Читать книгу Sherlock Holmes' Buch der Fälle - Arthur Conan Doyle, Исмаил Шихлы - Страница 4

Der illustre Klient

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»Jetzt kann es keinen Schaden mehr anrichten«, lautete Mr. Sherlock Holmes' Kommentar, als ich wohl zum zehnten Mal in ebenso vielen Jahren seine Einwilligung erbat, die folgende Geschichte zu enthüllen. So erhielt ich endlich doch noch die Erlaubnis, das schriftlich festzuhalten, was in mancherlei Hinsicht den Höhepunkt in der Laufbahn meines Freundes bezeichnete.

Sowohl Holmes als auch ich hatten eine Schwäche für das türkische Dampfbad. Nirgendwo sonst habe ich ihn weniger verschwiegen und menschlicher erlebt als beim Rauchen in der wohligen Schlaffheit des Ruheraumes. Im oberen Stockwerk des Etablissements in der Northumberland Avenue gibt es eine abgesonderte Ecke, wo zwei Liegesofas nebeneinander stehen, und auf ebendiesen lagen wir am 3. September 1902, dem Tag, da meine Geschichte beginnt. Ich hatte ihn gefragt, ob es irgend etwas Aufregendes gebe, und als Antwort war aus den Laken, die ihn umhüllten, sein langer, dünner, sehniger Arm geschossen und hatte aus der Innentasche seines neben ihm hängenden Mantels einen Briefumschlag gezogen.

»Vielleicht handelt es sich nur um einen grundlos aufgeregten, wichtigtuerischen Narren, vielleicht geht es aber auch um Leben oder Tod«, sagte er, als er mir das Billett reichte. »Mehr als das, was diese Nachricht mir mitteilt, weiß ich nicht.«

Sie kam aus dem Carlton Club und datierte vom vergangenen Abend. Folgendes las ich:

Sir James Damery empfiehlt sich Mr. Sherlock Holmes und beabsichtigt, ihn morgen um 16.30 Uhr aufzusuchen. Sir James erlaubt sich zu erwähnen, daß die Angelegenheit, in der er Mr. Holmes zu konsultieren wünscht, höchst delikat und überdies äußerst wichtig ist. Er hofft daher zuversichtlich, daß Mr. Holmes sein Bestes tun wird, diese Unterredung zu gewähren, und daß er dies durch einen telephonischen Anruf im Carlton Club bestätigt.

»Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, daß ich es bestätigt habe, Watson«, sagte Holmes, als ich ihm das Papier zurückgab. »Wissen Sie irgend etwas über diesen Damery?«

»Nur, daß sein Name in der Gesellschaft geläufig ist.«

»Na, da kann ich Ihnen noch etwas mehr verraten. Er genießt einen ziemlichen Ruf als Vermittler bei delikaten Angelegenheiten, die nicht in die Zeitung kommen sollen. Sie erinnern sich vielleicht an seine Verhandlungen mit Sir George Lewis über den Hammerford-Will-Fall. Er ist ein Mann von Welt mit einer natürlichen Veranlagung zur Diplomatie. Ich bin daher gewiß, daß dies keine falsche Fährte ist und daß er unseren Beistand auch wirklich benötigt.«

»Unseren?«

»Nun, wenn Sie die Güte hätten, Watson.«

»Es soll mir eine Ehre sein.«

»Na denn, die Stunde ist Ihnen bekannt – sechzehn Uhr dreißig. Bis dahin können wir die Angelegenheit vergessen.«

Ich hatte damals meine eigene Wohnung in der Queen Anne Street, fand mich jedoch schon vor der angegebenen Zeit in der Baker Street ein. Punkt halb fünf wurde Colonel Sir James Damery gemeldet. Ihn zu beschreiben, ist wohl kaum erforderlich, denn viele werden sich dieser stattlichen, freimütigen und rechtschaffenen Persönlichkeit erinnern, jenes breiten, glattrasierten Gesichtes und vor allem jener angenehmen, sanften Stimme. Offenheit strahlte aus den grauen irischen Augen, und gute Laune umspielte die lebhaften, lächelnden Lippen. Sein glänzender Zylinder, der dunkle Gehrock –: von der Perlennadel in der schwarzen Seidenkrawatte bis zu den lavendelfarbenen Gamaschen über den Lackschuhen besprach in der Tat jedes Detail die penible Sorgfalt seiner Kleidung, für die er berühmt war. Der große, gebieterische Aristokrat beherrschte das kleine Zimmer.

»Selbstverständlich war ich darauf vorbereitet, auch Dr. Watson anzutreffen«, bemerkte er mit einer höflichen Verbeugung. »Seine Mitarbeit ist vielleicht sogar höchst erforderlich; bei diesem Fall, Mr. Holmes, haben wir es nämlich mit einem Mann zu tun, für den Gewalt etwas Alltägliches bedeutet und der buchstäblich vor nichts zurückschreckt. Ich möchte behaupten, es gibt keinen gefährlicheren Mann in Europa.«

»Ich hatte bereits mehrere Gegner, auf die man diese schmeichelhafte Bezeichnung anwandte«, sagte Holmes lächelnd. »Sie rauchen nicht? Dann entschuldigen Sie bitte, wenn ich mir meine Pfeife anzünde. Wenn Ihr Mann gefährlicher ist als der verstorbene Professor Moriarty oder der noch lebende Colonel Sebastian Moran6, dann lohnt es sich in der Tat, ihn kennenzulernen. Darf ich fragen, wie er heißt?« »Haben Sie schon einmal von Baron Grüner gehört?« »Sie meinen den österreichischen Mörder?« Colonel Damery hob lachend die in Glacéhandschuhen steckenden Hände. »Ihnen entgeht wohl gar nichts, Mr. Holmes! Wundervoll! Sie halten ihn also bereits für einen Mörder?«

»Es gehört zu meinem Beruf, die Verbrechen auf dem Kontinent eingehend zu verfolgen. Wie könnte jemand, der irgend etwas über die Geschehnisse in Prag gelesen hat, noch an der Schuld dieses Mannes zweifeln! Es war doch lediglich ein juristischer Kunstkniff und der verdächtige Tod eines Zeugen, was ihn rettete! Ich bin so sicher, daß er seine Frau getötet hat, als sich der sogenannte ›Unfall‹ am Splügenpaß7 ereignete, als ob ich ihm dabei zugeschaut hätte. Ich wußte auch, daß er nach England gekommen war, und mir schwante bereits, daß er mir früher oder später zu schaffen machen würde. Nun, was hat Baron Grüner denn angestellt? Ich nehme doch an, man hat nicht diese alte Tragödie wieder aufgegriffen?«

»Nein, es handelt sich um etwas Ernsteres. Ein Verbrechen zu ahnden, ist wichtig; aber es zu verhindern, ist noch wichtiger. Es ist schrecklich, Mr. Holmes, wenn man erkennt, wie sich ein entsetzliches Ereignis, eine gräßliche Situation vor den eigenen Augen anbahnt; wenn man klar begreift, wohin das fuhren muß, und dennoch gänzlich außerstande ist, es abzuwenden. Kann ein Mensch in eine mißlichere Lage geraten?«

»Wahrscheinlich nicht.«

»Dann werden Sie dem Klienten, dessen Interessen ich vertrete, Ihr Mitgefühl nicht versagen.«

»Ich wußte nicht, daß Sie nur Vermittler sind. Wer ist denn Ihr Auftraggeber?«

»Mr. Holmes, ich muß Sie bitten, nicht auf dieser Frage zu bestehen. Es ist wichtig, daß ich ihm zusichern kann, daß sein angesehener Name auf keinen Fall in die Sache mit hineingezogen wird. Seine Beweggründe sind in höchstem Maße ehrenhaft und ritterlich, aber er zieht es vor, unerkannt zu bleiben. Ich brauche wohl nicht zu betonen, daß Ihr Honorar gesichert ist und daß man Ihnen vollkommen freie Hand läßt. Der wirkliche Name Ihres Klienten ist doch gewiß ohne Belang?«

»Bedaure«, sagte Holmes. »Ich bin es zwar gewohnt, daß bei meinen Fällen am einen Ende ein Rätsel steht; aber an beiden Enden – das ist zu verwirrend. Ich fürchte, Sir James, ich muß ablehnen.«

Unser Besucher war sehr verstört. Sein breites, empfindsames Gesicht verdüsterte sich vor Erregung und Enttäuschung.

