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Subbotnik

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Subbotnik

Aus der Moskauer „Prawda“ vorn 17. Mai 1919:

„Das Arbeiten auf revolutionäre Art“

Kommunistische Samstage

Das Schreiben des Zentralexekutivkomitees der Kommunistischen Partei über das Arbeiten auf revolutionäre Art hat den Kommunisten und ihren Organisationen einen mächtigen Ansporn gegeben. Die allgemeine Begeisterung hat viele Eisenbahner unter den Kommunisten nach der Front geführt. Doch die meisten durften ihre verantwortlichen Posten nicht verlassen, um neue Methoden der Revolutionsarbeit zu suchen. Die lokalen Berichte über die Langsamkeit der Demobilisierung und den bürokratischen Schlendrian veranlassten die Untersektion der Eisenbahn Moskau-Kasan, ihre Aufmerksamkeit dem Mechanismus des Eisenbahnbetriebs zuzuwenden. Es stellte sich heraus, dass aus Mangel an Arbeitskräften und infolge geringer Arbeitsintensität dringende Bestellungen und eilige Lokomotiven-Reparaturen verzögert wurden. Am 7. Mai wurde in der Generalversammlung der Kommunisten und ihrer Freunde in der Untersektion der Eisenbahn Moskau-Kasan die Frage aufgeworfen, wie man von Worten zu Taten übergehen könne, um den Sieg über Koltschak zu erringen.


Alexander Wassiljewitsch Koltschak – Александр Васильевич Колчак – 1874 – 1920

Die angenommene Resolution lautete folgendermaßen:

In Anbetracht der schweren inneren und äußeren Lage, die von der Notwendigkeit geschaffen wird, den Klassenfeind niederzuringen, haben die Kommunisten und ihre Freunde sich von neuem aufzuraffen und ihre Ruhezeit um noch eine Stunde zu verkürzen, d. h. ihren Arbeitstag um eine Stunde zu verlängern. Die Überstunden sind zusammenzulegen, und am Samstag sind hintereinander sechs Stunden körperlicher Arbeit zu leisten, um unmittelbar einen realen Wert zu schaffen. In der Meinung, dass Kommunisten weder ihre Gesundheit noch ihr Leben für die Errungenschaften der Revolution schonen dürfen, wollen wir die Arbeit unentgeltlich tun. Der Kommunistische Samstag soll in der ganzen Untersektion bis zum vollständigen Sieg über Koltschak durchgeführt werden.

Nach einigem Hin und Her wurde dieser Vorschlag einstimmig angenommen.

Am Samstag, den 10. Mai, traten um sechs Uhr nachmittags die Kommunisten und ihre Freunde wie Soldaten zur Arbeit an, stellten sich in Reih und Glied und bekamen ohne Umstände von den Meistern ihre Arbeitsplätze angewiesen. (Es folgt die Tabelle der hier und anderweitig geleisteten Arbeit.) Die Gesamtkosten der Arbeit hätten bei normalem Tarif fünf Millionen Rubel betragen. Da diese in Überstunden geleistet wurde, hätte sie eineinhalbmal so hoch berechnet werden müssen.

Die Arbeitsleistung beim Verladen überstieg die Norm um 270 Prozent. Die übrigen Arbeiten weisen ungefähr dieselbe Mehrleistung auf.

So wurden Verzögerungen dringender Aufträge von sieben Tagen bis zu drei Monaten vermieden, die infolge Arbeitermangel und schleppender Arbeit eingetreten wären.

Die Arbeit wurde mittels schadhafter Werkzeuge verrichtet, die zwar leicht auszubessern waren, deren Instandsetzung aber einzelne Gruppen 30 bis 40 Minuten aufhielt.“ –

* * *

In seiner Broschüre „Die große Initiative“, aus der der vorstehende „Prawda“-Bericht wörtlich abgedruckt ist, nennt Lenin den freiwilligen Arbeitsentschluss der Moskau-Kasaner Eisenbahner die Keimzelle der neuen sozialistischen Gesellschaft, einen neuen gesellschaftlichen Zusammenhang, eine neue Arbeitsdisziplin, einen Sieg des russischen Arbeiters über den kleinbürgerlichen Egoismus und die eigene Trägheit, den ersten Schritt zu einer wirklich revolutionären Tat, zum faktischen Anfang des Kommunismus. Das Beispiel der Moskau-Kasaner Eisenbahner fand begeisterten Widerhall und enthusiastische Nachahmung in allen Teilen des weiten Landes, wo der kommunistische Grundgedanke der Arbeit für die Gemeinschaft bereits Fuß gefasst hatte und in seinem tiefen Wesen begriffen worden war.

