Читать книгу Götz von Berlichingen - Barbara Kindermann - Страница 8
ОглавлениеLange wartete Götz von Berlichingen vor der Herberge auf seine Kundschafter. »Wo meine Knechte nur bleiben!«, rief er ungeduldig aus. »Wir liegen fünf Tag und Nächte schon auf der Lauer und warten auf Weislingen. Wann kehrt er endlich auf seine Burg zurück, damit wir ihn schnappen können?«
Er wollte sich aus dem Krug Wein nachschenken, doch dieser war leer.
»Schon wieder leer«, murrte er. »Georg!« Götz blickte sich suchend um. »Hört der Junge nicht? Georg!«
Georg, der Sohn des Wirts, war Berlichingens treu ergebener Knappe. Der mutige Junge verehrte seinen Herrn über alles und träumte sehnsüchtig von eigenen Heldentaten.
Atemlos erschien er jetzt in der Tür und keuchte: »Gestrenger Herr?«
Er trug die steife Rüstung eines Erwachsenen und einen viel zu großen Helm.
»Was zum Henker trägst du da für einen Mummenschanz?«, fragte Götz.
Georg stemmte verwegen die Hände in die Hüften. »Der Vater schläft. Leise nahm ich ihm die Rüstung weg und legte sie an, holte das alte Schwert von der Wand und lief auf die Wiese. Ich zog die Klinge, schwang sie wild wie ein tollkühner Ritter und kämpfte gegen Dornen und Hecken. Da hörte ich Euch rufen …«
»Du wirst bestimmt ein tapferer Ritter werden«, lächelte Götz. »Doch nun weck rasch deinen Vater. Er soll sich bereit halten. Die Kundschafter müssen jeden Augenblick zurück sein und dann gehen wir zum Angriff über. Ich kann es kaum erwarten, des Bischofs Liebling, meinen Jugendfreund Weislingen, gefangen zu nehmen …«
»Ach gestrenger Herr!«, unterbrach ihn Georg mit leuchtenden Augen, »darf ich mit?«
»Ein andermal«, erwiderte Götz.
»Ein andermal«, schmollte Georg. »Das habt Ihr schon so oft gesagt. Warum nicht diesmal?«
»Das nächste Mal, Georg«, entgegnete Götz streng. »Los, geh, leg die Rüstung zurück und bring mir Wein.«
Hufgetrappel ließ ihn auffahren. Zwei Kundschafter preschten herbei, sprangen vom Pferd und redeten erregt auf ihn ein. Götz freute sich und verkündete siegessicher: »Im Haslacher Wald also werden wir dich kriegen, Weislingen!«
Schnell ließ er das Pferd satteln und ritt mit seinen Gesellen davon.
Auf Berlichingens Burg Jagsthausen wartete derweil seine Frau Elisabeth ungeduldig auf die Rückkehr ihres Mannes. Ihr Sohn Karl saß mit Götz’ Schwester Maria in einer Ecke der hohen Burgstube und ließ sich Geschichten erzählen.
Besorgt schaute Elisabeth zum Fenster hinaus. »Ich kann nicht begreifen, wo Götz so lange bleibt! Schon fünf Tage ist er fort, dabei hoffte er doch so schnell seinen Streich auszuführen.«
»Mich ängstigt es schon lange«, warf Maria ein. »Wenn ich einen Mann hätte, der sich solchen Gefahren aussetzt wie mein Bruder, würde ich schon im ersten Jahr vor Sorge sterben.«
Karl stand auf und zupfte seine Mutter am Rockzipfel: »Aber muss dann der Vater ausreiten, wenn’s so gefährlich ist?«
»Wohl muss er, lieber Karl«, gab Elisabeth ohne Zögern zurück.
»Warum?«
»Nun, erinnerst du dich an den Schneider aus Stuttgart? Der hatte bei einem Wettschießen an die hundert Taler gewonnen, doch die Verlierer wollten ihm sein Geld nicht geben. Das ist garstig, nicht wahr?«
»Ja«, entrüstete sich Karl, »sehr garstig!«
»Nun, siehst du«, fuhr Elisabeth fort. »Da kam der Schneider zu deinem Vater und bat ihn um Hilfe. Und dein Vater ritt los und plagte die Verlierer so lange, bis sie dem Schneider sein Geld gaben. Wärst du nicht auch ausgeritten für die gerechte Sache?«
»Nein!«, rief Karl erschrocken, »da muss man durch einen dicken, dicken Wald, in dem Zigeuner und Hexen lauern!«
»Aber Karl«, rügte ihn die Mutter, »du bist der Sohn des unerschrockenen Ritters Götz von Berlichingen. Da fürchtet man sich doch nicht vor Hexen! Gebe Gott, dass du mit der Zeit noch tapferer wirst!«
Doch Karl hörte schon nicht mehr zu. Aufgeregt rief er: »Der Vater! Der Vater! Hört ihr? Der Türmer bläst das Lied ‚Heißa, mach’s Tor auf‘!«
Die beiden Frauen liefen zum Fenster. Unten ritten Götz, einige Reitersknechte und ein Gefangener durchs Tor: Es war Adelbert von Weislingen.