»Sie sind sich der Konsequenz Ihrer Handlungsweise wohl kaum bewußt, Mr. Holmes«, sagte er. »Sie bringen mich in ein äußerst ernstes Dilemma – ich bin mir nämlich sicher, daß Sie den Fall mit Stolz übernähmen, wenn ich Ihnen die Fakten mitteilen könnte; aber ein Versprechen verbietet mir, sie gänzlich zu enthüllen. Darf ich Ihnen wenigstens das darlegen, was mir anzugeben möglich ist?«

»Durchaus, solange wir darüber einig sind, daß ich mich dadurch zu nichts verpflichte.«

»Das versteht sich von selbst. Zunächst einmal: Sie haben doch zweifellos schon von General de Merville gehört?«

»Der berühmte de Merville vom Khyberpaß8? Ja, ich habe von ihm gehört.«

»Er hat eine Tochter, Violet de Merville, jung, reich, schön, gebildet – ein Wunderweib in jeder Beziehung. Und just diese Tochter, dieses liebliche, unschuldige Mädchen aus den Klauen eines Satans zu retten, sind wir zur Zeit bemüht.«

»Dann hat also Baron Grüner eine gewisse Macht über sie?«

»Die stärkste aller Mächte, die für eine Frau von Belang sind – die Macht der Liebe. Der Bursche sieht, wie Sie vielleicht schon gehört haben, außerordentlich gut aus, hat bezaubernde Manieren, eine sanfte Stimme und jenes Air von Romantik und Geheimnis, das einer Frau so viel bedeutet. Es heißt, daß ihm das ganze weibliche Geschlecht zu Füßen liege und daß er sich diesen Umstand auch weidlich zunutze mache.«

»Aber wie kommt ein solcher Mann dazu, eine Lady vom Stand der Miss Violet de Merville kennenzulernen?«

»Es geschah auf einer Yachtreise im Mittelmeer. Obwohl es sich um eine geschlossene Gesellschaft handelte, bezahlte jeder die Passage selbst. Ohne Zweifel waren sich die Veranstalter über den wahren Charakter des Barons erst im klaren, als es zu spät war. Der Schurke nahm die Lady für sich ein, und das mit solchem Erfolg, daß er voll und ganz ihr Herz gewonnen hat. Die Feststellung, daß sie ihn liebt, drückt den Sachverhalt nur unzureichend aus. Sie ist vernarrt in ihn, sie ist von ihm besessen. Außer ihm gibt es nichts auf der Welt. Sie will kein Wort gegen ihn hören. Alles wurde bereits unternommen, um sie von ihrer Verrücktheit zu kurieren, aber vergeblich. Kurz, sie beabsichtigt, ihn nächsten Monat zu heiraten. Da sie volljährig ist und einen eisernen Willen hat, ist guter Rat teuer, wie man sie daran hindern könnte.«

»Weiß sie von der österreichischen Episode?«

»Der schlaue Teufel hat ihr von jedem schmutzigen öffentlichen Skandal seiner Vergangenheit erzählt; aber immer so, daß er sich dabei als unschuldigen Märtyrer darstellt. Sie nimmt ihm seine Version uneingeschränkt ab und will von keiner anderen hören.«

»Meine Güte! Aber ist Ihnen nun der Name Ihres Klienten nicht doch noch unabsichtlich entschlüpft? Zweifellos handelt es sich um General de Merville.«

Unser Besucher ruckte unruhig auf seinem Stuhl hin und her.

»Ich könnte Sie ja täuschen, indem ich es behauptete, Mr. Holmes; aber es wäre nicht die Wahrheit. De Merville ist ein gebrochener Mann. Der unbeugsame Soldat wurde von diesem Vorfall vollständig demoralisiert. Er hat den Mut, der ihn auf dem Schlachtfeld nie im Stich ließ, verloren und ist zu einem schwachen, zitternden Greis geworden, der völlig unfähig ist, es mit einem brillanten, kräftigen Halunken wie diesem Österreicher aufzunehmen. Mein Klient ist jedenfalls ein alter Freund – einer, der den General seit vielen Jahren genau kennt und an diesem jungen Mädchen, schon seit sie noch Kinderkleidchen trug, väterliches Interesse nimmt. Er kann nicht tatenlos mit ansehen, wie sich diese Tragödie vollzieht. Für Scotland Yard gibt es hierbei keinerlei Handhabe. Es war sein Vorschlag, Sie zu konsultieren; aber dies geschah, wie ich schon erwähnt habe, unter der ausdrücklichen Bedingung, daß er persönlich nicht in die Sache hineingezogen würde. Ich zweifle nicht daran, Mr. Holmes, daß Sie mit Ihren hervorragenden Fähigkeiten die Spur zu meinem Klienten mühelos zurückverfolgen könnten, aber ich muß Sie bitten, es als Ehrensache zu betrachten, daß Sie dies unterlassen und sein Inkognito nicht verletzen.«

Holmes lächelte verschmitzt.

»Ich glaube, das kann ich mit Sicherheit versprechen«, sagte er. »Ich möchte hinzufügen, daß mich Ihr Problem interessiert und daß ich bereit bin, mich damit zu befassen. Wie kann ich mit Ihnen in Verbindung bleiben?«

»Man findet mich über den Carlton Club. Aber für Notfalle gibt es einen privaten Telephonanschluß: XX.31.«

Holmes notierte die Nummer und saß, noch immer lächelnd, mit dem geöffneten Notizbuch auf dem Knie da.

»Und die gegenwärtige Adresse des Barons, bitte?«

»Vernon Lodge, in der Nähe von Kingston. Es ist ein großes Haus. Er hatte bei einigen ziemlich anrüchigen Spekulationen Glück und ist ein reicher Mann, was ihn natürlich zu einem noch gefährlicheren Gegner macht.«

»Hält er sich gegenwärtig zu Hause auf?«

»Ja.«

»Können Sie mir abgesehen von dem, was Sie mir bereits mitgeteilt haben, noch weitere Informationen über den Mann geben?«

»Er hat kostspielige Neigungen. Er ist Pferdezüchter. Eine kurze Zeit lang spielte er Polo in Hurlingham, aber dann erregte diese Prager Affäre Aufsehen, und er mußte damit aufhören. Er sammelt Bücher und Gemälde. Er hat auch eine ausgeprägte künstlerische Seite. Er ist, soviel ich weiß, eine anerkannte Autorität für chinesische Keramik und hat darüber bereits ein Buch geschrieben.«

»Ein vielseitiger Geist«, sagte Holmes. »Das haben alle großen Verbrecher so an sich. Mein alter Freund Charlie Peace9 war ein Violinvirtuose. Wainwright10 war kein übler Künstler. Ich könnte noch viele anführen. Nun gut, Sir James, Sie können Ihrem Klienten ausrichten, daß ich mein Augenmerk auf Baron Grüner richten werde. Mehr kann ich jetzt nicht sagen. Ich besitze ein paar eigene Informationsquellen und glaube, wir werden Mittel und Wege finden, die Sache in Gang zu setzen.«

Als unser Besucher gegangen war, saß Holmes so lange in tiefen Gedanken da, daß es mir vorkam, als habe er meine Anwesenheit vergessen. Aber schließlich fand er unvermittelt auf den Boden der Wirklichkeit zurück. »Na, Watson, schon eine Idee?« fragte er.

»Ich würde es für das beste halten, wenn Sie einmal mit der jungen Lady selbst sprächen.«

»Mein lieber Watson, wenn ihr armer alter gebrochener Vater sie nicht umstimmen kann, wie soll dann ich, ein Fremder, es schaffen? Falls jedoch alle Stricke reißen, hat der Vorschlag etwas für sich. Aber ich glaube, wir müssen den Hebel woanders ansetzen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß Shinwell Johnson uns dabei weiterhilft.«

Ich hatte in diesen Memoiren noch keine Gelegenheit, Shinwell Johnson zu erwähnen, weil ich meine Darstellungen nur selten den späteren Phasen der Karriere meines Freundes entnommen habe. Er wurde während der ersten Jahre dieses Jahrhunderts zu einem wertvollen Gehilfen. Johnson, ich sage es mit Bedauern, machte sich zuerst als sehr gefährlicher Schurke einen Namen und büßte zweimal eine Strafe in Parkhurst11 ab. Schließlich bereute er und verbündete sich mit Holmes, indem er als sein Agent in Londons riesiger Unterwelt agierte und zu Informationen gelangte, die sich oft als lebenswichtig erwiesen. Wäre Johnson ein Polizeispitzel gewesen, hätte man ihn bald entlarvt; aber da er sich nur auf Falle einließ, die nicht gleich vor Gericht kamen, wurden seine Aktivitäten von seinen Kumpanen niemals bemerkt. Der Glanz seiner beiden Verurteilungen verschaffte ihm Zutritt zu jedem Nachtclub, jeder Absteige und jeder Spielhölle der Stadt, und seine scharfe Beobachtungsgabe sowie sein rascher Verstand machten ihn zu einem idealen Agenten für die Beschaffung von Informationen. Und just an diesen Mann gedachte Sherlock Holmes sich nun zu wenden.

Es war mir nicht möglich, Holmes' unmittelbar anschließende Schritte zu verfolgen, da ich meinerseits einige dringende berufliche Verpflichtungen hatte; aber ich traf ihn, wie verabredet, noch am gleichen Abend im Simpson's, wo wir an einem kleinen Tisch am Vorderfenster saßen, auf den dahinrauschenden Lebensstrom des Strand12 hinabblickten und er mir einiges von dem erzählte, was inzwischen geschehen war.

