Читать книгу Lore kommt für alles auf- Roman einer Tanzkapelle - Axel Rudolph - Страница 6
3. Kapitel
Оглавление„Einen Tisch für Herrn Imperiali!“ ruft der Geschäftsführer diensteifrig einem der weißbeschürzten Kellner auf der überfüllten Terrasse des Hotels Kongen af Danmark zu. Silvester Begas wendet sich auf dem Podium ein wenig um und blickt unwillig nach dem lauten Rufer. Er sieht gerade noch, wie Geschäftsführer und Kellner zwei Herren an einen reservierten Tisch komplimentieren. Der eine dieser beiden Herren ist der Manager Mallik in höchsteigener Person, der andere ein südländisch aussehender, sehr breitschultriger und gewichtiger Herr, dem augenscheinlich in erster Linie die Dienstbeflissenheit der Hotelangestellten gilt. Silvester Begas ärgert sich ein wenig. Wenn Seine Majestät der Gast hin und wieder so wenig musikalisches Verständnis zeigt, mitten in einer Rhapsodie laut zu lachen oder zu plaudern — dagegen kann man nichts machen. Daß aber die Hotelangestellten so wenig Rücksicht auf die Kapelle nehmen, das ist unverschämt. Gleich darauf aber erhellt sich seine Miene wieder, und ein glückliches Lächeln tritt in seine Augen. Sein über die Menge schweifender Blick hat Lore gefunden, die an einem kleinen Ecktischchen ihren Eiskaffee löffelt und in stiller, schwärmerischer Bewunderung zu ihm emporschaut.
„Was ist das für ein Gewächs, mit dem Mallik da zusammensitzt?“ fragt Silvester Begas, als die Pause begonnen hat, halblaut, Beppo von Pollinger anschauend. Beppo hat eine italienische Mutter gehabt — daher der fremdländische Vorname — und außerdem eine sogenannte gute Kinderstube. Er zeigt gern seine guten Formen und legt entschiedenen Wert darauf, daß man bei der Anrede das Wörtchen „von“ nicht vergißt. Was zur Folge gehabt hat, daß die lustigen Kameraden ihn nicht mehr Pollinger, sondern „Oberpollinger“ nennen. Seine feudalen Passionen haben aber auch ihr Gutes. Beppo ist in allen gesellschaftlichen Fragen das Konversationslexikon der Kapelle. Er ist Spezialist in Bekleidungsfragen, kennt den Gotha auswendig, studiert in jeder Stadt sofort nach der Ankunft gründlich die Hotellisten und die Zeitungsnotizen über „Gesellschaftliches“ und ist — wo immer man gerade sein mag — fabelhaft im Bilde über die anwesenden Prominenten. Auch diesmal vermag er auf Silvesters fragenden Blick ohne Zögern Auskunft zu geben.
„Senhor Imperiali aus Lima, Hotelgast, schwerreich, soll einer der bedeutendsten Reichmeier Perus sein.“
„Wie kommt denn Mallik zu dem?“
„Wie kommt Kuh ...“ Beppo erinnert sich noch im letzten Augenblick seiner guten Erziehung und verschluckt das Weitere. „Vielleicht ist er geschäftlich mit ihm bekannt. Mallik hat doch früher in Südamerika gearbeitet.“
„Bombenbrillant als Busennadel,“ stellt Silvester fest, einen diskreten Blick nach dem Herrn aus Lima werfend. „Kostet ’ne Stange Geld, falls er echt ist.“
„Wird schon,“ meint Beppo respektvoll. „Nach der Katzenbuckelei der Hotelleute zu urteilen, muß dieser Senhor Imperiali wirklich ein Krösus erster Gilde sein und fabelhafte Trinkgelder geben.“
„Tun Hochstapler auch,“ brummt Silvester trokken und schlendert zu Lores Tisch hinüber, um während der Pause dort seinen Kaffee zu trinken.
Auch Hans Böge durchquert die Terrasse, um unten auf der Strandpromenade schnell eine Zigarette zu rauchen. Als er an dem Tisch des Managers vorüberkommt, bemerkt er, daß Mallik und der fremde Herr gerade zu ihm hinsehen, und grüßt höflich. Herr Mallik ist augenscheinlich glänzender Laune, denn er erwidert den leichten Gruß Böges mit Herzlichkeit und raunt seinem Nachbar ein paar Worte zu, die der Peruaner mit lebhaftem Kopfnicken beantwortet.
