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Die Klingel

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Gleich nach der Feststellung, dass wir hier eigentlich kaum jemanden kennen, treibt uns die Frage um, wie sich unerwartet eintreffende Gäste bemerkbar machen können. Wir erstehen folglich im hiesigen Baumarkt eine Funkklingel und freuen uns über den erstaunlich niedrigen Preis. Ich erfreue mich des Weiteren an der Gebrauchsanweisung, kann man doch anhand solcher Gebrauchstexte ganz vortrefflich die Landessprache erlernen. Der Gatte probiert die Klingel aus, wählt einen ansprechenden Signalton und montiert unsere Errungenschaft. Der Filius besteht darauf, sie auszuprobieren, darf dies auch, und wir müssen ernüchtert feststellen, dass sie wohl nur ein einziges Mal funktioniert hat. Ein Tumult entsteht, dem des Nachwuchs‘ lautstark zum Ausdruck gebrachte Enttäuschung am deutlichsten zu entnehmen ist. Die Eltern tauschen hingegen fachkundig Meinungen aus: Man soll auch nicht immer das Billigste kaufen… verfluchter Mittelamerika-Schrott etc.

Als wieder Vernunft eingekehrt ist – der Preis rechtfertigt weder den Umstand einer Reklamation, noch die Bürde der Anwaltskosten – erstehen wir also ein qualitativ höherwertiges Produkt im oben erwähnten Baumarkt; für das Prozedere des Auspackens, Freuens und Anbringens siehe oben. Natürlich sind wir diesmal so klug, das Gerät bereits im Laden vom Fachpersonal ausgiebig testen zu lassen. Nachdem also alle Kunden alle Klingeltöne und -melodien mehrmals hören durften, treten wir den Heimweg an.

Die folgenden Ereignisse verschwimmen in meiner Erinnerung ein wenig und werden zeitlich stark gerafft wiedergegeben: Der Gatte steht vor der Tür neben der Klingel und betätigt diese – streng nach Anweisung des Fachpersonals – und ich stehe im Haus neben dem Empfänger und höre rein gar nichts. Die nun folgenden Gesprächsbeiträge kreisen um das erwähnte Thema Mittelamerika und Technik, Schreie werden laut nach deutscher Wertarbeit. Die Gattin zieht sich für weitere Überlegungen grundsätzlicher Natur zurück, schnappt auf dem Weg zur Weinflasche (Verflucht, der Öffner ist noch im Container auf hoher See! Mit seiner Ankunft können wir frühestens in vier Wochen rechnen.) noch des Gatten nächste Strategie im Kampf mit den modernen Kulturgütern auf, die da lautet „woanders anbringen“.

Beim abendlichen Gedankenaustausch („Setz dich bitte hin beim Essen!“ „Nein, nicht den Reis in die Nase stecken!“ „Igitt, jetzt hat er mich schon wieder vollgeniest.“) erfahre ich beiläufig, dass unsere schöne neue Klingel tatsächlich funktioniert. Da ich von diesen Dingen nichts verstehe und meine Fragen nach den besonderen Umständen und Gründen in der Regel im Alltag – meist Anträge auf Erhöhung der Gummibärchenration – verhallen, reime ich mir die Lösung des Problems aus vereinzelt in den Tagesablauf eingestreuten Aussagen zusammen: „Da stand auch, man solle sie nicht auf Metall anbringen… war aber auch nur ein ganz kleines Stück…“ Nun ja, die Gebrauchsanweisung hatte ich ja an mich genommen, nur bin ich leider nicht dazu gekommen, sie zu lesen. „Die alte Klingel funktioniert so übrigens auch.“

Es ist ein abgedroschenes Klischee und ein unter Menschen ohne Auslandserfahrungen verbreitetes Zeichen europäischen Chauvinismus‘ zu glauben, die Einheimischen seien nicht in der Lage, verlässlich funktionierende Gebrauchsgegenstände herzustellen. Im übrigen nimmt kaum jemand unsere Klingel zur Kenntnis, in der Praxis hat sich die landesübliche Methode lautstarken Hupens bewährt.

Im Schlangenmörderparadies

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