Читать книгу Inshallah - Axel Rudolph - Страница 4

2. Kapitel.

Оглавление

„Darf ich Ihnen den jungen Helden des Indienfluges vorstellen, Mrs. Soelter? Das ist Mr. Ring, der erst heute morgen mit seinem Flugzeug hier gelandet ist!“

Colonel Blake machte eine verbindliche Handbewegung, und Detlev Ring vergaß fast, seine Verbeugung zu machen. Er starrte überrascht in zwei große, direkt auf sein Gesicht gerichtete, blauschimmernde Augen. Die Frau, die der Colonel Mrs. Soelter genannt hatte, trug hier auf dem Gartenfest im „Majestic“ eine europäische Abendtoilette, die nicht anders war als die der übrigen Damen, aber Detlev wußte sofort: Ein Irrtum war unmöglich! Das waren die blauen Augen, die ihn heute mittag vom Kamelsattel herab angesehen hatten.

„Sie sind Deutscher, Herr Ring?“

In Detlevs Kopf begann sich sachte ein gewisses Mühlrad zu drehen bei dieser Frage, die eine tiefe, volle Altstimme in tadellosem Deutsch aussprach. Heiliger Wetterfrosch! Sprachen denn hier im englischen Aden alle Damen Deutsch? Erst die lustige kleine Amerikanerin! Und jetzt stand da diese schöne Unbekannte, die er vor wenigen Stunden als einzige weiße Frau inmitten einer Karawane von Wüstensöhnen gesehen hatte, und sprach ihn ganz gelassen in seiner Muttersprache an. Beinahe kam seine Überzeugung, daß Mrs. Soelter die geheimnisvolle Unbekannte sei, ins Wanken.

„Sie sehen mich so sonderbar an, Herr Ring. Überrascht es Sie so, daß ich Deutsch spreche?“

Detlev riß sich zusammen. „Allerdings, gnädige Frau. Denn ich glaube, Sie bereits heute vormittag gesehen zu haben, und zwar in einer rein arabischen Gesellschaft.“

„Sagen Sie bitte nicht ‚gnädige Frau‘ zu mir. Ja, ich sah Sie auch. Wenn mich nicht alles täuscht, sind wir ziemlich gleichzeitig hier in Aden angekommen. Sie mit Ihrem Flugzeug, und ich aus Mareb!“

Ein Lauschen war plötzlich in dem Gesicht der Frau. Sie sprach die letzten Worte fast mechanisch aus, als seien ihre Gedanken ganz wo anders. Einer der vornehmen Araber, die mit ihren weißen Mänteln eine Abwechslung in das Bild der Smokings und Uniformen brachten, strich eben dicht an ihnen vorüber.

„Die Hitze fängt an, mich Gespenster sehen zu lassen,“ dachte Detlev Ring ärgerlich, „oder ist es die ganze romantische Atmosphäre des Orients, die einen allerlei Geheimnisvolles vorgaukelt?“ Er glaubte eben gehört zu haben, daß der Araber Mrs. Soelter im Vorbeigehen ein paar Worte zuflüsterte, ohne sie auch nur eine Sekunde dabei anzusehen.

„Entschuldigen Sie mich, Herr Ring! Ich hoffe, daß wir nachher noch Gelegenheit finden, ein wenig zu plaudern.“

Da stand Detlev wieder allein. Verblüfft sah er ihr nach, wie sie sich mit geschmeidiger Sicherheit durch den von fröhlich plaudernden Menschengruppen bevölkerten Garten wand. Er sah sich um. Jemand fragen, wer diese Mrs. Soelter eigentlich sei? Den Colonel vielleicht oder einen der britischen Fliegerkameraden? Aber im nächsten Augenblick verwarf er den Gedanken. Warum nicht sie selbst fragen? Ihr helles Kleid verschwand eben im Dunkel des Parks, der sich außerhalb der von bunten Lichtern bestrahlten Gartenterrasse hinter dem Hotel dehnte. Detlev schlug die gleiche Richtung ein, aber es dauerte noch etwa zehn Minuten, bevor er unauffällig in den Park kommen konnte. Einige Seeoffiziere hielten ihn auf und verwickelten ihn in ein freundschaftliches Gespräch über seinen Indienflug.