»Johnson ist schon auf der Pirsch«, sagte er. »Er wird in den dunkleren Schlupfwinkeln der Unterwelt wohl manchen Unrat auflesen, denn genau dort unten, inmitten der schwarzen Wurzeln des Verbrechens, müssen wir auf die Geheimnisse dieses Mannes Jagd machen.«

»Wenn aber die Lady nicht glauben will, was längst bekannt ist, warum sollte dann irgendeine neue Enthüllung von Ihnen sie von ihrem Vorsatz abbringen?«

»Wer weiß, Watson? Frauenherz und Frauensinn sind dem Manne unlösbare Rätsel. Sie mögen einen Mord verzeihen oder rechtfertigen; aber irgendein geringeres Vergehen kann ihr Herz zernagen. Baron Grüner sagte mir ...«

»Er sagte Ihnen!«

»Ach so, natürlich, ich hatte Ihnen ja nichts von meinen Plänen erzählt. Tja, Watson, ich liebe nun mal die direkte Auseinandersetzung mit meinem Gegner. Ich stehe ihm gerne Auge in Auge gegenüber und deute mir selbst den Stoff, aus dem er gemacht ist. Nachdem ich Johnson seine Instruktionen erteilt hatte, nahm ich eine Droschke nach Kingston und traf den Baron in höchst leutseliger Stimmung an.«

»Wußte er, wer Sie sind?«

»Das war nicht schwierig, ich habe ihm nämlich einfach meine Karte geschickt. Er ist ein vortrefflicher Gegner, eiskalt, mit seidenweicher Stimme; er wirkt besänftigend wie eine Ihrer ärztlichen Autoritäten und ist gleichwohl giftig wie eine Kobra. Er besitzt Lebensart – ein echter Aristokrat des Verbrechens, der einem obenhin den Nachmittagstee anbietet, während darunter die ganze Grausamkeit des Grabes lauert. Ja, ich bin froh, daß meine Aufmerksamkeit auf Baron Adelbert Grüner gelenkt worden ist.«

»Sie sagen, er war leutselig?«

»Ein schnurrender Kater, der sich seiner Mäuse sicher fühlt. Die Leutseligkeit mancher Menschen ist tödlicher als die Gewalttätigkeit gröberer Seelen. Seine Begrüßung war charakteristisch. ›Ich dachte mir fast, daß ich Sie früher oder später kennenlernen würde, Mr. Holmes‹, sagte er. ›Zweifellos hat Sie General de Merville engagiert, damit Sie sich bemühen, meine Heirat mit seiner Tochter Violet zu verhindern. So ist es doch, nicht wahr?‹

Ich gab es zu.

›Mein Lieber‹, sagte er, ›Sie werden sich dabei nur Ihren wohlverdienten Ruf ruinieren. Das ist kein Fall, den Sie erfolgreich abschließen könnten. Fruchtlose Arbeit käme auf Sie zu, zu schweigen von mancher Gefahr, der Sie sich aussetzen würden. Lassen Sie mich Ihnen aufs nachdrücklichste raten, sich unverzüglich aus der Sache zurückzuziehen.‹

›Seltsam‹, antwortete ich, ›aber genau diesen Rat wollte ich Ihnen eigentlich geben. Ich achte Ihren Verstand hoch, Baron, und das wenige, was ich von Ihrer Person bis jetzt kennengelernt habe, hat meine Wertschätzung nicht verringert. Ich will von Mann zu Mann an Sie appellieren. Niemand möchte Ihre Vergangenheit aufrühren und Ihnen unnötige Unannehmlichkeiten bereiten. Das ist vorbei, und die Wogen haben sich nun geglättet für Sie; aber wenn Sie auf dieser Heirat bestehen, werden Sie einen Schwarm von mächtigen Feinden heraufbeschwören, die Sie so lange nicht in Ruhe lassen, bis Ihnen der Boden Englands zu heiß geworden ist. Ist das die Sache wert? Sie täten wahrhaftig klüger daran, die Lady in Ruhe zu lassen. Es wäre nicht angenehm für Sie, wenn man sie mit den Taten Ihrer Vergangenheit bekanntmachen würde.‹

Der Baron trägt einen Schnurrbart mit kleinen gewichsten Spitzen – wie die kurzen Fühler eines Insekts. Diese zitterten vor Vergnügen, während er zuhörte; schließlich brach er in ein leises Kichern aus.

›Entschuldigen Sie meine Heiterkeit, Mr. Holmes‹, sagte er, ›aber es ist wirklich drollig anzuschauen, wie Sie ohne ein Blatt in der Hand versuchen, Ihre Karten auszuspielen. Ich glaube zwar nicht, daß dies irgend jemand besser könnte als Sie, aber ziemlich rührend ist es trotzdem. Keinen einzigen Trumpf in der Hand, Mr. Holmes, nichts als die allerschlechtesten Karten.‹

›Das glauben Sie.‹

›Das weiß ich. Lassen Sie sich das von mir klar gesagt sein; mein eigenes Blatt ist nämlich so stark, daß ich mir leisten kann, es aufzudecken. Ich war so glücklich, die völlige Zuneigung dieser Lady zu gewinnen. Und die schenkte sie mir trotz der Tatsache, daß ich ihr ganz offen von all den unglücklichen Vorfallen meiner Vergangenheit erzählt habe. Ich sagte ihr auch, daß gewisse böswillige und hinterhältige Personen – ich hoffe, Sie erkennen darin sich selbst wieder – zu ihr kommen und ihr all diese Dinge erzählen würden, und habe sie darauf hingewiesen, wie man diesen Leuten begegnet. Sie haben doch schon einmal von posthypnotischer Suggestion gehört, Mr. Holmes? Nun, Sie werden ja sehen, wie sie wirkt; ein Mann von Persönlichkeit kann von der Hypnose nämlich ohne vulgäre Handauflegungen und Mätzchen Gebrauch machen. Sie ist also auf Sie vorbereitet und wird Ihnen wohl, daran zweifle ich nicht, eine Zusammenkunft gewähren, da sie ja dem Willen ihres Vaters absolut ergehen ist – mit Ausnahme dieser einen kleinen Sache.‹

Tja, Watson, mehr gab es anscheinend nicht zu sagen, deshalb verabschiedete ich mich mit so viel kalter Würde, wie ich nur aufbringen konnte; doch als ich die Hand bereits an der Türklinke hatte, hielt er mich auf.

›Übrigens, Mr. Holmes‹, sagte er, ›kannten Sie Le Brun, den französischen Agenten?‹

›Ja‹, sagte ich.

›Wissen Sie auch, was ihm zugestoßen ist?‹

›Ich habe gehört, daß er im Stadtteil Montmartre von einigen Apachen niedergeschlagen und lebenslänglich zum Krüppel gemacht wurde.‹

›Sehr richtig, Mr. Holmes. Ein merkwürdiger Zufall wollte es, daß er sich erst eine Woche zuvor noch eingehend mit meinen Angelegenheiten beschäftigt hatte. Lassen Sie es bleiben, Mr. Holmes; es bringt kein Glück. Schon manche haben diese Erfahrung gemacht. Mein letztes Wort an Sie lautet: Gehen Sie Ihrer Wege, und lassen Sie mich die meinigen gehen. Good bye!‹ So, das wär's, Watson. Nun sind Sie auf dem laufenden.«

»Der Bursche scheint gefährlich zu sein.«

»Überaus gefährlich. Einem Großmaul schenke ich keine Beachtung, aber der hier gehört zu der Sorte von Männern, die weniger sagen, als sie eigentlich denken.«

»Müssen Sie sich denn unbedingt einmischen? Ist es denn wirklich so wichtig, ob er das Mädchen heiratet?«

»Wenn ich in Betracht ziehe, daß er seine letzte Ehefrau ohne jeden Zweifel ermordet hat, würde ich sagen, es ist sehr wichtig. Außerdem, der Klient! Je nun, wir brauchen das nicht weiter zu erörtern. Wenn Sie Ihren Kaffee getrunken haben, kommen Sie am besten mit mir nach Hause; vermutlich wartet dort nämlich schon der muntere Shinwell mit seinem Bericht.«

Wir trafen ihn tatsächlich an – ein riesiger, ungeschlachter, vom Skorbut befallener Mann mit rotem Gesicht und einem Paar lebhafter schwarzer Augen, die als einziges äußeres Kennzeichen seine außerordentliche Gerissenheit verrieten. Er war anscheinend in sein ganz spezielles Reich hinabgetaucht: Neben ihm auf dem Sofa saß ein Musterexemplar, das er mit heraufgebracht hatte, eine schlanke, flammenartige junge Frau mit blassem, angespanntem Gesicht; es war jugendlich und doch schon so ausgelaugt von Sünde und Sorge, daß man ablesen konnte, was für schreckliche Jahre ihre leprösen Spuren hinterlassen hatten.

»Das ist Miss Kitty Winter«, sagte Shinwell Johnson, indem er sie mit einem Wink seiner feisten Hand vorstellte. »Was die nicht alles weiß ... Na, das kannse ja selber sagen. Hab sie schnurstracks aufgetrieben, noch nicht mal 'ne Stunde nach Ihrer Nachricht.«

»Bin ja auch leicht zu finden«, sagte die junge Frau. »Hölle, Zweigstelle London, das geht nie fehl. Gleiche Adresse wie Porky Shinwell. Wir sind ja auch alte Kumpel, Porky, du und ich. Aber potz Teufel! Da gibt's einen, der müßt in einer noch schlimmeren Hölle schmoren als wir, wenn's in dieser Welt irgendeine Gerechtigkeit gab! Und das ist der Mann, hinter dem Sie her sind, Mr. Holmes.«

Holmes lächelte. »Demnach begleiten uns dabei Ihre guten Wünsche, Miss Winter.«

»Wenn ich mithelfen kann, ihn dahin zu bringen, wo er hingehört, bin ich bis zum letzten Schnaufer die Ihrige«, sagte unsere Besucherin mit wildem Nachdruck. In ihrem weißen, starren Gesicht und den lodernden Augen lag Haß von einer Intensität, zu der Frauen nur selten und Männer wohl nie fähig sind. »Sie brauchen nicht meine Vergangenheit auszuforschen, Mr. Holmes. Die tut hier nix zur Sache. Außer daß mich Adelbert Grüner zu der gemacht hat, die ich bin. Wenn ich ihn bloß mit runterziehen könnte!« Ihre Hände griffen wie rasend in die Luft. »Oh, wenn ich ihn nur in den Abgrund ziehen könnte, in den er schon so viele getrieben hat!«

