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»Du willst was?«

Die Freude über das Wiedersehen hatte ganze zwölf Minuten angedauert. Obwohl sie mit aberwitzigen Merkwürdigkeiten ihres Sohnes gerechnet hatten - kein Wort über Nora ... generell kein Wort über Frauen, über Beziehungen ... kein Wort über seine berufliche Zukunft ... keine Diskussion über Äußerlichkeiten -, hatte er sie doch wieder überrascht.

»Du willst eine Innenkabine?«

Sein Vater schüttelte den Kopf, doch Michael ließ nicht mit sich reden.

Er wusste nicht, warum er das mit der Innenkabine vor Anna und Hedda behauptet hatte, es war einfach so gesagt. »Innenkabine!«

Vielleicht passte das zu dem Bild, das sie von ihm hatten, und das er bereit war, auf dieser Reise zu leben. »Bist du tatsächlich Seemann?«, hieß dann wohl auch, dass er ihnen schon vorher aufgefallen sein musste. Er hatte sie nicht wahrgenommen, leider. Vielleicht wäre der Flug dann nicht so langweilig gewesen.

Wieder dachte er an Anna. An diese Augen, die so ... so verletzt wirkten. Und leidvoll. Irgendwas oder irgendwer musste ihr etwas Schreckliches angetan haben. Etwas sehr Schreckliches. Doch bei aller Verletztheit wirkte sie auch ... stark. Selbstbewusst.

Beeindruckend!

Seit er die beiden Freundinnen auf dem Flughafen angesprochen hatte, waren die Gedanken an Nora weit nach hinten gerückt. Was für ein herrliches Gefühl. Seine Gedanken kreisten nur noch um Anna. Seine Gedanken, nicht seine Gefühle. Das wunderte ihn, denn die Gedanken an Anna taten ihm gut. Sehr gut. Doch mehr interessierte ihn jetzt nicht.

Ganz sicher würde er Anna immer wieder auf dem Schiff begegnen. Vielleicht auch mit ihr reden. Zumindest hoffte er das. Und deshalb brauchte er unbedingt diese Innenkabine. Keine Luxuskabine, keine Lüge. Diese Innenkabine passte einfach viel besser zu diesem ›Seemann‹. Obwohl das natürlich die wirkliche Lüge war - die er noch bereuen sollte.

Michaels Vater schüttelte den Kopf, lief aufgeregt durch die Suite, hinaus auf den Balkon und blickte über das Heck des Schiffes in den Hafen. Er konnte sich nicht beruhigen.

Seine Mutter lächelte schon wieder.

»Jetzt reg dich wieder ab, Hendrik«, rief sie ihrem Mann zu, der noch immer, festgekrallt an der Balkonbrüstung, über das Hafengelände blickte.

»Der Kapitän wird gleich hier sein. Mal sehen, was sich da machen lässt.«

Augenblicklich gab Michael seiner Mutter das Lächeln zurück, das sie so sehr an ihm liebte, das sie mit Mutterstolz erfüllte. Er ging zu ihr hin und küsste sie auf die Wange.

»Mama, ich wusste, du verstehst mich.«

»Da überschätzt du mich. Ich verstehe es nicht, aber wenn du diese Innenkabine brauchst, dann wirst du deine Gründe haben. Um eines bitte ich dich aber: Am vorletzten Abend wirst du mit uns unseren Hochzeitstag feiern, sonst bin ich -«

»Versprochen, Mama, versprochen«, unterbrach er sie. Es hatte eben geklopft. Michael ging hinüber, öffnete die Tür und ließ den Kapitän eintreten.

Die Begrüßung war herzlich. Michaels Vater beruhigte sich langsam und kam wieder in die Suite.

Seine Eltern und der Kapitän kannten sich von drei oder vier Kreuzfahrten und von zwei Schiffseinweihungen auf der Reederei. Der Schiffseigner war ein guter Freund seiner Eltern und würde, genauso wie der Kapitän, an dem kleinen Fest, zu Ehren ihres Hochzeitstages, teilnehmen.

