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Dreißigtausend Gulden

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›Mein liebes Kind‹ – Ich will mir vor allem den Schluss anschaun. – ›Also nochmals, sei uns nicht böse, mein liebes, gutes Kind und sei tausendmal‹ – Um Gottes willen, sie werden sich doch nicht umgebracht haben! Nein, – in dem Fall wär' ein Telegramm von Rudi da. – ›Mein liebes Kind, du kannst mir glauben, wie leid es mir tut, dass ich dir in deine schönen Ferienwochen‹ – Als wenn ich nicht immer Ferien hätt', leider – ›mit einer so unangenehmen Nachricht hineinplatze.‹ – Einen furchtbaren Stil schreibt Mama. – ›Aber nach reiflicher Überlegung bleibt mir wirklich nichts anderes übrig. Also, kurz und gut, die Sache mit Papa ist dringend geworden. Ich weiß mir nicht zu raten, noch zu helfen.‹ – Wozu die vielen Worte? – ›Es handelt sich um eine verhältnismäßig lächerliche Summe – dreißigtausend Gulden‹, lächerlich? – ›die in drei Tagen herbeigeschafft sein müssen, sonst ist alles verloren.‹ Um Gottes willen, was heißt das? – ›Diesmal ist absolut nichts zu machen, wenn das Geld nicht beschafft wird. Und abgesehen davon, dass wir alle ruiniert sind, wird es ein Skandal, wie er noch nicht da war. Denk' dir, ein Anwalt, ein berühmter Anwalt, – der – nein, ich kann es gar nicht niederschreiben. Ich kämpfe immer mit den Tränen. Du weißt ja, Kind, du bist ja klug, wir waren ja schon ein paar Mal in einer ähnlichen Situation und die Familie hat immer herausgeholfen. Zuletzt hat es sich sogar um Hundertzwanzigtausend gehandelt. Aber damals hat der Papa eine Erklärung unterschreiben müssen, dass er niemals wieder an die Verwandten, speziell an den Onkel Bernhard, herantreten wird.‹ – Na weiter, weiter. Was kann denn ich dabei tun? – ›Und da ist nun dein Brief gekommen, mein liebes Kind, wo du unter andern Dorsday erwähnst, der sich auch im Fratazza aufhält, und das ist uns wie ein Schicksalswink erschienen. Du weißt ja, wie oft Dorsday in früheren Jahren zu uns gekommen ist‹ – na, gar so oft war das nicht – ›es ist der reine Zufall, dass er sich seit zwei, drei Jahren seltener blicken lässt; er soll in einer ziemlich festen Beziehung sein – unter uns, nichts sehr Feines.‹ – Warum ›unter uns‹? – ›Im Klub spielt Papa jeden Donnerstag noch immer Karten mit ihm, und im letzten Winter hat er ihm im Prozess gegen einen andern Kunsthändler ein hübsches Stück Geld gerettet. Im übrigen, warum sollst du es nicht wissen, er hat schon früher einmal dem Papa Geld geliehen.‹ – Hab' ich mir gedacht. – ›Es hat sich damals um eine Kleinigkeit gehandelt, achttausend Gulden, – aber schließlich – dreißig bedeuten für Dorsday auch keinen Betrag. Darum hab' ich mir gedacht, ob du uns nicht den Gefallen tun und mit Dorsday reden könntest.‹ – Was? – ›Dich hat er ja immer besonders gern gehabt.‹ – Hab' nichts davon gemerkt. Die Wange hat er mir gestreichelt, als ich zwölf oder dreizehn Jahre alt war. ›Schon ein ganzes Fräulein‹, hat er dabei gesagt. – ›Und da Papa sich seit den Achttausend glücklicherweise nicht mehr an ihn gewendet hat, so wird er ihm diesen Gefallen nicht verweigern. Neulich soll er an einem Rubens, den er nach Amerika verkauft hat, allein Achtzigtausend verdient haben. Das darfst du selbstverständlich nicht erwähnen.‹ – Hältst du mich für eine Gans, Mama? – ›Aber im übrigen kannst du ganz aufrichtig zu ihm reden. Und dass mit den Dreißigtausend tatsächlich das Schlimmste verhindert ist, nicht nur für den Moment, sondern, so Gott will, für immer.‹ – Glaubst du wirklich, Mama? – ›Denn der Prozess Erbesheimer, der glänzend läuft, bringt dem Papa sicher Hunderttausend, aber selbstverständlich kann er gerade zu diesem Zeitpunkt von den Erbesheimers nichts verlangen. Also, ich bitte dich, Kind, sprich mit Dorsday. Ich versichere dir, es ist nichts dabei. Papa hätte ihm ja einfach telegrafieren können, aber es ist doch etwas ganz anderes, Kind, wenn man mit einem Menschen persönlich spricht. Am sechsten um zwölf muss das Geld da sein, Doktor F.‹ – Wer ist Doktor F.? Ach ja, Fiala. – ›ist gnadenlos. Da es sich unglücklicherweise um Mündelgelder handelt‹ – Um Gottes willen! Papa, was hast du getan? – ›kann man nichts machen. Und wenn das Geld am Fünften um zwölf Uhr mittags nicht in Fialas Händen ist, wird der Haftbefehl erlassen. Also Dorsday müsste die Summe telegrafisch durch seine Bank an Doktor F. überweisen lassen. Dann sind wir gerettet. Im andern Fall weiß Gott, was geschieht. – ›Ich gebe den Brief in aller Früh selbst auf die Post, Express, da musst du ihn vormittags am Dritten haben.‹ – Wie hat sich Mama das vorgestellt? Sie kennt sich doch in diesen Dingen nie aus. – ›Also sprich sofort mit Dorsday, ich flehe dich an, und telegrafiere sofort, wie es ausgegangen ist. Vor Tante Emma lass dir um Gottes willen nichts anmerken, es ist ja traurig genug, dass man sich in einem solchen Fall an die eigene Schwester nicht wenden kann, aber da könnte man ja ebenso gut zu einem Stein reden. Mein liebes, liebes Kind, mir tut es ja so leid, dass du in deinen jungen Jahren solche Dinge mitmachen musst. – Nun, hoffen wir, dass uns der Prozess Erbesheimer in jeder Hinsicht wieder bessere Zeiten bringt. Nur diese paar Wochen müssen wir noch überstehen. Es wäre doch schrecklich, wenn wegen der dreißigtausend Gulden ein Unglück geschähe?‹ – Sie meint doch nicht im Ernst, dass Papa sich selber … – ›Nun schließe ich, mein Kind, ich hoffe, du wirst unter allen Umständen‹ – Unter allen Umständen? – ›wenigstens bis Neunten oder Zehnten in San Martino bleiben können. Unseretwegen musst du keineswegs zurück. Grüße die Tante, sei nur weiter nett mit ihr. Also nochmals, sei uns nicht böse, mein liebes, gutes Kind, und sei tausendmal‹ – ja, das weiß ich schon.

Fräulein Else

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