Als Detlev endlich in den Park gelangte, war von Mrs. Soelter weit und breit nichts zu sehen. Wahrscheinlich war sie längst an irgend einer anderen Stelle wieder in die Gesellschaft zurückgekehrt. Detlev folgte mißmutig dem gewundenen Pfad zwischen den Palmen und Gebüschen. Er sah schon die Mauer auftauchen, die den Park rückwärts abschloß, als er sich plötzlich an der Hand gefaßt fühlte und zu seinem grenzenlosen Staunen Joy Cawler erkannte, die dicht neben dem Weg hinter einem Busch kauerte.

„Still!“ unterbrach die Journalistin seine erstaunte Frage. „Sie ist dort vorne, dort an der Gartenpforte! Sehen Sie nicht?“

Detlevs Augen bohrten sich in den Samtteppich der Tropennacht. Dicht an der Gartenpforte, im Schatten einer Sykomore stand Mrs. Soelter. Aber nicht allein. Neben ihr gewahrte er die Umrisse eines Mannes, der eifrig im Flüsterton auf sie einzusprechen schien. Ein paar harte Kehllaute drangen herüber, dann Mrs. Soelters etwas lautere, klangvolle Altstimme.

„Sie sprechen arabisch,“ flüsterte Joy. „Es hat keinen Zweck, sich näher heranzupirschen. Außer den Alltagsbrocken, die man hier im Straßenverkehr aufschnappt, versteh ich die Sprache doch nicht. Außerdem würden sie uns bemerken. Hinter der Mauer stehen draußen auf der Straße nämlich noch so ein paar braune Burschen, die den Garten beobachten, anscheinend um die beiden zu warnen, wenn jemand kommt.“

„Aber wie kommen Sie denn hierher?“

Joy sah ihn vorwurfsvoll an. „Hab ich Ihnen nicht versprochen, morgen früh zu berichten, wer die Unbekannte ist?“

„Ich weiß es schon!“

„Na, na, Mr. Ring. Wir wollen uns mal ein bißchen darüber unterhalten, ja? Aber nicht hier. Kommen Sie, wir drücken uns rückwärts durch die Büsche und mischen uns drüben in das Gartenfest. Ich hab sowieso einen höllischen Durst auf eine Limonade.“

„Aber ...“ Joy fing den besorgten Blick auf, den Detlev nach den beiden Gestalten an der Pforte warf und lächelte. „Ihre Besorgnis ist überflüssig. Die braunen Gentlemen da tun der Dame bestimmt nichts. Soweit meine Kenntnis der morgenländischen Sitten reicht, haben sie sie vorhin mit allen Anzeichen ergebenster Ehrfurcht begrüßt.“

An einer Biegung, die sie den Blicken der Späher an der Gartenmauer entzog, betraten Detlev und Joy wieder den Weg und schlenderten der Terrasse zu, von der lustiges Lachen und eine schelmischwehmütige Banjoweise herüberklangen.

„Sagen Sie mal, Miß Joy, sind Sie eigentlich eingeladen? Ich meine zu diesem ‚prominenten‘ Gartenfest.“

„Yes,“ sagte die Amerikanerin trocken. „Und zwar von einem der prominentesten Gäste, dem berühmten deutschen Flieger Mr. Ring persönlich. Ich möchte den sehen, der auch nur mit einer Spur von Befremden mich anschielt, wenn ich in Ihrer Begleitung jetzt auftauche.“

