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Kapitel 3 Das Heil der Vertiefung

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Wir kommen jetzt zu der siebenten Qualität, die der Buddha in einem Mönch gesucht hat, nämlich zum „Heil der Vertiefung“. Es ist die Geistessammlung, zu der die anderen sechs Qualitäten hinführen sollen. Ohne diese anderen Fähigkeiten kann die Konzentration nicht vervollständigt werden.

Konzentration heißt auf Pāli samādhi oder samatha. Das Wort samādhi ist uns nicht ganz fremd; es bedeutet nichts anderes als die Sammlung des Geistes, wodurch er einspitzig wird. Er bleibt dann auf einem Platz, gehorcht und tut, was wir von ihm wollen, schweift nicht in die Ferne und kümmert sich um nichts anderes als um das, worum er sich kümmern soll. Die Sammlung des Geistes kann momentan, angrenzend oder vollkommen sein.

Die momentane Sammlung haben wir sicherlich alle schon erlebt, wenn der Geist kurzfristig nur dem Atem Beachtung schenkt. Aus dieser momentanen Sammlung kann sich die angrenzende Sammlung entwickeln. Diese sieht in der Praxis so aus, dass es uns scheint, als wären wir die ganze Zeit auf den Atem konzentriert, aber es ziehen noch Gedanken wie Wolken am Hinterkopf vorbei. Sie sind nicht konkret genug, um benannt werden zu können, sondern so nebelhaft, dass sie keinen erkennbaren Inhalt haben. Dennoch hindern sie uns daran, die volle Vertiefung zu erreichen. Dies ist sehr häufig bei Menschen der Fall, die schon länger Meditation praktizieren. Die angrenzende Sammlung ist ein relativ ruhiger Zustand, auf jeden Fall bedeutend friedlicher als das sonstige Denken, aber sie kann uns noch keine Bewusstseinsveränderung bringen. Um diese zu erleben, müssen wir vollkommen aufhören zu denken. So schwierig oder unmöglich sich das im Moment vielleicht auch anhört, es ist doch möglich und nicht schwierig, wir müssen nur dabeibleiben und es immer wieder üben.

Die Sammlung des Geistes bedeutet auch, dass er sich festigt. Wenn etwas gesammelt und an einem Platz gespeichert wird, ballt es sich zusammen. Ein gefestigter Geist ist nicht mehr so leicht aus der Ruhe zu bringen, und zwar nicht nur in der Meditation. Der Geist, der in der Lage ist, sich meditativ zu festigen, zur Ruhe zu kommen und seine Bewusstseinsebene zu erhöhen, nimmt natürlich etwas davon ins tägliche Leben mit, denn er ändert seine Beschaffenheit. Der Geist weiß, dass er zur Ruhe kommen kann, denn er hat es schon erlebt.

Wenn die Tugenden vervollkommnet werden, haben wir den Vorteil der Reuelosigkeit. Wenn die Konzentration vervollkommnet wird, haben wir den Vorteil der inneren Sicherheit, die unantastbar ist. Das bedeutet nicht, dass wir glauben, mehr zu wissen; im Gegenteil, zuviel Wissen kann uns leicht im Wege stehen und tut es auch oft. Es bedeutet vielmehr, dass der Geist ein Heim gefunden hat. Was wir für den Körper als selbstverständlich ansehen, nämlich ein Dach über dem Kopf, das uns gegen die Unbilden des Wetters schützt, einen bequemen Stuhl, ein komfortables Bett, eine angenehme Umgebung – das findet der Geist erst, wenn er in die Vertiefung gehen kann und sich gesammelt hat. Der Körper kann noch so bequem im schönsten Lehnstuhl sitzen und sich gut fühlen, die Gedanken schweifen dennoch in die Ferne. Der Geist macht sich Sorgen über die Zukunft, bereut die Vergangenheit, plant voraus, hofft auf etwas Besseres und ärgert sich über das, was schon passiert ist. Nirgends kann er vollkommen zur Ruhe kommen. Erst wenn er gelernt hat, sich in der Meditation zu sammeln, sodass er jedes Mal, wenn er sich vornimmt zu meditieren, tiefe Ruhe erlebt und vor allen Unbilden der Emotionen geschützt ist, hat er sein Heim gefunden. Allein das zu wissen genügt, um uns innere Sicherheit zu verschaffen.