Wir im Westen horchten auf. Für uns war der 10. Mai 1919 ein geschichtliches Datum, das uns mächtig erschütterte, fast so mächtig, wie der Gedanke an den 25. Oktober 1917, an dem das Proletariat die Macht ergriffen hatte. Wir sahen die Tat der Kasaner Genossen von einer blendenden, die Jahrhunderte überglänzenden Schönheit umflossen. Wir achteten atemlos auf die Brandung, den Glanz, der aus dem Nordlicht herüber schwellen sollte zu den Proletariern der anderen Länder; wir hofften, glaubten und warteten.


Alexander Schljapnikow – Александр Гаврилович Шляпников – 1885 – 1937

Als ein Jahr später Genosse Schljapnikow, der Führer der russischen Gewerkschaften vor dem Vorstand der U.S.P. Deutschlands in Berlin einen Vortrag über Russlands ökonomische Lage und Arbeitsprobleme hielt, fragte ich ihn in der Diskussion, warum er es verabsäumt habe, über die kommunistischen Samstage zu sprechen. Ich bekam eine Antwort, die mich verwirrte und verstummen ließ; sie war ungenügend und vage und schien mir auf den Wesenskern nicht einzugehen. Stand doch der kommunistische Samstag vor meinem Gewissen als etwas Leuchtendes, Heroisches, als ein Beispiel von antiker Größe, denn ich wusste ja, was es für arme, hungrige und übermüdete, dabei träge geborene und jahrhundertelang misshandelte Menschen heißt, freiwillig noch Bürden auf sich zu laden, das einzige hinzugeben, was sie besitzen, ihre Arbeitskraft, und immer wieder Arbeit – für eine Idee, für die Idee!

Als ich Anfang September 1920 nach Moskau kam, erkundigte ich mich nach dem Subbotnik und nahm auch bald darauf an dem kommunistischen Samstag der Beamten, Arbeiter und Angestellten des Auswärtigen Amtes, dem ich zugeteilt war, teil. Nachmittags um drei Uhr begab ich mich zum Hotel Metropol, dem zweiten Sowjet-Haus, in dessen Seitenflügel das Auswärtige Amt untergebracht ist. Unterwegs hielt mich ein Schauspiel, eine kleine Episode auf. Auf dem Platze vor der Oper, vor dem Blumenbeet, in dem aus bunten Blüten und Gräsern in naiver Zeichnung der Kopf von Karl Marx zusammengestellt ist, stand ein alter Kerl von riesigem Wuchs, mit einem Bocksgesicht und einer Rohrflöte vor den Lippen. Zu seinen Füßen lag sein Hut, und in den Hut und um ihn herum hatte man Rubelscheine, Hunderter und Tausender, außerdem noch Äpfel, Stücke Brot geworfen, sogar ein Ei, eine kostbare Seltenheit, eine fast unerschwingliche Kostbarkeit, hatte jemand vorsichtig auf den Haufen zerknüllter Scheine gelegt. Der Alte flötete mit zusammengekniffenen Augen, wie es mir schien, wunderbar und mit erstaunlicher Leidenschaft die wildlieblichen, herzzerreißend melancholischen Weisen Russlands.

