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1. Inspektion

Bidmila 5 lag auf dem Rücken. Seit fast einem Parsec hatte er die Augen offen, und fühlte sich dennoch müde wie ein Stein, wobei er ständig darüber sinnierte, wie müde ein Felsbrocken wohl sein konnte. All diese Gedanken brachten jedoch nicht den ersehnten Schlaf, und so starrte er unentwegt die Decke an.

Das Schiff hatte ihn ordnungsgemäß geweckt, und seinen Körper mit den notwendigen Stoffen versehen, um seine Funktionen wieder zum Leben zu erwecken. Er war froh, dass die Routine des Erwachens, und die anschließenden Aufgaben, seinen Tagesablauf bestimmen würden.

Er dachte an die Zeiten, in denen sein alter Partner zuerst aufgestanden war, um ihn zu beleben, da der Computer immer nur den Leitenden weckte, nie die anderen Crewmitglieder. Bidmila hätte sich fragen können, was passierte, wenn er nicht erweckbar war, aber es gehörte nicht zu seinen Aufgaben, sich um die Crew zu kümmern.

Meistens hatte Eidmila 2 schon vor seiner Aufwachinitialisierung den richtigen Orbit gewählt, und ihm damit einen fantastischen Blick auf eine neue Welt ermöglicht. Jetzt würde er, für den Rest seiner Arbeitszeit, diesen Job ausführen müssen. Es war schwer sich an das Neue zu gewöhnen. Gerne wäre er zusammen mit seinem Partner in den Ruhestand gegangen, aber die Vorschriften verboten parallele Austritte aus der Inspektionsflotte.

Das Schiff richtete seinen Schlafplatz auf, und eine letzte Infusion brachte ihn vollends auf die Beine. Er rieb sich mit den knotigen Fingern über sein Gesicht, und strich sich das zottelige Haar aus den Augen. Warum konnte das Wachstum der Haare nicht ebenso unterdrückt werden, wie das der übrigen Zellen? Bei ihrer nächsten Standardbesprechung würde er das zur Sprache bringen. Es vergeudete nur unnötige Energie, und war mit der Zeit lästig geworden.

Bidmila zog den Bioanzug aus, und stellte sich in die kleine Kabine, die sich in einer Ecke seines Raumes befand. Er drückte auf ein graues Feld, und die Tür schloss sich. Heute gönnte er sich mehr als zwei Liter Wasser, und er ließ sich die Frisur raspelkurz schneiden. Nach ein paar Minuten entschlüpfte er dem Multitrimmer, und erhielt aus einem Fach den passenden Anzug für seinen Außeneinsatz. Er stieg in den kleinen Transportwagen, der vor seiner Tür wartete, und ließ sich zur Kommandozentrale fahren. Für einen kurzen Augeblick betrachtete er die Aussicht durch das Fenster, bevor er den exakten Kurs in den Navigator eintippte. Es gab soviel zu tun, aber ihr Aufenthalt betrug nur fünf Rotationen, bevor sie wieder starten würden.

Emotionen wie Stress, Trauer, oder Wut, empfand er nicht, aber sein alter Partner hatte ihm einen Hang zum Grübeln nachgesagt. Das war natürlich Unsinn, aber ein willkommenes Thema, um bei den Mahlzeiten die Aufnahmephase von Vitaminen und Mineralien unterhaltsamer zu gestalten.

Nach getaner Arbeit stieg er in den Gleiter, und wurde zum Quartier seines Lehrlings gefahren. Wie immer betrat er die Kabine, und wie immer schlief Nidmila 23 noch. Wann würde das System ihn endlich rechtzeitig aufwecken? Er hatte doch die entsprechenden Schritte eingeleitet. Als er gerade die Bioinitiatoren erneut starten wollte, schlug Nidmila die Augen auf.

„Reingelegt!“, rief ihm der Jugendliche entgegen. „Da guckste Bidi, oder? Ich bin schon seit sieben Rotationen wach.“

Nidmila 23 schwang seine Beine von der Liege, stand auf, ohne das ihn sein Bett aufgerichtet hätte, und grinste. Nidmila grinste? Der Chefastronom sah sich das Verhalten seines Untergebenen an, und spürte ein heißes Grummeln in der Magengegend, konnte diese Abweichung seiner Funktion aber nicht einordnen. Es war Zeit, den neuen Inspekteur auf ein paar Tatschen hinzuweisen, um weitere … Zwischenfälle zu vermeiden.

