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KAPITEL 1

Mein Leben als Außenseiter

Immer, wenn ich auf ein neues Buch, einen Podcast oder auf jemanden stoße, der mir etwas Essenzielles erzählen möchte, interessiert mich nicht nur: „Was kann es mich lehren?“, sondern: „Wer steckt dahinter? Wer bist du? Wie sieht dein Leben aus? Erzähl mir von deiner persönlichen Reise, die dazu geführt hat, dass du das Gefühl hast, du hättest etwas Wichtiges mitzuteilen. Welche Herausforderungen hast du auf dem Weg überwunden? Erzähl mir von deinen persönlichen Erfolgen.“

Für den Fall, dass du ähnliche Fragen hast, bevor du weiterliest – hier sind meine Referenzen:

Dieses Buch ist die Frucht meiner lebenslangen Erfahrung als Außenseiter. Ich wurde als Kind sehr intellektueller und sehr neurotischer Eltern in den 1950ern in London geboren. Die Welt meiner Kindheit war mit Büchern gepflastert. An meinem ersten Geburtstag, wenn andere Kinder ein Stofftier oder ein Quietschspielzeug geschenkt bekommen, erhielt ich die Gesammelten Werke von William Shakespeare und das Oxford Book of English Verse. Meine Eltern und ihre Freunde diskutierten über Filme, Romane und Philosophie. Der Wert eines Menschen wurde nicht nach seiner Fähigkeit zu lieben oder seiner finanziellen Unabhängigkeit beurteilt, sondern nach seinen besonderen intellektuellen und kreativen Leistungen. Unter enormem Druck, auf dieser „Bühne“ etwas zu erreichen und zu leisten, wurde ich gut in diesem „Spiel“ und erwarb einen erstklassigen Abschluss in englischer Literatur an der Universität Cambridge. Zugleich fühlte ich mich jedoch leer und spürte, dass ich nicht in jene intellektuelle Welt gehörte. Irgendetwas fehlte.

Dieses Gefühl der Leere hatte ich bereits als Teenager. Ich besuchte die King’s School in Canterbury – eine der ältesten Schulen Englands – im Schatten der Kathedrale gelegen. Als ich eines Tages durch die Kreuz gänge ging, in Schuluniform mit Kläppchenkragen, schwarzer Jacke und Strohhut, traf ich einen Hare-Krishna-Mönch, der nahe der Mauer der Kathedrale saß und „Hare Krishna Hare Krishna Hare Krishna, Hare Hare“ sang. Ich war fasziniert und wartete geduldig, bis er fertig war. Dann näherte ich mich ihm schüchtern. „Entschuldigen Sie, Sir, sprechen Sie Englisch?“, fragte ich den indisch aussehenden heiligen Mann. „Ja, Mann, setz dich, ich erzähl dir alles darüber: Krishna … Wiedergeburt … Erleuchtung.“ Mein Mönch war ein Cockney aus dem Londoner East End.

Ich war überglücklich. Alles, was er sagte, ergab Sinn. Das eigentliche Ziel des Lebens war geistige Befreiung. Abends rief ich meine Mutter aus der Telefonzelle vor den Schulmauern an. „Es gibt großartige Neuigkeiten, Mummy“, sagte ich. „Ich habe meine wahre Bestimmung im Leben gefunden. Ich werde ein Hare Krishna!“ Sie „kannte“ diese Leute, denn sie waren zur allgemeinen Missbilligung singend die Oxford Street rauf- und runtergezogen, und drohte deshalb sofort mit Selbstmord, was sie immer bei unliebsamen Neuigkeiten tat. Also schlossen wir einen Kompromiss: Ich würde stattdessen Transzendentale Meditation lernen.

Spirituelle Suche wurde die nächsten Jahre das Wichtigste in meinem Leben. Ich meditierte, begab mich auf lange Retreats, reiste viele Male nach Indien, lernte Yoga und Mudras. Ich änderte meine Ernährungsgewohnheiten, trug Perlenketten und nahm einen indischen Namen an. Aber das Gefühl, dass etwas fehlte, war noch immer da. Nach Nirwana zu streben und sich ganz der Leere zu verschreiben, fühlte sich ebenfalls unvollständig an. Ich bemerkte, dass die meisten spirituellen Menschen, die ich kannte – und die natürlich viel weiter waren als ich – immer noch auf die Karotte der Erleuchtung warteten, die am Ende des Stockes baumelte. Jeder war auf einem Weg, aber niemand war angekommen. Spiritualität bedeutete, das Persönliche hinter sich zu lassen, das Menschsein zu umgehen. Und so war ich auch in der großen spirituellen Schar nicht wirklich zu Hause.