„Kommen Sie nur immer ’ran, Herr Böge!“ winkt Mallik leutselig. „Nehmen Sie einen Drink mit uns! Herr Böge — Herr Imperiali.“
„Ehrt. Aber ich möchte nicht stören. Wollte nur eben eine Zigarette ...“
„Oh, bitte, bitte! Nehmen Sie eine von meinen Zigarren, Herr Böge!“ Der reiche Mann aus Peru hält mit Grandezza dem Musiker eine großmächtige Zigarrentasche hin. Coronas — stellt Hans im stillen fest, mit Ehrfurcht die Bauchbinde der dankend angenommenen Zigarre betrachtend. Kostet in Berlin im Hotel ganze drei Märker das Stück. Der Mann seheint’s zu haben.
„Herr Böge ist ein ganz famoser Junge, mein lieber Imperiali,“ plaudert Mallik gönnerhaft, dem jungen Musiker ein Zündholz hinreichend. „Nicht nur als Künstler, sondern auch als Mensch. Liebling der Damen, was, Böge? Veni, vidi, wuppdi! Gebrochene Herzen pflastern seinen Weg!“
Hans Böge wehrt mit etwas süßsaurem Gesicht ab. Die Geschichte mit Madame Yvonne sitzt ihm noch in den Gliedern.
„Man kommt allmählich in die Jahre, wo man anfängt, vernünftig zu werden, Herr Mallik.“
„Daß ich nicht lache! Vernünftig? Sie? Wer hat Ihnen denn den Floh ins Ohr gesetzt? Etwa der gute Begas?“
„Das weniger.“
„Bleiben Sie, wie Sie sind!“ Mallik liebäugelt mit der Flasche, aus der eben der Ober den Benediktiner einschenkt. „Sie sind eine Nummer in Ihrer Art, Böge. Die lieben kleinen Mädchen kommen doch nur Ihretwegen.“
„Soll das bedeuten, daß Sie mir eine Extrazulage zur Gage geben wollen?“ Hans hat sein sanftestes Gesicht aufgesetzt. „Ich nehme dankend an.“
„Geschäftsmann ist er auch noch!“ Mallik prustet vor Vergnügen. „Von Zulage habe ich kein Wort gesagt. Nee, nee — aber sonst: Bleiben Sie, wie Sie sind! Wäre jammerschade, wenn ein Kerl wie Sie unter die Mucker ginge.“
„Oh, bitte, ich finde es sehr — wie sagt man — sehr wert der Anerkennung, was Herr Böge vorhin sagte,“ mischte sich Herr Imperiali in seinem harten Deutsch ein. „Frauen — sehr schön. Zuviel Frauen — sehr unvernünftig. Auf Ihre Gesundheit, Herr Böge!“
Hans tut dankend Bescheid, und der gute Likör löst seine ohnehin lockere Zunge. „Freut mich, daß Sie mir beistimmen, mein Herr. Zum Muckertum habe ich wahrhaftig kein Talent, aber was zuviel ist, ist zuviel. Ich selber wäre vielleicht noch lange nicht dahinter gekommen, aber die Lore ... ich meine Fräulein Glant ...“
„Mann!“ lacht Mallik laut. „Sie werden doch nicht unter den Pantoffel kriechen!“
Hans Böge wird plötzlich hitzig. „Was heißt hier Pantoffel! Lore Glant ist ein Prachtmädel, eine Frau, wie’s in der ganzen Welt keine zweite mehr gibt!“
„Die Schwester unseres Akkordionspielers,“ erläuterte Mallik Herrn Imperiali. „Ganz nett, aber nichts für einen verwöhnten Geschmack. Da drüben sitzt sie übrigens. Die Dame neben Silvester Begas.“
„Lore Glant ist die schönste Frau, die ich je gesehen,“ erklärt Hans Böge energisch und schüttet vor Begeisterung ein zweites Glas Benediktiner hinunter.
Senhor Imperiali hat neugierig zu dem kleinen Ecktischchen hinübergeblickt. Silvester Begas verabschiedet sich eben von Lore, da die Pause zu Ende geht und seine Musiker bereits beginnen, sich wieder auf dem Podium zu sammeln. Lore Glant hat sich in ihrem Stuhl ein wenig hintenübergelegt. Ihr schlanker Arm streckt sich lang aus, als sie dem Kapellmeister die Hand reicht. Die anmutige Bewegung zeigt einen Augenblick die Schönheit ihrer schlanken Figur. Golden liegt die Sommersonne auf ihrem Haar.
