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Ernst, der Schindelmacher

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Mir machet Schindeln, kei Speckbrettle!«

Ein würziger Harzduft erfüllt die Schindelmacher-Werkstatt von Ernst Karle und katapultiert jeden Besucher mitten in den dichten Tannenwald des Schwarzwalds. Mitten in der Werkstatt thront der Schniedesel, auf dem bereits der Großvater Schindeln abgezogen hat. Das ist der Arbeitsplatz von Ernst, es sei denn, er steht auf einem Dach in luftiger Höhe mit Fernsicht in unendliche Weite und legt die Schindeln dicht an dicht. Ernst hat ohne Frage zwei der schönsten Arbeitsplätze im Schwarzwald.

Seine Arbeit als Schindelmacher fängt im Wald an, auf der Suche nach dem passenden Baum. Für seine Schindeln verwendet er ausschließlich die heimischen Fichten und Weißtannen. Schön gerade sollte der Stamm gewachsen sein, nicht drehwüchsig, wie er betont. Idealerweise sollte der passende Kandidat in der Nähe seines neuen Einsatzortes gedeihen, da er dann den Witterungsbedingungen optimal angepasst ist. Je höher die Höhenlage des Baums ist, desto langsamer wächst er. Seine Jahresringe liegen eng aneinander, er ist fest und widerstandsfähig. »Geschlagen wird der Baum nur im Winter, wenn er nicht mehr im Saft ist«, kommentiert Ernst. Der Stamm wird noch vor Ort in Rollen von 40 bis 60 Zentimeter Breite gesägt, bis zu den ersten Ästen. Nur der untere Teil des Nadelbaums wird also verwendet. Der Rest der Arbeit geschieht in der gemütlichen Stube eines alten Schwarzwaldhofs in Muggenbrunn. Dort erlebt man die Wandlung des Baumstamms zur isolierenden Schindel, ganz nach alter Manier, ohne moderne Technik und Strom. Auf einer Holzbank wird die Rolle mit der Spaltaxt in Keile gehackt, dabei entstehen große Kuchenstücke aus Fichte oder Weißtanne. Das Splintholz, die weiche Schicht unter der Rinde, wird mit der Axt entfernt. Nur das härtere Holz in der Mitte wird zu einer Schindel verarbeitet. Die Tortenstücke werden dann mittig mit einem Spaltlommel, einem speziellen Holzhammer, und einem Metallkeil quer zu den Jahresringen immer wieder geteilt, bis Ernst 11 Zentimeter breite Rohschindeln hat. Aus einem Holzkeil hat er ungefähr 8 bis 12 Rohschindeln geschlagen.



Jetzt folgt der Feinschliff auf dem Schniedesel. Auf der speziellen Schnitzbank werden die Rohschindeln an einer Klemmvorrichtung, der Backe, fixiert. Steuern lässt sich die Klemmvorrichtung mit einem Fußpedal. So hat Ernst beide Hände frei, um das Schindelmesser, ein Ziehmesser mit beidseitigem Griff, gekonnt zu führen. In Sekundenschnelle wird die Schindel mit wenigen präzisen und kräftigen Handgriffen glatt abgezogen, die Späne fliegen umher. Den letzten Schliff gibt Ernst an der sichtbaren Kante, der Schnauz. Entstanden ist ein dünnes Brettchen, das perfekt auf die Wetterbedingungen seines Einsatzortes abgestimmt ist, denn »mir machet kei Speckbrettle«, merkt der Schindelmacher verschmitzt an. Ganze 600 bis 700 Schindeln schafft er am Tag, wenn er schnell ist und sich von der Fernsicht nicht zu lange verleiten lässt. Seinen Schniedesel hat er vor dem Fenster platziert: Ernst thront auf den Höhen des Schwarzwalds, die kleine Ortschaft Muggenbrunn liegt ihm zu Füßen, am Horizont das waldige Mittelgebirge.


Zum Legen der Holzbretter benötigt Ernst genauso wenige Werkzeuge wie beim Schnitzen der Schindeln. Ein Schindelbeil, Nägel, Hammer und eine Schnur, und schon kann er auf einem Schwarzwaldhof die Schindeln fixieren. Für einen Quadratmeter benötigt Ernst 144 Dachschindeln, die versetzt verlegt werden. Genauigkeit ist bei seiner Arbeit relevant, denn die Schindeln müssen sich perfekt überlappen, vor allem auf der Wetterseite ist das wichtig. Auf dem Dach halten die Schindeln dann, je nach Witterungsbedingungen, 30 bis 40 Jahre, an einer Hauswand sogar bis zu 100 Jahre. Dank ihrer Langlebigkeit und ihrer sehr guten Beständigkeit gegenüber Schnee, Regen und Sturm kommt die traditionelle Schindeltechnik heute wieder vermehrt zum Einsatz.


Die Idee, Dächer und Hausfassaden mit den isolierenden und wetterfesten Schindeln zu bedecken, gab es schon vor Jahrtausenden. Im Schwarzwald wurden früher vor allem in den Höhenlagen des Schwarzwalds, in denen Stroh nicht ausreichend zur Verfügung stand, die großen Dächer, aber auch die Hausfassaden der Schwarzwaldhöfe mit Holzschindeln bedeckt. Schließlich wächst der Rohstoff direkt vor der Haustür. Einst wurden die Schindeln im Winter von den Bauern selbst hergestellt. So war es auch bei Ernsts Großvater, der die Schindeln in der Stube für den Eigengebrauch schnitzte.



Heute werden Schindeln im großen Stil industriell produziert und gesägt. Die Fasern rauen dadurch auf und saugen das Regenwasser auf. Auch kommen viele Schindeln aus Osteuropa und noch ganz anderen fernen Ländern. »Dabei haben wir vor Ort wunderbares Holz« – Ernst hält kurz beim Abziehen inne. Da das traditionelle Herstellen jedoch zeitaufwendig ist, experimentiert Ernst momentan an einer teilmaschinell hergestellten Schindel, aus heimischer Weißtanne natürlich. Wer weiß, vielleicht kommen so in Zukunft mehr Menschen in den Genuss einer Schwarzwaldschindel. Ihm ist die Wertschätzung des einzigartigen Mittelgebirges mit seinen Baumschätzen sehr wichtig. Die Kunst des Schindelmachens beherrschen heute nur noch sehr wenige Handwerker. Ihm schwebt vor, in einigen Jahren Kurse anzubieten, damit das Schwarzwälder Traditionshandwerk bewahrt wird und möglichst viele Menschen die Kunst des Schindelmachens schätzen lernen. Doch vorerst warten noch viele Dächer und Hausfassaden auf Ernsts handwerklich hergestellte Schindeln, damit ein weiteres hölzernes Wetterkleid einen Schwarzwaldhof schmückt und ihn so vor Wind und Wetter schützt.

Kontakt

Firma Karle

Ernst Karle

Oberhäuserstraße 26a

79674 Muggenbrunn

Tel.: 0172 7493001

E-Mail: webmaster@karle-bedachungen.de

www.karle-bedachungen.de

Tradition und Leidenschaft – Handwerkskünstler im Schwarzwald

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