In der Welt ist es unmöglich, sich ständig nur in geschützten Situationen zu bewegen. Was wir nämlich beschützt haben wollen, ist unser Ego. Da das aber jeder will, krachen die Egos aufeinander. Wenn wir nicht lernen, unseren eigenen Schutz – das Heim für den Geist – zu finden, werden wir uns immer wieder in Situationen des Tauziehens befinden; einmal ziehen wir stärker, einmal der andere. Wir können uns nie darauf verlassen, dass wir dabei nicht hinfallen und uns weh tun.

Sobald wir in der Lage gewesen sind, uns zu sammeln, und am eigenen Leib erfahren haben, wie man zu dieser inneren Ruhe kommt, sodass wir es jederzeit wiederholen können, wissen wir, dass wir geschützt sind. Jeder andere Schutz, den wir glauben uns aneignen zu können, ist genauso vergänglich wie wir selbst. Dieser Schutz ist jedoch nur vergänglich, wenn unsere Konzentration nachlässt. Es liegt also nur an uns. Wir brauchen uns auf nichts Äußeres zu verlassen.

Die angrenzende Sammlung, die denen möglich ist, die schon länger meditiert haben, muss durch Willenskraft in die volle Sammlung umgewandelt werden. Es ist ein Moment des Entschlusses, der den letzten Anstoß dazu gibt; kein verbissenes Wollen, sondern eine Kraft, die der Geist in sich aufbringt, sodass er diese Schwierigkeiten überwinden kann. Die Schwierigkeiten liegen wie immer beim Ego. Unsere Ich-Behauptung kann nur unterstützt werden, solange wir denken, und daher denken wir andauernd, bis wir lernen, einmal damit aufzuhören.

Darum ist es auch so schwierig sich wirklich zu konzentrieren, denn wenn wir vollkommen konzentriert sind, ist niemand da, der sagen kann: „Wie schön du dich konzentrierst, das ist ja herrlich.“ In dem Moment, wo wir das sagen, ist die Meditation ja schon wieder zu Ende. Es muss also jeder Gedanke daran, was ich kann, möchte oder werden will, ganz ausgeschaltet werden. Das innere Erleben ist dann das Einzige, was bleibt. Dabei gibt es zwar einen Beobachter und ein Beobachtetes, aber niemanden, der die Ich-Illusion unterstützt, und daher ist es schwer, über diese Schwelle zu treten.

Wenn wir einmal über diese Schwelle getreten sind, sollten wir in der Lage sein, es immer wieder zu tun. Ich vergleiche dies häufig mit dem Eintreten in ein Haus, wobei die Meditationsmethode, die wir anwenden, der Schlüssel ist. Wenn wir den Schlüssel lange und fest genug in der Hand halten, können wir ihn endlich in das Schlüsselloch stecken. Solange wir den Schlüssel jedoch nicht ruhig halten, ist es unmöglich, das Schlüsselloch zu treffen. Aber wenn wir den Schlüssel (das Meditationsobjekt) lange und intensiv genug festhalten, können wir die Tür aufschließen. Selbstverständlich müssen wir die Tür, wenn wir sie einmal aufgeschlossen haben, durch ständige Praxis offen halten. Dann brauchen wir den Schlüssel nicht mehr, das heißt die Methode ist nicht mehr nötig.

