Читать книгу Über die Eiserne Hand hinüber - Armin Zwerger - Страница 8

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Unten fährt eines der grünen Zollautos vorbei. Seit man in der Schweiz Schengen unterzeichnet hat, stehen die beiden Zollhäuschen an der Grenze leer. Das auf Schweizer Seite eigenartigerweise ohnehin schon seit Jahren. Jetzt auch das auf deutscher Seite.

Ab sofort wird nur noch sporadisch kontrolliert, ein paar Meter hinter der Grenze, dort wo das alte Zollhaus steht. Ein günstiger Platz, unübersichtlich für den Heranfahrenden, geschickt für die Zöllner. Im Bedarfsfall wird flink die kleine Kelle herausgezogen und an die Seite gebeten.

Oder sie stehen am Ausgang des Dorfes irgendwo in der Landschaft. Unberechenbar eben, so wie es sein muss. Fragt man nach, heisst es, dass es um Devisenschmuggel gehe, vielleicht ist es auch Steuerhinterziehung oder doch nur ein paar Stangen Zigaretten.

Kann mir egal sein. Ich wohne in Deutschland, arbeite in der Schweiz, verdiene gut dort und meine durchaus komplizierten Steuerangelegenheiten überlasse ich einem Steuerberater.

Meine Ferien verbringe ich in Frankreich oder sonst wo, wohin die günstigen Flieger des Euro-Airports von Basel aus mich hintragen.

Über ein Vermögen, das für Zoll oder Steuerfahndung interessant wäre, verfüge ich nicht.

Mich beschäftigen wesentlichere Fragen, seit ich in diesem malerischen Dorf wohne: Vor allem die Frage nach den Socken!

Oben, an der zum Grenzzoll gelegenen Seite der Strasse ins Oberdorf, genau am Ende der Strasse, da liegen sie. Vor einem der schmucken Häuschen, die unserem Dorf diesen Charakter einer Puppenstube geben, dort in der Einfahrt.

Die meisten gehen achtlos daran vorbei.

Dabei liegen sie schon seit einiger Zeit da. Seit wir uns hier niedergelassen haben, zieren sie den Eingangsbereich dieses Puppenhäuschens.

Natürlich sind es immer wieder andere. Der Hausbesitzer räumt sie weg, aber ein paar Tage später liegen wieder welche da. Sommer wie Winter, dünne an heissen Tagen, dicke wollene, besonders dicke sogar an kalten Wintertagen.

Der Hausbesitzer ist ein Basler, denke ich, weil das Haus oft einen unbewohnten, aber nie vernachlässigten Eindruck macht und weil auch immer einmal ein Auto mit Baselstädter Nummer davor steht. Irgendwann hat er ein Schild aufgestellt, handgeschrieben auf einem Karton: «Wir brauchen keine Socken!», stand darauf.

Aber das hat nicht geholfen. Jedes Mal, wenn er sie entsorgte, lagen, oft nur wenig später, wieder Socken vor seinem Eingang. Manchmal nur einer, aber meistens tauchten sie doch paarweise auf. Kindergrösse. Und bunte waren auch dabei. Da das Haus nicht dauerhaft bewohnt ist, ich vermute, der Eigentümer nützt es als Ferien- und Wochenendhaus, gelang es offensichtlich nicht, der Herkunft dieser Socken auf die Spur zu kommen.

Irgendwann hat der Basler sie einfach nur noch auf die Strasse befördert. Von wo aus sie dann regelmässig wieder in den Eingangsbereich zurückgelegt wurden.

Wer schmeisst Socken vor den Eingang eines sporadisch genutzten Hauses in unserem Dorf kurz vor der Stadt und doch irgendwie am Ende der Welt? Hart an einer der wenigen noch existierenden Grenzen im Herzen Europas?

Ich tippe auf die Alte aus dem Grütt, die hier regelmässig ihre Runden dreht. Aber das krieg ich schon noch raus. Irgendwie.

Über die Eiserne Hand hinüber

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