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Die Botschaft der Krähen

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Gewöhnlich müssen neue Ideen erst einmal die starken Widerstände alter Methoden überwinden. Daher scheint es mir passend zu sein, dass der erste Bericht in diesem Buch von einer dramatischen Begegnung zweier ganz verschiedener Einstellungen handelt.

Billies Erlebnis mit den Krähen und dem Indianertanz-Workshop weckte ihr Interesse an früheren Leben. Einmal deswegen, doch vor allem, weil sie fühlte, dass ihr Leben in einer Sackgasse gelandet war, wollte sie eine Regression durchführen.

„Nichts bewegt sich mehr. Nichts ändert sich“, sagte sie. „Früher war alles immer im Fluss. Aber jetzt läuft nichts mehr. Nach dem Erlebnis im Workshop frage ich mich daher jetzt, ob etwas aus einem früheren Leben mir helfen könnte.“

Billie fiel es leicht zurückzugehen. Schon bald sah sie sich neben einer langen Reihe verstaubter Karren auf einem Pferd reiten. Es war in Amerikas Pionierzeit, als die Leute in den Wilden Westen zogen.

Aus praktischen Gründen war sie ein junges Mädchen in Männerkleidung, und auch, weil sie schon immer eine Art Wildfang gewesen war. Ihre Familie reiste in einem der Wagen, während sie und ihr Bruder zusammen mit anderen Reisenden nebenher ritten. Wie sie sagte, war das, um die Wagen leichter zu machen und nach Gefahren Ausschau zu halten.

AF: Was für Gefahren?

B: Ich glaube, Angriffe von Indianern.

AF: Ist das schon mal passiert?

B: Nein. Wir versuchen, Indianergebiet zu umgehen. Aber wir haben noch einen langen Weg vor uns.

Es sieht so aus, als wollten die Anführer jetzt anhalten und das Nachtlager errichten. Es wird bald dunkel. Es gibt hier eine kleine Bucht mit Wasser. Ja - jetzt ertönt der Ruf bis ganz nach hinten: ‚Alle anhalten.‘

(Pause)

Jetzt ist die Nacht angebrochen. Alle sitzen um die Lagerfeuer herum. Ich laufe ein bisschen umher. Es ist ein klarer Sternenhimmel. Ich finde es herrlich, hier draußen zu sein. Ich wünschte, ich könnte immer so leben.

(Nach langem Schweigen wurde Billie plötzlich unruhig.)

AF: Was ist los?

B: Indianer! Sie sind plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht. Sie johlen und schreien, ihre Pfeile prasseln auf uns herunter; sie greifen unsere Wagen an. Ich höre Gewehrschüsse, Schreie, es ist sehr laut ...

Mich hat ein Pfeil am Bein getroffen. Da kommt einer von ihnen ganz schnell auf mich zugeritten. Er greift nach mir und zerrt mich auf sein Pferd. Er reitet mit mir weg. Ich wehre mich und versuche, mich loszureißen. Aber er ist stärker als ich. Er zieht mich wieder aufs Pferd.

(Pause)

Jetzt befinde ich mich in ihrer Siedlung. Es stehen überall kleine Zelte. Ich sitze nicht mehr auf dem Pferd. Der Indianer hat mich an den Händen gefesselt und führt mich irgendwohin. Dabei ruft er immer wieder etwas.

Fremde kommen angerannt. Sie bleiben stehen und starren mich an. Ich glaube, er wird mich gleich töten.

Jetzt ist ein alter Mann gekommen ... Sie reden eine Weile miteinander. Dann folgt mein Entführer ihm und zieht mich hinter sich her.

Sie legen mich auf eine Art Lagerstätte. Ich bin in einer Höhle. Es sieht so aus, als würde jemand hier leben. Der alte Mann steht am Eingang und redet mit meinem Entführer.

Der verschwindet. Der alte Mann kommt mit einem Lumpen und einer Schüssel auf mich zu. Ich habe Angst. Er tunkt den Lumpen in die Schüssel, macht ihn nass und legt ihn auf die Wunde an meinem Bein. Ich versuche, ihn wegzustoßen. Er bringt mich dazu, etwas zu trinken.