»Sie wissen also, wie die Dinge liegen?«

»Porky Shinwell hat's mir gerade erzählt. Er ist hinter irgend'ner anderen armen Närrin her und will sie diesmal sogar heiraten. Und Sie wollen das durchkreuzen. Na, Sie wissen ja sicher genug über diesen Teufel, um zu verhindern, daß ein anständiges Mädchen, was noch bei Sinnen ist, mit ihm in derselben Kirche stehen möchte.«

»Sie ist aber nicht bei Sinnen. Sie ist wahnsinnig verliebt. Man hat ihr bereits alles über ihn erzählt. Es kümmert sie nicht.«

»Auch über den Mord?«

»Ja.«

»Mein Gott, muß die Nerven haben!«

»Sie tut das Ganze als Verleumdung ab.«

»Könnten Sie ihr nicht 'n Beweis vor die einfältigen Augen halten?«

»Nun, können Sie uns denn dabei helfen?«

»Bin ich nicht selbst Beweis genug? Wenn ich mich vor sie hinstelle und ihr erzähle, wie er mich benutzt hat ...«

»Das würden Sie tun?«

»Na, und ob!«

»Nun, einen Versuch könnte es wert sein. Er hat ihr allerdings die meisten seiner Sünden bereits gebeichtet, und sie hat sie ihm verziehen; ich nehme an, sie will diese Frage nicht wieder aufgreifen.«

»Ich könnt wetten, er hat ihr nicht alles gebeichtet«, sagte Miss Winter. »Ich hab nämlich ein oder zwei Morde so am Rand mitbekommen; und zwar andere als den einen, der so viel Wirbel gemacht hat. Ab und zu hat er in seiner samtweichen Art von jemand gesprochen und mich dann unverwandt angeguckt und gesagt: ›Noch im selben Monat war er tot.‹ Und das war nicht bloß heiße Luft. Aber es hat mich nicht weiter bekümmert – verstehen Sie, ich war ja damals selber in ihn verliebt. Mir war immer alles recht, was er getan hat, so wie dieser armen Närrin auch! Eins hat mich allerdings mal ins Wanken gebracht. Ja, potz Teufel! Wenn nicht sein giftiges, verlogenes Mundwerk gewesen war, mit dem er alles erklärt und einen einlullt, dann hätt ich ihn noch in derselben Nacht verlassen. Er hat da nämlich so 'n Buch – 'n braunes Lederbuch mit Verschluß und seinem Goldwappen obendrauf. Ich glaub, er war in der Nacht 'n bißchen betrunken, sonst hätt er mir's bestimmt nicht gezeigt.«

»Was war denn damit?«

»Ich sag Ihnen, Mr. Holmes, dieser Mann sammelt Frauen wie andere Leute Falter oder Schmetterlinge, und er ist ebenso stolz auf seine Sammlung. In dem Buch war alles drin. Schnappschüsse, Namen, ausführliche Beschreibungen – einfach alles über sie. 'n hundsgemeines Buch war das – 'n Buch, wie's nicht mal einer aus der Gosse hätt zusammenstellen können. Und trotzdem war das Adelbert Gruners Buch. ›Seelen, von mir zugrunde gerichtet‹ – das hätt er obendrauf schreiben können, wenn er gewollt hätt. Aber das tut hier nix zur Sache, das Buch würd Ihnen nämlich nix nützen, und selbst wenn – Sie kommen doch nicht ran.«

»Wo ist es?«

»Wie soll ich das wissen, wo's jetzt ist? Es ist ja schon mehr als ein Jahr her, daß ich ihn verlassen hab. Ich weiß, wo er's damals aufbewahrt hat. Er ist ja in vielen Dingen pingelig und säuberlich wie 'ne Katze, deshalb ist es vielleicht immer noch im Brieffach von dem alten Schreibpult im hinteren Arbeitszimmer. Kennen Sie sein Haus?«

»Ich war bereits in seinem Arbeitszimmer«, sagte Holmes.

»Wirklich? Da waren Sie aber schon ganz schön fleißig, wenn Sie erst heut früh angefangen haben. Vielleicht hat der liebe Adelbert diesmal seinen Meister gefunden. Das vordere Arbeitszimmer ist das mit dem chinesischen Geschirr – in dem großen Glasschrank zwischen den Fenstern. Und hinter'm Schreibtisch ist dann die Tür, die zum hinteren Arbeitszimmer führt – 'n kleiner Raum, wo er Papiere und anderen Kram aufbewahrt.«

»Hat er denn keine Angst vor Einbrechern?«

»Adelbert ist kein Feigling. Nicht mal sein schlimmster Feind könnt das von ihm behaupten. Er kann auf sich selber aufpassen. Für die Nacht ist 'ne Alarmglocke da. Außerdem, was gibt's dort für'n Einbrecher groß zu holen? Höchstens, daß er mit dem ganzen feinen Geschirr abhaut.«

»Lohnt sich nicht«, sagte Shinwell Johnson im entschiedenen Tonfall des Experten. »Kein Hehler will Ware, die er weder einschmelzen noch verkaufen kann.«

»Ganz recht«, sagte Holmes. »Nun denn, Miss Winter, wenn Sie morgen abend um fünf hierherkommen wollen, könnte ich in der Zwischenzeit darüber nachdenken, ob sich Ihr Vorschlag, die Lady persönlich aufzusuchen, nicht doch durchführen ließe. Ich bin Ihnen für Ihre Mitarbeit außerordentlich verbunden. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, daß meine Klienten eine großzügige Belohnung ...«

»Kein Wort davon, Mr. Holmes«, rief die junge Frau. »Ich bin nicht auf Geld aus. Ich will diesen Mann im Dreck liegen sehen, dann hab ich alles erreicht, was ich wollte – im Dreck, und mein Fuß auf seiner verfluchten Fratze. Das ist mein Lohn. Ich bin morgen dabei oder an jedem anderen Tag – so lang, wie Sie ihm auf der Spur sind. Porky hier kann Ihnen immer sagen, wo ich zu finden bin.«

Ich sah Holmes erst am folgenden Abend wieder, als wir erneut in unserem Restaurant am Strand speisten. Als ich ihn fragte, ob er mit seiner Unterredung Glück gehabt habe, zuckte er mit den Achseln. Dann erzählte er die Geschichte, die ich wie folgt wiedergeben möchte. Sein harter, trockener Bericht bedarf allerdings einer behutsamen auflockernden Bearbeitung, um ihn in die Ausdrucksweise des wirklichen Lebens zu überführen.

»Die Verabredung zu treffen, war überhaupt nicht schwierig«, sagte Holmes; »das Mädchen macht sich ein Vergnügen daraus, in allen nebensächlichen Dingen eine unterwürfige kindliche Gehorsamkeit an den Tag zu legen, mit der sie versucht, ihre krasse Widersetzlichkeit in Sachen Verlöbnis wiedergutzumachen. Der General rief an, daß alles bereit sei, und planmäßig erschien auch die feurige Miss W., so daß uns um halb sechs eine Droschke vor den Toren von 104, Berkeley Square absetzte, wo der alte Kämpe residiert – eines von diesen scheußlichen grauen Londoner Schlössern, neben denen eine Kirche sich frivol ausnähme. Ein Lakai führte uns in ein großes Empfangszimmer mit gelben Vorhängen, und dort erwartete uns bereits die Lady: ernst, blaß, verschlossen – so unerschütterlich und entrückt wie eine Schneestatue auf einem Berg.

Ich weiß nicht recht, wie ich sie Ihnen deutlich machen soll, Watson. Vielleicht lernen Sie sie noch kennen, bevor wir mit der Sache durch sind, dann können Sie von Ihrer eigenen Formulierungsgabe Gebrauch machen. Sie ist schön; aber von jener ätherischen Schönheit einer Fanatikerin, die mit ihren Gedanken in den höchsten Gefilden schwebt. Solche Gesichter habe ich auf den Gemälden der alten Meister des Mittelalters gesehen. Wie ein Unhold seine schmutzigen Pratzen auf solch ein Wesen aus dem Jenseits legen konnte, ist mir unbegreiflich. Sie haben vielleicht schon beobachtet, daß Gegensätze einander anziehen: das Geistige das Animalische, der Höhlenmensch den Engel. Einen schlimmeren Fall als diesen haben Sie noch nicht erlebt.

Sie wußte natürlich, warum wir gekommen waren – dieser Schurke hatte keine Zeit verloren, ihr Gemüt gegen uns zu vergiften. Miss Winters Erscheinen überraschte sie ziemlich, glaube ich; aber dann winkte sie uns in unsere Sessel wie eine ehrwürdige Äbtissin, die zwei ziemlich lepröse Bettelmönche empfängt. Sollten Sie je zu Aufgeblasenheit neigen, mein lieber Watson, machen Sie eine Kur bei Miss Violet de Merville.

