Читать книгу Aus Kroatien - Arthur Achleitner - Страница 5

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„Glaub' Er das nicht, lieber Prota!“ erwiderte eifrig der Kommandant. „In mancher Beziehung sind die Zustände bei uns in der Grenze sogar besser! Wir haben doch nicht die Rechtsbeugungen der adeligen Gutsbesitzer, nicht die Willkürherrschaft der autonomen Komitate, nicht die Gier und Leidenschaft politischer Hitzköpfe im Provinzial!“

Milde sprach der Erzpriester im Silberhaar. „Das nicht, gnädiger Herr!

Aber dafür den Despotismus des Regimentskommandanten!“

„Das muß man als etwas Selbstverständliches hinnehmen! Das Volk der Grenze so gut wie wir Offiziere! Übrigens haben wir in der Grenze immer noch mehr Rechtssicherheit als das Provinzial!“

Ergebungsvoll stimmte der Prota zu. „Euer Herrlichkeit belieben recht zu haben! Nur dürfte die Härte des Militärgesetzes nicht zu bestreiten sein.“

„Warum ‚Härte‘?“

„Halten zu Gnaden, Herr Kommandant! Hart ist es für uns Serbokroaten, weil die Auditore (Militärrichter) Fremde sind, unsere Sprache nicht verstehen, auf Dolmetscher angewiesen sind, die zwar Kroatisch gut, Deutsch hingegen nur ungenügend können! Ich meine, daß die beiderseitige Sprachunkenntnis gefährliche Folgen für Leben, Freiheit und Eigentum der Angeklagten hat und noch haben wird!“

„Hm! Ist ja richtig, aber wir zwei können das nicht ändern! Na zdravje!“[5]

Demütig dankte der Prota für diese Ehre. Und mit bebender Hand führte er sein Glas zum Munde.

„Recht so, lieber Prota! Muß sagen, daß ich recht zufrieden mit Ihm bin! Der einzige Pope im ganzen Bezirk, der mir noch keinen Verdruß bereitet hat!“

„Ich danke gehorsamst für diese Anerkennung! Dennoch zittere ich schier jeglichen Tag, daß doch einmal Unheil über mich kommen werde….“

„Warum? Hat Er denn von früher her etwas auf dem Kerbholz?“

„Nicht schlimm, Euer Herrlichkeit aufzuwarten! Nur einen üblen Auftritt hat es vor Jahren gegeben, als wir zur Vorstellung vor dem damaligen neuen Regimentskommandanten, einem Deutschen, nach Otočac (Ototschatz) befohlen waren und vom Militärchef bös angefahren wurden, daß wir Erzpriester Feinde des Kaisers und Österreichs seien….“

„Wieso?“

„Der Oberst warf uns vor, daß wir in unseren Kirchenbüchern für den Zar von Rußland beten, nicht für den Kaiser von Österreich!“

Interessiert rief Tonidandel. „Was? Ist das wahr?“

„Ja und nein, Euer Herrlichkeit aufzuwarten! Die Erklärung ist leicht zu geben! Unsere Kirchenbücher müssen in — Rußland gedruckt werden, weil die österreichische Regierung nicht erlaubt, daß unsere orthodoxen Bücher in Österreich gedruckt werden! So ist es denn ganz erklärlich, daß in den in Rußland gedruckten Büchern der Name des dortigen Landesherrn steht. Selbstverbindlich beten wir aber für den Kaiser von Österreich, für unseren Landesherrn!“

„Weiter!“

„Jener Oberst steifte sich aber darauf, daß es in den Büchern ‚Zar‘, nicht ‚Kaiser‘ heißt! Ich als Sprecher der Erzpriester habe den gestrengen Kommandanten aufmerksam gemacht, daß man in der slavischen Sprache das Wort ‚Kaiser‘ nicht kennt, nicht anders nennen kann als ‚Zar‘! Zar ist gleichbedeutend mit Kaiser! Zum Schluß der denkwürdigen Audienz hatte ich gebeten, es möge der Oberst bewirken, daß unsere Kirchenbücher in Österreich gedruckt werden dürfen; dann werde sicher der Name unseres österreichischen Zaren = Kaisers gedruckt werden!“