Die spirituelle Suche brachte mich mit meinen Schattenanteilen in Kontakt. Mir wurde bewusst, dass ich Wunden aus der Kindheit mit mir herumtrug und dass ich unbewusst sowohl mir als auch anderen unnötig Schmerzen bereitete. Das brachte mich dazu, mich noch einer anderen Subkultur anzuschließen: der Psychotherapie und dem „Arbeiten an sich selbst“. Bestimmt kennst du diese kostenlosen Zeitschriften, die man überall in der Szene findet: Normalerweise enthalten sie ein paar Artikel, aber ansonsten scheinbar endlos Werbung für Rolfing, Chakraausgleich, Reinkarnationstherapie, Channeling und vieles mehr. Um ehrlich zu sein, im Laufe der Zeit habe ich fast jedes der seltsamen Angebote ausprobiert, die in diesen Zeitschriften angepriesen wurden. Was auch immer auf dem Markt ist und verspricht, dich zu heilen, dir zu helfen oder dich zu optimieren, ich habe es wahrscheinlich ausprobiert. Aber genauso hatte ich nach langen Jahren fleißigen Bemühens, mich selbst zu vervollkomm nen, das Gefühl, dass es mehr gab. Zwar ist Selbstoptimierung unglaublich wichtig, aber für mich erwies es sich als ein weiteres Hamsterrad.

Als ich Ende zwanzig war, wurde mir schließlich bewusst, dass ich bis dahin die meiste Zeit mit Meditieren und Selbstreflexion verbracht hatte. Ich musste mein Leben geregelt bekommen und Geld verdienen. Also machte ich mit einer anderen Subkultur Bekanntschaft: mit den Men schen, die es lieben, etwas zu erreichen. Produktiv sein, auffallen, Reichtum schaffen, das Gesetz der Anziehung aktivieren, gesund, wohlhabend und einflussreich sein. Das war tatsächlich gar nicht so schwierig. 1987 gründete ich eine Schule in Seattle, um Psychotherapeuten darin auszubilden, Hypnotherapie in ihre Arbeit zu integrieren. In drei Jahren bildete ich mehr als 300 Leute aus. Außerdem kaufte ich ein Haus, dessen Wert sich verdoppelte, und das 150.000 Dollar einbrachte, als ich es verkaufte. Ich hatte in drei Jahren genug Reichtum angehäuft, um in Rente zu gehen, wenn ich anspruchslos lebte. Geld zu verdienen und „erfolgreich“ zu sein wurde jedoch auch schnell ein sinnloses Ziel. Meine Klienten bewiesen, dass es offensichtlich nicht zuverlässig glücklich machte, das materielle Spiel zu gewinnen.

Während all dieser verschiedenen Phasen hatte ich auch immer ein starkes Interesse an politischen und sozialen Aktionen. Ich stellte meine Stimme, meine Zeit und mein Geld gerne in den Dienst von Umweltschutzaktionen, widmete mich dem Einsatz für Frauenrechte und vielen anderen wichtigen Anliegen. So wichtig all diese Dinge sind: Ich hatte doch Zweifel, ob ich mit meinem Engagement wirklich viel veränderte. Selbst wenn wir einige Bäume retten oder neue Gesetze erlassen: Wird es mir wirklich das Gefühl geben, dass ich mein kurzes Leben sinnvoll verbracht habe?

Tatsächlich habe ich festgestellt, dass all diese Dinge: intellektuelle und künstlerische Kreativität, spirituelle Praxis, Selbstreflexion, Produktivität, weltlicher Erfolg sowie soziales und politisches Engagement – wichtige Aspekte eines einzigartigen brillanten Lebens sind. Aber keines davon ist allein der Schlüssel.

Mein lebenslanges Forschen, was ein wirklich erfülltes Leben ausmacht, ist Gegenstand der nachfolgenden Seiten.

Radikal gelebte Meisterschaft

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