»Ist alles zu Ihrer Zufriedenheit?«

Der Kapitän sah sich um. Den Passagieren in den zwei Suiten fehlte es tatsächlich an nichts. Ein Wohnraum, zwei Schlafräume, ein WC und zwei Bäder mit Dusche und Doppelwanne. Eine Pantryküche und ein geräumiges Entree rundeten die exklusive Ausstattung ab. Täglich frische Blumen, frisches Obst und Getränke nach Wahl, waren Teil des Services, über den niemand ausdrücklich ein Wort verlor. Außerdem lagen in einem Weinkühlschrank, der auf Anweisung des Schiffseigners für diese Reise in diese Suite eingebaut worden war, sechs Flaschen Gevrey-Chambertin 1er-cru ›Les Corbeaux‹ 2005 und sechs Flaschen Chablis 1er-cru ›Montée de Torrenne‹ 2010. Seinem Freund Hendrik sollte es an nichts fehlen.

Und doch ... durchwanderte Hendrik augenblicklich wieder unglücklich, resigniert und sprachlos die Suite. Es schien, als würde er seinen Sohn nicht verstehen und es schien auch, als hätte er es aufgegeben, ihn jemals verstehen zu können.

»Hier ist alles bestens«, begann Kamilla Eschbronn schließlich und versuchte, dem Kapitän den exklusiven Wunsch ihres Sohnes nahezubringen. Für ihn war eine Luxuskabine vorgesehen, doch jetzt wünschte er eine bescheidene Innenkabine.

Dem Kapitän eröffnete sich nicht gleich die Problematik mit der Innenkabine, doch als er es begriff, lachte er herzhaft.

»So verrückt sind Männer nur, wenn eine Frau dahintersteckt«, versuchte er Michaels Vater zu beruhigen, der weiterhin sprachlos den Kopf schüttelte. »Aber es tut mir leid. Die Innenkabinen sind ausgebucht.«

Michael war enttäuscht. Er hatte sich das so wunderbar vorgestellt: ›Seemann‹, Innenkabine, fast mittellos.

»Und da lässt sich nichts machen? Immerhin würde ich sie gegen eine Luxuskabine tauschen.«

»Ach, Sie wollen tauschen?! Das hört sich ja ganz anders an. Und Sie sind sich absolut sicher?«

»Ganz sicher.«

»Wer ist diese Frau? Was hat sie an sich?«, fragte der Kapitän und versuchte mit einem Lächeln und mit diesen wenigen Worten, die Spannung aus dem aufgewühlten Universum dieser Suite zu nehmen. Doch niemand reagierte. Und eilends wurde er wieder ernst. »Ein Zurück käm dann aber nicht mehr infrage.«

Michael nickte. Er war entschlossen.

Und flugs war tatsächlich eine Lösung gefunden. Ein frühpensionierter Lehrer, der bereits zwei Kreuzfahrten mitgemacht hatte und dabei stets ein wenig für Probleme mit seinem Kabinenmitbewohner gesorgt hatte, »Vorsichtig ausgedrückt«, wie der Kapitän sagte, würde sicherlich entzückt sein.

»Wie meinen Sie das?«, fragte Michaels Mutter, augenblicklich entsetzt. »Kabinenmitbewohner?«

Innenkabinen waren auf diesem Schiff immer Zweierkabinen und oft teilten sich zwei fremde Personen eine Kabine, erklärte der Kapitän.

Besorgt sah sie an. Auch wenn ihr Sohn erwachsen war, so blieb er immer ihr Sohn. Und sie immer seine Mutter.

Der Kapitän verstand ohne Worte und nahm ihr die Sorge.

»Aber da hat es eigentlich noch nie Probleme gegeben. Vielleicht mit dem Schnarchen, aber mehr auch nicht.«

Eine Stunde später waren alle Formalitäten erledigt, Michael im Besitz einer Schlüsselkarte für eine Innenkabine und ein frühpensionierter Lehrer im Besitz der absonderlichen Gewissheit, dass es sich eben doch lohnt, immer wieder auf Unzulänglichkeiten aufmerksam zu machen.

Niemand widersprach ihm.

Urlaubsflirt oder Liebe

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