„Mein Rang ist „Zweiter Inspekteur der Milchstraße letzte Außenbahn Nummer 5“, und Sie sind „Neuer Inspekteur der Milchstraße letzte Außenbahn Nummer 23“. Meinetwegen auch Bidmila ohne Graduierungszahl, aber gewiss nicht Bidi. Ich verstehe auch den Sinn in der vorgetäuschten Schlafphase nicht. Warum haben Sie das gemacht? Geht es Ihnen biologisch nicht gut? Ihre Vitalzeichen haben keine Abweichungen angezeigt. Wir sollten einen Scan vornehmen, um …“

„Vergiss es Bidi“, fiel ihm der Gerügte ins Wort, „es war ein“, er dachte einen Moment über den richtigen Terminus nach, „Spaß! Verstehen Sie, was ein Spaß ist?“

Der zukünftige Inspekteur erhielt keine sichtbare Reaktion.

„Man nennt es auch, Witz, Humor, Lacher. Noch nie davon gehört?“

„Nein. Woher haben Sie diese Begriffe? Aus unserer Datenbank? Mir war ein Defizit unserer Kommunikation nicht bewusst.“

Während Bidmila noch über mögliche Lösungen der Unterhaltung nachdachte, schlüpfte der Neuling in seinen Anzug, und verließ seinen Ruheraum. Er setzte sich in den Wagen, und blickte nach hinten.

„Kommen Sie schon Bidi, wir haben eine Menge zu erledigen, und ich habe noch nicht mal gefrühstückt.“

Der Chefinspekteur besah sich die Wohnkabine, und drehte sich zu seinem Lehrling um.

„Sie haben noch nicht alle Hygienebedingungen erfüllt. Außerdem sind Ihre Haare zu lang, dass könnte zu Verschmutzungen führen, wenn wir im Außenbereich unterwegs sind.“

Nidmila blickte wieder nach vorne, und verdrehte dabei die Augen. Er war ja wirklich noch nicht so alt, aber ein wenig mehr Schwung seines Ausbilders hätte er sich schon gewünscht. Beim gemeinsamen Frühstück würde er versuchen das Missverständnis aufzuklären, aber jetzt hatte er einen knurrenden Magen.

„Hab schon geduscht, mit allem drum und dran. Wir können nach der Mahlzeit sofort loslegen.“

Bidmila stieg in den Gleiter ein, der sie sofort zur Messe brachte, wo der Versorgungsautomat bereits alle wichtigen Nährstoffe zusammengestellt hatte.

Seit fast zwei Umlaufbahnen sah Bidmila zu, wie sein Gegenüber immer weiter Nährstoffe in sich hinein schaufelte, und es schien kein Ende zu nehmen. Unvermittelt ertönte eine Stimme aus dem „Off“.

Ich mache Nidmila 23 darauf aufmerksam, dass die Ballaststoffgrenze überschritten wurde, und weitere Flüssigkeit erforderlich wird. Ihr Energiehaushalt ist bereits bei 137 Prozent angelangt. Weitere Nahrung wird nicht benötigt.

Mit einem Schmatzen quittierte Nidmila die Mitteilung, und holte sich ein weiteres Getränk aus dem Automat.

„Ich liebe dieses Essen. Wie heißt es noch mal?“, fragte der Neuling, ohne von seiner Mahlzeit aufzusehen.

„Vollkorntoast“, erwiderte Bidmila gewohnt tonlos, „und Ihr Getränk besteht aus einer Steinfrucht, die in unserer Heimat geerntet wird. Es sind Pflaumen. Warum wollen Sie das wissen? Die Nahrung wird doch vom Schiffslabor zusammengestellt. Allerdings in anderen Mengen“, ergänzte er. „Bitte beachten Sie, dass wir erst an der übernächsten Station eine Möglichkeit der Entleerung haben.“

Nidmila trank den Becher auf einen Zug leer, und stellte ihn in den Aufbereiter, der sich um die Erneuerung des Geschirrs kümmerte. Er sah zu, wie sein leeres Trinkgefäß verschwand, presste Luft durch seine Kehle, und gab ein kollerndes Geräusch von sich.