Ich hatte mich über Gebühr lang im kleinen Park vor dem Theater aufgehalten und traf unten vor dem Hotel Metropol schon fast sämtliche Beamte, Arbeiter und Angestellten des Auswärtigen Amtes an. Ich stellte mich in Reih und Glied; wir waren etwa 80 an der Zahl, Männer und Frauen, ältere und jüngere Leute. Unter uns waren Korrespondenten vieler Nationen, Stenotypistinnen, ein Staatssekretär (oder von ähnlichem Rang), Delegierte der Internationale, Diener, Beamte aller Kategorien und auch unser Freund, der Quäker, war gekommen. Es ging militärisch zu, unsere Namen wurden von einer großen Liste abgelesen, und hinter die Namen, die sich nicht meldeten, ein Zeichen gemacht. Wir formten uns zu Reihen, zu viert, dann auf offener Straße zu Zweien und zogen in scharfem Marschschritt nach dem Petersburger Bahnhof im Norden der Stadt.

Es war ein etwa halbstündiger Weg, den wir in gutem Tempo zurücklegten. Ich ging neben einem österreichischen Genossen, der mich von Berlin her kannte, wo er mich sprechen gehört hatte. Wenn wir nicht sangen, unterhielten wir uns über den Subbotnik. Wir sangen nämlich viel und herzhaft. Es war ein schöner Herbsttag, sonnig und glasklar. Aus den Seitengossen der Mjasnitzkaja strömten uns ähnliche Züge von Subbotnikern entgegen. Einer von ihnen hatte seine eigene Musikkapelle mit, und bald marschierten wir unter den Klängen der Kapelle, die unser Gesang überbrauste, vorwärts. Die Warschawianka, der Rotgardisten-Marsch. Wunderbare Rhythmen, wie belebtet ihr meine alten Füße!

In den Zwischenpausen gab mir der Genosse Auskunft. Der Subbotnik ist längst keine freiwillige Handlung mehr, sondern ist Pflicht geworden, so für die Kommunisten wie für alle Arbeiter und Angestellten der Sowjet-Behörden, der Regierungsämter, der Betriebsbelegschaften. Es werden Listen geführt, und wessen Name das zweite oder dritte Mal einen Haken angestrichen bekommt, der wird erst gelinde verwarnt, dann ernsthaft zur Rede gestellt und schließlich „ausgekämmt“. Was auch in der Form geschehen kann, dass der Saumselige, Arbeitsunwillige in das Konzentrationslager gesperrt wird, das gefürchtete Lager für Wucherer, Diebe, Gegenrevolutionäre und andere ungetreue Mitglieder der Gesellschaft. Der Subbotnik ist also gewissermaßen ein Prüfstein für die Gesinnung geworden wie etwa der Ruf an die Front.

Auf dem Bahnhof, so hieß es, sollten wir Holz aus Waggons abladen; als wir aber angekommen waren, wies uns der Betriebsleiter des Bahnhofs zu einem Schuppen, wo wir Spaten und Schaufeln aus Eisen und Holz vorfanden; wir hatten für eine geplante Trambahnlinie längs des Eisenbahngleises eine Strecke von 70 Metern Länge und 10 Metern Breite von zähem, seit sechs Jahren angestautem und verhärtetem Schmutz und Schlamm zu säubern. Wir stellten uns nun in eine Reihe auf, entledigten uns unserer Oberkleider und begannen zu schaufeln. Freund Quäker machte rasch ein paar Kodak-Aufnahmen und stand dann in herrlichem grauleinenen Overall, dem amerikanischen Arbeitsgewand, Hose, Weste und Hosenträger aus einem Stück, der Zukunftskleidung der Kommunisten, „Internationalka“ genannt, da; er arbeitete für vier. Ich erkannte viele aus dem Amt, die mich in dieser letzten Woche mürrisch und ohne Freundlichkeit behandelt, die an mir vorübergeblickt und mir unwillig Auskunft gegeben hatten. Jetzt nickten wir einander zu, waren freundlich zueinander, alles Misstrauen schien geschwunden; wir standen ja da und schaufelten gemeinschaftlich knöcheltief in demselben zähen Dreck.

Der Tag war so heiter und glasklar. Hinter uns auf einem Gleise stand ein langer Zug mit heimkehrenden österreichischen, tschechischen und ungarischen Kriegsgefangenen, die uns verwundert anblickten.


