Читать книгу Mehr als 0 und 1 (E-Book) - Beat Döbeli Honegger - Страница 5
ОглавлениеNeues Lernen mit neuen Medien! Schule 2.0! Ende der Kreidezeit, Tablets statt Schiefertafeln, Revolution des Lernens! Seit mehr als dreißig Jahren wird die Informations- und Kommunikationstechnologie (ICT) als Auslöser von großen Veränderungen beim Lehren und Lernen ausgerufen. Computer, Internet, interaktive Wandtafeln, soziale Netzwerke, adaptive Lernprogramme oder Tablets sollen das Lernen motivierender, abwechslungsreicher, effizienter machen oder gar die Lehrkraft ersetzen. Auf der anderen Seite warnen zahlreiche Stimmen vor den verheerenden Konsequenzen, wenn digitale Medien nicht komplett vom Schulgelände verbannt werden und die Schule zum medialen Schonraum gemacht wird.
Der Blick ins Schulzimmer zeigt eine andere Realität. Vielleicht sind einige Computer vorhanden, aber der alltägliche Unterricht bleibt erstaunlich unberührt von der Omnipräsenz digitaler Medien in der Gesellschaft und im Leben von Kindern und Jugendlichen. In der Schule hat die digitale Revolution bisher nicht stattgefunden. Schon 1993 fragte Seymour Papert in seinem Buch mit dem bezeichnenden deutschen Titel Revolution des Lernens b226: »Warum gab es in einem Zeitraum, in dem so viele Bereiche menschlicher Aktivität revolutioniert wurden, keine vergleichbare Veränderung bei den Methoden, mit denen wir unseren Kindern beim Lernen helfen?«
Entscheidungshilfe
Vor knapp dreißig Jahren ist erstmals in der Schweiz ein Buch erschienen, das sich mit digitalen Medien in der Schule beschäftigte. Es stammt von Heinz Moser und trägt den Titel Der Computer vor der Schultür – Entscheidungshilfen für Lehrer, Eltern und Politiker b1568. Entscheidungshilfe für Lehrerinnen und Lehrer, Eltern und die Bildungspolitik zu sein, ist auch der Anspruch des vorliegenden Buches. In meiner über fünfzehnjährigen beruflichen Auseinandersetzung mit der Thematik spüre ich bei Gesprächen mit Schulbehörden, Schulleitungen und Lehrkräften noch immer ein großes Bedürfnis nach langlebigen Überlegungen in einer Zeit vermeintlich schnelllebiger Entwicklungen. Das Buch gibt den aktuellen Wissens- und Diskussionsstand zur Schule in einer digitalisierten Welt möglichst knapp und allgemeinverständlich wieder. Auf Details oder kurzlebige Phänomene wird bewusst verzichtet. Verweise ins Biblionetz erlauben jederzeit eine vertiefte Auseinandersetzung und auch Hinweise auf beim Druck des Buches noch nicht verfügbare Publikationen. Wie das Biblionetz funktioniert, wird später in dieser Einleitung erklärt.
Kürze und Prägnanz waren auch ausschlaggebend für das bei diesem Thema vielleicht überraschende Publikationsformat Buch. Bei den ersten Überlegungen zur Ausrichtung und Gestaltung der vorliegenden Publikation waren drei Bücher prägend. Beim ebenfalls im hep verlag erschienenen Wirtschaftskrise ohne Ende? b4705 von Aymo Brunetti hat mich beeindruckt, wie eine komplexe Materie kurz und verständlich beschrieben werden kann. Auch Rolf Dubs gelingt es in Bildungspolitik und Schule – wohin? b4790, wissenschaftliche und bildungspolitische Diskurse in für Laien verdaubare Portionen aufzuteilen. An Kathrin Passigs und Sascha Lobos Buch Internet – Segen oder Fluch b5026 hat mir schließlich die Art gefallen, zwar den aktuellen Diskussionsstand der Themen fundiert darzustellen, zu jeder These in die eine Richtung aber sogleich die Gegenthese in die andere Richtung zu präsentieren und damit sowohl eine Überhöhung als auch eine Verteufelung des Internets und seiner Folgen zu verhindern.