Dahin muss uns die Sammlung des Geistes führen, denn nur dort lernen wir kennen, was wir uns alle wünschen, was aber nur wenigen Menschen auf der Welt beschieden ist, weil sie sich einfach nicht in der richtigen Weise bemühen. Es ist der Herzensfrieden und die innere Freude, die uns ganz allein dadurch zuteil werden, dass wir uns konzentrieren und unsere Ich-Bezogenheit zeitweise fallen lassen. Wir brauchen nichts zu erleben, das uns friedlich stimmt, wir brauchen nichts zu erlangen, das uns Freude macht; nichts gibt es zu sehen, zu hören, zu schmecken, zu riechen, zu berühren oder zu denken, wodurch Freude und Frieden einziehen können. Der Herzensfrieden und die innere Freude existieren vielmehr bereits in uns, und wir brauchen uns ihnen nur zu nähern.

Es ist interessant und von großer Bedeutung für uns, zu erleben, wie der Frieden durch nichts anderes gestört wird als durch unser Denken. Wie einfach, wenn man nur aufhören könnte! Es ist möglich, dies zu tun, aber es gehören Willenskraft, ständige Praxis und Hingabe dazu. Darum gibt es auch die Anweisung, jede Meditationssitzung mit „liebender Güte“ für sich selbst zu beginnen. Das bringt nicht nur ein Gefühl der Liebe und Ruhe, sondern eine gewisse Weichheit in den Geist, als Hilfsmittel gegen die Starrheit des „Ich weiß, ich kann und ich will“. Diese Geisteshaltung macht jedem, der sie hat, das Meditieren unmöglich. Die Weichheit des Geistes, die sich dem Geschehen hingeben kann, macht es uns leicht, in die meditative Vertiefung zu kommen. Der Geist fließt mit dem, was ist, und versucht nicht, Einfluss auszuüben.

Dass der Frieden in uns existiert und nur vom Denken überschattet ist, dass das innere Glück in uns wohnt und nur von unseren Emotionen unterdrückt wird, bedeutet, dass unser Geist von Natur aus rein und lauter ist und wir lediglich die Schlacke entfernen müssen. Es ist, als ob wir in ein Bergwerk gingen und uns daranmachten, endlich einmal die Juwelen, die dort versteckt liegen, von all der Schlacke zu befreien, die sie umgibt. Bei manchen Menschen liegen die Juwelen ziemlich nah an der Oberfläche, und sie brauchen nicht so viel an sich zu arbeiten. Der Buddha hat das eine schnelle Entwicklung mit schnellen Resultaten genannt, die wenig Leid in sich birgt. Andere Menschen müssen mehr und länger an sich arbeiten, bevor sie an ihren inneren Reichtum herankönnen.

Wohl jeder Mensch hat unterschwellig das Gefühl, dass es etwas geben müsse, das wirklich Glück und Frieden bringt, und bezeichnet das dann mit Namen, die er irgendwo gehört oder gelesen hat. Vielleicht hat uns auch jemand erzählt, dass er auf eine bestimmte Art Frieden gefunden habe, und wir versuchen, das nachzuahmen. Es gibt die seltsamsten Vorstellungen davon, wo und wie man Glück finden könne. Diese Ideengebäude lassen uns deutlich erkennen, dass der Geist eigentlich weiß, dass es etwas anderes gibt als die Marktplatzmentalität, mit der wir uns immer wieder auf die Dualität des Denkens einlassen, auf gut und schlecht, mein und dein, haben und loswerden, kaufen und verkaufen, womit die meisten Menschen ihr Leben ausfüllen. Wir wissen, es gibt etwas viel Erhabeneres, auch wenn wir es noch nicht erlebt haben. Jeder von uns trägt Glück und Frieden in sich, und darum ist uns auch klar, dass sie zu finden sind. Wie schwer es ist, an sie heranzukommen, hängt davon ab, wie viel Schlacke noch vorhanden ist und wie viel wir schon entfernt haben.