Wir arbeiteten, und hier und dort wurde auch gesungen. Wenn auch nicht überall und von allen. Neben mir stand eine junge litauische Arbeiterin, die ihre Spatenhiebe in den Kot mit kleinen Ausrufen begleitete. Einmal sagte sie: wenn nur jeder vor seiner Tür den Mist wegschaufeln wollte, wir brauchten nicht hier zu stehen. Ihre Nachbarin, Sowjet-Bourgeoise, leicht geschminkt und mit Spuren ehemals gewellten Haares seufzte: man lebt zum Glück nur einmal. Der kleine junge Staatssekretär, dünn und zart wie ein Knabe, mühte sich mit einem im Schlamm festgebackenen Wurzelstamm ab. Unsere Arbeit war ziemlich schwer, sie war auf 4 Stunden berechnet, aber in 2½ Stunden hatten wir sie getan. 70 Meter weit war der zähe Schlamm von Jahren weggeräumt, die Trambahnlinie konnte morgen gebaut werden.

Ein Signal: wir marschierten zur Station zurück, stellten uns in Reih und Glied auf und bekamen, jeder und jede, den Schwerarbeiterpajok, d. h. die Lebensmittelzulage eingehändigt: ein halbes Pfund Brot und eine Tüte mit Körnerzucker.

Im rotdunklen Nebel des Abends zogen wir an den phantastischen Türmen Moskaus vorbei durch die Stadt zurück.


Aus anderen Straßen strömten uns Züge entgegen, die Arbeiter und Angestellten der Bekleidungszentralstelle, eine Abteilung roter Soldaten, die Genossen aus dem Kommissariat für Volkswohlfahrt. Hier und da schlüpfte ein Pärchen von kleinen Sowjet-Bourgeoisen, leicht geschminkt und kokett bebändert, aus unserem militärisch stramm über das holprige Pflaster dahin stapfenden Zug auf das glattere Trottoir hinüber. Mit hurtigem Griff hatte ein hinzuspringender Genosse die Ausreißer beim Wickel und zog sie in unsere geordnete Kolonne zurück.

Die Warschawianka, das Lied von der Roten Fahne, die Internationale – wir sangen sie alle in den braunen Abendnebel, an den Türmen Moskaus vorbei. Der alte Faun mit der Pansflöte hatte sich jetzt vor dem Denkmal Feodorows, des ersten Buchdruckers, am Fuße der Chinesischen Mauer der geschlossenen Inneren Stadt, Kitai Gorod, aufgepflanzt. Lockend und leidenschaftlich klangen die hellen trockenen Töne des Rohrs durch den Abend. Wir stapften vorbei. Vor dem Auswärtigen Amt schüttelten wir uns die Hände, und jeder trottete nach Haus. Beine und Arme taten mir weh, mein Herz aber war froh. Ich wünschte ... ich wünschte, ein Zwang käme irgendwoher, und jeder von uns alten und jungen geistigen Arbeitern in Deutschland, Amerika, der ganzen Welt müsste einmal in der Woche mit Kameraden nützliche und harte körperliche Arbeit leisten. Um der Arbeit willen, der einen unteilbaren Arbeit der Hand und des Kopfes willen, der guten, lächelnden, helläugigen Kameradschaft willen, für die Idee der Gemeinschaft und der Zukunft verhärteten Schlamm aus dem Wege räumen mit harten Spatenhieben.

Aber wenn es nach mir ginge, es dürfte kein Unlustiger, kein Widerstrebender dazu gezwungen werden, nicht mit Namenlisten, nicht mit Verwarnung, nicht mit Konzentrationslagern. Um der Arbeit willen und die heilige Gemeinschaft.

Todmüde trottete ich durch die hereinbrechende Nacht in mein entferntes Quartier heim. Plötzlich bemerkte ich, dass ich meinen „Pajok“ noch in der Hand hielt. Ein Arbeiter kam mir entgegen, mit ihm ein Roter, Soldat. Dem Arbeiter gab ich das Brot, dem Soldaten den Zucker.