Aufbau
Mehr als 0 und 1 ist in drei Teile und zehn thematische Kapitel gegliedert. Es beginnt sehr abstrakt und wird von Kapitel zu Kapitel konkreter. Im ersten Kapitel wird erklärt, warum und wie Computer und das Internet die Gesellschaft so grundlegend verändern, dass von einem Leitmedienwechsel gesprochen wird. Es gibt verschiedene Ansichten, inwiefern dieser Leitmedienwechsel die Schule betrifft. Das zweite Kapitel präsentiert das gesamte Spektrum an Reaktionsweisen, die der Schule vorgeschlagen werden. Es reicht von »Ignorieren« bis zur Forderung, die Schule abzuschaffen oder angesichts der kommenden Fähigkeiten der Computer gleich gänzlich auf menschliche Bildung zu verzichten. Im dritten Kapitel wird ein pragmatischer Mittelweg zwischen diesen Extremen eingeschlagen und gefragt, welche Kompetenzen angesichts des Leitmedienwechsels an Bedeutung gewinnen.
Abbildung 0.1: Kapitelstruktur des Buches
Im zweiten Teil des Buches geht es um die Bedeutung und die Rollen des Digitalen in der Schule. Das vierte Kapitel liefert vier Argumente, warum digitale Medien zwingend in die Schule gehören. Das fünfte Kapitel widmet sich den beiden Rollen digitaler Medien als Werkzeug und als Thema und stellt die drei thematischen Aspekte »Anwendungskompetenzen«, »Medien« und »Informatik« vor. Da Informatik als Thema in der Schule über fast keine Tradition verfügt, widmet sich das sechste Kapitel ganz der »Informatik in der Schule« und liefert dafür sowohl bildungspolitische Gründe als auch einen Überblick möglicher Themen sowie methodische Hinweise. Das siebte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, wie das Digitale in der Schule verankert werden kann und welche Herausforderungen dabei zu überwinden sind.
Im dritten Teil des Buches geht es schließlich konkret um Hard- und Software in die Schule. Das achte Kapitel gibt Antworten darauf, welche digitale Infrastruktur die Schule benötigt, und Kapitel neun fragt, was mit Schulbüchern passiert, wenn das Buch als Leitmedium durch den Computer ersetzt wird.
Was das Buch nicht bietet
Dieses Buch konzentriert sich auf die Schule, also auf die meist formale (Allgemein-)Bildung von Minderjährigen. Es enthält wenige Aussagen zur Hochschulbildung, da sich dieser Bereich in verschiedener Hinsicht von schulischer Bildung unterscheidet. Als Einstieg ins Thema »Hochschule in einer digitalisierten Welt« empfiehlt sich beispielsweise das Buch The Digital Scholar b4803 von Martin Weller aus dem Jahr 2011.
Im vorliegenden Buch sind kaum mediendidaktische Hinweise zum Unterricht in einer digitalisierten Welt zu finden. Dazu ist schon gute und aktuelle Literatur verfügbar, so zum Beispiel:
› Dominik Petko (2014): Einführung in die Mediendidaktik b5400
› Gabi Reinmann (2013): Studientext Didaktisches Design b5164
› Michael Kerres (2012): Mediendidaktik b5130
Dieses Buch ist auch kein Ratgeber für Eltern und Lehrkräfte mit Erklärungen, wie Jugendliche im digitalisierten Zeitalter denken und handeln. Auch dafür gibt es bereits viele gute Publikationen, so zum Beispiel:
› Eveline Hipeli (2014): Medien-Kids. Bewusst umgehen mit allen Medien – von Anfang an b5536
› Philippe Wampfler (2013): Generation »Social Media« b5514
› Tanja und Johnny Haeusler (2012): Netzgemüse – Aufzucht und Pflege der Generation Internet b5539
› Thomas Pfeiffer und Jöran Muuß-Merholz (2012): Mein Kind ist bei Facebook – Tipps für Eltern b5431
Biblionetz: Verweise in die Zukunft
In diesem Buch werden Sie mitten im Text ungewohnte Kürzel finden. Sie verweisen auf Beats Biblionetz, die 1996 begonnene Hypertext-Literaturdatenbank des Autors p65, und bieten zusätzliche Informationen.