Deswegen besteht die Lehre des Buddha immer aus drei Teilen, wovon der erste Teil, das Fundament, die Tugend ist. Das größte Heil ist die Tugend, die wir in uns entwickeln wollen, um einen spirituellen Pfad gehen zu können, der uns zu höheren Bewusstseinsebenen führt; nicht nur, damit uns andere anerkennen oder wir nicht bestraft werden. Dafür haben wir Beschützer, nämlich Gewissen und Scham. Auch diese beiden können uns helfen, unsere Tugend zu vervollständigen, aber die tiefste und eindringlichste Motivation ist die Überzeugung: „Ich muss mich reinigen und läutern, um Glück und Frieden in mir zu finden.“

Ohne die Sammlung des Geistes ist dies nicht möglich. Es gibt hin und wieder Menschen, die spontan und zufällig ein beeindruckendes Erlebnis von Glück und Frieden haben, wenn sie beispielsweise am Meer so von der Wellenbewegung fasziniert sind, dass alle Gedanken ausgeschaltet und sie ganz von der Wellenbewegung durchdrungen sind. Dadurch kann ein inneres Erlebnis ausgelöst werden, das tief beglückend ist. Vielleicht glauben diese Menschen dann, dass sie, um das noch einmal zu erleben, wieder ans Meer gehen müssen. Aber möglicherweise haben sie keine Gelegenheit, wieder dorthin zu gehen, oder sie gehen hin, und es passiert gar nichts. Das Erlebnis hat nichts mit dem Objekt unserer Faszination zu tun, sondern nur damit, dass sich der Geist gesammelt hatte. Das gleiche Erlebnis können wir zum Beispiel auch angesichts eines herrlichen Sonnenuntergangs haben, aber wieder sind wir von einem äußeren Ereignis abhängig. Wenn die geistige Sammlung und die Hingabe jedoch ohne jeglichen Rückhalt geschehen, dann steht uns dieses Erleben jederzeit offen.

Unser Denken ist unsere Abwehr, weil es verhindert, dass unsere Ich-Illusion auch nur für einen Moment in Frage gestellt wird. In unserem Kopf geht es oft zu wie auf einem Schlachtfeld, auf dem der Geist etwas will, aber etwas anderes tut und damit sozusagen gegen sich selbst ankämpft. Sich nicht zu wehren bedeutet nicht, sich einfach gehen zu lassen, sondern vollkommen wach und achtsam zu erleben, was wirklich im eigenen Innern vorgeht. Wenn wir dabeibleiben können, indem wir den Atem lange genug betrachten, sodass er schließlich ganz fein wird, ist der nächste Schritt das Erleben der inneren Empfindungen.

Die volle Konzentration ist erreicht, wenn der Atem so fein geworden ist, dass wir ihn entweder gar nicht oder nur schwer wahrnehmen können. Sehr häufig machen wir dann den Fehler, nochmals tief zu atmen, um uns des Atems zu vergewissern. Das ist dann so, als hätten wir den Schlüssel ins Schlüsselloch gesteckt, aber anstatt die Tür aufzuschließen, geben wir uns erneut mit dem Schlüssel ab. In dem Moment, wo der Atem so fein wird, dass wir ihn kaum noch wahrnehmen können, lassen wir von ihm ab und richten unsere Achtsamkeit auf die inneren Empfindungen, die zu dieser Zeit höchst angenehm sind. Wenn wir das tun, sind wir über die Schwelle getreten. Anfangs ist das vielleicht nicht mehr als ein momentanes Erlebnis, aber das macht nichts, wir müssen es einfach immer wieder üben. Dann kommt der Geist zur Sammlung und findet Glück, Frieden und Ruhe.

Wir können uns die allerschönsten Märchen ausdenken, solange der Geist denkt, arbeitet er, und das kann nie wirkliche Ruhe bringen. Der Geist, der denkt, bewegt sich, und alles, was sich ständig bewegt, muss irritierend wirken, da es Reibung erzeugt. Darum glauben wir ja auch, dass wir schlafen sollten, wenn wir ausruhen wollen. Wenn wir dann keine wilden Träume haben, glauben wir, der Geist sei zur Ruhe gekommen. Schlaf kann jedoch kaum der Weg sein, auf dem inneres Glück und innerer Friede zu erreichen sind. Das wäre ja eine absolute Verneinung unserer spirituellen Fähigkeiten.

