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3.

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„Die Namen, Kutusow!“

Mit wutverzerrtem Gesicht macht Zar Paul I. halt vor dem General Kutusow, der breit und wuchtig mitten im Arbeitszimmer steht.

„Namen kann ich nicht nennen, Majestät. Ich weiss sie selbst nicht.“

„Du lügst, General! Wer die Verschwörung kennt, der kennt auch die Verschwörer!“

„Ich kam, um Eure Majestät zu warnen“, sagt Kutusow fest. „Nicht, um zu verraten.“

Noch wilder, noch verzerrter erscheinen die Züge des Zaren. „Hüte dich, Kutusow! Du spielst mit deinem Kopf!“

„Mein Kopf gehört Eurer Majestät.“

Die ruhige Stimme scheint einen Augenblick die Raserei Pauls zu dämpfen. Er macht schweigend, die Hände auf dem Rücken ineinandergekrampft, ein paar Gänge durch das Zimmer. Bleibt dann jäh wieder vor dem General stehen.

„Ich muss wissen, wer die Rebellen sind. Du sprachst von hochgestellten Personen, Kutusow!“

„Zu Befehl. So hoch gestellt in Eurer Majestät Gunst und Liebe, dass ich es nicht wagen kann, den Namen zu nennen, — selbst wenn ich wollte.“

„Und wenn sie noch so hoch stehen!“ Wieder wird das Antlitz des Zaren zu einer Fratze, die nichts Menschliches mehr enthält. Furcht und grausame Rachsucht lodern in seinen Augen. „Und wenn es mein eigener Sohn wäre! Ich will sie zerschmettern! Einen Strick um den Hals und in die Newa mit den Schurken! Wer, General? Du wirst dies Zimmer nicht lebendig verlassen, bevor du mir die Verschwörer genannt hast!“

„Mein Leben liegt in den Händen Eurer Majestät“, sagt Kutusow fest. „Wenn Majestät aber Genaueres erfahren wollen über die Persönlichkeiten, die an der Spitze der Verschwörung stehen, so stelle ich Eurer Majestät anheim, die Wachtstube hier im Palais aufzusuchen. Ich glaube, dort wäre Näheres zu erfahren.“

„Gut. Ich komme. Die Wachtstube, sagst du, Kutusow?“

„Zu Befehl. Ich werde Eure Majestät hingeleiten.“

Paul I., der schon einen Schritt nach der Tür gemacht hat, bleibt plötzlich stehen und wendet dem General ein von Angst und Misstrauen gegen alle zerrissenes Gesicht zu.

„Ich soll mit dir gehen? Allein? Jetzt, in der Nacht? Weiss ich denn, wohin du mich führen willst“

„Majestät!“ General Kutusows Gesicht ist dunkelrot geworden. Mit einem heftigen Ruck reisst er sich den Uniformrock über der Brust auf, steht breit und knorrig wie ein Baumstamm vor seinem Herrscher. „So lange diese russische Brust noch neben Eurer Majestät atmet, ist das Leben des Zaren sicher! Ich schwör’ es bei der Heiligen Mutter von Kasan!“

Paul I. bekreuzigt sich rasch. „So komm! Ich glaube dir, General!“

Draussen vor dem Arbeitszimmer fährt der Offizier der Ehrenwache erschrocken zusammen, als plötzlich der Zar barhäuptig, aber in voller Uniform, auf den Flur tritt. So deutlich steht das Erschrecken in den Augen des jungen Offiziers, dass Paul I., von jähem Argwohn gepackt, stehen bleibt und ihn aus blutunterlaufenen Augen anstarrt.

„Warum erschrickt du, he? Bist du auch ein Verschwörer“

Offener Trotz im Antlitz des Offiziers. Zwischen den Zähnen hervorgepresst kommen die Worte: „Majestät! Ich bin Russe!“

„Antwortet man so dem Zaren!?“ Kutusows zornrotes Gesicht drängt sich dazwischen. „Verdammter Rebell, du!“

Die Hand des Offiziers fährt nach dem Degen, aber Kutusow ist schneller. Hoch in der Luft funkelt einen Augenblick sein krummer Säbel. Mit blutüberströmtem Kopf sinkt der junge Offizier auf die Steinfliesen.