›Nun, Sir‹, sagte sie, mit einer Stimme wie der Wind von einem Eisberg, ›Ihr Name ist mir vertraut. Wie ich höre, sind Sie gekommen, um meinen Verlobten, Baron Gruner, zu verleumden. Es geschieht einzig auf Bitten meines Vaters, daß ich Sie überhaupt empfange, und ich mache Sie schon im voraus darauf aufmerksam, daß alles, was Sie sagen werden, mich auch nicht im leisesten beeindrucken kann.‹

Sie tat mir leid, Watson. Einen Augenblick lang empfand ich für sie so, wie ich für meine eigene Tochter empfunden hätte. Ich bin nicht oft beredsam. Ich gebrauche meinen Kopf, nicht mein Herz. Aber ich habe auf sie wahrhaftig mit aller Wärme eingeredet, die ich aufbringen konnte. Ich malte ihr die scheußliche Lage einer Frau aus, der der Charakter eines Mannes erst aufgeht, nachdem sie seine Gattin geworden ist – einer Frau, die sich den Liebkosungen blutiger Hände und wollüstiger Lippen unterwerfen muß. Ich ersparte ihr nichts – die Schande, die Furcht, die Pein, die Hoffnungslosigkeit des Ganzen. All meine glühenden Worte vermochten auf jenen Elfenbeinwangen nicht einen Hauch von Farbe und in jenen abwesenden Augen nicht einen Schimmer von Erregung hervorzurufen. Ich dachte daran, was der Halunke über posthypnotischen Einfluß gesagt hatte. Man konnte wirklich glauben, daß sie hoch über der Erde in einem ekstatischen Traum lebte. Dennoch waren ihre Antworten nichts weniger als unentschieden.

›Ich habe Ihnen geduldig zugehört, Mr. Holmes‹, sagte sie. ›Der Eindruck auf mich ist genau wie vorausgesagt. Es ist mir bekannt, daß Adelbert, daß mein Verlobter ein stürmisches Leben hinter sich hat, in dem er sich bitteren Haß und höchst ungerechte Schmähungen zuzog. Sie sind nur der letzte einer Reihe von Leuten, die mir ihre Verleumdungen vorgebracht haben. Möglicherweise meinen Sie es gut, obwohl ich höre, daß sie ein bezahlter Agent sind, der ebenso bereit gewesen wäre, für den Baron zu arbeiten wie gegen ihn. Jedenfalls möchte ich, daß Sie ein für allemal begreifen, daß ich ihn liebe und daß er mich liebt und daß die Meinung der ganzen Welt mir nicht mehr bedeutet als das Gezwitscher der Vögel draußen vor dem Fenster. Wenn sein edler Charakter jemals einen kurzen Augenblick zu Fall gekommen ist, wurde ich vielleicht eigens gesandt, um ihn zu seiner wahren und stolzen Höhe aufzurichten. Mir ist nicht klar‹, hierbei richtete sie ihren Blick auf meine Begleiterin, ›wer diese junge Lady sein mag.‹

Ich wollte eben antworten, als das Mädchen wie ein Wirbelwind dazwischenfuhr. Wenn sich jemals Flamme und Eis von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden, dann in den Gestalten dieser beiden Frauen.

›Ich werd Ihnen sagen, wer ich bin‹, rief sie mit vor Leidenschaft verzerrtem Mund und fuhr aus dem Sessel hoch – ›ich war seine letzte Mätresse. Ich bin eine von hundert, die er verführt und benutzt und ruiniert und auf den Kehrichthaufen geworfen hat, so wie er's mit Ihnen auch machen wird. Ihr Kehrichthaufen ist dann wahrscheinlich schon mehr 'n Grab, und vielleicht ist das auch am besten so. Ich sag Ihnen, Sie närrisches Weib, wenn Sie diesen Mann heiraten, wird er Ihr Tod sein. Ob's dann 'n gebrochenes Herz ist oder 'n gebrochenes Genick – irgendwie packt er Sie schon. Ich red hier nicht aus Liebe zu Ihnen. Es schert mich keinen Pfifferling, ob Sie leben oder sterben. Ich red aus Haß auf ihn und um ihm eins auszuwischen und um's ihm heimzuzahlen, was er mir angetan hat. Aber das ist auch einerlei, und Sie brauchen mich gar nicht so anzugucken, meine feine Lady; Ihnen mag's nämlich noch dreckiger gehen als mir, bevor Sie's hinter sich haben.‹

›Ich zöge es vor, solche Dinge unerörtert zu lassen‹, sagte Miss de Merville kalt. ›Lassen Sie mich ein für allemal sagen, daß mir aus dem Leben meines Verlobten drei Vorfälle bekannt sind, bei denen er in Beziehungen mit intriganten Frauen verwickelt wurde, und daß ich seiner aufrichtigen Reue über etwelche Übeltaten, die er begangen haben mag, versichert bin.‹

›Drei Vorfälle!‹ schrie meine Begleiterin. ›Sie Närrin! Sie unsagbare Närrin!‹

›Mr. Holmes, ich bitte Sie, diese Unterredung zu beenden‹, sagte die eisige Stimme. ›Ich habe dem Wunsch meines Vaters, Sie zu empfangen, entsprochen; aber ich bin nicht gezwungen, mir die wahnwitzigen Reden dieser Person anzuhören.‹

Mit einem Fluch stürzte Miss Winter vorwärts, und wenn ich sie nicht am Handgelenk festgehalten hätte, dann hätte sie diese Frau vor Wut an den Haaren gepackt. Ich zerrte sie zur Tür und hatte Glück, sie ohne öffentliches Aufsehen zurück in die Droschke zu bekommen, denn sie war außer sich. Auf eine kalte Art und Weise war ich selbst ganz schön wütend, Watson, denn es lag etwas unbeschreiblich Aufreizendes in der leidenschaftslosen Reserviertheit und erhabenen Selbstgefälligkeit der Frau, die wir zu retten versuchten. Nun kennen Sie also wieder den genauen Stand der Dinge, und ich muß offensichtlich einen neuen Eröffnungszug planen, denn mit diesem Gambit klappt es wohl nicht. Ich bleibe mit Ihnen in Verbindung, Watson; es ist nämlich mehr als wahrscheinlich, daß auch Sie Ihren Part noch spielen müssen, obwohl es auch sein kann, daß zunächst sie und nicht wir am Zug sind.«

Und so war es. Ihr Streich fiel – oder vielmehr sein Streich; denn niemals könnte ich glauben, daß die Lady darin eingeweiht war. Ich glaube, ich könnte noch genau den Pflasterstein bezeichnen, auf dem ich stand, als mein Blick auf das Plakat fiel und ein Stich des Grauens mir mitten durchs Herz fuhr. Es geschah zwischen dem Grand Hotel und der Charing Cross Station, wo ein einbeiniger Zeitungsverkäufer seine Abendausgabe feilbot. Es war genau zwei Tage nach unserer letzten Unterhaltung. Dort stand es, schwarz auf gelb, auf dem schrecklichen Aushängebogen:


Ich glaube, ich blieb einige Augenblicke lang wie betäubt stehen. Dann erinnere ich mich undeutlich, daß ich mir eine Zeitung schnappte, daß der Mann mich ermahnte, weil ich nicht bezahlt hatte, und daß ich schließlich im Eingang einer Apotheke stand, während ich den verhängnisvollen Artikel aufschlug. Er lautete wie folgt:

Wir erfahren mit Bedauern, daß Mr. Sherlock Holmes, der bekannte Privatdetektiv, heute vormittag das Opfer eines Mordüberfalls wurde, der ihn in einen besorgniserregenden Gesundheitszustand versetzte. Genaue Einzelheiten liegen nicht vor, der Vorfall scheint sich jedoch gegen zwölf Uhr in der Regent Street, vor dem Café Royal, ereignet zu haben. Der Anschlag wurde von zwei mit Stöcken bewaffneten Männern verübt, und Mr. Holmes erhielt Schläge auf Kopf und Körper, wobei er Verletzungen davontrug, welche die Ärzte als äußerst ernst bezeichnen. Man überführte ihn ins Charing Cross Hospital; später bestand er darauf, zu seiner Wohnung in der Baker Street gebracht zu werden. Bei den Schurken, die ihn überfallen haben, handelt es sich offenbar um respektierlich gekleidete Männer, die den Umstehenden entkamen, indem sie durchs Café Royal hinaus auf die dahinter liegende Glasshouse Street liefen. Ohne Zweifel gehören sie zu jener verbrecherischen Vereinigung, die schon so oft Gelegenheit hatte, Tatkraft und Scharfsinn des Verletzten zu beklagen.

Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, daß ich den Artikel kaum überflogen hatte, als ich schon in eine Droschke sprang und mich auf dem Weg zur Baker Street befand. Im Hausflur traf ich Sir Leslie Oakshott an, den berühmten Wundarzt, dessen Kutsche am Bordstein wartete.

»Keine unmittelbare Gefahr«, lautete sein Rapport. »Zwei Platzwunden am Kopf und ein paar beachtliche Quetschungen. Mehrere Stiche waren erforderlich. Morphium wurde injiziert, und Hauptsache ist Ruhe; aber eine Unterredung von ein paar Minuten wäre durchaus nicht verboten.«

Mit dieser Erlaubnis stahl ich mich in das abgedunkelte Zimmer. Der Leidende war hellwach, und ich hörte meinen heiser geflüsterten Namen. Das Rouleau war zu drei Vierteln herabgelassen, aber ein Sonnenstrahl glitt schräg hindurch und traf den bandagierten Kopf des Verletzten. Ein karmesinroter Fleck hatte sich durch die weiße Leinenkompresse gesaugt. Ich setzte mich neben Holmes und senkte den Kopf.