Der erste Schritt jeglicher Meditation ist die Hinwendung zum Meditationsobjekt. Dieses anfängliche Hinwenden wirkt der Lässigkeit und Trägheit des Geistes entgegen. Lässigkeit und Trägheit ist eines der fünf Hindernisse (1. Sinnenlust, 2. Übelwollen, 3. Lässigkeit und Trägheit, 4. Unruhe und Sorgen, 5. Zweifelsucht) und äußert sich darin, dass wir es „morgen“ machen wollen, uns nicht aufraffen können, nur das tun, was unbedingt sein muss oder zum Überleben notwendig ist, uns überfordert fühlen und keine Zeit für andere haben, weil unser Geist nicht die Spannkraft hat, die auf einer starken Geistesenergie beruht. Die Lässigkeit des Geistes verursacht die Trägheit des Körpers. Wenn der Körper Schmerzen hat, jammert der Geist, und wenn der Geist faul ist, kann auch der Körper nichts erledigen. Das anfängliche Hinwenden arbeitet gegen diesen Zustand, denn um uns dem Meditationsobjekt zuwenden zu können, müssen wir geistig wach sein, andernfalls können wir das Meditationsobjekt ja überhaupt nicht aufgreifen. Allein schon dieser Anfang ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir leiden unter den fünf Hindernissen und erfreuen uns an fünf Faktoren der meditativen Vertiefung, die diesen fünf Hindernissen entgegenwirken. Das Heil der meditativen Vertiefung liegt nicht nur darin, dass der Geist nun ein Heim gefunden hat, sondern auch darin, dass die meditative Vertiefung eine sehr rapide Läuterung mit sich bringt, obwohl sie zeitlich begrenzt ist. Ein Mensch, der sich immer wieder in meditative Vertiefung begibt, verkleinert die Hindernisse. Das heißt nicht, dass sie gleich mit der Wurzel ausgerissen werden, aber es bedeutet, dass sie immer schwächer werden. Ich vergleiche das gern mit dem Unkraut im Garten. Wenn wir das Unkraut wuchern lassen und nichts dagegen tun, nimmt es die ganze Nahrung aus dem Boden und überschattet die Pflanzen, sodass sie weder Sonne noch Regen bekommen und wir nichts anderes als Unkraut sehen können. Das Unkraut wird dann so kräftig, dass es schwer ist, es zu entwurzeln. Wir können es jedoch niederschlagen oder abschneiden, ohne es gleich entwurzeln zu müssen. Wenn wir es oft genug abgeschnitten haben, wird es immer kleiner und schwächer, sodass es erstens nicht mehr die Blumen überschattet und ihnen Sonne und Regen nimmt, zweitens nicht alle Nährstoffe aus dem Boden zieht und wir drittens nicht nur Unkraut, sondern auch Blumen zu sehen bekommen. In der meditativen Vertiefung beschneiden wir das Unkraut der Hindernisse und können allmählich einige der Blumen erkennen, die in unserem Herzen wachsen. Es kommt etwas von der inneren Reinheit zum Vorschein, die jeder Geist in sich trägt, denn wenn sie nicht im Keim vorhanden wäre, könnten wir sie niemals in uns zum Wachsen bringen. Wenn wir nun unsere Hindernisse immer wieder unterbinden, werden sie schwächer und schwächer und nehmen nicht mehr so viel Kraft von Herz und Geist in Anspruch, sodass wir mehr Energie für den spirituellen Pfad zur Verfügung haben. Außerdem haben kleinere Gewächse auch schwächere Wurzeln, sodass diese wiederholte Läuterung uns das endgültige Entwurzeln des Unheilsamen sehr erleichtert.