„Was geschah dann?“

„Wir wurden ziemlich ungnädig entlassen! Der Oberst schien nicht recht zu glauben, was ich ihm sagte! Und seither befürchte ich immer, daß man mir meinen Freimut verübeln, mich hinterdrein bestrafen, um meine so kärgliche Stelle bringen werde!“

„Mut, lieber Alter! Jener Oberst ist längst nach — Europa versetzt, also hat es für den Prota von S. keine Gefahr! Und selbst im Falle, daß sich unser gestrenger Chef um diese verjährte Geschichte unerwarteterweise kümmern sollte, werde ich für den Prota schon einzutreten wissen! Jawohl! Prosit!“

Erfreut, von dieser alten Sorge befreit, griff der alte Erzpriester zum Glase, dankte für die Zusicherung des Wohlwollens und der Unterstützung und leerte das Glas auf das Wohl des gnädigen Kompagniekommandanten.

Spät wurde es an diesem Abend, bis Tonidandel sich verabschiedete und sporenklirrend seiner Behausung zustapfte.

In der Kompagniekanzlei erschien der Kommandant am andern Tag erst zur

Stunde, da die Militärstaffette die Post von Karlstadt brachte.

Mit einigem „Haarweh“ behaftet, sah Tonidandel den Einlauf durch, langsam, ohne Interesse, verdrossen. Stutzig wurde er, als er einen neuen Befehl des Regimentskommandos in Händen hielt, ein Dienstschreiben an alle Militärstationen des Likaner Bezirks mit dem Wortlaute. „Sollten sich bei den Militärstationen alte Pfaffen vorfinden, sind diese, wohlverwahrt im Verschlag, dem Regimentskommando unverweilt abzuliefern.“ Die unleserliche, doch wohlbekannte Unterschrift des Chefs stand unter diesem verblüffenden Befehl.

Zweimal las Tonidandel dieses Schriftstück sehr aufmerksam. Dann pfiff

er durch die Zähne. Wie weggeblasen war nun das „Haarweh“. Und in seinen

Augen glänzte eine seltsame Freude. Wie Donnerrollen klang der Ruf:

„Jovo, hereinkommen!“

Der Kompagnieschreiber Jovo erschien, erwies stramm die Ehrenbezeugung.

„Zu Befehl, Herr Kommandant!“

„Da! Vorlesen diesen Regimentsbefehl!“

Jovo nahm gehorsamst dieses Schriftstück und las es mit geschraubter Stimme laut vor. Beim Worte: „Pfaffen“ stockte er, las es zweimal und hielt verblüfft inne. Seine Augen waren groß wie Pflugräder geworden. Und der Mund stand so weit offen, daß ein Leiterwagen hätte hineinfahren können.

„Noch einmal vorlesen das Wort!“ donnerte der Kommmandant.

Gehorsam las Jovo: „Alte Pfaffen vorfinden!“

„Gut! Du bestätigst also, daß ‚Pfaffen‘ geschrieben und zu lesen ist!“

„Zu Befehl, Herr Kommandant, ja! Es steht deutlich geschrieben:

Pfaffen!“

„Gut! Geh in das Pfarrhaus und hole den Prota! Das ist der einzige alte

Pfaffe[6], den wir hier haben! Abtreten!“

Eine Viertelstunde später stand der ehrwürdige Greis vor dem

Kompagniekommandanten. Verschüchtert, demütig, zitternd.

Herr Tonidandel bedauerte die Belästigung des alten Erzpriesters und machte den Prota mit dem Inhalt des überraschenden Regimentsbefehles bekannt. Dabei hatte der Kommandant ein Wetterleuchten in den Augen. Und seine Lippen umzuckte ein Lächeln vergnüglichsten Spottes, unverfälschter Schadenfreude.