„Oh, bitte,“ sagt Senhor Imperiali, seine Zigarre vom rechten in den linken Mundwinkel schiebend. „Ich glaube, Herr Böge hat recht. Diese junge Dame ist wirklich eine Schönheit,“
Ein Fünkchen glimmt dabei ganz hinten in seinen dunklen Augen auf.
*
„Hast du Lust, mit in die Bar zu kommen, Lore?“ fragt gegen Mitternacht Silvester Begas, nachdem die Musiker bereits ihre Instrumente zusammengepackt haben. Lore Glant sieht belustigt auf.
„Willst du deine milde Hand auftun und einen ausgeben, Silvester?“
„Kostenlos,“ lächelt der Kapellmeister. „Mallik hat mir vorhin eine Einladung von Herrn Imperiali überbracht. Ich möchte schon lieber schlafen gehen, aber du weißt ja — gegen Gäste darf man nicht unhöflich sein.“
„Na, und ich?“
„Mallik bat mich, dich mitzubringen. Aber wenn du zu müde bist ...“
„Gar nicht. Im Gegenteil ...“
Zu vieren sitzen sie an einem Tisch in der Hotelbar. Silvester Begas, lang, schlank, mit betont blasierter Miene, unterhält sich mit dem Manager über allerlei berufliche Dinge. Herr Imperiali, jetzt in tadellosem Abendanzug, bemüht sich eifrig, Lore zu unterhalten. Und Lore ist keine Spielverderberin. Sie versteht es im Handumdrehen, eine lustige Stimmung hervorzuzaubern und aus jeder Gelegenheit das Beste herauszuholen, was sie geben kann. Als Albrecht Erlenkamp mit seiner Ehehälfte — er finster und grabesschwer wie ein Leichenbitter, sie elegant aufgemacht, selbstbewußt und stolz — in der Bar erscheinen, holt sie die beiden einfach an den Tisch, ohne erst lange Mallik oder Herrn Imperiali zu fragen.
Es wird wirklich ein netter Abend. Die immer lustige Lore läßt ihrem Mundwerk freien Lauf. Der düstere Albrecht Erlenkamp muß manchen Witz über sich ergehen lassen, und je eisiger Frau Augustes Mienen werden, um so mehr scheint die übermütige Lore es darauf anzulegen, mit dem bedrückten Klaviervirtuosen zu flirten. Aber auch Senhor Imperiali wird nicht verschont. Sein mangelhaftes Deutsch gibt genügend Anlaß zu Neckereien, und als Lore mit einem Seitenblick auf den Peruaner Silvester Begas zuflüstert: „Sieht er nicht aus wie ein besserer Entführer und Gentleman-Erpresser im Kino?“, muß auch Silvester laut herausprusten.
Herr Imperiali scheint nicht übelnehmerisch zu sein. Im Gegenteil, es ist deutlich genug zu merken, daß er an Lores sprühendem Witz Gefallen findet, obwohl er sich anstrengen muß, die Scherzworte zu verstehen. Frau Auguste Erlenkamp aber findet im stillen das Benehmen Lores unerhört. Man ist doch zu Gast, noch dazu bei einem Herrn, von dem sie bereits gehört hat, daß er zu den reichsten Leuten Südamerikas gehört. Einem solchen Mann gegenüber benimmt man sich doch nicht, als ob man unter Kollegen in einer Musikerkneipe wäre! Frau Auguste Erlenkamp findet den breitschultrigen, schwarzhaarigen Mann mit den feurigen Augen sehr interessant, sehr vornehm und von der stolzen Bescheidenheit aller wahrhaft großen Menschen. Sie weiß auch, was sie sich selbst und der Kapelle Begas schuldig ist, und bemüht sich, durch damenhafte Haltung und vornehme Sprechweise die unangebrachte Lustigkeit Lores vergessen zu machen.
Lore Glant kümmern die Millionen des Senhor Imperiali herzlich wenig. Warum soll man nicht lustig sein? Der Mann hat Silvester und sie sicherlich nicht eingeladen, um mit ihnen ein langweilige gesellschaftliche Konversation zu führen, sondern doch wohl, um heitere Tischgenossen zu haben. Er tut ja auch ganz ordentlich mit und zeigt bei jedem Witz, den sie losläßt, seine glänzendweißen Zähne.