„Was war das?“, fragte der Chefastronom. „Haben Sie Schmerzen?“

„Nein, mir geht es gut, sogar sehr gut. Ich habe nur gerülpst, mehr nicht. Sollten Sie auch mal versuchen. Das löst den Druck.“

Weitere Erklärungen folgten nicht.

„Den Druck wovon?“, echote Bidmila.

„Herrje Bidi, wenn wir bis zu Ihrem Ruhestand zusammen arbeiten wollen, müssen Sie aber lockerer werden. Sie sollten bei Ihrem nächsten Heimaturlaub unbedingt die jüngere Geschichte unserer Nation studieren. Dann kommen Sie auch besser klar.“

Wie immer hörte sein Vorgesetzter aufmerksam zu, denn so hatte er es einst in der Akademie gelernt. Damals war die Geschichte seiner Spezies nur ein kurzer Unterrichtsblock gewesen. Eigentlich ging es dabei im Wesentlichen um die Wanderungen seines Volkes, aber er war bereit für Neues, schließlich wollte er seinem zugeteilten Kadetten in nichts nachstehen.

„Womit komme ich dann besser klar?“

Der junge Schiffsoffizier verdrehte abermals an diesem Tag die Augen, blieb die Antwort schuldig, und verließ die Kantine, um sich auf den Einsatz vorzubereiten.

„Erzählen Sie mir bitte alles, was ich über die heutige Arbeit wissen muss. Vor allem, was ich für Wandler einpacken soll.“

Bidmila ließ die Sache auf sich beruhen, und nahm sich vor, bei der nächsten Gelegenheit einen Auffrischungskurs in moderner Kommunikation zu absolvieren. Sie stiegen in den Transporter, und ließen sich zu den Docks fahren, wo die Flugeinheiten geparkt waren. Er ließ keine Details aus, und bereitete seinen Zögling gründlich auf den ersten Einsatz vor. Dabei erinnerte er sich an seinen ersten Ausflug. Damals hatten sie den neuen Trabanten inspiziert, der für gleich bleibende Bedingungen sorgen sollte, und der dieses auch wie berechnet erledigte. Sein damaliger Ausbilder, Eidmila 2, hatte ihm von den Anstrengungen der Umformer-Crew erzählt, und wie lange diese dafür benötigt hatten. Ein ehrgeiziges Projekt, aber der Erfolg gab ihnen Recht, und erfüllte sie mit so etwas wie Zufriedenheit. Diesen Arbeitsethos wollte er ebenfalls vermitteln.

Der Ausblick auf die Oberfläche war für den Chefinspekteur immer ein erhebendes Gefühl, denn jedes seiner Projekte genoss seine volle Aufmerksamkeit. Es war, wie ein neues Leben zu erschaffen, nur ohne die lästige Erziehung. Natürlich musste auch hier von Zeit zu Zeit eingegriffen werden, aber das Ergebnis stand schon im Vorfeld fest, anders als bei seinem Volk, wo die Resultate nicht immer den unternommenen Anstrengungen folgten.

„Wie nennen wir dieses Projekt? Eiskristall? Ist die Gegend überhaupt für uns geeignet?“

Bidmila hielt den Blick auf die weiße Oberfläche gerichtet, während er die Frage beantwortete.

„Nein, er hat noch keinen Namen, und es wird noch eine Weile dauern, bis wir diesen Ort für uns nutzen können, aber es ist mein erster Eisplanet, deshalb dürfen wir ihm bestimmt einen Arbeitstitel geben, bis diese Welt irgendwann vollendet ist.“

Der Kadett sah durch das Fenster, und konnte nichts erkennen, dass so faszinierend gewesen wäre, um zu rechtfertigen, dass er ebenso erstaunt gucken sollte, wie sein Ausbilder es tat. Er hatte schon bessere, und vor allem schönere Orte gesehen, aber vielleicht war sein Boss schon zu lange unterwegs, um sich an interessanteren Dingen zu erfreuen.

Er spürte ein merkwürdiges Ziehen in seinem Bauch, schob dies jedoch auf den rasanten Sinkflug mit ihrem Inspektionsgleiter, der auf die Oberfläche zuraste. Das drei Kilometer lange Mutterschiff, hatten sie in einem oberen Orbit hinter sich gelassen, und es war schon nicht mehr zu sehen, da die äußere Hülle, aufgrund ihrer Struktur und Farbe, unsichtbar blieb.