Es war in der Tat so. Niemand dachte daran, Anstoß an Joys Gegenwart zu nehmen oder nach ihrer Einladungskarte zu fragen, wie der peinlich korrekte Detlev im stillen befürchtet hatte. Captain Nicholls vom Kamelreiterkorps, der gleich bei ihrer Rückkehr auf die Terrasse Detlev entgegenkam, ließ sich seiner Dame vorstellen und war sofort mit Joy in ein lustiges Wortgeplänkel engagiert. Mitten in einem Satz brach er jedoch ab. Mrs. Soelter war wieder da. Weder Detlev noch Joy hatten sie aus dem Garten kommen sehen, aber sie stand plötzlich inmitten einer Gruppe von älteren Herren, unter denen Detlev Sir John Donegal, den Vertreter des Gouverneurs, und Colonel Blake erkannte. Er sah jetzt auch, was ihm vorhin, als er ihr gegenüberstand, in seiner Überraschung entgangen war: daß Mrs. Soelter zu ihrem europäischen Abendkleid einen typischen Araberschmuck in den Ohren trug und daß ihr ernstes Gesicht gar nicht recht zu dem sorglos-heiteren Ton dieses Gartenfestes paßte.

„Entschuldigen Sie mich einen Augenblick, meine Herrschaften. Ich muß Mrs. Laila ... Teufik Bey vom Türkischen Generalkonsulat bat mich, ihm eine Unterredung mit ihr zu vermitteln.“

Joy pfiff halblaut wie ein ungezogener Gassenjunge vor sich hin, als der Captain eilig auf Mrs. Soelter zuging. Detlev faßte sich unwillkürlich an die Stirn.

„Was soll nun das wieder bedeuten? Wie nannte der Captain eben die Dame? Laila? Ich denke, sie heißt Mrs. Soelter?“

„Ist das alles, was Sie über unsere Araberin herausgekriegt haben, Mr. Ring?“

„Ja ... das heißt: Colonel Blake nannte sie so, als er mich vorstellte. Ich habe kaum zwanzig Worte mit ihr gewechselt.“

Joy sah ihn mitleidig an. „Da kann ich Ihnen mit mehr dienen.“

„Also los, Miß Cawler! Spannen Sie mich nicht auf die Folter. Ich brenne vor Neugierde!“

„Nur vor Neugierde? Also schön. Aber erst müssen Sie mir die Limonade besorgen. Eher rede ich keinen Ton.“

Als Detlev das Getränk vom Büfett brachte, saß Joy in einer Ecke der Terrasse, die einen guten Überblick bot, und sah nachdenklich zu Mrs. Soelter hinüber, die neben einem eifrig auf sie einredenden türkischen Herrn ihr grade gegenüber an der Brüstung stand.

„Das tat gut.“ Joy gab das leere Glas zurück und nickte Detlev zu. „Setzen Sie sich ein wenig neben mich, Mr. Ring. Ich hab Ihnen eine Menge zu erzählen.“

„Sie wissen, wer die Dame ist?“

„Well. Sie heißt Mrs. Soelter. Lydia Soelter, wenn Sie es ganz genau wissen wollen, und von den Arabern, die ihren Namen nicht aussprechen können, wird sie Laila genannt.“

„Laila?“

„Ja. Gefällt Ihnen der Name, Mr. Ring? Er duftet so nach Romantik, nicht? Nach arabischen Wundernächten, orientalischen Märchen, Haremsgittern und Fata Morgana.“

„Sie spotten, Miß Cawler.“

„Durchaus nicht. Es liegt tatsächlich ein Hauch von Geheimnis um die Dame. Sie soll die Tochter eines deutschen Arztes und Forschers sein, der irgendwo im Jemen gestorben ist. Sie soll selber schon seit Jahren dort oben leben, als einzige Europäerin bei den Jemeniten.“

„Sie betonen das ‚sie soll‘, Miß Cawler. Weiß man es denn nicht genau?“

Joy zuckte die Achseln. „Genau weiß man überhaupt nichts auf diesem Planeten. Hier in Aden ist sie heute zum ersten Male aufgetaucht, im Gefolge einer offiziellen Gesandtschaft des Imam, die bei den Engländern Hilfe gegen die Wahhabiten suchen soll. Man erzählt sich allerlei Geheimnisvolles von ihr, aber persönlich ist sie bisher niemand hier bekannt gewesen. Die Araber ... hm ... die wissen vielleicht mehr von ihr, aber sie schweigen sich aus.“

