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Fall 2

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„Die Frau ist seit etwa zwei Stunden tot“, stellte der spindeldürre Polizeiarzt fest und richtete sich aus seiner gebückten Haltung auf.

Kommissar Kitzmüller, genannt „Die Nase“, schaute auf die wertvolle Pendeluhr, die recht gut in dieses gemütliche Zimmer passte, und runzelte die hohe Denkerstirn. „Hier ist es bereits 20 Uhr 30“, murmelte er dann vor sich hin, angelte nach seiner reich verzierten Taschenuhr, die an einem goldenen Kettchen baumelte, und verglich die Zeit. „Wir haben jetzt doch eine Minute nach acht. Habe ich recht?“

Der Polizeiarzt nickte.

Kitzmüller erkundigte sich nun bei den Spurenexperten nach deren Ermittlungen. Bis jetzt stand nur fest, dass Martha Ungerer, eine ehrwürdige, alte Dame, mit einer Kristallvase erschlagen worden war. Schmuck und sämtliche Wertgegenstände fehlten.

Kommissar Kitzmüller unterhielt sich im angrenzenden Zimmer mit drei Mitbewohnern des Hauses.

Engelbert Winsauer war ein kahlköpfiger Mann unbestimmbaren Alters, der durch sein völlig glattes Gesicht auffiel, in dem weder Bartstoppeln, noch Augenbrauen zu sehen waren. Er erzählte mir heiserer Stimme: „Frau Ungerer war ein so liebenswürdiger Mensch. Wir im Haus hatten sie alle sehr gern. Sie half, wo sie nur konnte ...“

„In welcher Hinsicht?“, wollte der kleine, bebrillte Kriminalist wissen und schaute die Anwesenden aus seinen großen, blauen Augen fragend an.

„Nun“, begann Käthe Gander nervös zu hüsteln und leckte sich über die spröden Lippen, die anscheinend noch nie die Bekanntschaft mit einer guten Vaseline-Creme gemacht hatten. „Frau Ungerer kümmerte sich rührend um meine beiden Jungs, wenn ich mal fortmusste. Außerdem übernahm sie bereitwillig das Blumengießen, wenn wir auf Urlaub fuhren ...“

„Kurz gesagt, Herr Kommissar, ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemanden auf der Welt gibt, der die alte Dame gehasst haben könnte“, stellte Armin Zobec, der baumlange Student fest, der ununterbrochen an einem Kaugummi mahlte.

Kitzmüller fischte einen zerfransten Zigarrenstummel aus seiner Sakkotasche und steckte ihn schmatzend zwischen seine Lippen. Dann fragte er: „Wer von Ihnen hat Frau Ungerer heute gesehen oder sogar mit ihr gesprochen?“

Alle drei hoben die Hände.

Engelbert Winsauer, der Mann mit dem nackten Gesicht, berichtete als Erster: „Ich läutete am späten Nachmittag an ihrer Tür und gab ihr ein Wäschestück zurück, das ihr von der Leine gefallen sein musste. Frau Ungerer war freundlich wie immer, wollte mich zu einer Tasse Kaffee einladen, aber ich musste schnell weg und lehnte daher ab ...“

„Und ich unterhielt mich zu Mittag mit der alten Dame“, erzählte Käthe Gander, die dralle Hausfrau mit den spröden Lippen. „Frau Ungerer war sehr erfreut über den Scheck, den ihr der Briefträger gebracht hatte. Ihr Sohn lebt im Ausland und hat seine Mutter immer recht großzügig unterstützt.“

„Der Mörder muss diesen Scheck gefunden und mitgenommen haben“, brummte „Die Nase“ und schob seine altmodische Brille zurecht.

„Das ist doch die Chance für Sie, Herr Kommissar!“, zeigte sich Engelbert Winsauer hoch erfreut. „Wenn der Kerl mit dem Scheck zur Bank geht, können Sie ihn doch spielend schnappen. Oder etwa nicht?“

„Mal sehen“, gab Kitzmüller vage zur Antwort und wandte sich an den baumlangen Studenten. „Sie sprachen heute auch mit Frau Ungerer?“

Armin Zobec nickte. „Die alte Dame bat mich, die Vorhänge im Wohnzimmer aufzuhängen. Allein konnte sie diese Arbeit nicht machen. Ihr Kreuz ...“

„Um wie viel Uhr waren Sie bei ihr?“

„Zufällig schaute ich beim Fortgehen auf die Pendeluhr. Es war sieben Minuten vor fünf.“

„Dann war es in Wirklichkeit noch nicht einmal halb fünf“, brummte Kitzmüller vor sich hin. „Die Uhr geht nämlich fast eine halbe Stunde vor, müssen Sie wissen.“ Dann wandte sich der kleine Kriminalist an den Nacktgesichtigen. „Wann brachten Sie das Wäschestück zurück, Herr Winsauer?“

„Die Zeiger standen auf halb sechs, Herr Kommissar. Doch wenn die Uhr eine halbe Stunde vorgeht, wie Sie sagen, dann war es wohl erst 17 Uhr ...“

„Okay“, knurrte „Die Nase“ und nahm den Zigarrenstummel aus dem Mund. „Ich glaube, ich weiß jetzt, wer Frau Ungerer getötet hat.“


Auflösung:

Engelbert Winsauer, der Mann mit dem nackten Gesicht, ist der Täter. Er erzählte dem Kommissar, er hätte bei Frau Ungerer nur das Wäschestück abgegeben und wäre nicht in die Wohnung hineingegangen. Später aber sagte er, dass die Zeiger der Pendeluhr auf halb sechs gestanden wären. Daher muss der Mann in der Wohnung gewesen sein!


Kommissar Kitzmüller, Teil 1

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