Читать книгу Beakys (Lügen-)Tagebuch - Barry Hutchison - Страница 5

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Ich will ehrlich sein – ich habe geschlafen wie ein Stein und bin total entspannt am nächsten Morgen aufgewacht. Allerdings kann man dasselbe nicht von Jodie behaupten, die sah aus wie eine Darstellerin in einem Zombie-Film. Ihre Haare waren total zerzaust, an ihrer Backe hing Sabber und sie humpelte durch das Zimmer, als wäre sie über Nacht 80 Jahre alt geworden.


„Das zahl ich dir heim, ­Beaky“, warnte sie mich, als ich an ihr vorbei aus dem Zimmer ging. „Ich hab die Nase voll von deinen Lügen. Du musst damit aufhören.“

„Okay“, sagte ich.

Jodie blinzelte. „Dein Ernst?“

Ich streckte ihr die Zunge raus. „Nö, das war auch gelogen. Gut, oder?“

Ich duckte mich neben den Türrahmen, weil sie ei­nen Schuh nach mir warf, rutschte dann am Treppen-geländer hinunter und schlenderte ins Wohnzimmer.

Beim Frühstück habe ich mir dann einen riesigen Spaß daraus gemacht, Geschichten über Jodie zu erfinden, wie sie nachts schnarchend und im Schlaf über Jungs aus ihrer Klasse fantasiert hat. Jodie versuchte, mich unter dem Tisch zu boxen, erwischte aber versehentlich nur den sehr teilnahmslosen Dad.


Nachdem wir den Frühstückstisch abgeräumt hat­ten, stapelten wir uns in Tante Jas’ Siebensitzer. Da wir zu acht waren, war das nicht ganz so einfach. Wir mussten Destructo nämlich auch mitnehmen, denn jedes Mal, wenn wir ihn alleine zu Hause lassen, hat er versucht, den Fernseher zu fressen. Ich wurde im Auto auf den Rücksitz zwischen Jodie und Sophie gequetscht. Meine Schwester rammte mir ständig ihren Ellbogen in die Seite, und Sophie starrte mich nur wortlos an.

Dad und Steve saßen vorn, Mom und Jas auf den Sitzen dahinter. Jas hatte Max auf dem Schoß und hielt ihn mit einem komplizierten Klammergriff fest.


„Also … alle bereit für ein bisschen Spaß?“, fragte Mom, während Steve das Auto die Auffahrt rauf zur Hauptstraße fuhr.

Jas zuckte die Achseln. „Ich denke, es wird schon okay. Wir haben auch ein Schloss in unserer Nähe. Das ist viel größer, aber trotzdem … wird schon nicht so schlimm werden.“

„Unser Schloss ist aber älter“, sagte Mom.

„In unserem hat aber mal Königin Victoria gelebt“, erwiderte Jas.

Mom sah enttäuscht aus. Was sollte sie sagen?

„Unser Schloss wurde von Königin Victoria erbaut“, sagte ich, „mit eigenen Händen.“ Mom war gerettet. Ich zwinkerte ihr zu. Sie seufzte zwar, lächelte aber.


„Na, ich glaube, das ist ein bisschen übertrieben“, sagte sie, „aber es ist wirklich ein beeindruckendes Schloss.“

Plötzlich drehte Dad das Radio lauter. „Oh, oh, lauter, lauter, das ist einer von mir.“

Jodie und ich stöhnten. Dad hatte Dutzende Jingles im Laufe der Jahre geschrieben, die andauernd im Radio liefen. Und immer, wenn er einen hörte, sang er mit. Je blöder die Texte waren, desto mehr schien er daran Spaß zu haben. Eigentlich waren alle seine Texte lächerlich. Jetzt hatte er tief Luft geholt und aus seinem Mund klang es …


„Wenn dihihich ein roter Hintern quält,

dann gibt’s nur eins, was zählt,

nimm Pickelfrei fürn Po,

und du bist wieder frohohoh!“

„Dad!“, unterbrach ihn Jodie. „Bitte. Niemand will hören, was du da über Po-Salbe singst …“

Steve hob die Hand. „Kumpel! Ich will deinen Song über die Po-Salbe hören.“

„Danke, Steve“, triumphierte Dad. Er blickte sich über die Schulter zu den Rücksitzen um. „Zweite Strophe, gleicher Text, „Wenn dihihich …“

Jodie und ich sanken tiefer in unsere Sitze. Destructo jammerte im Kofferraum. Diese Fahrt würde verdammt lang werden.


Gefühlte Stunden später, aber eigentlich waren es nur zwanzig quälende Minuten, standen wir Zweibeiner vor Schloss Schweinstein und starrten an dessen mit Moos bewachsenen Mauern hinauf.

Destructo musste im Auto mit runtergelassener Scheibe warten. Er hatte klare Anweisung bekommen, nichts zu zerstören.

In der Schule hatten wir letztes Jahr eine Projektarbeit zu Schloss Schweinstein. Allerdings durften wir es nicht besuchen, die Lehrer hatten Angst, wir könnten es irgendwie zerstören. Ich kann mich noch gut erinnern, dass unser Lehrer es zuvor ziemlich spannend beschrieben hatte. Leider habe ich alles vergessen, was mich jetzt aber nicht weiter beunruhigte.


„Ihr müsst wissen, dass der Originalname wirklich Schloss Schweinstein ist“, sagte ich. „Denn die erste Familie, die hier gelebt hatte, war eine Schweine-Familie. Das wissen nicht sehr viele Menschen.“


„Weil es totaler Quatsch ist“, regte sich Jodie auf.