»Schon gut, Watson. Machen Sie nicht so ein erschrockenes Gesicht«, murmelte er mit sehr schwacher Stimme. »Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht.«

»Gott sei Dank!«

»Ich bin ja ein ziemlicher Experte im Stockfechten, wie Sie wissen. Die meisten Hiebe habe ich abgewehrt. Der zweite Gegner, der war freilich zuviel für mich.«

»Was kann ich denn tun, Holmes? Es war natürlich dieser verdammte Bursche, der sie angesetzt hat. Ein Wort von Ihnen, und ich geh los und zieh ihm das Fell über die Ohren.«

»Guter alter Watson! Nein, wir können nichts tun; es sei denn, die Polizei ergreift die Männer. Aber ihre Flucht war gut vorbereitet. Dessen können wir sicher sein. Warten Sie noch ein bißchen ab. Ich habe so meine Pläne. Zunächst heißt es, meine Verletzungen aufs grellste darzustellen. Man wird Sie um Neuigkeiten angehen. Tragen Sie dick auf, Watson. Ich hätte Glück, wenn ich die Woche noch überlebte – Gehirnerschütterung – Delirium – was Sie wollen! Sie können gar nicht genug übertreiben.«

»Aber Sir Leslie Oakshott?«

»Oh, das geht schon in Ordnung. Er wird mich im schlechtesten Zustand erleben. Dafür sorge ich schon.«

»Sonst noch etwas?«

»Ja. Richten Sie Shinwell Johnson aus, er soll dieses Mädchen aus der Schußlinie bringen. Diese Prachtburschen werden nun hinter ihr her sein. Sie wissen natürlich, daß sie wegen der Sache bei mir war. Wenn sie es sich bei mir getraut haben, werden sie sie wohl kaum ungeschoren lassen. Das ist dringend. Erledigen Sie es noch heute abend.«

»Ich bin schon auf dem Sprung. Noch etwas?«

»Legen Sie meine Pfeife auf den Tisch – und den Tabakspantoffel. Gut! Schauen Sie jeden Morgen herein, dann werden wir unseren Feldzug planen.«

Am gleichen Abend verabredete ich mit Johnson, Miss Winter in eine ruhige Vorstadt zu bringen und dafür zu sorgen, daß sie sich versteckt hielt, bis die Gefahr vorüber war.

Sechs Tage lang lebte die Öffentlichkeit unter dem Eindruck, daß Holmes sich an der Schwelle des Todes befinde. Die Bulletins waren sehr ernst, und in den Zeitungen erschienen düstere Artikel. Meine fortgesetzten Visiten überzeugten mich, daß es so schlimm nicht stand. Seine drahtige Konstitution und sein entschlossener Wille wirkten Wunder. Er erholte sich schnell, und ich hatte zuzeiten den Verdacht, daß er tatsächlich schneller auf die Beine kam, als er, selbst mir gegenüber, vorgab. Er hatte eine seltsame heimlichtuerische Ader, die schon manchen dramatischen Effekt gezeitigt hatte, aber selbst seine engsten Freunde darüber im dunkeln ließ, welches seine genauen Pläne waren. Bis zum Äußersten verfolgte er den Grundsatz, daß der einzig sichere Plan der sei, den einer alleine aushecke. Ich stand ihm näher als irgend jemand sonst; dennoch war ich mir der Kluft zwischen uns immer bewußt.

Am siebten Tag wurden ihm die Fäden gezogen; trotzdem erschien in den Abendblättern ein Bericht über eine Wundrose. In denselben Abendblättern stand eine Ankündigung, die ich meinem Freund, sei er nun krank oder wohlauf, zu bringen verpflichtet war. Es handelte sich schlicht darum, daß sich unter den Passagieren eines Schiffes der Cunard-Linie, der Ruritania, die am Freitag von Liverpool aus in See stechen sollte, der Baron Adelbert Gruner befand, der in den Staaten einige wichtige Finanzgeschäfte abzuwickeln habe, und zwar noch vor seiner nahe bevorstehenden Heirat mit Miss Violet de Merville, der einzigen Tochter von usw. usw. Holmes lauschte den Neuigkeiten mit einem kalten, konzentrierten Ausdruck auf seinem blassen Gesicht, was mir verriet, daß sie ihn hart trafen.

»Freitag!« rief er. »Nur noch drei volle Tage. Ich glaube, der Halunke will sich aus der Gefahrenzone absetzen. Aber das wird ihm nicht gelingen, Watson! Beim Leibhaftigen, das wird ihm nicht gelingen! Doch nun, Watson, möchte ich, daß Sie etwas für mich tun.«

»Dazu bin ich ja hier, Holmes.«

»Gut, dann verwenden Sie die nächsten vierundzwanzig Stunden auf ein intensives Studium chinesischer Keramik.«

Er gab keine Erklärungen ab, und ich fragte auch nicht danach. Durch lange Erfahrung hatte ich die Weisheit des Gehorsams gelernt. Als ich jedoch seine Wohnung verlassen hatte, ging ich die Baker Street entlang und sann darüber nach, wie um alles in der Welt ich eine so sonderbare Anordnung ausführen sollte. Schließlich fuhr ich zur London Library am St. James Square, trug die Sache meinem Freund Lomax, dem Unterbibliothekar, vor und begab mich mit einem stattlichen Band unter dem Arm zu meiner Wohnung.

Man sagt, daß der Rechtsanwalt, der einen Fall so sorgfältig paukt, daß er einen sachverständigen Zeugen am Montag vernehmen kann, all sein gewaltsam angeeignetes Wissen schon vor Samstag wieder vergessen hat. Ich möchte mich jetzt gewiß nicht als Autorität für Keramiken ausgeben. Den ganzen damaligen Abend jedoch und, mit einer kurzen Ruhepause, die ganze damalige Nacht und den ganzen nächsten Morgen verschlang ich Wissen und prägte dem Gedächtnis Namen ein. Da erfuhr ich von den Kennzeichen der großen Dekorationskünstler, vom Geheimnis zyklischer Daten, von den Stempeln der Hung-wu-und den Schönheiten der Yung-lo-Zeit13, von den Schriften des Tang-ying und den Herrlichkeiten der primitiven Periode der Sung- und Yüan-Dynastien14. Ich war angefüllt mit all diesen Kenntnissen, als ich Holmes am nächsten Abend besuchte. Inzwischen lag er nicht mehr zu Bett – wenn auch die öffentliche Berichterstattung dies nicht vermuten ließ – und saß, den dick bandagierten Kopf auf die Hand gestützt, in der Kuhle seines Lieblingssessels.

»Nanu, Holmes«, sagte ich, »wenn man den Zeitungen Glauben schenkt, dann liegen Sie gerade im Sterben.«

»Das«, sagte er, »ist genau der Eindruck, den ich vermitteln wollte. Nun denn, Watson, haben Sie Ihre Lektionen gelernt?«

»Ich habe es zumindest versucht.«

»Gut. Sie könnten ein intelligentes Gespräch über das Thema in Gang halten?«

»Ich glaube schon.«

»Dann reichen Sie mir diese kleine Schachtel vom Kamin.«

Er öffnete den Deckel und entnahm einen kleinen Gegenstand, der überaus sorgfältig in feinen orientalischen Seidenstoff gewickelt war. Diesen faltete er auseinander und enthüllte eine zarte kleine Schale von schönster dunkelblauer Farbe.

»Sie bedarf sorgfältiger Behandlung, Watson. Das ist echtes Eierschalenporzellan15 der Ming-Dynastie16. Ein feineres Stück wanderte niemals über Christies Auktionstisch. Ein komplettes Service hiervon wäre ungeheuer wertvoll – tatsächlich ist es zweifelhaft, ob es außerhalb des Kaiserpalastes von Peking ein komplettes Service gibt. Der Anblick dieses Stückes würde einen echten Kenner rasend machen.«

»Und was soll ich damit tun?«

Holmes reichte mir eine Karte mit folgendem Aufdruck: Dr. Hill Barton, 369 Half Moon Street.

»Das ist Ihr Name für heute abend, Watson. Sie werden Baron Gruner einen Besuch abstatten. Ich kenne mich ein wenig in seinen Gewohnheiten aus; um halb neun dürfte er vermutlich frei sein. Vorher wird ihm ein Billett ankündigen, daß Sie die Absicht haben, vorzusprechen; und Sie werden dann verkünden, daß Sie ihm ein Muster eines vollkommen einzigartigen Services aus dem China der Ming-Zeit mitgebracht haben. Sie dürfen durchaus ein Arzt sein, da das eine Rolle ist, die Sie ohne Doppelzüngigkeit spielen können. Sie sind Sammler, dieses Service ist Ihnen untergekommen, Sie haben von des Barons Interesse für das Gebiet gehört, und Sie sind nicht abgeneigt, zu einem angemessenen Preis zu verkaufen.«

»Wie angemessen?«

»Gut gefragt, Watson. Sie würden freilich schlimm auf die Nase fallen, wenn Sie über den Wert Ihrer eigenen Ware nicht Bescheid wüßten. Diese Schale hat mir Sir James besorgt; sie stammt, soviel ich weiß, aus der Sammlung seines Klienten. Sie werden nicht übertreiben, wenn Sie andeuten, daß es Ebenbürtiges auf der Welt kaum geben dürfte.«

»Vielleicht könnte ich vorschlagen, das Service von einem Experten schätzen zu lassen.«

»Ausgezeichnet, Watson! Sie sprühen heute vor Geist. Schlagen Sie Christie oder Sotheby17 vor. Ihre Feinfühligkeit läßt es nicht zu, einen Preis selbst zu bestimmen.«

»Aber wenn er mich nicht empfangen will?«

»O doch, er wird Sie empfangen. Er leidet an Sammelwut in ihrer ausgeprägtesten Form – und besonders was dieses Gebiet betrifft, auf dem er eine anerkannte Autorität ist. Setzen Sie sich, Watson, dann diktiere ich Ihnen den Brief. Antwort ist nicht erforderlich. Sie teilen lediglich mit, daß Sie kommen, und weshalb.«

Es war ein bewundernswertes Dokument, kurz, höflich und die Neugier des Kenners entfachend. Ein Bote wurde rechtzeitig damit entsandt. Am selben Abend brach ich mit der kostbaren Schale in der Hand und der Karte von Dr. Hill Barton in der Tasche zu meinem Abenteuer auf. Das schöne Haus und Grundstück wies daraufhin, daß Baron Gruner, wie Sir James gesagt hatte, ein Mann von beträchtlichem Reichtum war. Eine lange, gewundene Auffahrt, mit Banketten seltener Sträucher zu beiden Seiten, mündete in einen großen, kiesbestreuten Platz, der mit Statuen geschmückt war. Das Anwesen war von einem südafrikanischen Goldkönig in den Tagen des großen Booms erbaut worden, und das langgestreckte, niedrige Haus mit den Ecktürmchen – obschon ein architektonischer Albtraum – imponierte durch seine Größe und Solidität. Ein Butler, der sich als Kirchenvertreter im House of Lords sehr gut ausgenommen hätte, ließ mich eintreten und überantwortete mich einem in Plüsch gekleideten Lakaien, der mich ins Empfangszimmer des Barons geleitete.