Diese automatische Läuterung muss Hand in Hand gehen mit der absichtlichen Läuterung im täglichen Leben, die darin besteht, dass wir unsere Gedanken, Reaktionen, Sinneskontakte, Worte und Handlungen beobachten und immer wieder vor unheilsamen Dingen beschützen. Wenn wir uns jedoch nur auf die Läuterung im täglichen Leben verlassen, haben wir einen langen und schwierigen Weg vor uns, der wahrscheinlich nicht zum Ziel führen wird. Der Geist, der sich nur auf das tägliche Leben konzentriert, ist natürlich derselbe Geist, der auch die Unarten in sich hat. Wenn wir diesen Prozess aber mit Meditation und Konzentration kombinieren und auf beiden Ebenen arbeiten, tun wir das Bestmögliche für uns selbst. Die Kombination von täglicher Achtsamkeit und automatischer Läuterung in der Meditation kann schnelle Resultate bringen, denn durch die wiederholte meditative Vertiefung haben wir uns eine verfeinerte Bewusstseinsqualität erworben. Diese erleichtert es uns, die innere Reinheit immer wieder zu kultivieren, sodass die Blumen sich entfalten können und das Unkraut niedergeschlagen wird.

Die anfängliche Hinwendung zum Meditationsobjekt, die Trägheit und Lässigkeit vielleicht nicht ganz ausmerzt, aber immerhin vermindert, muss während der Meditation immer wieder aufgenommen werden. Jedes Mal, wenn wir die Konzentration verlieren, müssen wir uns erneut dem Meditationsobjekt zuwenden – eventuell duzende Male. Weil dies notwendigerweise geschieht, haben wir die Möglichkeit, die Müdigkeit, die Lässigkeit und Trägheit des Geistes immer wieder zu unterminieren. Gelingt uns das in der Meditation, so wird es uns auch im täglichen Leben gelingen. Wir können uns dann immer wieder den Dingen zuwenden, die heilsam sind, und können unsere ganze Meditationserfahrung mit ins tägliche Leben hineinnehmen. Wenn wir andererseits das tägliche Leben nicht nutzen, um unsere Meditation zu unterstützen, werden wir beim meditieren immer Schwierigkeiten haben. Anhaltende Achtsamkeit auf uns selbst verleiht unserer Meditation das Fundament, um erfolgreich zu sein. Die meditative Vertiefung ist ein Mittel zum Zweck, genau wie die Meditation selbst ein Mittel zur Einsicht ist; ohne die richtigen Mittel werden wir uns dem Ziel nicht nähern können.

Nachdem wir uns immer wieder dem Meditationsobjekt zugewandt haben, wird uns mit dem nächsten Meditationsschritt bewusst, dass der Geist nun endlich gehorcht und auf einer Stelle bleibt. Er hat jetzt eine gewisse Schwere und ist nicht mehr so leicht aus der Ruhe zu bringen. Er hat sich niedergelassen. Die anhaltende Konzentration, die uns zeigt, dass dies möglich ist, bringt ein sehr wichtiges Resultat mit sich. Wir können aufhören, daran zu zweifeln, dass Meditation wirklich funktioniert, dass wir sie je erlernen werden und dass dies der richtige Weg ist. Sollten wir gerade noch überlegt haben, ob wir nicht lieber Tai Chi praktizieren, an einem Yoga-Kurs teilnehmen oder gar das Töpfern erlernen sollten, so erübrigt sich das jetzt. Wir spüren zutiefst, dass dies der Weg zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit ist, und der skeptische Zweifel, der uns immer wieder daran gehindert hat, Selbstvertrauen zu empfinden, ist zum großen Teil verschwunden.

Es ist daher ein sehr wichtiges Erlebnis, wenn der Geist einmal für längere Zeit dort bleibt, wo wir ihn gern hätten. Daraus entsteht ein Gefühl des Vertrauens in uns selbst und in die Lehre. Wir können selbst bezeugen, dass es so stimmt und funktioniert, wie die Anweisungen lauten. Ohne dieses Herzensvertrauen ist es unmöglich, einen spirituellen Weg in seiner ganzen Fülle zu erleben. Vertrauen ist nicht das gleiche wie blinder Glaube. Der Buddha hat den blinden Glauben immer wieder für gefährlich erklärt; aber er hat gelehrt, dass wir genug Vertrauen haben müssen, um uns vollkommen zu öffnen und die Methoden selbst auszuprobieren.