Bebenden Tones erklärte sich der Prota bereit, sofort nach Karlstadt zu gehen trotz der alten steifen Beine und des weiten Weges und sich beim Regimentskommandanten auf Grund des Befehles gehorsamst zu melden. „Ich bitte Euer Herrlichkeit nur um eine Abschrift des Befehles zu meiner Legitimation bei der Vorstellung!“

„Aber nein, lieber Prota! Das ist unmöglich! Tut mir sehr leid! Befehl ist Befehl! Jeder Befehl muß befolgt werden, buchstäblich und gehorsamst befolgt! Demnach muß ich eine Kiste beschaffen lassen, einen Verschlag, wie es im Dienstschreiben heißt! In diesem Verschlag muß der Prota von S. dem Regimentskommando eingeliefert werden! Laut Befehl!“

„Bog, bog!“[7] jammerte der Erzpriester beweglich und rang die Hände.

„Nur ruhig, lieber Prota! Ich bin kein Freund von Grausamkeiten, hasse jede Brutalität! Demnach verfüge ich, daß der Prota bis eine Viertelstunde des Weges vor Karlstadt inmitten des Militärpiketts auf dem Wagen fährt, dort aber in die Kiste kriecht und im befohlenen ‚Verschlag‘ nach Karlstadt in die Regimentskanzlei gebracht wird! Halte Er sich bereit! In einer Stunde geht der militärische Transport ab! Pelz mitnehmen, Prota, denn es ist verdammt frisch! Wünsche wohl zu speisen!“

Der alte Erzpriester hatte eine Träne im Auge und bittere Angst im Herzen, als er die Kanzlei verließ und zum Pfarrhause wankte. Jovo mußte den merkwürdigen Befehl abschreiben, worauf der Kommandant die Kopie verglich und den Wortlaut mit Unterschrift und Dienstsiegel beglaubigte. Die Abschrift erhielt der Transportführer eingehändigt behufs Legitimierung dieses — Pfaffentransportes. Dazu scharfe Befehle betreffend schonendster Behandlung des Prota, der erst kurz vor Karlstadt in die Kiste einzuschließen sei.

Auch dieser Unteroffizier, ein Graničar aus der Korbava, machte ein höchst verblüfftes Gesicht und große Augen. Der Mund stand weit offen.

Mit einer Bedeckung von sechs Mann Grenzsoldaten in voller Wehr, mit scharfen Patronen und „aufgepflanztem Bajonett“, in der Mitte der zweispännige Wagen mit dem Prota und der Kiste, ging unter Führung des Korporals der seltsame Transport ab.

Im Städtchen S. zerbrach man sich die Köpfe darüber.

Tonidandel rieb sich in seiner curia nobilis sehr vergnügt die Hände.

Den armen Prota als Opfer hoffte er später entschädigen zu können. Dem

Regimentschef aber gönnte Attilius den unausbleiblichen Ärger von ganzem

Herzen.

Behaglich speiste der Kommandant zu Mittag, schlief auch noch ein

Stündchen. Dann aber erteilte er Befehl, daß morgen ab acht Uhr früh ein

berittenes Pikett marschbereit zu sein habe, und zwar zu seiner

Begleitung auf dem Ritt nach Karlstadt. Denn Attilius ahnte etwas….

Noch vor Tagesbeginn bei dichtestem Karstnebel traf auf dampfendem Pferde ein Meldereiter in S. ein, der dem Kompagniechef einen Befehl überbringen sollte. Tonidandels Diener ließ aber auftragsgemäß den erwarteten Meldereiter nicht vor und verwies ihn in den Stall mit dem Bedeuten, daß der Befehl erst um acht Uhr überreicht werden dürfe.

Lautete doch Tonidandels Leibspruch. Nur nichts überhudeln beim Militär.

Punkt acht Uhr ritt der Kommandant wohlbewaffnet mit Sattelpistolen und mit dem Regimentsbefehl betreffend Ablieferung des alten Pfaffen im Waffenrocke, begleitet von sechs berittenen Graničaren nach Karlstadt ab. Gemächlich und trotz des Karstnebels recht vergnügt. Zeitweilig im Trabe, meist aber im Schritt! Nur nichts überhudeln!

Wütend zum Bersten wartete der Oberst K., ein graubärtiger, dicker Herr mit struppigen Haaren und sehr liebebedürftigem Herzen, auf den Kompagniekommandanten, über den sich ein militärisches Gewitter sondergleichen entladen sollte. Wegen Verhöhnung des Vorgesetzten!