„Gar nicht. Ich habe ein Projekt in der Schule dazu gehabt.“

Mom schaute an mir vorbei zu Jodie. „Das stimmt, er hat wirklich ein Projekt in der Schule gemacht. Ich erinnere mich daran.“

„Oh, na dann muss es ja stimmen“, zickte Jodie.

„Außerdem war es ursprünglich aus purem Gold gebaut, allerdings kam es immer wieder zu Autounfällen, weil Autofahrer durch das Gold geblendet wurden.“

„Damals gab es doch aber noch gar keine Autos“, wunderte sich Steve.

„Hier in der Ecke schon“, sagte ich stolz. „Wir waren unserer Zeit schon immer voraus.“

„Aaaaaaargh. Du machst mich total irre. Hör einfach auf!“, brüllte Jodie.

Sie stopfte sich ihre Stöpsel in die Ohren und verschränkte die Arme als deutliches Zeichen dafür, dass sie mit niemandem von uns für den Rest des Tages mehr was zu tun haben wollte.

Ich rollte die Augen und schüttelte amüsiert den Kopf. „Teenie, tss!“

Tante Jas schaute am Schloss hoch. „Sieht aber nicht sehr groß aus, oder?“

„Innen ist es viel größer“, versicherte ich ihr, zeigte auf die zugegeben wenig beeindruckende Eingangspforte des Schlosses und sagte: „Wollen wir?“


Wir bekamen schnell mit, dass im Schloss die Nach­stellung einer Schlacht stattfand, und so schauten wir uns diese gemeinsam mit einem Dutzend anderer Leute an. Ich hatte vorher noch nie die Nachstellung einer Schlacht gesehen, jedenfalls war es nicht ganz das, was ich erwartet hatte.


Ich war auf Hunderte Schauspieler eingestellt, die wild aufeinander einprügeln. Leider stellte sich heraus, dass da nur zwei Kerle im Kettenhemd im Kreis umeinander herum rannten und ein bisschen mit Spielzeugschwertern fuchtelten. Da der Boden ziemlich matschig war, fielen sie immer wieder hin, was für die ersten sechs oder sieben Minuten wirklich lustig war, aber irgendwann war die Luft raus. Selbst mein beeindruckend witziges Halbwissen über die Geschichte der Kämpfe schien nicht interessant genug, um alle bei der Stange zu halten.

Gerade, als ich die tolle Geschichte erzählt hatte, wie eine der beiden Seiten auf eine Armee aus Bienen zurückgriff, um den Kampf zu gewinnen, beschlossen alle, nun endlich ins Innere des Schlosses zu gehen.


Ich bin der Erste, der zu­gibt, dass das Schloss von außen wirklich nicht so beeindruckend war. Drinnen aber war es nochmal anders, nämlich definitiv total lang­weilig.

Der Boden war grau. Die Wände waren grau. Die Decke war grau. Der Himmel war trüb und bedeckt, mit anderen Worten, die Fenster waren auch grau. Hier und da hingen langweilige Wandteppiche, doch die Farben waren so verblasst, dass man kaum was drauf erkennen konnte.

Man hatte das Gefühl, eher die graue Kohlezeichnung eines Schlosses zu sehen, als ein echtes Schloss.

Die Schlossführer (die natürlich graue Uniformen trugen und irgendwie alle graue Haare hatten) sahen genauso gelangweilt aus wie alle Besucher hier. Sie schlichen gelangweilt umher, ihre Hände auf dem Rücken verschränkt, und stöhnten genervt, wenn sie eine Frage gestellt bekamen.


„Na … Das ist doch schön hier“, sagte Mom mit einem hoffnungsvollen Lächeln. „Nicht wahr?“

„Das ist bescheuert hier“, sagte Max. Er bohrte mit einem Finger so tief in seiner Nase, als würde er nach Gold suchen. „Voll langweilig.“

„Na, na, Max, das ist aber nicht nett“, schimpfte Jas. „Deine Tante hat sich wirklich Mühe gegeben, all das hier für uns zu arrangieren.“ Sie ließ ihren Blick schweifen und schaute dann rüber zu Mom. „Genau genommen hat er aber recht. Es ist wirklich bescheuert. Warum mussten wir hierher fahren?“

Mom drehte sich zu mir um und warf mir einen fragenden Blick zu.

„Richtig, Dylan, hilf mir, warum wollte ich doch gleich mit euch hierher?“

Das war eine sehr gute Frage. Seit dem Schulprojekt wollte ich dieses Schloss immer besuchen, aber jetzt, da ich hier war, hatte ich absolut keinen Plan mehr wieso.

„Weil es hier spukt, ist doch klar“, sagte ich blitzschnell.

Auf der Stelle bohrte Max’ Finger nicht mehr in der Nase. Max schaute in alle Richtungen. „Cool“, sagte er.


Ein Lächeln schoss über Steves Gesicht. „Es spukt? Oh, das ist genial. So richtig mit Geistern?“

„Nein, Steve, mit Affen“, fauchte Jas. Sie war scheinbar immer noch stinksauer auf ihn, und so langsam drängte sich mir der Gedanke auf, dass das Problem zwischen den beiden wirklich etwas größer war. Jedenfalls ging es nicht nur um seine Unfähigkeit, Straßenkarten zu lesen. Was doch so ein Heiratsproblem ausmacht, dachte ich.

Beakys (Lügen-)Tagebuch

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