Die Wunde fängt an, sich wie betäubt anzufühlen. Er lässt den Lumpen auf der Wunde. Er krächzt irgendwas ... immer wieder und wieder, auf und ab, immer wieder. Mir wird schwindlig ... alles rückt immer weiter weg ...

(Tiefer Seufzer)

Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe. Es fällt mir schwer aufzuwachen. Der alte Indianer steht vor mir und lächelt mich an. Er gestikuliert, dass ich eingeschlafen bin, nachdem er mir das Getränk gegeben hatte, und dass er dann die Pfeilspitze aus meinem Bein entfernt hat. Die Wunde ist dick verbunden. Er erklärt mir durch Gesten, dass ich den Verband anlassen soll, dann wird die Wunde heilen. Wieder gibt er mir etwas zu trinken.

Jetzt liege ich da und sehe ihm zu, während er in seiner Höhle zugange ist und sein seltsames Lied singt. Ich könnte ewig hier liegen und ihm zuhören.

(Schläfrig)

Hoffentlich ist meiner Familie nichts passiert. Mein Bruder wird wahrscheinlich eine ganze Gruppe zusammentrommeln, um herzukommen und mich zu befreien. Hoffentlich kommen sie bald. Bevor diese Indianer mich opfern. Oder was immer sie mit mir vorhaben.

Die Zeit verging, die Wunde heilte, doch niemand kam, um sie zu befreien. Auch wenn der Medizinmann sie freundlich behandelte, wollte sie fliehen und zu ihren Angehörigen zurückkehren, sobald sie wieder laufen konnte.

(Flüsternd) Es ist früher Morgen. Der alte Mann schnarcht auf seinem kleinen Lager hinten in der Höhle. Ich schleiche mich davon.

(Später)

Ich befinde mich wieder an der Stelle, an der wir vor dem Angriff unser Nachtlager errichtet hatten. Es sieht so aus, als wären sie in großer Eile aufgebrochen. Gegenstände, die sie gewöhnlich mitnehmen, liegen hier herum.

Sie sind also ohne mich weitergezogen. Vielleicht denken sie, ich sei tot.

Mein Bein tut furchtbar weh. Es wird langsam dunkel. Ich muss die Nacht hier verbringen. Hoffentlich lassen mich die wilden Tiere in Ruhe.

Nach einer angstvollen Nacht in der Wildnis versuchte sie, den Wagenspuren zu folgen. Doch mittlerweile konnte sie kaum mehr laufen.

Ich liege auf dem Boden. Offensichtlich bin ich ohnmächtig geworden. Zwei Indianer stehen vor mir. Sie ziehen mich hoch und legen mich quer über einen Pferderücken. Ich bin zu schwach, um Widerstand zu leisten.

Das war es also. Mein Leben ist vorbei. Dabei dachte ich, ich hätte noch alles vor mir, ich würde die neue Welt erforschen und lauter solche Dinge.

Jetzt bin ich wieder in der Höhle des alten Mannes. Er gibt mir wieder diese Flüssigkeit, bei der mir ganz schummrig wird. Ich verliere das Bewusstsein.

Mit der Zeit verheilte ihre Wunde völlig.

Der alte Mann hat mir viele Dinge beigebracht. Ich lerne ihre Sprache, welche Pflanzen man für Heilmittel sammeln muss, wie man Medizin aus ihnen macht ...

Er hat mir geraten, immer das Lied der jeweiligen Pflanze zu singen, die ich gerade suche. Wenn ich das täte, wäre es leichter, sie zu finden. Und er bringt mir lauter kurze Melodien bei, die ich singen soll. Am Anfang kam ich mir ein wenig blöd vor. Aber jetzt gefällt es mir. Und es scheint tatsächlich zu helfen. Wenn ich die Liedchen singe, finde ich immer, was ich suche.