„Sekt!“ schreit Herr Mallik, dem der Wein ein wenig zu Kopf gestiegen ist. „Wir wollen ein paar Flaschen Schumm anfahren lassen.“
‚Protz‘, denkt Lore, ein wenig das Näschen rümpfend. Der Senhor da war geschmackvoll genug, einen guten, alten Chablis zu bestellen, aber der Mallik ... möchte wissen, warum Herr Imperiali eigentlich so vertraut ist mit dem Menschen. Und die Auguste! Nachtigall, ick hör dir trapsen! Wie sie sich an den Millionenmann heranmacht. Huch nein! Ihre Augen schaukeln förmlich. Na warte, Auguste Erlenkamp, dir werde ich die Tour gründlich vermasseln!
Und Lore Glant bietet ihre ganze Lieblichkeit auf, um Auguste Erlenkamp, die sich wirklich mit Senhor Imperiali in ein sehr geistvolles, aber von jähen Augenblitzen begleitetes Gespräch gefunden hat, aus dem Felde zu schlagen. Es gelingt über Erwarten rasch. Herr Imperiali greift mit Feuereifer nach dem kleinen Finger, den Lore ihm hinstreckt. Schon nach fünf Minuten sieht Auguste Erlenkamp sich genötigt, mit der Unterhaltung Malliks und Silvesters — ihr Mann begnügt sich damit, zu trinken und ab und zu ein Brummen von sich zu geben — vorliebzunehmen. Senhor Imperiali hat nur noch Augen und Ohren für Lore Glant.
Lore freut sich harmlos über den kleinen Sieg, aber als Senhor Imperiali plötzlich unter dem Tisch nach ihrer Hand hascht und sie in seinen heißen, bebenden Fingern festhält, beginnt ihr das Lachen zu vergehen.
„Mein Fräulein,“ sagt der Peruaner halblaut, sich mit heißen Augen zu Lore neigend, „kennen Sie Lima?“
„Nur von der Landkarte her, Herr Imperiali.“
„Aber — Sie möchten es gern sehen?“
„Nichts dagegen. So ’ne Seefahrt, die ist lustig. Aber mein Bruder hat für Vergnügungen monatlich genau zwanzig Mark übrig, und ich habe gar nix. Wissen Sie, wieviel das zusammen macht?“
„Lima ist göttlich,“ sagt Senhor Imperiali, ohne sich die Mühe zu geben, den Worten Lores zu folgen. „Es ist ein Paradies, Senhorita, ein Eden, in dem es keine Schlangen gibt. Wundervolle Berge, wundervolle Blumen, wundervolle Menschen — oh, bitte — wenn ich Sie mir vorstelle, in Ihrem blonden Haar, mitten unter den dunklen Schönheiten meines Landes — Senhorita, Sie werden die Königin von Lima sein!“
„Wenn ich mal hinkomme — gemacht,“ lacht Lore und sucht ihre Hand zu befreien. Aber Senhor Imperiali hält sie fest und rückt noch näher an sie heran.
„Sie sollen Perus Sonne sehen, Senhorita! Reisen Sie mit mir! Über den Ozean! Dorthin, wo es keine kalten Winde und keine Sorgen gibt. Ich flehe Sie an, Senhorita! Kommen Sie mit mir nach Peru!“
„Der Entführer!“ lacht Lore plötzlich so laut, daß die anderen herumfahren. „Ich sagte es ja, Silvester: der Gentleman-Erpresser aus dem Kino!“
„Erlauben Sie!“ Herr Mallik macht ein böses Gesicht. Frau Auguste Erlenkamp hat ein Wort auf den Lippen, was wie „Unverschämtheit“ klingt, in dem gutmütigen Lachen Silvester Begas’ aber gottlob verlorengeht. Lore selbst will sich ausschütten vor Lachen, und selbst der grämliche Albrecht Erlenkamp verzieht den Mund. Senhor Imperiali aber ist geradezu bleich geworden. Seine Augen funkeln drohend. Seine Stimme klingt plötzlich unwahrscheinlich rauh und scharf.
„Wie kommen Sie dazu? Wollen Sie behaupten, daß ich ...?“
„Um Gottes willen, seien Sie friedlich!“ sagte Lore ganz erschrocken über den jähen Ernst in Imperialis Zügen. „Ich denk’ doch nicht in Wirklichkeit daran, Sie für einen Entführer und Erpresser zu halten! Das wäre doch Unsinn!“
„Fräulein Glant hat mal im Film einen Erpresser gesehen, der äußerlich eine gewisse Ähnlichkeit mit Ihnen hatte,“ kommt Silvester ihr zu Hilfe. Senhor Imperiali ist noch immer ernst, aber die drohende Schärfe schwindet aus seinen Augen. „Es muß ein sehr schlechter Film gewesen sein,“ erklärt er würdevoll.