„Die durchschnittliche Temperatur liegt bei 28 Prozent des absoluten Nullpunktes. Wir sollten also keine Schwierigkeiten haben, wenn wir Proben auf der Oberfläche nehmen. Da die gesamte Landmasse zusammen hängt, werden wir für die Flüge nicht lange benötigen, und sind hier in wenigen orbitalen Umkreisungen fertig.“

Der erfahrene Bidmila ließ seine Hände über die Kontrollen huschen, und gab den Kurs für den ersten Anflugpunkt ein. Der Solargleiter steuerte auf eine Ebene zu, und landete sanft auf einem Luftkissen, bevor sich die Stützen ausfuhren. Die Ausleger verankerten sich im Boden, und wirbelten dabei die kristalline Wassermasse auf, die zu 95 Prozent aus Luft bestand.

Wenig später standen sie neben ihrem Schiff, und blickten über die weiß glänzende Fläche, bis zum Horizont des Planeten. Die Anzüge erlaubten den beiden Umweltingenieuren maximale Beweglichkeit, und der gläserne Helm sorgte für eine perfekte Rundumsicht. Nidmila machte ein paar vorsichtige erste Schritte, tat einen kleinen Hopser, und konnte dabei ein Ausrutschen gerade noch verhindern.

„Bis auf den glatten Untergrund, fühlt sich alles wie zu Hause an“, stellte er erstaunt fest. Der Chefingenieur zog seine Ausrüstung am Körper fest, und steuerte den berechneten Quadranten an, wo sie die Proben entnehmen würden.

„Ja, der Trabant hat die Rotation auf das Niveau unseres Planeten gebracht, und die Vereisung hat die Oberfläche soweit abgekühlt, dass feste Landmassen entstanden sind“, erklärte Bidmila. „Wir hatten bereits die ersten Pflanzen und Einzeller ausgesetzt, und jetzt korrigieren wir noch die Atmosphäre. Danach folgen die ersten Besiedlungen. Weiter als wir, ist in der Wolke noch niemand mit einer neuen Heimat vorangekommen, und als Bonus wird dieses System mindestens für die nächsten fünf Milliarden Zyklen nutzbar bleiben.“

Nidmila stieß ein schrilles Geräusch aus.

„Was war das?“, fragte der Chefingenieur, und wandte sich zu seinem Lehrling um. „Verliert Ihr Anzug an Druck? Lassen Sie mich Ihr Biosystem checken.“

„Nicht nötig, Bidi“, flötete der Novize, „ich habe nur durch die …, ich habe gepfiffen, mehr nicht.“

Er stapfte an seinem Chef vorbei, und achtete auf die Koordinaten, die vor ihm auf die Oberfläche projiziert wurden. Diesen Vorgang wiederholten die beiden innerhalb der Lichtphase weitere neun Mal, bevor sie zum Mutterschiff zurückkehrten, um die Proben auszuwerten. Nach der Analyse besah sich Bidmila das Ergebnis, und hakte es als positiv ab. Alles lief wie berechnet. Beim nächsten Einsatz würden sie die Ladungen anbringen, die dafür sorgen sollten, die Landmasse wieder auseinander zu reißen, damit die Eiszeit ein geplantes Ende nehmen konnte.

Nach der Arbeit ging er in seine Kabine, und legte sich hin. Nicht, dass er Schlaf gebraucht hätte, aber er machte gerne die Augen zu, und ließ die Erinnerungen an seine letzte Mission, auf diesem Planeten, Revue passieren. Wenn er seinen Ruhestand erreicht hatte, konnte er sich vorstellen, auf dieser Welt sein restliches Leben zu verbringen. Die Gesellschaft, für die er arbeitete, sah es gerne, wenn sich ehemalige Planetentechniker und Ingenieure auf den neuen Welten niederließen. Das stärkte das Vertrauen in die Richtigkeit der Umsiedlung, und sorgte für Sicherheit in der neuen Heimat. Außerdem würde zum Zeitpunkt seines Ruhestandes schon eine gute Infrastruktur herrschen, und damit war ein angenehmes Dasein möglich.