Er stand gerade vor einer großen geöffneten Vitrine, die sich zwischen den Fenstern befand und einen Teil seiner chinesischen Sammlung enthielt. Bei meinem Eintreten drehte er sich um und hielt eine kleine braune Vase in der Hand.

»Bitte nehmen Sie doch Platz, Doktor«, sagte er. »Ich habe eben meine eigenen Schätze betrachtet und mich gefragt, ob ich es mir wirklich leisten könnte, sie zu vermehren. Dieses kleine T'ang-Exemplar18 aus dem siebten Jahrhundert dürfte Sie vermutlich interessieren. Ich bin sicher, feinere Handarbeit oder eine reichere Glasur haben Sie noch nie gesehen. Haben Sie die erwähnte Ming-Schale bei sich?«

Ich packte sie sorgfältig aus und reichte sie ihm. Er setzte sich an seinen Schreibtisch, zog, da es bereits dunkelte, die Lampe herüber und schickte sich an, die Schale zu untersuchen. Dabei fiel das gelbe Licht auch auf sein Äußeres, und ich konnte es in aller Ruhe studieren.

Er war ohne Zweifel ein bemerkenswert gut aussehender Mann. Der europäische Ruf seiner Schönheit war vollauf gerechtfertigt. Er war zwar nicht mehr als mittelgroß, jedoch von anmutiger und kräftiger Statur. Sein Gesicht war olivenfarbig, fast orientalisch, mit großen, dunklen, verträumten Augen, die auf Frauen zweifellos eine unwiderstehliche Faszination ausüben konnten. Sein Haar und der Schnurrbart waren rabenschwarz; letzteren trug er kurz, gezwirbelt und sorgfältig gewichst. Seine Züge waren regelmäßig und angenehm, mit Ausnahme des geraden, dünnlippigen Mundes. Wenn ich jemals den Mund eines Mörders gesehen habe, dann hier – eine grausame, harte Scharte im Gesicht, zusammengepreßt, unerbittlich und schrecklich. Er war schlecht beraten, den Schnurrbart so zurechtzustutzen, denn sein entblößter Mund war ein Gefahrensignal der Natur zur Warnung seiner Opfer. Seine Stimme war einnehmend, seine Manieren vollendet. Sein Alter hätte ich auf etwas über dreißig geschätzt, wiewohl später aus seinen Unterlagen hervorging, daß er zweiundvierzig war.

»Sehr fein – sehr fein, in der Tat!« sagte er schließlich. »Und Sie sagen, Sie haben ein dazu passendes sechsteiliges Service. Mich wundert nur, daß ich von so herrlichen Stücken noch nichts gehört haben soll. Ich weiß nur von einem einzigen Stück in England, das zu diesem hier paßt, und das steht aller Wahrscheinlichkeit nach nicht zum Verkauf. Wäre es indiskret, wenn ich Sie fragte, Dr. Hill Barton, wie Sie in seinen Besitz gekommen sind?«

»Spielt das wirklich eine Rolle?« fragte ich mit der sorglosesten Miene, die ich zustande brachte. »Sie sehen ja selbst, daß das Stück echt ist, und was den Preis betrifft, so begnüge ich mich mit der Wertbestimmung durch einen Experten.«

»Sehr mysteriös«, sagte er mit einem raschen, argwöhnischen Aufblitzen seiner dunklen Augen. »Wenn man es mit Objekten von solchem Wert zu tun hat, möchte man natürlich alles über den Handel wissen. Daß das Stück echt ist, ist unbestreitbar. Daran hege ich überhaupt keinen Zweifel. Aber angenommen – ich muß jede Möglichkeit in Betracht ziehen –, es stellt sich hinterher heraus, daß Sie gar kein Recht hatten, es zu verkaufen?«

»Ich würde Ihnen Sicherheiten gegen jeden Rechtsanspruch dieser Art bieten.«

»Das würde freilich die Frage aufwerfen, was Ihre Sicherheiten wert sind.«

»Darüber könnte meine Bank Auskunft erteilen.«

»Nun schön. Dennoch kommt mir der ganze Handel ziemlich ungewöhnlich vor.«

»Es steht Ihnen frei, das Geschäft zu machen oder nicht«, sagte ich gleichgültig. »Ich habe es Ihnen zuerst angeboten, weil ich gehört habe, Sie seien ein Kenner; aber anderswo werde ich keine Schwierigkeiten haben.«

»Wer hat Ihnen denn gesagt, daß ich ein Kenner sei?«

»Mir ist bekannt, daß Sie über das Thema ein Buch geschrieben haben.«

»Haben Sie das Buch gelesen?«

»Nein.«

»Meine Güte, das wird mir immer unverständlicher! Sie sind ein Kenner und Sammler und besitzen ein sehr wertvolles Stück in Ihrer Sammlung, haben sich jedoch nie die Mühe gemacht, das einzige Buch zu konsultieren, das Sie über die wahre Bedeutung und den Wert Ihres Besitzes hätte belehren können. Wie erklären Sie das?«

»Ich bin ein sehr beschäftigter Mann. Ich bin praktizierender Arzt.«

»Das ist keine Antwort. Wenn jemand ein Steckenpferd hat, dann geht er ihm eifrig nach – ganz gleich, welche Tätigkeiten er sonst noch ausüben mag. In Ihrem Billett haben Sie behauptet, ein Kenner zu sein.«

»Das bin ich auch.«

»Dürfte ich Sie mit ein paar Fragen auf die Probe stellen? Ich muß Ihnen sagen, Doktor – wenn Sie denn wirklich ein Doktor sind –, daß die Sache immer verdächtiger wird. Ich möchte Sie fragen: Was wissen Sie über den Kaiser Shomu, und wie bringen Sie ihn mit dem Shosoin bei Nara19 in Verbindung? Du meine Güte, das bringt Sie wohl in Verlegenheit? Erzählen Sie mir doch ein bißchen über die Nördliche Wei-Dynastie und ihren Platz in der Geschichte der Töpferkunst20

In gespieltem Ärger sprang ich vom Stuhl hoch.

»Das ist unerträglich, Sir«, sagte ich. »Ich bin hierhergekommen, um Ihnen einen Gefallen zu tun und nicht, um von Ihnen wie ein Schuljunge examiniert zu werden. Meine Kenntnisse auf diesem Gebiet sind im Vergleich zu den Ihrigen vielleicht nur zweitrangig; aber ich werde gewiß keine Fragen beantworten, die in so beleidigender Weise gestellt wurden.«

Er sah mich unverwandt an. Alle Verträumtheit war aus seinen Augen gewichen. Sie funkelten plötzlich. Zwischen den grausamen Lippen schimmerten seine Zähne.

»Was wird hier gespielt? Sie sind doch als Spion hier. Sie sind ein Kundschafter von Holmes. Sie versuchen mich hereinzulegen. Wie ich höre, liegt der Kerl im Sterben; also schickt er seine Handlanger, um mich zu überwachen. Sie haben sich hier auf unerlaubte Weise Zutritt verschafft, aber bei Gott! Sie sollen merken, daß das Hinauskommen schwerer ist als das Hineinkommen.«

Er war aufgesprungen; ich wich zurück und machte mich auf einen Angriff gefaßt, denn der Mann war außer sich vor Wut. Möglicherweise war ich ihm von Anfang an verdächtig gewesen; dieses Kreuzverhör hatte ihm zweifellos die Wahrheit enthüllt; jedenfalls war klar, daß ich nicht hoffen durfte, ihn zu täuschen. Seine Hand fuhr hastig in eine Seitenschublade und durchstöberte sie wütend. Dann vernahm er wohl ein Geräusch, denn er hielt aufmerksam lauschend inne.

»Ah!« rief er. »Ah!« und stürzte in den Raum hinter ihm.

Mit zwei Schritten war ich an der offenen Tür, und die Szene dahinter werde ich immer als klares Bild im Gedächtnis bewahren. Das zum Garten hinausweisende Fenster stand weit offen. Daneben stand, einem Schreckgespenst gleich, den Kopf in blutbefleckte Bandagen gewickelt und das Gesicht erschöpft und weiß, Sherlock Holmes. Im nächsten Augenblick war er durch die Fensteröffnung, und ich hörte, wie sein Körper draußen in die Lorbeerbüsche krachte. Mit einem Wutgeheul stürmte der Hausherr hinter ihm her zum offenen Fenster.