„Und was ist Ihre eigene Meinung, Miß Cawler?“

Joy sah ihn einen Augenblick ernst an. „Daß Sie besser tun, sich nicht um Mrs. Soelter oder Mrs. Laila zu kümmern, lieber Herr Ring. Es kümmern sich genug andere um sie.“

„Wie meinen Sie das?“

„Well, diese merkwürdige Dame muß irgendwie eine Ausnahmestellung bei den Jemeniten einnehmen. Welcher Art, das ist mir auch noch unklar. Aber Tatsache ist, daß man sie, eine Europäerin, im Gefolge der Gesandtschaft des Imam duldet, obwohl gerade die Jemeniten sich sonst streng von allem Europäischen abschließen.“

Detlev fühlte einen schmerzlichen Stich in der Brust. „Meinen Sie etwa, daß Lai ... daß Mrs. Soelter mit irgendeinem der braunen Würdenträger — verheiratet sein kann?“

„Kaum. Denn dann würde man ihr nicht gestatten, nach Aden zu reisen und sich ohne Schleier hier zu zeigen. Aber einfach eine Europäerin, die sich im Jemen angesiedelt hat, ist sie bestimmt auch nicht. Strengen Sie doch Ihre Augen an, Mr. Ring. Haben Sie nicht bemerkt, daß sie gradezu eine Leibwache um sich hat? Die Jemeniten — es sind natürlich alles vornehme Araber, die man hier aus diplomatischen Gründen eingeladen hat — halten sich diskret von ihr entfernt, aber sie lassen sie nicht aus den Augen. Und die ‚Audienz‘ vorhin im Park? Ich weiß nicht, wer der Araber war, aber zu der Gesandtschaft des Imam gehörte er nicht. Es war überhaupt kein Jemenit.“ Joy schwieg einen Augenblick und sandte einen grübelnden Blick nach Lydia Soelter, zu der sich drüben außer dem türkischen Diplomaten auch Captain Nicholls gesellt hatte. „Wenn ich nicht bestimmt wüßte, daß der brave Lawrence als Fliegersoldat in Aldershot sitzt, wäre ich versucht zu glauben, daß Oberst Lawrence hier wieder mal spukt.“

„Das ist bizarr!“ Detlev lachte nervös auf. „Sie wollen doch nicht etwa behaupten, daß diese wundervolle Frau dort ein — Mann sein könnte!“

„Oberst Lawrence hat schon oft in Frauenkleidern und orientalischen Schleiern operiert,“ sagte Joy trocken.

„Ihre Phantasie in Ehren, aber diese Frau ...“

„Sie sieht nicht danach aus,“ gab Joy zu, „aber irgend etwas stimmt da nicht. Sie sehen ja selbst, wie sich die Herren Militärs und Diplomaten um sie bemühen. Der Colonel Blake, Sir John, Captain Nicholls, Teufik Bey. Bloß ihrer schönen Augen wegen tun sie das bestimmt nicht.“

„Warum nicht, Miß Cawler? Ich könnte mir denken, daß diese eigenartige Schönheit sämtliche Herren Adens fesselt. An Spionage zu denken, erscheint mir in bezug auf Frau Soelter, oder wie sie immer heißen mag, fast beleidigend.“

Joy verzog spöttisch den Mund. „Oh, ich hatte nicht die Absicht, der Dame zunahe zu treten, Mr. Ring. Es braucht nicht gerade Spionage dahinter zu stecken. Man kann auch Politik sagen. Seitdem Ibn Saud marschiert, kreuzen sich hier in Aden viel verworrene Fäden. Politik ist Geschäft und Geschäft ist Politik geworden.