Fast bedauerte er, dass der Planet ohne ihn erschaffen worden war, aber selbst für seine Art, war der Erschaffungsprozess eine lange Zeit. Viel zu schnell verging die planetare Dunkelphase, und sie machten sich wieder auf den Weg zur Oberfläche, dieses Mal in getrennten Gleitern.

Das Schiff von Nidmila landete im nördlichen Territorium, wo sich gewaltige Gesteinsformationen im Hintergrund abbildeten. Für ihn war alles neu, aber eben nicht sehr interessant. Allerdings war sein Job nicht gerade schwer, und so ließen sich die langen Reisezeiten verschmerzen, in denen er von seinen Leuten getrennt war. Durch die ausgedehnten Stasis Perioden, kam einem die Mission eher kurz vor, und man hatte ja schließlich etwas zu erzählen, wenn man wieder nach Hause kam. Es gab in seiner Heimat kaum einen begehrteren Job, als seinen, aber dafür musste man einiges in Kauf nehmen, wie er bereits festgestellt hatte.

Nidmila schlüpfte in seinen Anzug, kontrollierte die Verschlüsse, und betrat die Schleuse. Wieder verspürte er das Ziehen im Körper, das ihn bereits gestern heimgesucht hatte. Was war das? Hoffentlich stellte sich bei ihm keine Raumuntauglichkeit heraus, denn sonst würde seine Karriere schnell beendet sein.

Die äußere Tür öffnete sich, und gab den Weg zur errechneten Position frei. Nach einem kurzen Augenblick erreichte er die Stelle, die bereits vom Mutterschiff zusätzlich mit einem, in den Boden geschmolzenem Muster, gekennzeichnet war. Er baute die Abschussrampe auf, justierte den Eintrittswinkel, und setzte den Bohrer an. Anschließend arretierte er den Sprengsatz, und wartete, bis das System die Freigabe erteilte.

Es war ein Kinderspiel, und machte sogar Spaß, auch wenn die ältere Generation mit diesen verstaubten Begriffen längst nichts mehr anzufangen wusste. Ihm gefiel diese Retrowelle, und die Gruppe der jungen Bewohner seiner Heimat, schlossen sich der Bewegung gerne an. Es war ja nicht gefährlich mit Emotionen zu spielen. Eine wachsende Zahl der Bevölkerung hatte ebenfalls nichts dagegen einzuwenden.

Der Bohrkopf wurde abgeschossen, und verschwand in der harten weißen Oberfläche. Es würde einige Zeit dauern, bis der Sprengsatz seinen Bestimmungsort erreicht hatte, und erst wenn alle Ladungen platziert waren, erfolgte die Detonation.

Wieder zog ein stechendes Gefühl durch seinen Körper. Dieses Mal so stark, dass er sich vor Schmerzen krümmte, und er auf die Knie fiel. Nach wenigen Sekunden stand er wieder auf, aber er war noch leicht benommen. Sein Bioanzug zeigte eine erhöhte Temperatur, und ein Abfall seines Blutdruckes. Es fing wieder an in seinem Bauch zu rumoren, und dieses Mal wusste er, was sein Körper von ihm wollte.

Das konnte nicht sein. Sie waren noch Ewigkeiten von der nächsten Station entfernt. Es gab zwar die Möglichkeit ein Notfallsystem im Mutterschiff zu nutzen, aber bis dahin konnte er es unmöglich schaffen.

Sollte er den Commander informieren? Keine gute Idee, und was sollte der schon machen? Wieder setzte der Schmerz ein, und dieses Mal lief Flüssigkeit aus seinen Augen.

Bidmila 5 sah aus dem Fenster, und betrachtete die Oberfläche des Planeten. Die Landmasse war nahezu Wolkenfrei, und gab einen guten Blick auf die verschiedenen Gesteinsformationen frei. Ein idealer Zeitpunkt, um die Sprengung auszulösen. Er tippte auf ein Bedienfeld, und die Schiffssteuerung signalisierte ihre Zustimmung.