Tonidandel wurde „angehaucht und zusammengestaucht,“ daß die Fenster in der Regimentskanzlei klirrten. Attilius stand wie aus Erz gegossen, muckste nicht und ließ den Regimentschef nach Herzenslust wettern, schimpfen, fluchen und drohen.

Bis der Oberst keinen Atem mehr hatte, nach Luft rang und stöhnte.

Dann sprach Tonidandel. „Zu Befehl, Herr Oberst! Befehl ist Befehl! Hier ist der mir zugegangene Regimentsbefehl! Ich bitte gehorsamst, das Originalschriftstück lesen zu wollen!“

Knirschend vor Wut griff der Oberst nach dem Dienstschreiben und las es zornfunkelnden Auges. Und heiseren Tones stieß er hervor: „Allerdings! Es steht ‚Pfaffen‘ geschrieben! Herr Hauptmann hätten aber doch unschwer den — Schreibfehler erkennen können und sollen! Statt ‚Pfaffen‘ muß es heißen: Waffen! Wo bleibt die Intelligenz? Wo das höhere Erfassen? Den Kerl von Regimentsschreiber laß ich in Eisen legen! Ich danke, Herr Hauptmann!“

„Zu Befehl, Herr Oberst!“ sprach Tonidandel, salutierte stramm und schloß dabei die vergnügt lachenden Augen.

„Danke! Werde das nicht vergessen! Auch nicht den Auflauf der

Bevölkerung in Karlstadt bei Einlieferung des Prota in einer — Kiste!

Schauderhaft! Eine Blamage für mich, die ich Ihnen zu verdanken habe!“

„Bedaure sehr, Herr Oberst! Befehl ist Befehl! Ich bin seit vierzig

Jahren gewohnt, Befehle genau nach Vorschrift zu befolgen! Ich bin….“

„Des Teufels sind Sie, Herr! Danke, Herr Hauptmann!“

Tonidandel verbiß das Lachen und griff nach der Türklinke. Da trat der zornige Oberst an Tonidandel heran und zischte ihm ins Ohr: „Und was ich Ihnen nie vergeben werde, ist, daß ich das arme Opfer Ihrer Bosheit entschädigen mußte! Mit hundert Gulden! Scheußlich!“

„Das freut mich….“

„Was? Auch das noch!“

„… für den Prota, der ein bettelarmer Mann ist und die hundert Gulden als Wohltat empfanden wird! Ich werde ihm fünfzig Gulden schenken! Gehorsamst guten Tag, Herr Oberst!“ Damit drückte sich Tonidandel zur Tür hinaus und lachte ein stilles, beseligendes, göttliches Lachen der reinsten Schadenfreude….

Auf die Rache des Regimentschefs, der mit der Sendung des „Pfaffen in der Kiste“ so schön verulkt worden war, harrte Attilius Tonidandel gleich nach seiner Ankunft in S. Aber der erwartete Gegenstreich erfolgte nicht. Sogar die Regimentsbefehle blieben aus. Diese Tatsache bestärkte Tonidandels Überzeugung, daß sich die Institution der Militärgrenze bereits überlebt habe und reif zur Aufhebung geworden sei. Mit dieser Auffassung eilte der Kommandant, was er nicht wissen konnte, den Ereignissen um reichlich vierzig Jahre voraus.

Tag für Tag brachte die Militärpost von Karlstadt die leere Tasche aus der Regimentskanzlei. Darob wurde Hauptmann Tonidandel nun doch stutzig und nachdenklich. Und je mehr er grübelte, desto mehr kräftigte sich die Überzeugung, daß der reingelegte Oberst diese stille Zeit zur Ausbrütung eines besonderen Racheplanes benützen werde.