Hier ist unsere Hingabe gefragt. Einem Menschen, dem es leicht fällt, sich und andere Menschen zu lieben, wird es auch leichtfallen, sich einem spirituellen Pfad hinzugeben. Ein Mensch, dem Liebe schwerfällt, wird gewöhnlich auch stärker von skeptischen Zweifeln heimgesucht. Lieben können heißt Vertrauen haben. Wenn wir den spirituellen Pfad, den wir gehen wollen, nicht lieben können, werden wir immer wieder etwas Neues suchen, in der Hoffnung darauf, dass noch etwas Liebenswerteres kommt.

Die Hingabe an einen spirituellen Pfad ist die engste Verbindung, die wir in diesem Leben eingehen können. Wenn wir eng mit einem anderen Menschen verbunden sein wollen, müssen wir ihn verstehen und lieben, sonst ist diese Verbindung schon von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wenn wir einen Menschen nur lieben und nicht verstehen oder nur verstehen und nicht lieben, stehen wir sozusagen auf einem Bein. Das Gleiche gilt für die spirituelle Lehre, die wir praktizieren wollen. Wir müssen vollkommen und von Grund auf verstehen, dass hier ein Weg ist, der uns zu unserer geistigen Heimat führt, wenn wir ihm konsequent folgen. Die Lehre des Buddha ist verständlich, logisch und praktisch nachvollziehbar, aber Liebe und Hingabe kommen im Allgemeinen erst, wenn wir merken, dass wir Vorteile davon haben. Wir sind nun einmal von Natur aus selbstsüchtig. Das ändert sich meistens erst, wenn wir lange genug geübt haben.

Wenn der Geist nun beim Meditationsobjekt bleibt und die Gedanken nicht mehr kommen, erleben wir ein Gefühl, das an Ruhe angrenzt; es ist ein Gefühl der Sicherheit, das Gefühl, Meister unserer Situation zu sein. Solange wir von unseren Gedanken und Emotionen hin- und hergeworfen werden, sind wir deren Opfer. Erst wenn wir unsere Gedanken auf Wunsch abstellen können, werden wir das Heil der meditativen Vertiefung zu kosten bekommen.

Dafür müssen wir Geduld, Entschlusskraft und Energie entwickeln und bereit sein, immer wieder von vorn anzufangen. Jedes Mal, wenn unser Geist in die Ferne schweift, bringen wir ihn zum Meditationsobjekt zurück. Wir brauchen uns nicht darüber zu ärgern, nicht die Lust zu verlieren und nicht zu denken: „Ich kann das nicht, alle anderen können es sicher besser.“ Wir geben dem Geist nur immer wieder von neuem die Möglichkeit zur Läuterung. Wenn wir das oft genug gemacht haben, wird er zweifellos bei dem Meditationsobjekt bleiben. Wir alle behandeln die Dinge auf gewohnheitsmäßige Art und Weise; nicht nur das, was wir tun, sondern auch das, was wir denken. Wenn wir dem Geist bestimmte Gewohnheiten anerziehen, lernt er, dabei zu bleiben. Wir erleben dann nicht nur Sicherheit, Ruhe und Dankbarkeit, sondern auch Liebe. Endlich haben wir etwas gefunden, dem wir uns uneingeschränkt hingeben können, wo uns nichts Widerwärtiges zustoßen kann. Da ist niemand, der weglaufen oder einen anderen lieben könnte oder der Liebe nicht wert wäre. Hier kann unsere Liebe ungehindert wachsen und blühen. Dies bedeutet auch, dass wir die Richtung des spirituellen Wachstums, das Transzendieren der menschlichen Probleme, ständig mit dem Hauptmotiv der Läuterung in uns tragen.

Ohne mich ist das Leben ganz einfach

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