„Ich glaube nicht, dass Leute, die selber Bauprojekte umsetzen, schwer daran interessiert sind, sich als Juniorpartner an einem Bauprojekt eines Newcomers zu beteiligen“, meinte der Commissaire. „Herr Weißler sagte mir, die Firma, die Wagner ins Leben rufen wollte, sei ein Projektmotor. Das entspricht in etwa dem, was man bei Ihnen in Deutschland einen Bauträger nennt.“

„Verstehe“, äußerte sich Harald. „Die Kisten, die er bauen wollte, sollten schlüsselfertig an ihre späteren Eigentümer übergeben werden. Er sollte für Konzept und Ausführung sorgen, und die Interessenten zahlen scheibchenweise nach Baufortgang. Im Prinzip braucht man für eine solche Idee nicht so enorm viel Grundkapital.“

„Vorausgesetzt, man hat bereits genug Interessenten“, äußerte sich Monika.

Hierzu wusste Rollinger noch etwas beizutragen. „Jos Weißler hat eine Ahnung, welche Art von Bauvorhaben Wagner in Angriff nehmen wollte. Er meinte, es ginge um zirka 90 Wohneinheiten auf zwei Gebäudekomplexe verteilt. Und tatsächlich liegen die Grundstücke der Frau Schiffer und des Herrn Klein nebeneinander. Wie ich schon sagte, solche Wohnflächen sind begehrt, teuer und rar, was aber nicht heißen soll, dass ein Promotor schon gleich bei der Vorlage eines Bauplans auf Anhieb alle Einheiten verkauft.“

„Zwei Blöcke mit 90 Wohneinheiten“, grübelte der KHK. „Das kann nicht ganz billig sein. Außerdem besagt der Umstand, dass er sein Vorkaufsrecht auf die Grundstücke nicht in einen fixen Kaufvertrag umgesetzt hat, dass er sich seiner Sache von der finanziellen Seite doch noch nicht so sicher war.“

„Anscheinend wohl“, widersprach der Commissaire. „Laut Frau Schiffer und Herrn Klein wären diese Optionen im September ausgelaufen und ab dann auch nicht mehr gültig. Wie ich schon erwähnte, bei seinem Besuch voriger Woche bei beiden hat Herr Wagner ihnen aber zugesichert, die Chose noch im Laufe der nächsten vier Wochen unter Dach und Fach zu bringen. Es seien lediglich noch einige Formalitäten zu regeln.“

„Was nichts heißen muss“, stellte Harald dieses in Frage. „Erfinder und Planer spinnen sich manchmal ihre eigenen Welten zusammen. Wie viel sollte er denn für die Grundstücke hinblättern?“

„Bei Frau Schiffer 240.000 Euro und bei Herrn Klein 310.000 Euro. Im wahrsten Sinne des Wortes das reinste Schnäppchen, wenn man die Lage und die Größe der Areale berücksichtigt.“

„Und was könnte die Errichtung der beiden Gebäude kosten?“ hakte Steiner nach.

Rollinger zuckte mit den Achseln. „Da bin ich überfragt.“

„Nun gut, was werden Sie und was werden wir in dieser Angelegenheit als Nächstes unternehmen?“

„Besonders viel kann ich im Augenblick nicht unternehmen. Ich habe auch noch den Fall der unbekannten Toten. Die Brandleiche, von der ich gestern sprach“, antwortete der Commissaire.

Wieder einmal mischte sich Monika ein. „Was für eine Brandleiche?“

Harald sah sie verärgert von der Seite an. Wäre Rollinger nicht anwesend, hätte sie jetzt einen saftigen Rüffel von ihm kassiert. Diese Brandleiche ging die deutschen Beamten nichts an. Trotzdem ließ sich Rollinger über diesen Fall aus.

„Am Sonntagmorgen fanden Spaziergänger auf dem Gelände eines Steinbruchs bei Echternach eine verbrannte Frauenleiche. Wie sich herausstellte, hatte man sie mit zwei Schüssen niedergestreckt, allerdings nicht in diesem Steinbruch. Man hatte sie also dorthin transportiert, mit Benzin übergossen und angezündet. Die Identität des Opfers ist uns gänzlich unbekannt, weil auch nichts gefunden wurde, was sie ausweisen könnte. Was wir wohl inzwischen wissen, ist, dass am Samstagabend gegen 20 Uhr an der Stelle noch keine Leiche gelegen hatte. Jetzt sind wir natürlich auf der Suche nach vermissten Frauen in Luxemburg und in den Nachbarstaaten.

Ich persönlich glaube aber nicht, dass wir im Ausland suchen müssen, denn in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag hatten an allen Grenzen umfangreiche Verkehrskontrollen stattgefunden. Zwar lag dabei das Hauptaugenmerk auf Drogen, Alkoholmissbrauch und Autodiebstahl, aber die Kofferräume sind in jedem Fall bei allen Kontrollierten in Augenschein genommen worden.“

„Und es sind sicher auch alle Autos angehalten worden, und auf jedem kleinen Feldweg stand eine Kontrolle“, sagte Harald spöttisch, wohl wissend, dass das bestimmt nicht der Fall gewesen sein konnte.