Furcht kannte Tonidandel als alter „Haudegen“ nicht; er war bereit, jeden Stoß des ihm aufsässigen Chefs kräftig aufzufangen und tüchtig zu erwidern. Umkehren den Spieß im richtigen Augenblick und zustoßen, auf daß der Oberst abermals in den Sand fliegt. Mißlich konnte die „Vergeltung“ des Chefs nur dann werden, wenn sie in die Winterszeit fallen würde. Den schrecklichen Winter in der Lika mit fürchterlichen Stürmen und ungeheurem Schneefall kannte der Kommandant seit Jahren und genauer, als ihm lieb war.

Eines trüben Tages, da schüchterne Schneeflocken zaghaft in die blaugraue Korana fielen, brachte die Militärpost endlich einen Regimentsbefehl aus Karlstadt an den Kommandanten der Kompagnie. In größter Spannung las Tonidandel sehr aufmerksam das Dienstschreiben Wort für Wort, lauernd wie ein Luchs, erwartungsvoll wie nie im Dienstleben an der Militärgrenze. Doch nichts von „Revanche“ war zu finden, keine „Falle“ zu entdecken. Nicht einmal ein Schreibfehler ähnlich Pfaffen = Waffen.

Geradezu harmlos war der Auftrag, einen Dorfpopen im Bezirke wegen ungenügender Führung der Tauf-, Ehe- und Sterberegister zur Verantwortung zu ziehen, Ordnung zu schaffen und über das Ergebnis der Untersuchung sowie Strafantrag an das Regimentskommando erschöpfend zu berichten. Der zweite Teil des Dienstschreibens enthielt den Befehl zur Aufstellung von Detachements in mehreren, eigens benannten Dörfern, von sogenannten Räuberkommandos zur Unterdrückung von Räubereien.

Diesen Befehl las Tonidandel immer wieder, wobei er sich an den Kopf griff. Der Zweck dieses Befehles war unfaßlich, denn seit Jahrzehnten gab es in der Lika keine Räuber mehr; Leute, auch Graničari, die „sich etwas verschaffen“ bei guter Gelegenheit, genug, aber keine Räuber. Sinn und Zweck soll aber ein Befehl haben!

Tonidandel fragte sich, ob in diesem Teile des Befehls vielleicht die „Revanche“ stecke, ob in der Aufstellung von Räuberkommandos die Rache des Regimentschefs zu suchen sei. Nichts war zu entdecken, der Befehl im ersten Teile harmlos, in der anderen Hälfte unsinnig und zwecklos, da es keine Räuber gab. „Aber Befehl ist Befehl!“

Vorsichtig wollte Tonidandel vorgehen, mißtrauisch, ohne Fehler, ohne

Übergriffe.

Ungewöhnlich konnte der Auftrag zur Kontrolle der Amtsführung eines

Dorfpfarrers nicht genannt werden; denn der Militärverwaltung in der

Militärgrenze war alles unterstellt: Männer, Frauen und Kinder, alle

Stände, Klerus, Stadtbürger und Landvolk. Demnach war das

Regimentskommando nicht nur „kompetent“, sondern auch verpflichtet, die

Dienstgeschäfte der Pfarrer zu überwachen, Ordnung zu schaffen,

besonders dann, wenn Beschwerden eingelaufen waren.

Tonidandel vermutete, daß just über den im Befehle genannten Popen namens Vid (Veit) Denunziationen in Karlstadt eingelaufen sein dürften, und daß dieser Pope möglicherweise kein ordnungsgemäß geprüfter Priester von normaler Ausbildung, sondern nur ein Protektionskind ohne Fachbildung sein werde.

In diesem Falle war besondere Vorsicht angezeigt, um nicht gegen den —

Protektor zu verstoßen.

Tonidandel ersah aus der Bezirkskarte, daß die „Inspektions“reise zum Amtssitz des Popen Vid mindestens drei Tage beanspruchen werde. Er übertrug daher die Dienstgeschäfte der Kompagniekommandantur dem Hauptmann Pegan und trat dann mit üblicher Bedeckung die Reise zu Pferd an.

Ein erbärmliches Nest war das Dorf; die Holzhäuser tief im Boden steckend, meist nur ein Gelaß enthaltend, mit Stroh oder Dünger gedeckt. Der Fürsorge der Militärverwaltung entsprachen nur die Kirche und die steingefügten Häuser für den Popen und für die Schule.