„Freigabe erteilt“, murmelte der Chefinspekteur, und sein Gesicht strahlte Zufriedenheit aus. Er überflog mit den Augen die Anzeigen des Mutterschiffs. Die seismologischen Auswirkungen waren wie berechnet, und das Flüssige des Planetenkerns, würde zusammen mit dem Ascheregen, für die Verdunklung der Sonne sorgen, und damit zur Erwärmung des Planeten beitragen. Die, bei der letzten Inspektion ausgesetzten Mikroorganismen, waren für eine flächendeckende Vegetation, und der ausgeglichenen Sauerstoffanteil der Atmosphäre, verantwortlich. Noch ein paar letzte Umkreisungen, und sie konnten wieder in ihre Schlafkammern gehen, bis sie den nächsten Planeten erreicht hatten.

Erst jetzt bemerkte Bidmila ein Warnlicht auf der Instrumententafel. Er kannte das Signal, nur … es hatte noch nie zuvor aufgeleuchtet. Wie war das möglich? Ein Irrtum? Aber von wem? Das System war unfehlbar. Andererseits konnte die Warnung nicht stimmen. Seine Hände flogen über die Instrumente, aber das stumme Licht verschwand nicht. Er scannte die Oberfläche des Planeten. Kein Zweifel, die Warnung wurde bestätigt.

„Bitte um weitere Anweisungen, wie wir uns verhalten sollen“, rief der Chefingenieur dem Mutterschiff zu.

Analyse wird durchgeführt“, bestätigte das Schiff. Geduldig wartete er auf das Ergebnis. Bidmila blickte sich um, und entdeckte fast überraschend seinen Lehrling, der unbeteiligt neben ihm stand, und aus dem Fenster blickte. Erste Rauchsäulen auf der Oberfläche zeugten von seismischer Aktivität unter der dünnen Kruste des Planeten. Wie gebannt starrte Nidmila auf dieses Schauspiel. Wieder meldete sich das Schiff.

Eine vollständige Analyse ist aufgrund unzureichender Daten nicht möglich. Wahrscheinlichkeit einer Kontamination durch Fremdorganismen liegt bei 78,93 Prozent. Für weitere Berechnungen werden Bodenproben benötigt.“

Es herrschte eine Totenstille auf dem Kommandodeck.

„Ich habe dazu möglicherweise neue Informationen, Kapitän“, flüsterte der Kadett, ohne seinen Blick von der Landmasse des Projektes abzuwenden.

„Neue Informationen“, echote der Chefingenieur. „Woher haben Sie die?“

Nur zögerlich bekam er eine Antwort.

„Bei meiner letzten Mission hatte ich unvorhersehbare Störungen meiner Körperfunktionen.“ Wieder verging Zeit, und die beiden standen nebeneinander vor dem Fenster der Brücke, und betrachteten das Spektakel der ersten Eruptionen, die mit gewaltigen Erschütterungen das Gesicht des Planeten für immer verändern würden.

„Was für Störungen?“ Bidmila 5 fühlte ein unbekanntes Verlangen, seinen Gesprächspartner mit erhobener Stimme auszufragen, beherrschte sich jedoch, und fuhr in geschäftsmäßigem Tonfall fort.

„Bitte teilen Sie mir jetzt alle relevanten Daten mit, die für unsere Aufgabe notwendig sind.“

Der Neuling schien seine Haltung zu straffen, sprach aber dennoch sehr leise, als ob sie ein vertrauliches Gespräch in einer belebten Umgebung führen würden.

„Ich war gezwungen eine Leerung vorzunehmen.“

Es war, als ob den Chefinspekteur ein Schlag treffen würde. Er stolperte einen Schritt zurück, änderte die Gesichtsfarbe zunächst in weiß, um anschließen ein dunkles rot anzunehmen, bevor er wieder blass wurde.

„Sie haben auf dem Planeten geleert? Sie haben den Planeten verseucht? Sie … Sie, Sie haben …, haben Sie eine Vorstellung davon, was Sie angerichtet haben?“

Heftiges Kopfschütteln war die Reaktion. Auf der Stirn des Inspektionsleiters entstand eine dicke blaue Ader, die zu pochen anfing, als es aus ihm heraus brach.