„Gut, General, sehr gut.“ In grausamer Befriedigung starrt Zar Paul auf das Blut, das über den Boden sickert. Gibt dem Gestürzten einen wilden Fusstritt in die Weichen. „Bestie! Mörder! Vorwärts, Kutusow! Jetzt zu den anderen!“

Schlag elf Uhr steht der Ministerpräsident Graf Pahlen in der Wachtstube im Erdgeschoss des Winterpalais. Entschlossen, eisern seine Haltung. Seine Augen zählen rasch die anwesenden Offiziere, die gespannt, fiebernd an seinen Lippen hängen. Es fehlt keiner.

„Die Stunde ist da, meine Herren. Wir müssen handeln.“

„Wann, Graf Pahlen?“

„Heute Nacht noch. Tschagin, der die Ehrenmache vor den Gemächern des Zaren hat, wird uns melden, sobald Paul sich in sein Schlafzimmer begeben hat. Das Kronprinzenpaar ist noch auf dem Fest der Leibgrenadiere. Die Garnison ist alarmbereit. In drei Kolonnen schieben sich unsere treuen Regimenter gegen das Winterpalais heran. Hier ist die Liste der Offiziere, auf die unbedingt Verlass ist.“

Kaum zwei oder drei Namen hat Pahlen verlesen, als mit einem Ruck die Tür auffliegt.

„Der Zar!“ Bleiches Entsetzen steht in den Mienen der Offiziere, als sie den Herrscher gewahren, der, gefolgt von Kutusow, in die Wachtstube tritt. Pahlen hat geistesgegenwärtig die Liste rasch in seiner Brusttasche verborgen, aber auch sein Antlitz ist blass geworden. Keiner im Zimmer, der nicht ein eisiges Frösteln in den Gliedern fühlt und weiss: Das ist der Tod, der da plötzlich mitten unter uns getreten ist. Er lauert in Zar Pauls zuckendem, blutgierigem Gesicht, er steht offen und deutlich in Kutusows kupferrotem, brutalem Antlitz.

„Du hier, Pahlen?“ Der unerwartete Anblick seines Ministerpräsidenten hat Paul etwas aus der Fassung gebracht, aber seine Augen funkeln und glühen wie Kohlen. „Was soll das heissen? Es existiert eine Verschwörung gegen mich, und du sagst mir nichts davon? Ich frage dich, Pahlen: Weisst du etwas von der Verschwörung?“

„Ja, Majestät.“

„Und verschweigst es mir? Schöne Treue! Ich will wissen, wer die Schurken sind!“

„Majestät, ich möchte . . .“

„Heraus mit den Namen, Pahlen! Kutusow sprach von hohen Persönlichkeiten!“

Wie ein Blitz durchfährt es erleichtert den Ministerpräsidenten: Kutusow hat anscheinend keinen Namen genannt. Der Zar weiss noch nicht . . . Noch ist nicht alles verloren.

„Majestät“, sagt er langsam, mit unerschütterlicher Ruhe, „die Verschwörung geht leider bis an die Stufen des Thrones.“

„Wer, Pahlen, wer?“

Ich fürchte, dass — der Zarewitsch Alexander den Verschwörern nicht fernsteht, Majestät.“

„Also doch! Alexander!“ Paul I. stösst ein grässliches Lachen aus. „Dann soll er auch . . . Ich will schreiben!“ schreit er plötzlich wild und unbeherrscht und stürzt sich auf das Schreibzeug, das einer der Offiziere mit leise zitternden Fingern auf den Tisch schiebt. Minutenlang ist nichts zu hören, als das Kritzeln der Feder und der mühsam gebändigte Atem der Offiziere. Dann reicht Zar Paul dem Minister das Blatt.