Der langhaarige und bärtige Pope Vid sprang wie ein gehetzter Hirsch herbei, als Hauptmann Tonidandel mit sechs Soldaten am Pfarrhause hielt. Überschwenglich und untertänig begrüßte der Pope den „erlauchten“ und gnädigen Herrn, völlig nach Domestikenart, unterwürfig und kriechend.

Barsch fragte Tonidandel in dem üblichen Gemisch von Militärdeutsch und Likaner Kroatisch, ob der Pope Vid heiße und der Pfarrer dieses Dorfes sei.

„Gehorsamst aufzuwarten, gnädiger Herr! Ich bin der Pope dieses Dorfes auf Empfehlung des hochwürdigsten Archimandriten durch die Gnade des erlauchten Chefs des Likaner Regiments, des gnädigsten Herrn Oberst K. in Karlstadt! Womit kann ich Euer Hochwohlgeboren dienen! Ich bitte um die hohe Ehre, die Schwelle meines Hauses überschreiten zu wollen!“

Den Hinweis auf die Ernennung zum Popen durch den Regimentschef K. hielt Tonidandel einstweilen für eitel Prahlsucht. Sein Pferd und die Bedeckungsmannschaft schickte der Offizier in das Dorfgasthaus. Und sofort machte sich Tonidandel an die Erledigung der Dienstgeschäfte, die für einen Offizier ebenso seltsam wie lästig waren.

Der Forderung, die Register (Pfarrmatrikel) vorzulegen, suchte sich der

Pope zu entziehen mit dem Hinweise, daß er — kein Freund von

Schreibereien sei und um keinen Preis der Welt den gnädigen Herrn

Kommandanten belästigen wolle.

Scharf bestand Tonidandel auf der Vorlage der Pfarregister. Der Pope wand und krümmte sich. Und er jammerte: „Halten zu Gnaden, erlauchter Herr Hauptmann! Die Matrikel, so Euer Herrlichkeit wünschen, ist ganz überflüssig, also nicht vorhanden!“

„Waaas? Wieso?“

„Halten zu Gnaden, Erlaucht! Li ja baš tako![8] Ganz überflüssig! Wird ein Kind geboren, so taufe ich es, das Kind ist da, braucht also nicht aufgeschrieben werden, weil es da ist! Stirbt einer in meiner Gemeinde, so ist er weg; den Toten schreibe ich nicht auf, weil er eben weg ist!“

„Prachtvoll!“ höhnte Tonidandel.

„Danke gehorsamst für diese Anerkennung Euer Erlaucht! Sie freut mich sehr!“

„Und die Hochzeiten! Werden diese auch nicht aufgeschrieben?“

„Nur die Namen, von wegen der Gebühren, wenn die Paare nicht gleich bezahlen! Die Zahlung ist die Hauptsache! Wovon soll ein armer Pop leben?“

„Eine interessante Wirtschaft in einem Pfarramt!“

„Ich danke untertänigst! Aber interessant ist bei mir nichts, das

Einkommen schlecht!“

„Wo hat Er denn studiert?“

„Gehorsamst aufzuwarten, beim Archimandriten!“

„Wie? Unbegreiflich! Zeig' Er mir seinen Lehrbrief!“

„Halten zu Gnaden, Herrlichkeit! Ich besitze ein solches Dokument nicht!“

„Tod und Teufel! Also hat Er Theologie gar nicht gelernt!“

„Zu dienen, Erlaucht! Der hochwürdigste Archimandrit hat mich höchstpersönlich unterrichtet, hat mich gelehrt: Messe lesen, Predigen, alle praktischen Funktionen, die ein Pop wissen und ausüben muß! Ganz praktisch, nur praktisch! Ein Dokument hierüber haben mir der hochwürdigste Archimandrit nicht auszufertigen geruht!“

„Warum hat Ihn der Archimandrit in so auffallender Weise sozusagen — abgerichtet?“

„Aus Dankbarkeit!“

„Wie? Was? Wie kommt ein Archimandrit dazu, einem Menschen wie Ihm — so sonderbar zu Dank verpflichtet zu sein?“

„Das kann ich Euer Herrlichkeit nur ins — Ohr sagen, denn es muß das ein

Geheimnis bleiben!“

Und ehe der Offizier diese widerliche Zudringlichkeit verhindern konnte, hatte ihm der Pope das — Geheimnis ins Ohr geflüstert.