Außerdem hat er mir gezeigt, wie ich das Wetter vorhersehen kann und wie man Omen und Zeichen liest. Zuerst habe ich nicht daran geglaubt, aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es funktioniert.

Es ist ein schönes Gefühl, den Tag zu betrachten und nach den Zeichen Ausschau zu halten. Es ist gut zu wissen. Und es gibt mir etwas zu tun, während ich warte.

AF: Worauf warten Sie denn?

B: Ich kann meine Angehörigen nicht allein finden - ich würde mich verlaufen. Deshalb muss ich noch eine Weile hierbleiben. Aber früher oder später wird mich schon jemand finden und zu ihnen bringen. Es gibt doch so vieles, was ich ihnen zu erzählen habe!

Der alte Mann sieht die Sache anders. Er sagt, er habe gewusst, dass jemand wie ich kommen werde. Als er mich gesehen habe, habe er gewusst, dass ich die sei, auf die er gewartet habe. Deswegen habe er sich um mich gekümmert und mir ihr Wissen beigebracht.

AF: Woher hat er das gewusst?

B: Ach, er hat Träume und Visionen und solche Sachen. Er sagt, die Geister hätten mich ihnen geschickt.

AF: Wie denken Sie darüber?

B: Das ist seine Sache - es ist mir egal. Das Wichtigste ist, dass ich keine Angst mehr vor ihnen habe. Und mir gefällt das, was ich hier alles lerne.

(Ungefähr ein Jahr später)

Ich glaube nicht, dass noch jemand kommt und mich holt. Sie haben mich vor langem aufgegeben, also sollte ich sie auch vergessen. Und hier lerne ich lauter interessante neue Dinge. Ich will gar nicht mehr zurück.

Der alte Mann sagt, ich sei gut darin, die Botschaften der Vögel zu lesen. Ich sähe ihre Bewegungen am Himmel als ein Gefühl - wie einen Tanz. Dann sage ich, was es meiner Meinung nach bedeutet. Er sagt, es sei meine besondere Gabe. Er will mir beibringen, wie ich sie noch besser nutzen kann.

Eines Tages durfte sie an einer der großen Feierlichkeiten des Stammes teilhaben:

Der alte Mann bringt mir seit einer ganzen Weile ihre wichtigen Lieder bei - die Lieder, die sie auf diesen Versammlungen gemeinsam singen. Zwei Mädchen bemalen kichernd mein Gesicht und behängen mich mit Federn und Perlen. Es macht irgendwie Spaß.

(Später)

Erinnerungen an die Versammlungen kommen zurück ... Es war herrlich. Wir sangen alle Lieder ... Ich tanzte mit ihnen im Kreis ... Es fühlte sich so gut an, dass ich weinen musste. Sie lachten und tupften mir das Gesicht ab, damit die Farbe nicht verschmierte. Es war das schönste Erlebnis meines Lebens. Ich bin jetzt wirklich eine von ihnen.

(Lange Pause)

AF: Wo sind Sie jetzt?

B: Immer noch am selben Ort. Ich bin schon seit vielen Jahren hier. Die Indianer sind jetzt mein Volk. Mein Leben ist hier. Ich bin glücklich.

Ich bin nun die Helferin des Medizinmannes. Ich kann nur seine Helferin sein, nicht sein Lehrling, weil ich erstens eine Frau bin und weil ich zweitens nicht von ihrem Stamm bin. Aber das macht mir nichts aus.

Ich bin gerade mit ihm und einem der Stammes-Oberhäupter zusammen. Es ist nachts. Wir sitzen auf einem Hügel und betrachten die Sterne.

Sie sagen, wir seien hergekommen, weil sie mir ein paar wichtige Dinge sagen wollen. Das hätten sie bisher nicht gekonnt, weil diese Dinge nicht für Außenstehende bestimmt seien. Aber da ich jetzt eine von ihnen sei, sei es in Ordnung.