*

Das Gartenfest nahm seinen Gang. Daheim im alten Europa gab es auch Feste, aber auf den Gesichtern der Menschen dort lag auch beim fröhlichsten Gelage immer noch ein gewisser Ernst, ein Widerschein der schweren Zeit, die jeder durchkämpft hatte. Auch in England. Die Wirtschaftsnot, das Gespenst der Arbeitslosigkeit lasteten überall. Hier draußen aber merkte man wenig davon. Hier waren die Engländer noch immer ein Geschlecht von Herren, die die goldenen Schlüssel zum Orient in den Händen hielten. Auf all diesen ruhigen, sorglos-heiteren Gesichtern stand noch die stille selbstverständliche Überzeugung des „Rule Britannia“. Die Damen flirteten und machten Konversation. Die Offiziere sprachen vom Sport und vom Dienst. Die Verwaltungsbeamten und Diplomaten machten zwischen Tee und Tanz hohe Politik, lächelnd, überlegen, selbstsicher wie Leute, die gewohnt sind, Völker und Herrscher als Schachfiguren in ihrem Spiel hin und her zu schieben.

Um so ernster und verbissener sahen die Gesichter der Araber aus. Man erwies den Turban-Würdenträgern des Imam von Jemen geflissentlich die Achtung, die den Gesandten eines befreundeten Souveräns gebührt. Man betonte diese Aufmerksamkeit sogar heute ganz besonders. Captain Nicholls und ein höherer Seeoffizier waren ihnen sozusagen als offizielle Adjutanten beigegeben. Der Vertreter des Gouverneurs unterhielt sich in herzlicher Freimütigkeit mit ihnen. Die Damen der Diplomatie lächelten ihnen zu. Aber die braunen Gesichter der Jemeniten wurden dadurch um keinen Deut fröhlicher. Wer kannte dieses Getue besser als die Orientalen, die Meister der diplomatischen Höflichkeit. Wer wußte besser als die braunen Männer der Wüste, daß alle offiziellen Zeremonien und Höflichkeitsbeweise nichts anderes waren als die selbstverständliche Pflicht der Gastfreundschaft. Die Jemeniten machten sich wenig aus den Europäern. Der Imam hatte seit Jahren sein Land streng abgeriegelt gegen das Eindringen der Zivilisation. Trotz des „vierzigjährigen Freundschaftsbundes“, den der Imam mit dem Kaiser von Indien geschlossen, hatten die englischen Kaufleute und Industriellen taube Ohren im Jemen gefunden. Keine einzige Konzession zum Bau von Eisenbahnen war erteilt worden. Nein, um sich von den Engländern feiern zu lassen, waren die Gesandten Imam Jahjas nicht nach Aden gekommen. Aber Ibn Saud, der braune Napoleon der Wüste, der unversöhnliche Feind des Imams, war mit seinen Wahabiten aus der Wüste hervorgebrochen. Er, der den Scherif Hussein aus dem heiligen Mekka vertrieben und das ganze Hedschas erobert hatte, rückte von Asir aus gegen das Reich des Imam. Seine Krieger marschierten in Reih und Glied wie europäische Soldaten und hatten die langen Entenflinten mit modernen Maschinengewehren vertauscht. Wenn nicht England zu einem festen Bündnis mit dem Imam zu bewegen war, so standen für das Reich von Jemen böse Tage bevor. Die Gesandtschaft war gekommen, um den Gouverneur zum Abschluß dieses Bündnisses gegen Ibn Saud zu bewegen. Aber der Gouverneur war krank, wie es hieß. Seine Vertreter hatten die Gesandten des Imam mit allen Ehren empfangen, aber all diese Freundschaftsversicherungen und Ehrenbezeugungen — das wußten die Jemeniten — bedeuteten keine Hilfe, keine Aussicht auf einen diplomatischen Schritt bei Ibn Saud und noch viel weniger ein Hilfskorps gegen die herandrängenden Wüstenstämme.

Das Gartenfest wurde in zwanglosen Formen gehalten. Es gab — Detlev stellte das mit aufrichtiger Erleichterung fest — keine offizielle Abendtafel mit Trinksprüchen und Reden. Aber gegen Mitternacht mußte er doch ein wenig aus seiner Zurückhaltung als einfacher Gast heraus. Der Colonel Blake benutzte eine Pause der Musik, um mit ein paar höflichen und herzlichen Worten den deutschen Indienflieger zu feiern.

