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Fall 1 Kommissar Kitzmüller, Teil 1
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Kommissar Kitzmüller, der kleine, tollpatschig wirkende Detektiv mit der großen Nase, ermittelt in 10 Kriminalfällen mit Witz und trockenem Humor. Der Täter verrät sich selbst im Laufe der Handlung durch irgendeine Kleinigkeit, und der aufmerksame Leser kann vielleicht noch vor dem Kommissar die Lösung finden.
© 2016 by A. W. Schaller Publizistik
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Bertho Kubin spürte, dass die Bremsen seines Wagens versagten. Verzweifelt riss er seinen silbergrauen Mercedes herum, kam ins Schleudern und durchstieß die Begrenzungsplanke. Das Fahrzeug flog in den Steinbruch hinunter, prallte mehrmals gegen spitze Felsen und überschlug sich dabei dreimal. Dann explodierte der Mercedes mit einem Riesenkrach. Hoch leckten die Flammen in die Luft ...
Der Mann, der mit glitzernden Augen den Vorfall beobachtet hatte, steckte den Fernzünder in seine Aktentasche und marschierte zu seinem in der Nähe abgestellten Auto ...
„Bertho ist tot?“, echote Leonhard Fassbinder, der büffelartige Firmenchef, und fuhr sichtlich erschrocken hinter seinem Schreibtisch in die Höhe.
„Nicht zu fassen!“, pflichtete ihm Claus Hilbe bei, der in diesem Betrieb als Prokurist arbeitete. Der Mann trug eine dicke Brille, die seine Augen stark verkleinerten. Auf seinem Kopf wucherten dichte Haarbüschel, die vermutlich nur zu Weihnachten und zu Ostern notdürftig gebändigt wurden.
„Wie ist es denn passiert?“, wollte Leonhard Fassbinder wissen und ließ sich schnaubend in seinen schwarzen Ledersessel plumpsen, während sein Prokurist mit den Akten nervös herumfuchtelte.
„Ihr Partner erlitt mit seinem Wagen einen tödlichen Unfall“, begann der kleine, unscheinbar wirkende Kriminalist zu erzählen und nestelte einen Zigarrenstummel aus den unergründlichen Taschen seines abgetragenen Anzugs, den er wahrscheinlich das erste Mal bei seiner Konfirmation getragen hatte. „Draußen bei der gefürchteten Brauer-Kurve ist es passiert.“
„War Bertho denn betrunken?“, wollte Claus Hilbe wissen und blinzelte den kleinen Kommissar wie ein Uhu an.
„Nein! Irgendjemand hat die Bremsen elektronisch manipuliert. Das Ganze sollte wie ein Unfall aussehen, aber der Täter hat nicht mit der Raffinesse unserer Spurenexperten gerechnet ...“
„Ungeheuerlich! Wer ist dieser Mensch?“, donnerte Leonhard Fassbinder.
„Das kann ich noch nicht sagen. Ich stehe mit meinen Ermittlungen erst am Anfang.“
„Dann machen Sie Dampf, Herr Kommissar, sonst verkrümelt sich der Täter ...“
„Ich tue mein Möglichstes ...“
„Das will ich hoffen, guter Mann. Schließlich leben Sie von meinem sauer verdienten Geld ...“
„Wie bitte?“, zwang sich „Die Nase“ zur Ruhe und spuckte demonstrativ einige Tabakkrümel auf den spiegelnden Parkettboden.
„Nun, ich zahle Steuern in unverschämter Höhe, müssen Sie wissen, und ein Großteil Ihres Gehaltes wird sicherlich von mir bestritten ...“
„Ganz bestimmt!“, grinste Kitzmüller, „und deshalb möchte ich es mir mit Ihnen auch keineswegs verscherzen, Herr Fassbinder. Nur dumme Leute beißen die Hand, die sie füttert ...“
„Und dumm ist dieser Herr von der Kriminalpolizei ganz bestimmt nicht!“, kam der kurzsichtige Prokurist dem kleinen Detektiv zu Hilfe. „Ich bin sicher, der Kommissar wird diesen Fall lösen. Du solltest dich ein bisschen mäßigen, Leonhard! Nicht jeder wird dich mit deiner ruppigen Art in sein Herz schließen.“
„Vielen Dank für Ihre tröstenden Worte!“, brummte Kitzmüller mit nicht überhörbarem Spott in der Stimme. „Was würde ich nur ohne Sie machen, guter Mann! Aber jetzt kommen wir wieder zum Ernst der Sache: Wer kommt Ihrer Meinung nach für diesen gemeinen Anschlag in Frage?“
„Praktisch jeder! Bertho war überall unbeliebt.“
„So? Da habe ich anderes gehört.“
„Von wem?“, bellte Leonhard Fassbinder.
„Kleines Betriebsgeheimnis, wenn Sie gestatten. Meinen Informationen nach hatten Sie als Einziger des Öfteren Streit mit Herrn Kubin.“
„Unsinn! Wer erzählt denn solche Märchen?“
„Die Märchentante vom Rundfunk“, grinste Kitzmüller.
„Im Ernst, Herr Kommissar. Wer sagt denn sowas?“
„Darüber wahre ich Stillschweigen“, lächelte Kitzmüller und spuckte wieder einige Tabakkrümel, was der wuschelhaarige Prokurist mit deutlichem Missfallen registrierte. „Wie gesagt – Herr Kubin kam mit jedem in der Firma gut aus - nur mit Ihnen nicht, Herr Fassbinder.“
„Schwachsinn! Leonhard und ich waren ein prächtiges Team. Wir haben diesen Laden hier zusammen aus dem Boden gestampft und abgesehen von ein paar Meinungsverschiedenheiten, wenn es um die Positionierung unseres Betriebes ging, waren wir ein Herz und eine Seele. Ich kann es noch immer nicht glauben, dass Bertho nie mehr wieder diesen Raum betreten wird. Das Einzige, was mich tröstet, ist, dass Bertho wahrscheinlich nicht lange leiden musste. Vermutlich ist alles sehr schnell gegangen. Oder nicht?“
„Mit Sicherheit!“
„Als das Feuer ausbrach, war Bertho bestimmt schon tot?“
„Davon gehen wir aus. Denn bei der Brauer-Kurve geht es fast 30 Meter in die Tiefe. Diesen Absturz überlebt niemand.“
„Tja, niemand weiß zum Glück, was ihm bevorsteht“, philosophierte Leonhard Fassbinder und Kitzmüller gab seinen Senf dazu, indem er murmelte: „Aber manche Menschen wiederum wissen ganz genau, was sie erwartet.“
„Wie – wie meinen Sie das?“, schaltete sich Claus Hilbe, der Prokurist, ein.
„Vor allem Mörder sollten wissen, dass man sie irgendwann erwischt“, dozierte der kleine, ledergesichtige Kriminalist, ohne irgendeinen der beiden Männer anzusehen. „Aber anscheinend hat dies der Täter in unserem Fall zu wenig bedacht.“
„Sie – Sie wissen also schon, wer Bertho auf dem Gewissen hat?“, hauchte Claus Hilbe und ließ vor Schreck die Akten fallen.
„Genau, ich weiß es!“, triumphierte Kitzmüller auf und nahm den Zigarrenstummel aus dem Mund.
Auflösung:
Leonhard Fassbinder, der Firmenchef, ist der Mörder. Woher wusste der Mann nämlich, dass der Wagen seines Geschäftspartners in Flammen aufgegangen war? Davon hat Kitzmüller nichts erzählt.