„Sie haben die Arbeit von einer Milliarde Zyklen zerstört! Sie kennen doch die Vorschriften, oder? Wir dürfen den Planeten jetzt nicht mehr besiedeln, bis die Kontamination beseitigt ist, und zwar ohne, dass wir selber für die Säuberung sorgen dürfen. Das heißt, dass wir mindestens die nächsten 150 bis 300 Millionen Zyklen abwarten müssen, bis wieder nur Vegetation, oder Basisleben entstanden ist, welches nicht viel höher entwickelt sein darf, als Zellteilung. Ab jetzt müssen wir unsere Besuchsrate verzehnfachen, um den bestmöglichen Zeitpunkt für einen Neustart des Ökosystems nicht zu verpassen.“

Bidmila 5 hatte zittrige Hände, und eine bebende Stimme. Er musste spontan erkrankt sein, da sein Körper in all den Millionen von Jahren, die er jetzt auf dieser Mission unterwegs war, noch nie solche Symptome an sich beobachtet hatte. Das Prozedere für die Meldung an die Flottenleitung kannte er nicht, da er noch nie von einem solchen Fehler gehört hatte.

Jetzt würde sein Projekt, auf dem er seinen wohlverdienten Ruhestand genießen wollte, von unendlich vielfältigen Mutationen heimgesucht werden. Der Planet würde wahrscheinlich sogar ähnliche Geschöpfe hervorbringen, wie er eines war, nur eben ohne besonders zuverlässige Funktionen, und mit verschwindend geringer Lebensspanne. Zeit, die er warten musste, falls es in seinen Lebenszyklus überhaupt noch hinein passte.

Der Bordcomputer meldete sich zu Wort, und gab mit stoischer Ruhe seine Fakten bekannt.

Nach Berechnung aller verfügbaren Parameter von Nidmila 23, sind folgende Szenarien wahrscheinlich.

Besiedlung des Planetensystems in 100 Millionen Zyklen bei 27,22 Prozent.

Höchste Wahrscheinlichkeit des Neustarts in 347 Millionen Zyklen bei 82,03 Prozent.

Zu diesem Zeitpunkt noch verfügbare Ressourcen bei 11, 31 Prozent.

Mögliches intelligentes interstellares Leben bei 0,07 Prozent.

Neue Sterblichkeit von Nidmila 23 durch Schädigung des Verdauungssystems bei 127,92 Millionen Zyklen.

Errechneter Verlust der Lebensspanne ist 3 Prozent.

Alle Daten wurden bereits an die Missionsleitung gesendet.

Immerhin, dachte der „Zweite Inspekteur der Milchstraße letzte Außenbahn“ bei sich, verliert sein Schützling zur Strafe auch ein paar Millionen Sonnenumkreisungen Lebenszeit, auch wenn der Gedanke ihn nicht über den Verlust seines Ruheplaneten hinweg helfen konnte. Ganz zu schweigen davon, dass die Planetentechniker wieder Sternenmaterial heranschaffen mussten, um ihre neue Heimat erneut mit Ressourcen zu versorgen. Ein zweiter Trabant wäre die Folge, und damit noch mehr Berechnungen für eine stabile Rotation. Auch die Sonnenumkreisung des Projektes mussten neu stabilisiert werden.

Wieder bekam er dieses heiße Kribbeln im Körper, und Wasser trat aus seinen Poren an Stirn und Nacken. Er hatte das Verlangen, Nidmila 23 anzufassen, und Bilder dieses Aktes bemächtigten sich seines Denkens, als er das erste Mal, seit seiner Geburt vor 92,55 Millionen Zyklen, zu schreien anfing.

„Sie haben unserem Volk einen riesigen Schaden zugefügt! Dafür werden Sie sich persönlich bei allen 74578 Bewohnern unserer 346 Sonnensysteme entschuldigen, ach Unsinn, um Verzeihung werden Sie alle bitten müssen. Eine Entschuldigung gibt es dafür nicht, dass Sie einfach auf dieses …, dieses“, er suchte nach den richtigen Worten, die für eine solche Situation angemessen erschienen, „auf diese Erde geschissen haben!“

Der Schiffscomputer meldete sich ordnungsgemäß aus dem „Off“.

Verlust der Lebenserwartung von Bidmila 5 durch erhöhte Dysfunktion des cerebralen Kortex liegt bei 5,62 Prozent.

Die Augen des Chefingenieurs fingen an Funken zu sprühen, als er sich der Zentraleinheit des Bordsystems zuwandte.

„Ach, halt doch die Fresse, Du Schrotthaufen!“

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