* * *

Die dritte Phase des Subbotnik heißt Woskressennik, das ist die Sonntagsarbeit. Bei Winteranbruch, wenn die Tage kurz werden, verlegt man den Subbotnik auf den Sonntagmorgen. Aus der freien samstägigen Überstundenarbeit der Kasaner ist eine allrussische allsonntägliche sechsstündige Zwangsarbeit geworden. Uns Ausländern folgte der Woskressennik in unser Haus nach. Am ersten Wintersonntag waren die Bewohner unseres Hauses verpflichtet, von zehn Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags im Hofe unseres Hauses Holz zu sägen, zu spalten und in die Kellerräume zum Zentralofen zu befördern. Diese Arbeit hatte einen leicht humoristischen Beigeschmack der Parodie an sich. Die im Hause ansässigen Arbeiter nämlich leisteten in zehn Minuten dieselbe Arbeit, die wir anderen Dilettanten in zwei Stunden zusammenstümperten, mit verrenkten Schulterblättern, blutig geschlagenen Daumennägeln und angesägten Hosenschäften. Immerhin hatten wir Holzhacken gelernt, auch war das Holz in den Kellerraum befördert, und es begab sich jeder in sein Zimmer, um nach dem Mittagessen: Krautsuppe, Grütze und Tee, seine gute Müdigkeit auszuschlafen.

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Der Zweck des Subbotnik-Woskressennik ist erhöhte Arbeitsleistung. Wie eingangs erwähnt wurde, fördert das psychische Moment der freiwilligen, aber auch der notgedrungenen Arbeit in einer guten, freudigen Gemeinschaft die Leistung in beträchtlichem Maße. Immerhin darf man Bedenken gegen diese Umwandlung und Vergewaltigung eines ursprünglich wahrhaft religiösen Triebes in Zwang äußern. Die Heiligkeit der Arbeit – alle äußere Not ist nicht fähig, kann nicht geltend gemacht werden zur Rechtfertigung der Entheiligung der Arbeit. Die neue Justiz Russlands hat die Geldstrafe aufgehoben – oder doch in fast allen Fällen aufgehoben – und Freiheitsstrafen verwandeln sich immer mehr unter dem Druck der Notwendigkeit einer mit allen Mitteln forcierten Produktion in Zwangsarbeit. Die Arbeit für die Gemeinschaft, Wesenskern und Sinn des Kommunismus, verliert mehr und mehr die ihr innewohnende ethische Bedeutung.

Es muss noch gesagt werden, dass der Subbotnik im Kreml genauso eingehalten wird wie in der Stadt, wie im ganzen Lande. Lenin, Trotzki schleppen und sägen Holz und schaufeln Dreck, wenn es sein muss, und vermutlich mit größerer Lust, als die Mehrzahl von uns Narkominodel-Leuten es getan hat. Denn unter uns waren nicht wenige, die mit widerstrebendem Gefühl und unüberzeugt von der Einheit der Arbeit im Schlamm an den Eisenbahngleisen standen. Der Kommunist aber arbeitet mit Hand und Gehirn, freiwillig und opfermutig und weiß es nicht, wann und wo die Überstunden in seinem Tagewerk beginnen.

Radek erzählte mir von seinem Woskressennik. Er hatte mit anderen Volkskommissaren Holz durch das Borowitzkajator in den Kreml hinaufgeschleppt, und seine alte Köchin, eine simple bäurische Analphabetin, hatte ihn bei dieser Verrichtung gesehen. Die Alte war entgeistert: sie wusste doch, ihr Herr und Genosse stellte irgendetwas in der Regierung vor, jetzt leistete er diese entehrende körperliche Arbeit, wie ein beliebiger Bauernbursche bei ihr zu Hause im Dorf. Radek hielt ihr daraufhin einen populären Vortrag über den Kommunismus und das Problem der Arbeit in der kommunistischen Gesellschaft. Uralter Nebel wurde fortgeräumt aus dem Bauernhirn; der Herr hatte gearbeitet! Wirklich und wahrhaftig gearbeitet. Die Arbeit war also doch nichts Entehrendes, Erniedrigendes...

Gesang der Panflöte, herzzerreißender Gesang des Volkes der Steppen, des weiten, weißen, rassischen Landes in der Winternacht!

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Arthur Holitscher: Drei Monate in Sowjet-Russland

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