Abruf mit einem Mobilgerät Mit einem Mobilgerät können Sie solche Verweise am einfachsten abrufen, indem sie mit einer entsprechenden App diesen QR-Code scannen und danach das Kürzel eintippen:
Abruf mit einem Webbrowser Sie können das Biblionetz aber auch mit jedem Webbrowser aufrufen. Tippen Sie doebe.li/ und den gewünschten Verweis in die Adresszeile ihres Browsers (also zum Beispiel doebe.li/p65).
Abruf aus dem E-Book Lesen Sie dieses Buch als E-Book, können Sie die Verweise ganz einfach antippen oder anklicken.
Was bringt das?
Klassische Literaturverzeichnisse, Fuß- und Endnoten sind immer Verweise in die Vergangenheit, Hinweise auf bereits Gesagtes oder Geschriebenes. Solche Verweise sind auch in diesem Buch zu finden. Sie sind einerseits Ehrerbietung für Autorinnen und Autoren, welche die erwähnten Ideen und Gedanken bereits vor einem hatten. Sie sind andererseits aber auch Recherchehilfen für besonders Interessierte. Solche Referenzen weisen darauf hin, wo noch mehr zum Thema zu finden ist. Bei gedruckten Verzeichnissen ist es aber schade, dass nur auf Ideen und Werke hingewiesen werden kann, die es zum Zeitpunkt der Drucklegung bereits gab. Die Digitalisierung erweitert die Möglichkeiten einer Publikation. Indem die Online-Verweise aktuell gehalten werden, kann auch auf Informationssammlungen hingewiesen werden, die erst entstehen oder noch wachsen werden. Damit sind sozusagen Literaturverweise in die Zukunft möglich. Die Kürzel in diesem Buch verweisen oft nicht auf einzelne Publikationen, sondern auf Begriffe, Fragen oder Thesen. Die entsprechenden Biblionetzseiten enthalten bereits bei der Veröffentlichung des Buches relevante Informationen. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden sie aber in Zukunft erweitert werden, sodass bald mehr als heute zu finden sein wird. Es sind somit weniger Literaturverweise, sondern Meme-Verzeichnisse w1161.
Dank
Die wenigsten Bücher, bei denen nur ein Autor auf dem Umschlag steht, werden tatsächlich allein geschrieben, zahlreiche Gedanken entstehen erst beim Schreiben und in Diskussionen mit Kolleginnen und Kollegen. Diese Gespräche im physischen und virtuellen Raum waren nicht nur sehr motivierend und bereichernd, sie haben vielmehr auch die These des veränderten Arbeitens im digitalen Raum beispielhaft gestützt. Ich bin Werner Hartmann, Marc Pilloud, Vincent Tscherter, Jacqueline Peter, Nando Stöcklin, Michael Hielscher, Oliver Ott, Andrea Cantieni und Nina Iten sehr dankbar, dass sie diesem Projekt ihre Aufmerksamkeit und ihre Ideen geschenkt haben. Auch dem hep verlag, insbesondere meinem Lektor Manuel Schär, gebührt ein besonderer Dank für die wohlwollende und kompetente Betreuung in allen Belangen.
Schließlich bin ich auch meinen Hochschullehrern Carl August Zehnder und Werner Hartmann zu großem Dank verpflichtet. Sie haben mir zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn die grundlegenden Perspektiven des Themas vermittelt, die mich noch heute begleiten.
Alle zitierten Quellen der Einleitung finden Sie unter t16001.