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III.

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Inspektor Reginald Bath hatte seine Frau verständigt, er würde heute zum Mittag zu Hause sein und einen Gast mitbringen. Das war nichts Ungewöhnliches, denn Mrs. Bath war es gewöhnt, daß ihr Mann seine Pläne oft sehr plötzlich änderte. Das brachte eben sein Beruf mit sich.

Als Bath mit seinem Gast das Speisezimmer betrat, war der Eßtisch schon gedeckt, und seine drei Kinder saßen bereits sauber gekleidet, mit vorgebundenen Tüchern am Tisch. Auch Mrs. Bath befand sich im Zimmer, und sie begrüßte den Gast wie einen alten Bekannten, obwohl er bis jetzt nur einmal, und das vor vielen Monaten, in ihrem Hause gewesen war.

„Bitte, nehmen Sie Platz, Mr. Strong“, forderte Bath den Besucher auf, nickte seiner Frau freundlich zu und fuhr jedem der drei Kinder zärtlich über das Haar.

Alle setzten sich, man sprach ein paar belanglose Worte, und dann breitete sich eine erwartungsvolle Stille aus.

„Wir wollen das Tischgebet sprechen“, ordnete Bath feierlich an und warf seinem ältesten Söhnchen John einen erwartungsvollen Blick zu. Sogleich faltete der kaum siebenjährige Knabe die Händchen und sprach schnell und ohne zu stocken die Worte des Gebetes.

Reginald Bath war Christ und liebte es, das zu betonen; das und auch den Umstand, er sei Amerikaner wie jeder andere. Er hielt viel auf sein eigentliches Heimatland; jedoch hatte er eine Amerikanerin geheiratet, arbeitete seit Jahren in Amerika und wünschte, daß seine Kinder ganz amerikanisch erzogen würden.

„Wie kommt es, daß du heute zum Essen frei bist?“ erkundigte sich Mrs. Bath, nachdem ein Dienstmädchen die Suppe gebracht hatte. „Du sagtest, du würdest heute ver reisen, nicht wahr?“

„Ein neuer Auftrag“, antwortete Bath freundlich und löffelte ruhig seine Suppe, die ihm vorzüglich zu schmecken schien.

Mrs. Bath hatte aus dem Ton seiner Worte, so gleichgültig sie auch klangen, doch etwas Ungewöhnliches her ausgehört.

„Du bist damit nicht zufrieden?“ forschte sie besorgt.

„Nein“, lautete seine knappe Antwort.

Sie sah ihn nur fragend an, und da ergänzte er kurz:

„Gefährlich!“

Im nächsten Augenblick wandte er sich breit lächelnd mit einer belanglosen Frage an seinen Gast, und bald war ein Gespräch über die brennendsten politischen und wirtschaftlichen Fragen im Gange. Mr. Strong sprach wenig, hörte aber aufmerksam auf das, was ihm Bath auseinandersetzte. Niemand hätte dabei gedacht, daß Strong von all dem nicht das Geringste verstand, sich aber alles Wesentliche genau einzuprägen versuchte, weil er heute abend dasselbe mit den gleichen Worten und im gleichen Tone in seinem Klub zu erzählen beabsichtigte.

Das Essen war beendet, und Bath forderte Strong auf, im Nebenzimmer eine Zigarre zu rauchen. Obwohl Mrs. Bath ebenfalls rauchte, folgte sie den Männern nicht, denn sie wußte, das Gespräch bei dieser Zigarre war der eigentliche Zweck des Besuches.

Der Raum, den Strong betrat, war Baths Arbeitszimmer. Es war vornehm, doch nicht allzu kostbar eingerichtet, und man fühlte sich darin sogleich behaglich. Strong versank in einem der tiefen Sessel, zog genießerisch an der feinen Zigarre und sah erwartungsvoll auf den Hausherrn, der mit etwas kurzen, hastigen Schritten auf dem weichen Teppich auf und ab ging.

„Welcher Fall?“ fragte Strong endlich, da Bath noch immer nichts sagte.

„Sie können es sich denken: Harrogate“, antwortete der Hausherr verstimmt.

Strong paffte eine Weile schweigend.

„Das ist unangenehm“, sagte er endlich.

„Sehr unangenehm“, bestätigte Bath.

„Wenn das Kind stirbt, wird man Sie anklagen“, äußerte Strong.

„Und umbringen“, vollendete Bath.

„Es muß etwas getan werden“, fuhr Strong fort.

„Gewiß“, meinte Bath ernst.

Eine Zeitlang schwiegen beide. Dann nahm Bath das Wort zu einer längeren Auseinandersetzung:

„Die Sache sieht folgendermaßen aus“, erklärte er und blieb vor seinem Besucher stehen. „Ich weiß, die Polizei wartet nur auf einen besonders wichtigen Fall, bei dem ich ihr nicht helfe. Hier ist dieser Fall. Die Geschichte droht, dem Hauptquartier zu einem Riesenskandal zu werden. Daher haben sie beschlossen, mich zu opfern: Entweder ich helfe ihnen oder — ich werde umgebracht. Erweise ich mich als nutzlos, so hat das Katz- und Mausspiel für die Polizei keinen Wert mehr.“

„So ist es“, bestätigte Strong bedächtig.