„Greulich!“ ruft Lore, froh, über den peinlichen Augenblick hinwegzukommen. „So was von blühendem Unsinn gibt’s sobald nicht wieder. Besonders der Obergauner ...“
„Halten Sie es wirklich für geschmackvoll, unseren verehrten Gastgeber mit einem Erpresser zu vergleichen?“ fällt Herr Mallik ärgerlich ein. „Senhor Imperiali ist ein Ehrenmann.“
„Ihr seid alle Ehrenmänner,“ lacht Lore. „Und darum kann es doch wohl keinen treffen, wenn man eine Bildähnlichkeit zitiert. Aber wenn ihr wollt, erkläre ich natürlich feierlichst, daß ich Herrn Imperiali durchaus nicht beleidigen wollte. Nur die dumme Erinnerung und weil er mich vorhin fragte, ob ich mit ihm nach Südamerika reisen wollte.“
„Donnerschlag! Herr Imperiali!“ lacht Silvester. „Sie gehen forsch ins Zeug!“
Senhor Imperiali hat seine Ruhe wiedergefunden. Er zeigt sogar schon wieder seine weißen Zähne. „Ich hatte mir allerdings erlaubt ... darf ich hoffen, mein Fräulein, daß Sie meine Bitte erfüllen?“
„Ausgeschlossen!“
„Bestimmt ausgeschlossen, Herr Imperiali,“ ruft Silvester Begas über den Tisch. „Die Lore kriegen Sie nicht für alle Goldschätze Perus. Die ist mit der Kapelle Begas verheiratet!“
Das Thema wird fallen gelassen, aber die frühere lustige Stimmung will nicht so recht wiederkehren. Auguste Erlenkamp fühlt sich nachträglich noch für Senhor Imperiali beleidigt und hüllt sich in einen Eismantel. Auch Herr Mallik ist verstimmt. Diese Lore Glant muß doch immer aus der Rolle fallen — denkt er ärgerlich und nimmt sich vor, mit Begas bald über diese „Belastung“ der Kapelle zu sprechen. Senhor Imperiali bemüht sieh nach wie vor um Lore, aber in sein Gesicht ist ein nachdenklicher Zug getreten, der immer stärker zum Ausdruck kommt, als er das Aussichtslose seiner Bemühungen einsieht.
„Schluß machen, wenn es am schönsten ist,“ sagt Lore weise. „Gehen wir schlafen!“
Silvester Begas erhebt sich sofort. Auch Senhor Imperiali läßt es sich nicht nehmen, Lore bis zu der kleinen Villa zu begleiten, in der sie und ihr Bruder einlogiert sind. Als sie schon die breite Strandpromenade hinter sich haben, entdecken Lores noch sehr klare und nüchterne Augen eine Schattengestalt, die in der Nähe des kleinen Hauses herumlungert. Der Mann scheint die Herannahenden bemerkt und den Wunsch zu haben, nicht gesehen zu werden, denn er entfernt sich plötzlich sehr eilig in Richtung der Dünen.
„Hans Böge!“ ruft Lore laut und verwundert, als die Gestalt unversehens in den Lichtkreis einer Laterne gerät. Aber der Mann hört nicht. Im nächsten Augenblick ist er zwischen den Dünen verschwunden.
„Es war Hans Böge,“ beantwortet Lore die Frage Silvesters. „Natürlich wieder ein kleines Abenteuerchen. Stelldichein in den Dünen. Na, von mir aus! Gute Nacht, Silvester! Vielen Dank für den netten Abend, Herr Imperiali!“
Harry Glant, der Solide, schläft längst. Lore hingegen liegt oben in ihrem Zimmer noch eine Weile wach und überdenkt die Geschehnisse des Abends. Sie denkt an die kokette und neidische Auguste Erlenkamp, an den unausstehlichen Mallik, an Silvester, an den ulkigen Senhor Imperiali, der sie mit nach Peru nehmen will, und auch, ein bißchen betrübt, an Hans Böge, der also nun doch wieder in den Dünen von Fanö mit irgendeiner Frau herumscharwenzelt.
Wie kann sie wissen, daß zur selben Stunde Hans Böge am Fuße einer Düne sitzt und wie ein verliebter, sentimentaler Sekundaner so lange zu der kleinen Villa hinüberstarrt, bis in Lores Zimmer das Licht ausgedreht wird?