Читать книгу Die Habsburger Reiche 1555-1740 - Arno Strohmeyer - Страница 14

b) Imperium und Großreich

Оглавление

Zusammengesetzte Monarchie: Kritik

Trotz dieses unterschiedlichen Verlaufs der Staatsbildung lassen sich somit beide habsburgischen Herrschaftsräume als zusammengesetzte Monarchien verstehen. In beiden Komplexen verknüpfte die Dynastie in vielfacher Hinsicht heterogene Bestandteile, die seit dem Mittelalter, beschleunigt in der Neuzeit, zusammenwuchsen – manchmal mehr, manchmal weniger dauerhaft. Das Modell besitzt jedoch auch Nachteile, denn die Konzentration auf interne Integrationsprozesse birgt die Gefahr, die Außenbeziehungen und diejenigen Regionen aus den Augen zu verlieren, deren dauerhafte Eingliederung scheiterte. Bei den österreichischen Habsburgern gilt das vor allem für das Heilige Römische Reich, das dementsprechend in vielen Gesamtdarstellungen ihres Herrschaftsraumes keine Beachtung findet, beim spanischen Zweig in erster Linie für die italienischen Provinzen und die Gebiete in Übersee sowie für Portugal und dessen Kolonialreich. Es ist jedoch sinnvoll, auch diese Regionen zu berücksichtigen. Dafür eignet sich das Modell des Imperiums.

Begriffsbestimmung

Im Kern werden unter Imperien großräumige, über einen längeren Zeitraum bestehende Machtakkumulationen verstanden, die sich aufgrund ihrer gewaltigen Ausdehnung, der inneren Organisation (Ausbildung eines Zentrums und einer Peripherie) und des außenpolitischen Verhaltens von Nationalstaaten unterscheiden. Von diesem grundlegenden Verständnis ausgehend, ist eine genauere Bestimmung notwendig, da der Begriff häufig unreflektiert verwendet wird. Folgt man der Definition des Berliner Politikwissenschaftlers Herfried Münkler (geb. 1951), dann zählen zu ihren weiteren Merkmalen das Fehlen klarer Grenzen und ein Überlegenheitsgefühl der Bewohner oder zumindest der herrschenden Schichten. Weitere Kennzeichen sind das Selbstverständnis, eine „imperiale Mission“ zu erfüllen und eine bestimmte Weltanschauung zu verbreiten, sowie, damit in Zusammenhang, Rechtfertigungsideologien wie die Stiftung von Frieden und die Steigerung des Wohlstands. Entwicklungsgeschichtlich folgt bei Imperien nach einer kurzen und dynamischen Phase des Aufstiegs oftmals eine lange Periode des Niedergangs, an die sich wieder eine Aufwärtsentwicklung anschließen kann. Typische Imperien waren aus dieser Perspektive das Imperium Romanum, das Chinesische Reich und das British Empire. Imperium und zusammengesetzte Monarchie schließen einander nicht grundsätzlich aus, denn es konnte durchaus sein, dass sich beide Formen politischer Ordnung in einem Raum überlagerten.

Die Habsburger Reiche: Imperien?

Während der Herrschaftsbereich der österreichischen Habsburger u.a. aufgrund der zu geringen geografischen Ausdehnung nicht als vollwertiges Imperium verstanden werden kann, nach den Gebietsgewinnen im Großen Türkenkrieg aber immerhin ein Großreich mit imperialen Merkmalen bildete, sind beim Länderkomplex der spanischen Linie alle Kennzeichen vorhanden: Er besaß die gesamte Frühe Neuzeit über globale Dimensionen und war trotz flächenmäßiger Veränderungen politisch stabil. Zumindest in Teilen der spanischen Gesellschaft herrschte ein von einer tiefgehenden Katholizität getragenes Überlegenheitsgefühl und damit in Zusammenhang der Drang zur Verbreitung des Glaubens. Der Imperialität entsprachen ferner die unter den spanischen Königen verbreitete Idee der Universalmonarchie, die bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts zu beobachtende Hegemonialpolitik sowie die Divergenz politischer, kultureller, wirtschaftlicher und sprachlicher Grenzen. Nach dem dynamischen Aufschwung unter Karl V. folgten unter Philipp II. die Konsolidierung und im 17. Jahrhundert aufgrund vielfältiger politischer und ökonomischer Krisen sowie eines Bevölkerungsrückgangs ein Verlust an Imperialität, die nach der Herrschaftsübernahme der Bourbonen 1700 wieder zunahm.

Die Habsburger Reiche 1555-1740

Подняться наверх