Ich sitze zwischen den beiden. Der Medizinmann spricht, während der andere leise trommelt. Es ist eine sternenklare Nacht. Wir können die große Milchstraße sehen. Er spricht davon, wie weit der Himmel ist, und zeigt auf einige Sterne, während er mir Geschichten über sie erzählt. Er sagt, sein Volk habe Brüder und Schstandard, die da oben auf den Sternen lebten. Vor langer Zeit kamen sie herunter und haben dem Volk alles beigebracht, was es weiß.

Er sagt, wir können von hier aus immer noch mit ihnen reden. Dass sie mir zeigen werden, wie man das macht. Zuerst rufen sie ihre Brüder und Schstandard mit einem bestimmten Lied - dem Sternenlied. Dann müssen wir Herz und Verstand öffnen. Sie zeigen mir die Handbewegungen, mit denen wir das andeuten. Dann müssen wir stillsitzen und auf ein Zeichen warten, was lange dauern kann.

Sie singen jetzt ihr Sternenlied. Es ist wunderschön. Währenddessen sehe ich in die Sterne. Jetzt schwebe ich hoch oben am Himmel. Ich kann uns drei auf dem Hügel sitzen sehen, ganz klein und weit weg. Um mich herum sind lauter funkelnde Sterne.

Ich schwebe immer höher und höher ... Jetzt bin ich ganz weg ...

(Lange Pause)

Jetzt bin ich wieder die, die ich heute, im einundzwanzigsten Jahrhundert, bin. Aber der Medizinmann ist immer noch bei mir. Wir gehen zusammen. Er erzählt mir Dinge, die ich in dem früheren Leben noch nicht hätte verstehen können, wie er meint. Aber jetzt kann er sie mir sagen.

Er sagt, es hat einen guten Grund dafür gegeben, warum ich zu ihnen gekommen bin und mit ihnen zusammengelebt habe. Ich brauchte eine spirituelle Spritze in den Arm. Sie kam als Pfeilspitze in meinem Bein.

Er sagt, es sei ein multidimensionales Ereignis gewesen, weil es viele Schichten an Bedeutung gehabt habe. Auf einer Ebene war es einfach nur ein brutaler Angriff. Er sagt, der Mann, der das getan hat, wird dafür mit seinem eigenen Karma zu kämpfen haben.

Auf einer höheren Ebene wusste ich in meinem Herzen, dass ich etwas brauchte, um den dicken Panzer zu durchdringen, den ich mir in vielen Leben angeeignet hatte. Der Pfeil war notwendig gewesen, um mich für die Spiritualität zu öffnen. Doch er sagt auch, dass ich sehr stur gewesen bin. Ich habe lange dagegen angekämpft. Aber als ich die Dinge endlich annehmen konnte, wurde alles gut.

Er sagt, diese Erinnerung sei jetzt wieder hochgekommen, um mich daran zu erinnern, und auch, weil dasselbe Muster sich nun in meinem Leben wiederhole. Zwar nicht so dramatisch - es sei nur ein schwaches Echo dessen, was damals passiert sei.

Das ist der Grund, warum ich mich so festgefahren fühlte - weil ich unbewusst gegen das Neue angekämpft habe und am Alten festhalten wollte. Das werde ich jetzt ändern. Die Erinnerung an dieses Leben damals wird mich davon befreien.

Die Krähen sind gekommen, um mich aufzuwecken und mir zu zeigen, dass ich damals wirklich eine seines Volkes wurde. Deswegen hat das Tanzen und Singen im Workshop mir so viel bedeutet.

Er sagt, dass ich tief in meinem Inneren immer Zweifel hegte, das Gefühl, als würde ich es nicht wirklich schaffen - als wäre ich nicht gut genug oder so was. Er sagt, die Krähen seien gekommen, um mich wissen zu lassen, dass ich es geschafft habe. Der Sinn des damaligen Lebens sei erfüllt worden.

(An diesem Punkt kommen ihr Tränen.)

Er sagt, das reiche für heute. Er werde mich wieder aufsuchen. Er winkt mir zum Abschied zu, dreht sich um und geht weg.

Reinkarnationen

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