Rollinger sah ihn leicht erbost an. „Natürlich nicht. Aber wer rechnet denn schon mit solchen unangekündigten Unternehmungen der Polizei?“

„Lassen wir das“, winkte Steiner beschwichtigend ab. „Die Sache geht uns nichts an. Also, was schlagen Sie als nächste Schritte vor?“

„Ich denke, Sie haben da bereits etwas sehr Wichtiges ins Auge gefasst, als Sie sagten, Sie wollen sich mal mit der Frau Altiari näher unterhalten. Da Sie auf der Fahrt nach Eupen sehr wahrscheinlich auch durch St. Vith kommen werden, können Sie ja auch noch so nebenbei im Hotel Schiltz einkehren und sich dort über Herrn Wagners Diner vom vergangen Donnerstag erkundigen. Und, wie gesagt, können Sie vielleicht in Sachen der Deutschen auf Wagners Liste intervenieren.“

„Ja, so sehe ich das auch“, schloss sich Harald diesem Vorschlag an.

Man vereinbarte, sich am nächsten Abend wieder hier zu treffen und sich gegebenenfalls telefonisch über neue Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Rollinger ließ Kopien der Belege aus Wagners Brieftasche da und verabschiedete sich.

Als der Luxemburger weggefahren war, sagte Harald zu Monika: „Manchmal hätte ich echt Lust, Ihnen eine Ohrfeige zu verpassen.“

Sie grinste ihn mit ihrem umwerfenden Von-Ohr-zu-Ohr-Lächeln an und entgegnete: „Darf ich das dann auch in meinem Bericht für Herrn Strasser vermerken?“

Er schüttelte verständnislos seinen Kopf. „Tun Sie nicht so, als hätten Sie nicht kapiert, was ich gemeint habe. Über Fälle zu reden, die uns nichts angehen, ist nicht unsere Sache. Wichtige Fragen stelle nur ich. Wenn Sie sich einbringen wollen, müssen Sie mir das erst zur Kenntnis bringen.“

„Das ist aber kein Teamwork“, protestierte die Mink.

„Nein, das ist kein ‚Tiemwörk’, weil wir keine chaotische 68er-Kommune sind, sondern ich Ihr Chef bin und Sie meine Untergebene sind.“

„Sie sind echt in manchen Dingen äußerst altmodisch, Chef“, murmelte sie. „Ich geh jedenfalls jetzt zu Bett, wenn Sie gestatten.“

„Und ob ich Ihnen das gestatte“, brummte Steiner, ging hinter die Küchentheke, förderte eine Flasche Napoléon und ein Cognacglas zu Tage und begab sich damit auf die Terrasse.

Im Liegestuhl sitzend und immer wieder am Cognacschwenker nippend, ließ er sich noch einmal alles, was an diesem Abend besprochen worden war, und alles, was seit Freitagabend geschehen war, durch den Kopf gehen.

Irgendwie hatte er den Eindruck, Wagner könnte sich mit seinem Residenzenprojekt gewaltig übernommen haben. Rollinger hatte zwar die beiden Geschäftsleute aus Lüttich und Antwerpen „Investoren“ genannt, aber war es denn auch sicher, dass diese Herren schon Geld investiert hatten? Warum hatte Wagner seine Optionen immer noch nicht in fertige Kaufverträge umgesetzt? Was waren das nur für seltsame Spielchen mit den Kartellheinis und mit Jasper? Warum war Jürgen Wagner nicht von Papas Vorhaben begeistert? Welches Interesse konnte Wagners Mörder an seinen Akten haben, sie verschwinden zu lassen? Es waren doch gewiss überwiegend Akten, die mit seinen hiesigen Planungen zu tun hatten.

Nach anderthalb Stunden beschloss er, sich ebenfalls zur Ruhe zu begeben. Als er das Chalet betrat, stellte er fest, dass das Licht auf ein Minimum gedimmt war, Monika bereits auf der äußersten hinteren rechten Doppelbetthälfte im tiefsten Schlummer lag und sie vor dem Zubettgehen die Matratze und die Bettwäsche von der hinteren Veranda hereingetragen und auf dem Boden links vom Bett für ihn präpariert hatte, was ihn ein wenig beschämte. Sie war doch eigentlich recht fürsorglich ihm gegenüber, wenn man bedachte, wie schäbig er sie manchmal behandelt hatte.

Er schlich vorsichtig am Bett vorbei zum Kleiderschrank, angelte sich einen frischen Pyjama daraus und begab sich ins Badezimmer. Nach einer raschen Körperpflege und dem Umziehen machte er das Licht aus und tastete sich zu seiner Schlafgelegenheit vor.

Auf der Matratze, unter Decken und Laken liegend, konnte er zunächst nicht einschlafen. Die Matratze war nicht so dick, die Härte des Bodens gänzlich zu dämpfen. Aber irgendwann gelang es ihm dann doch einzunicken.

Intrigante Baumeister, hinterlistige Bräute - Ein Fall für Harald Steiner

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