Читать книгу Hypnosetherapie für Kinder und Jugendliche - Barbara Scholl Hansruedi Wipf - Страница 6
ОглавлениеVorwort
Erinnern Sie sich an den Moment, als Sie dieses kleine, unterarmlange Menschlein in Ihren Armen gehalten haben? Schlafend, rhythmisch kaum spürbar atmend, losgelöst und doch nach der Wärme und Geborgenheit Ihres Körpers suchend an Sie geschmiegt? Zum einen erscheinen diese Wesen hilflos, schutzbedürftig und zum anderen doch ansatzweise bereits charakterstark, geboren um zu leben. Sie spüren die Magie dieses Augenblicks noch immer, werden ihn nie vergessen. In Gedanken mit Ihrem Kind verbunden, haben Sie ihm geschworen, immer für es da zu sein, ihm beizubringen, was es für das Leben braucht, es zu beschützen und dafür zu sorgen, dass es ihm gut geht.
Aber irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem Sie selbst nach Hilfe suchen, weil Sie nicht mehr wissen, wie Sie Ihr Versprechen einhalten können. Ihr Kind wird einfach nicht trocken, hat Angstzustände oder kommt auch mit viel Lernaufwand nicht auf gute Noten. »Kinderprobleme« sind so vielfältig wie das Leben selbst. Sie haben alles versucht, um zu helfen, aber nichts hat wirklich funktioniert. Vielleicht halten Sie ja gerade aus so einem Grund dieses Buch in Ihren Händen.
Kommen wir zurück zu dem Moment, zum neuen, kleinen Mitglied in unserer Gemeinschaft, schlafend wohlbehütet an Sie gedrückt. Im kleinen Kopf arbeitet es jetzt auf Hochtouren. Ihr Kind verarbeitet das bisher Durchlebte, wiederholt Sequenzen und speichert sie ab. Da in den frühesten Lebensjahren derart vieles noch neu ist, braucht Ihr Kind viel Schlaf, um zu lernen. Gegebenheiten werden gespeichert, Gesichter gemerkt, Gesichtsausdrücke interpretiert, Bewegungsabläufe geübt, Zusammenhänge analysiert und vieles mehr. All das macht nicht nur Ihr Kind im Schlaf, wir alle machen es ein Leben lang, während wir schlafen. So festigen wir unser Wissen, prägen uns Bewegungsabläufe ein (zum Beispiel, ein Instrument zu spielen), verknüpfen Emotionen und eignen uns Gewohnheiten an.
Mit einem kleinen Unterschied: Ihr Kind ist noch nicht erwachsen. Es denkt noch nicht – in unserem Sinne – logisch. Es lebt in seiner eigenen Welt und bezieht alles, was geschieht, auf sich. Hier ein Beispiel: Ein Familienvater bekommt auf der Arbeit unerwartet die Kündigung. Auf dem Heimweg fährt er in seiner Verzweiflung gedankenversunken an einer Ampel auf das stehende Fahrzeug vor sich. Er kommt wütend zu Hause an und reißt die Haustür auf. Sein dreijähriger Sohn rennt ihm in freudiger Erwartung entgegen, doch der Papa herrscht ihn nur an, ihn in Ruhe zu lassen, und verschanzt sich erst mal im Büro. Das dreijährige Kind wird sich nicht abdrehen mit den Worten: »Wow, mein Vater muss ja einen sehr schlechten Tag gehabt haben auf der Arbeit!«, und sich wieder seinem Spiel zuwenden. Seine Gedanken sind eher so: »Was habe ich falsch gemacht, dass mich mein Papa nicht mehr gern hat?« Es muss nicht gleich ein derart krasses Beispiel sein. Oftmals reicht schon eine falsche Bemerkung oder eine unangebrachte Reaktion, die dann vom Kind aus seiner Sicht interpretiert wird. Das geschieht unbewusst. Kann aber im noch kleinen Rucksack des Kindes den Grundstein für ein späteres Problem legen. Wir nennen das einen sogenannten ISE (initial sensitizing event). Das initiale, auslösende Ereignis für ein späteres Problem. Im Buch wird das Thema später noch ausführlich behandelt.
Seit ich mir über die Konsequenzen meines Handelns bewusst bin, versuche ich mein Tun so steuern, dass ich bei meinen Mitmenschen kein Trauma auslöse. Gerade in meinem Beruf als Zahnarzt ist das schnell geschehen: Ein falscher Spruch – wenn auch gut gemeint – oder mal eben nicht auf die Schmerzanzeichen des Patienten geachtet und schon kann diese Person das nächste Mal mit gemischten Gefühlen oder gar bereits mit Angstsymptomen erscheinen. Vor allem aber seit ich selbst Vater von einem Jungen im Alter von zweieinhalb Jahren und einem Mädchen von zehn Monaten sein darf, frage ich mich im Nachhinein immer wieder einmal, ob mein Verhalten jetzt gerade richtig war oder nicht. Ich schreibe das hier ganz bewusst. Denn zum einen darf man sich selbst nicht abverlangen, dass man in jeder Situation richtig reagiert – schließlich haben wir ja auch unsere Muster und Gewohnheiten – und doch sollte man sich ab und an auf sein Handeln zurückbesinnen und sich fragen, was ich damit bei meinem Kind bewirke. Schließlich sind wir als Eltern ja am Anfang die wichtigsten Vorbilder. Oder anders ausgedrückt: Schließlich sind unsere Kinder ja der direkte, unverblümte Spiegel unserer selbst, den wir von ihnen vorgesetzt bekommen.
Aus welchem Grund auch immer Sie dieses Buch jetzt gerade in Ihren Händen halten: Es liefert Ihnen ansatzweise eine Erklärung dafür, warum unsere Kinder so sind wie sie sind, und warum sich bei dem einen oder anderen irgendwann einmal ein Problem manifestiert. Wenn man Kinder verstehen will, dann muss man auch denken wie sie. Die Autoren Barbara Scholl und Hansruedi Wipf sind anerkannte Experten und Kapazitäten auf ihrem jeweiligen Gebiet. Hansruedi Wipf ist ein international renommierter Ausbilder und Bestsellerautor, der weltweit die Geschicke von OMNI Hypnosis International leitet. Barbara Scholl ist eine auf Kinder spezialisierte Hypnosetherapeutin und hat genau das perfektioniert: Das therapeutische Denken für ein Kind und das teils spielerische Herangehen für die Lösung von Problemen in der hochinteressanten und äußerst kreativen Fantasiewelt unserer jungen Mitmenschen.
Hypnose ist vereinfacht gesagt ein Zustand, und Kinder befinden sich, wenn man so will, in einer Art Dauerzustand in Hypnose. Sie sind fokussiert auf ihre beseelten Spielsachen, oftmals in einem Tagtraum total abgelenkt. Stofftiere oder Plastikfiguren leben in ihrer Fantasiewelt, brauchen Essen und Schlaf und sind Teil der aktuellen Geschichte des Kindes. Barbara Scholl zeigt in ihrer wunderbaren Art, wie dieser für das Kind völlig natürliche Zustand der Hypnose therapeutisch spielerisch, diversifiziert und sehr effizient genutzt werden kann.
Ich wünsche Ihnen viel Inspiration bei dieser Lektüre. Und sollten Sie dieses Buch tatsächlich in Erwägung ziehen, um Ihrem Kind helfen zu wollen, so bin ich überzeugt, dass Sie hier den richtigen Therapieansatz finden werden. Viel Erfolg!
Januar 2020
Dr. med. dent.
Patrick Meyenberger