Und dann! Es geschah im Nu, und doch nahm ich es deutlich wahr. Ein Arm – ein Frauenarm – schoß aus dem Laub hervor. Im gleichen Augenblick stieß der Baron einen gräßlichen Schrei aus – einen Aufschrei, der mir immer im Gedächtnis nachklingen wird. Er schlug beide Hände vors Gesicht, raste im Zimmer umher und rannte mit dem Kopf furchtbar gegen die Wände. Dann fiel er auf den Teppich; er wälzte und krümmte sich, während Schrei auf Schrei durch das Haus gellte.

»Wasser! Um Gottes willen, Wasser!« schrie er.

Ich griff mir von einem Seitentisch eine Karaffe und eilte ihm zu Hilfe. Im gleichen Moment stürmten von der Halle her der Butler und mehrere Diener herein. Ich erinnere mich, daß einer von ihnen ohnmächtig wurde, als ich bei dem Verletzten kniete und jenes furchterregende Gesicht ins Lampenlicht drehte. Das Vitriol fraß sich überall hinein und tropfte von Ohren und Kinn. Ein Auge war bereits weiß und glasig; das andere rot und entzündet. Die Züge, die ich ein paar Minuten zuvor noch bewundert hatte, glichen nun einem schönen Gemälde, über welches der Künstler einen nassen und fauligen Schwamm gezogen hatte. Sie waren verwischt, verfärbt, unmenschlich, schrecklich.

Mit ein paar Worten erklärte ich genau, was geschehen war, soweit es den Angriff mit dem Vitriol betraf. Einige waren durchs Fenster geklettert, andere hinausgeeilt auf den Rasenplatz, aber es war dunkel und hatte zu regnen begonnen. Zwischen seinen Schreien raste und tobte das Opfer gegen die Rächerin. »Es war diese Höllenbrut, Kitty Winter!« rief er. »Oh, dieses Teufelsweib! Dafür wird sie bezahlen! Bezahlen wird sie! Oh, Gott im Himmel, diese Schmerzen sind nicht auszuhalten!«

Ich badete sein Gesicht in Öl, legte Watte auf die wunden Hautflächen und verabreichte eine Morphium-Injektion. Angesichts dieses Schocks war jeder Argwohn gegen mich von ihm gewichen, und er klammerte sich an meine Hände, als ob es auch noch in meiner Macht läge, Licht in jene Augen zu bringen, die wie die eines toten Fisches zu mir aufstarrten. Ich hatte weinen können über die Verwüstung, hätte ich mich nicht des nichtswürdigen Lebens erinnert, das zu einer solch gräßlichen Veränderung geführt hatte. Es war ekelerregend, das Tätscheln seiner brennenden Hände zu spüren, und ich war erleichtert, als, dicht gefolgt von einem Spezialisten, sein Hausarzt kam, um mich von meinem Posten abzulösen. Auch ein Polizei-Inspektor war inzwischen eingetroffen, und ihm übergab ich meine echte Visitenkarte. Jede andere Handlungsweise wäre ebenso sinnlos wie töricht gewesen, denn man kannte mich beim Yard vom Sehen fast ebenso gut wie Holmes selbst. Dann verließ ich dieses Haus der Düsternis und des Schreckens. Binnen einer Stunde war ich in der Baker Street.

Holmes saß in seinem altgewohnten Sessel; er wirkte sehr blaß und erschöpft. Abgesehen von seinen Verletzungen hatten sogar seine eisernen Nerven unter den Ereignissen dieses Abends gelitten, und er lauschte entsetzt meinem Bericht über die Verwandlung des Barons.

»Der Sünden Sold21, Watson – der Sünden Sold!« sagte er. »Früher oder später ereilt er jeden. Weiß Gott, da waren der Sünden genug«, fügte er hinzu; er nahm einen braunen Band vom Tisch. »Hier ist das Buch, von dem die Frau gesprochen hat. Wenn das die Heirat nicht verhindern kann, dann nützt überhaupt nichts mehr. Aber das wird es, Watson. Das muß es. Keine Frau mit Selbstachtung könnte so etwas ertragen.«

»Es ist wohl das Tagebuch seiner Liebschaften?«

»Oder das Tagebuch seiner Begierden. Nennen Sie es, wie Sie wollen. In dem Augenblick, da die Frau uns davon erzählte, erkannte ich, welch eine enorme Waffe es wäre, wenn wir seiner nur habhaft werden könnten. Ich deutete damals meine Absichten nicht an, denn diese Frau hätte sie möglicherweise ausgeplaudert. Aber ich grübelte darüber nach. Dann verschaffte dieser Anschlag auf mich die günstige Gelegenheit, den Baron glauben zu lassen, gegen mich seien keine Vorsichtsmaßnahmen mehr nötig. All das gelang bestens. Ich hätte noch ein bißchen länger gewartet, aber seine geplante Amerikareise zwang mich zu handeln. Ein so kompromittierendes Dokument hätte er niemals zurückgelassen. Deshalb mußten wir sofort zu Werke gehen. Nächtlicher Einbruch kam nicht in Frage. Dagegen war er gewappnet. Aber abends gab es eine Chance, sofern ich nur sicher sein konnte, daß seine Aufmerksamkeit anderweitig in Anspruch genommen war. Und da kamen Sie und Ihre blaue Schale ins Spiel. Aber ich mußte zweifelsfrei wissen, wo sich das Buch befand, und mir war klar, daß mir nur wenige Minuten zum Handeln blieben, denn meine Zeit war danach bemessen, wie gut Sie sich in chinesischer Töpferkunst auskannten. Deshalb habe ich im letzten Moment das Mädchen mitgenommen. Woher sollte ich denn ahnen, was das für ein Päckchen war, das sie so sorgsam unter dem Mantel trug? Ich dachte, sie sei ganz und gar meiner Geschäfte wegen gekommen; aber anscheinend hatte sie auch noch ein eigenes zu besorgen.«

»Er hat geahnt, daß Sie mich geschickt haben.«

»Das stand zu befürchten. Aber Sie haben ihn gerade noch lange genug hingehalten, daß ich das Buch holen konnte – wenn auch nicht lange genug, um unbemerkt zu entkommen. Ah, Sir James, freut mich sehr, daß Sie gekommen sind!«

Unser vornehmer Freund war auf eine vorangegangene Einladung hin erschienen. Mit größter Aufmerksamkeit lauschte er Holmes' Bericht über das, was geschehen war.

»Sie haben Wunder vollbracht – Wunder!« rief er, als er die Geschichte gehört hatte. »Wenn aber diese Verletzungen so schrecklich sind, wie Dr. Watson sie schildert, dann läßt sich unser Ziel, die Heirat zu vereiteln, doch gewiß ohne den Einsatz dieses scheußlichen Buches erreichen.«

Holmes schüttelte den Kopf.

»Frauen vom Typ de Merville reagieren anders. Sie würde ihn als entstellten Märtyrer nur um so mehr lieben. Nein, nein. Seine moralische Seite, nicht seine physische, gilt es zu zerstören. Dieses Buch wird sie auf die Erde zurückholen – ich wüßte nicht, womit man dies sonst noch erreichen könnte. Er hat es mit eigener Hand geschrieben. Daran kann sie nicht vorbei.«

Sir James nahm sowohl das Buch als auch die kostbare Schale mit. Da ich selbst überfällig war, ging ich mit ihm hinunter auf die Straße. Ein Brougham22 erwartete ihn bereits. Er sprang hinein, gab dem mit einer Kokarde geschmückten Kutscher hastig eine Anweisung und fuhr rasch davon. Er schwang seinen Mantel halb aus dem Fenster, um das Wappenschild auf dem Paneel zu verhüllen; aber nichtsdestoweniger hatte ich es im grellen Licht von der Lünette über unserer Haustür bereits erkannt. Vor Überraschung rang ich nach Luft. Dann machte ich kehrt und lief die Treppe zu Holmes' Wohnung hinauf.

»Ich habe herausgefunden, wer unser Klient ist«, rief ich und wollte mit meiner großen Neuigkeit herausplatzen. »Wahrhaftig, Holmes, es ist ...«

»Es ist ein treuer Freund und ritterlicher Gentleman«, sagte Holmes und hob Einhalt gebietend eine Hand. »Das soll uns jetzt und für immer genügen.«

Ich weiß nicht, auf welche Weise man sich des inkriminierenden Buches bediente. Vielleicht hat Sir James die Sache bewerkstelligt. Andererseits ist es wahrscheinlicher, daß eine so delikate Aufgabe dem Vater der jungen Lady anvertraut wurde. Die Wirkung jedenfalls war ganz wie erwünscht. Drei Tage später erschien in der Morning Post ein Artikel, der verlautbarte, daß die Eheschließung zwischen Baron Adelbert Gruner und Miss Violet de Merville nicht stattfinden werde. Dasselbe Blatt brachte auch das erste polizeigerichtliche Verhör23 im Verfahren gegen Miss Kitty Winter aufgrund der schweren Anklage wegen Vitriolspritzens. Während der Verhandlung kamen jedoch derartig mildernde Umstände an den Tag, daß das Gericht, wie man sich erinnern wird, die geringste Strafe verhängte, die bei einem solchen Vergehen möglich war. Sherlock Holmes drohte eine Strafverfolgung wegen Einbruchs; aber wenn der Zweck gut und der Klient illuster genug ist, wird sogar die starre britische Rechtsprechung human und elastisch. Mein Freund hat bis jetzt noch nicht auf der Anklagebank gesessen.

Sherlock Holmes' Buch der Fälle

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