„Hier, Pahlen! Verhaftungsbefehl gegen den Kronprinzen! Mach’ Gebrauch davon, sobald es dir nötig erscheint! Ich gebe dir Generalvollmacht, hörst du!“

Kutusow, der verständnislos zugehört hat, tritt erschrocken einen Schritt vor. „Majestät, ich muss . . .“

„Halt den Mund, General!“ Paul I. wirft einen kurzen, gehässigen Seitenblick auf seinen Begleiter. „Du hast den Namen nicht nennen wollen. Hast wohl schon ein bisschen geliebäugelt mit dem künftigen Zaren, was?“

„Majestät, ich schwöre . . . ein Irrtum, der . . .“

„Schweig!“

Kutusows schon geöffneter Mund klappt zusammen, während der Zar noch einmal auf Pahlen zugeht und ihn feierlich umarmt.

„Ich danke dir, Pahlen, für deine Wachsamkeit und Treue. Ich will . . .“ Paul I. fährt plötzlich zurück. Neues Misstrauen schwelt in seinem dunklen Blick. „Du sagst mir nicht die Wahrheit, Pahlen! Du verbirgst mir etwas! Was war das für ein Brief, den du wegstecktest, als ich vorhin eintrat?“

„Majestät?“

„Keine Ausflüchte, Pahlen! Den Brief! Heraus damit! Ich will ihn sehen!“

Aus! Noch einmal zieht das Frösteln durch die Glieder der Verschworenen. Die ungeheure Spannung der letzten Minuten droht zu explodieren. Verzweiflung im Gesicht, spannt Fürst Suboff heimlich den Hahn seiner Pistole. Nur Pahlen steht regungslos, hoch aufgerichtet und hält den argwöhnischen flackernden Blick des Zaren aus.

Majestät“, sagt er ruhig, „ich kann die Dame nicht preisgeben. Eure Majestät werden das nicht von einem Kavalier verlangen.“

„Frauenzimmergeschichten also?“ Pauls wutverzerrtes Antlitz wandelt sich zu einer hässlich grinsenden Grimasse. „Nein, Pahlen, das verlang’ ich nicht von dir! Ich danke dir nochmals. Ich gehe schlafen. Das heisst . . .“ Suchend fliegt der Blick des Zaren über die Offiziere. „Der verdammte Rebell ist ja tot. Wer übernimmt die Wache vor meinen Zimmern?“

„Ich!“ Schwer und wuchtig ist General Kutusow vorgetreten. Ein finsterer, geringschätziger Blick trifft ihn.

„Du? Was willst du noch? Geh nach Hause und leg’ dich schlafen, General. Du bist ja betrunken!“

„Majestät!!“ Wie von einem Stoss getroffen, taumelt Kutusow zurück und schnauft nach Luft. Graf Pahlen macht eine elegante Handbewegung.

„Flügeladjutant Graf Wolkonski wird die Wache bei Eurer Majestät übernehmen.“

„Wolkonski? Gut. Soll mitkommen.“ Noch einmal wendet sich Paul I. an der Tür gegen den Minister. „Du weisst, was du zu tun hast, Pahlen. Keine Rücksicht, keine Schonung, hörst du! Handle schnell!“

„Majestät, ich werde handeln.“

Ohne den noch immer nach Luft ringenden Kutusow eines Blickes zu würdigen, verlässt der Zar, von Wolkonski gefolgt, die Wachtstube. Erst als seine Schritte draussen verklungen sind, kommt Kutusow zu sich. Tränen stehen in seinen wasserhellen Augen.

„Wen Gott verderben will, schlägt er mit Blindheit!“

„Exzellenz“, kalt und fest die Stimme Pahlens, „ich glaube, es ist wirklich besser, wenn Sie nach Hause gehen und diese Nacht dem Winterpalais fernbleiben.“

„Nach Hause?“ schnauft Kutusow ergeben. „Karascho. Ich gehe. Macht was ihr wollt. Russland — ich sage, Russland wird leben! Trotz allem! Auch trotz euch, Brüderchen! Russland — — — Hol euch alle der Henker! Gebt . . . gebt mir was zu trinken!“

Schatten um Rußlands Thron

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