Wieder herrschte eine geraume Weile Schweigen. Bath hatte seine Wanderung durchs Zimmer erneut aufgenommen, und seine Schritte waren noch kürzer, noch hastiger geworden.

„Vielleicht läßt McGregor mit sich sprechen“, äußerte er plötzlich obenhin. Es war ein achtlos hingeworfener Satz, aber Strong erriet sofort, daß Bath jetzt das ausgesprochen hatte, um dessentwillen er ihn hierher bestellt hatte.

„Nein“, antwortete er ernst. „McGregor ist fest entschlossen.“

„Ich dachte es mir.“ Baths Züge waren unverändert geblieben. „Es war wirklich vorauszusehen.“

„Sie haben doch einige Gelder in England, wenn ich nicht irre“, mutmaßte Strong.

„Es reicht nicht. Leider habe ich das meiste noch hier, und schon seit einem Jahr werde ich überwacht. Hebe ich die Gelder hier ab, so weiß die Polizei sofort, es sei Zeit sich meiner zu versichern.“

„Das Geld in England reicht also nicht?“

Bath zuckte die Achseln.

„Es reicht für ein gut bürgerliches Dasein, mit Kummer und Sorgen um Schulbücher und Wintermäntel für die Kinder. Das ist nichts für mich.“

Strong schnippte die Asche von seiner Zigarre, und so ungeschickt, daß sie auf den Teppich fiel. Er bückte sich, um sie aufzusammeln, und dabei sprach er, ohne von seinen Händen aufzusehen:

„Es ist für die Wiederbeschaffung des Kindes eine Belohnung von fünfzigtausend Dollar ausgesetzt. Wenn man so bedenkt, für einen Menschen, der nicht mit voller Überzeugung bei unserer Sache ist, eine große Versuchung. Man sollte so etwas verbieten.“

Strong lachte etwas krampfhaft über seinen Witz, und auch Bath lächelte freundlich. Er hatte Strong sehr gut verstanden.

„Nun“, meinte er leichthin. „Es ist ja eigentlich nur für wenige eine Versuchung. Ich zum Beispiel könnte das Kind gar nicht wiederbeschaffen, da ich nicht weiß, wo es sich befindet.“

„Sehr richtig bemerkt“, antwortete Strong lachend. „Was für ein merkwürdiges Gespräch wir doch führen! Aber ich liebe es, theoretische Betrachtungen anzustellen, auch wenn sie nicht den geringsten praktischen Wert haben. Das schult den Geist, finden Sie nicht ebenfalls?“

„Ganz meine Meinung.“

„Sehen Sie — um in unseren theoretischen Betrachtungen fortzufahren — es ist dennoch auch für Sie eine Versuchung. Sie könnten doch die Belohnung teilen, mit einem Menschen teilen, der den Aufenthaltsort des Kindes kennt.“

Bath schüttelte den Kopf.

„Ich möchte wissen, warum dieser andere wohl mit mir teilen sollte, wenn er doch das Ganze verdienen kann“, äußerte er zweifelnd, obwohl ihm dieser Grund sehr gut bekannt war.

„Nun, zum Beispiel, weil der andere annehmen müßte, McGregor hätte ihn sofort in Verdacht, und weil dieser andere Wert darauf legt, auch der Polizei gegenüber unbekannt zu bleiben.“

„Stimmt!“ rief Bath aus, als begreife er das alles erst jetzt. „Wenn dieser andere zum Beispiel einen oder mehrere Morde auf dem Gewissen hat, so kann er nicht darauf hoffen, freies Geleit zu bekommen.“

„Das ist sehr richtig, sehr richtig“, sagte Strong und erhob sich. „Ich werde heute abend vor dem Schlafengehen noch über diesen theoretischen Teil unseres Gespräches nachdenken. Vielleicht können wir es morgen fortsetzen, vielleicht ist es auch besser, wenn ich darüber mit McGregor selbst spreche.“

„Ich will Sie nicht länger aufhalten“, erwiderte Bath sehr freundlich. Er hatte die Drohung, die in den letzten Worten lag, sehr gut verstanden. „Schade“, ergänzte er. „Schade, daß Sie alles, was Sie von mir hören, auch mit anderen Menschen besprechen müssen. Ich liebe das nicht. Wie leicht kann solch ein theoretisches Gespräch mißverstanden werden.“

Strong lachte.

„McGregor ist ein sehr kluger Mensch. Er wird es schon nicht falsch verstehen. Auf Wiedersehen.“

„Auf Wiedersehen, Mr. Strong.“

Im Schattenkasten

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