Detlev hatte auf seinem Asienflug in den verschiedensten Städten schon viele solcher Trinksprüche über sich ergehen lassen müssen. Er wußte selbst nicht, warum ihn hier bei den Worten des Colonels eine verlegene Unruhe überkam und seine Wangen sich rot färbten. Vielleicht war es, weil er während der ganzen Rede die großen, blauen Augen Lydia Soelters aufmerksam, wie in stummem Forschen auf sich ruhen fühlte.

Lydia Soelter war auch eine der ersten, die ihm nach der Rede des Colonels die Hand drückten. „Ich hätte gern noch mit Ihnen gesprochen, Herr Ring,“ sagte sie, ihm ernst in die Augen schauend, „aber ich muß jetzt gehen. Darf ich Ihnen noch meinen Freund vorstellen? Er heißt Sikri ben Abdullah und ist ein Verwandter des Imam Jahja.“

Der hochgewachsene Araber führte grüßend die Hand gegen Stirn und Brust, ohne seine ernste Miene zu verändern. Detlev hatte den Eindruck, daß er ihm gegenüber eine Zurückhaltung an den Tag legte, die nicht auf Sympathie schließen ließ. Er begann auch sofort, eifrig auf arabisch mit Lydia zu reden. Zwei andere der Jemenitischen Gesandtschaft schoben sich unauffällig heran und bildeten förmlich eine Schutzwehr, die Lydia von den übrigen Herren und Damen trennte. Detlev hielt ihre Hand einen Augenblick fest.

„Ich hoffe, gnädige Frau, Sie geben mir die Erlaubnis, Sie wiederzusehen in diesen Tagen, die ich noch in Aden zubringe?“

„Vielleicht ... ich weiß nicht ...“ Lydia löste ihre Hand aus der seinen, und Detlev sah mit Erstaunen: Sie war plötzlich ganz scheu und verlegen geworden, fast wie eine wirkliche Araberin. Als sie inmitten ihrer braunen Begleiter, von Colonel Blake geleitet, davonschritt, sah Detlev sich nach Joy Cawler um. Er brauchte nicht lange zu suchen. Sie stand kaum drei Schritte von ihm entfernt und betrachtete ihn mit einem sonderbaren Ausdruck.

„Ich habe inzwischen mit Captain Nicholls getanzt,“ sagte Joy, als er zu ihr trat. „Haben Sie sich mit Laila verabredet?“

Detlev machte ein mißmutiges Gesicht. „Ich mag diese dumme Bezeichnung ‚Laila‘ nicht. Sie ist doch keine Araberin! Für mich heißt sie Frau Lydia Soelter.“

Joy nickte. „Ich verstehe, Mr. Ring. Sie fiebern nach dieser Dame. Das ist schade. Hoffentlich erleben Sie keine Enttäuschung.“

„Aber liebe Miß Cawler! Ich weiß nicht einmal, wo Frau Soelter hier in Aden wohnt!“

„Oh, dem kann abgeholfen werden!“ Joy winkte lebhaft dem vorübergehenden Captain Nicholls. „Sagen Sie doch, Captain! Wo ist Mrs. Soelter abgestiegen? Ich nehme an, hier im ‚Majestic‘, nicht?“

Nicholls verhielt den Schritt. „Sie hat ein Apartement hier im Hotel genommen und wollte ursprünglich hier wohnen. Aber sie hat soeben ihr Programm geändert. Sie wird privat wohnen, in dem Haus, das der Gesandtschaft des Imam gehört.“

„Ein orientalisches Haus also? Warum das?“

Captain Nicholls zuckte die Achseln. „Sollten Sie als fixe Journalistin noch nicht die neueste Sensation gehört haben, Miß Cawler? Seit einer halben Stunde flüstert man in allen Ecken davon: Boten Ibn Sauds sind unerwartet heute in Aden aufgetaucht. Das diplomatische Spiel beginnt!“

Inshallah

Подняться наверх