Erst starrte der Hauptmann den sonderbaren „Pfarrer“ an, verblüfft in hohem Maße; dann aber lachte Tonidandel, daß ihm das Wasser aus den Augen schoß.

Zum Schlusse dieser denkwürdigen Pfarrmatrikelkontrolle bestand der

Offizier auf der Einhändigung des Ernennungsdekretes.

Dieses Dokument lieferte der Pope ersichtlich ungern, zögernd und wider

Willen ab.

Ein Blick auf Dienstsiegel und Unterschrift. Und Tonidandel frohlockte.

Es stimmte genau; der Oberst K., kein anderer, hatte dieses Monstrum von

Theologen zum Pfarrer ernannt. Und den Popen Vid mußte er völlig

vergessen haben: denn sonst würde er den Hauptmann nicht auf das —

Protektionskind gehetzt, Kontrolle und Bestrafung angeordnet haben.

Wegen der weiteren Erledigung dieser Angelegenheit, erklärte der

Offizier, daß ein Bescheid dem — „Pfarrer“ schriftlich zugehen werde.

Das Ernennungsdekret nahm er mit.

Wie zu Stein erstarrt blieb der Pope stehen, als der Hauptmann lachend das Pfarrhaus verließ….

Zwei Tage später schrieb Tonidandel in der Kanzlei zu S. den gewünschten Bericht an das Regimentskommando in Karlstadt. Zwar nicht „erschöpfend“, aber sarkastisch, knapp und sehr verständlich. Der Inhalt lautete ungefähr: Eine Pfarrmatrikel gibt es im Dorfe …. nicht; der mit Dekret des Regimentskommandanten, des Herrn Oberst K. zum — Pfarrer ernannte Jaša Vid war früher durch viele Jahre Kutscher beim Archimandriten …., der den Vid aus Dankbarkeit zum Popen abrichtete, weil der Vid niemals einen — Lohn für seine Kutscher- und Hausknechtsarbeit erhalten hat. Deshalb besitzt der Vid auch keinen theologischen Lehrbrief und keine theologischen Kenntnisse. Vid behauptet, daß der Archimandrit ihn dem Herrn Regimentschef empfohlen habe. Die Bestrafung wegen ungenügender Matrikelführung wolle das hohe Regimentskommando vornehmen.

Bezüglich der Errichtung von Räuberkommandos wird gehorsamst bemerkt, daß es im Dienstbereiche des Kompagniekommandos S. Räuber nicht gibt.

Deshalb wird gehorsamst um Angabe der Dörfer gebeten, in die zwecklos

Detachements gelegt werden sollen….

Lachend fügte Tonidandel diesem Schriftstück das Dienstsiegel des

Kompagniekommandos und seine Unterschrift bei.

Das Städtchen S. und die Lika wurden bald darauf eingeschneit, von allem Verkehr gänzlich abgeschnitten. Wochen vergingen. Und als erstmals wieder auf Schlitten die Militärpost aus Karlstadt nach S. kam, enthielt die Posttasche unter anderm ein Schriftstück, das den Befehl zur Aufstellung von Räuberkommandos widerrief und dem Kompagniekommando mitteilte, daß Oberst K. unter Beförderung zum Generalmajor nach Wien versetzt worden sei. Also war Hauptmann Tonidandel seinen „Befehlsgeber“ und Peiniger los geworden.

Fußnoten:

[1] Starešina (gesprochen Starjeschina) = Oberhaupt, Gemeindesvorsteher, Bürgermeister, Dorfältester, auch Befehlshaber. Es muß der Starešina nicht immer ein alter Mann sein, soll sich aber in „gesetzten“ Jahren befinden. Der Südslave verehrt nur den Alten, der in bester Lebenskraft voll und ganz seinen Mann gestellt, Großes geleistet hat.

Aus Kroatien

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