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Die Verseuchung

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Das Schweröl verseucht das Meer, die Betäubung das Gehirn. Der Mensch kann verführt werden, zur Selbsterhöhung verleitet werden, nur weil er es sich leisten kann, bedient zu werden. Er meint, sich etwas Gutes zu tun, wenn er bewegt und bespaßt wird. Doch er wird nicht selten schwächer und phantasieloser. Eigene Ressourcen werden nicht genutzt. Eigene kreative Impulse selten wahrgenommen. Die Dauerbespaßung fordert ihren Tribut. Das Gehirn wird nicht ausreichend gefördert. Am Rockzipfel der Freizeitindustrie kann wohl niemand zum Kreativen werden. Andere sollen unterhalten und bedienen. Der Konsument wird oft zum Hampelmann. Das eigene Verkümmern setzt ein, wenn die Gier nach Spaß und Konsum den Menschen gefangen hält. Dieser Prozess vollzieht sich schleichend, auf dem Weg des scheinbar reibungslosen Genusses. Der Mensch wird zum Getriebenen. Das Märchen vom uneingeschränkten, unbegrenzten Genuss ist weit verbreitet. Es klingt so einfach, so schön und überzeugend. Beinahe jeder hört gern und aufmerksam zu und glaubt an dieses Märchen. Die Mantras der Genusssucht sind eingängig und sie sind leicht zu wiederholen: »Lasse es ordentlich krachen, dann kannst du das Leben genießen! Du bist der Gewinner, wenn du die Puppen tanzen lässt. « Das Ausblenden ganzer Lebensbereiche wird gefordert und gefördert. Oft gehört sogar das Ausblenden der Realität zum Tagesgeschäft. Die Lebenszusammenhänge können nicht erkannt werden. Das Schweröl verseucht das Meer, die Betäubung den Kopf. Ressourcen werden geplündert, Menschen versklavt. Das Märchen vom Konsum, vom Dauerglück wird gebetsmühlenartig verbreitet. Der Genussmensch will das schnelle Glück, den bequemen Kick. Er oder sie will alles, alles ganz schnell und immer wieder. Der Lebenszirkus wird befeuert. Nichts soll stören und nachdenklich machen. Du sagst, du lebst den Kapitalismus. In diesem Moment schaust du sehr stolz in die Runde und jeder soll dir zustimmen, nicken und den Applaus garantieren. Du betonst, dass du es dir leisten kannst, und dass das die einzige richtige Art ist zu leben. Du würdest dich niemals in Gefahr begeben und nur solche Reisen buchen, bei denen du nicht entführt und ausgeraubt werden könntest. Deine geplante Safari sei absolut sicher und du schießt nur solche Tiere, die eigens für dich zum Abschuss freigegeben sind. Du bist ein Räuber, dem nichts passieren soll. Du liebst den Rausch. Du fühlst dich im Recht. Deine Kreditkarte gibt dir dieses Recht. Du nimmst dir das Recht. Deine Sicherheit geht dir über alles, dein Freizeitspaß ebenso und du bist nicht zu stoppen. Dein Wasserbedarf wird aus den edelsten Mineralwasserflaschen abgedeckt. Gleichzeitig nimmst du vielen jede Sicherheit auf ein giftfreies Leben, auf gesundes Wasser, gesunde Nahrung. Das begreifst du nicht, denn du kannst diese Zusammenhänge nicht denken. Dir mangelt es am globalen Bewusstsein. Du siehst immer noch sehr stolz aus, obwohl das deutliche Kundtun der Zusammenhänge dich eigentlich betroffen machen müsste. Du flüchtest und erfindest mal wieder Ausreden. Es sei nicht dein Thema, du hättest Wichtigeres zu tun, es sei spät und ungemütlich. Die Realität wird ausgeblendet. Solange das Geld reicht, wirst du wohl so weitermachen. Irgendwie unbewusst, unreflektiert und unhinterfragt. Du willst dich um deinen Konsum kümmern und dich nicht stören lassen. Die Bespaßung muss reibungslos funktionieren, ansonsten wirst du schnell nervös und ungehalten. Weiße Laken, polierte Gläser, das volle Programm in der Welt des schönen Scheins. Auf der Welle des Verdrängens surfst du über das Meer. Du willst keine Denker, keine Neider, keine Spinner, die böse Fragen stellen und Inhalte lieben. Von weitem hört man dich rufen: »Kommt alle her! Wir schauen das nächste Musical an, mit den passenden Themen: Liebe und Bettgeflüster, Intrigen und Herzschmerz, die volle Ladung, zum sensationellen Angebot!« Das lohnt sich für dich, und du fühlst dich auf der richtigen Seite. Nichts und niemand stört. Kein kritischer Gedanke und keine inhaltliche Belästigung. Das Schweröl verseucht das Meer, die Betäubung den Kopf, die Berechnung verhindert das Lernen. Du willst auf der sicheren Seite sein und meinst damit dein Kapital. Du treibst dahin, auf unsicherem Grund. Dir fehlt ein Bewusstsein, ein Lebenssteuer. Dein Kopf ist hohl und die Oberflächlichkeit lässt dich weiter abdriften. Du dümpelst dahin, immer in der Befürchtung, dich eventuell langweilen zu müssen. Die anderen sollen dir dein Leben versüßen. Sie sollen dir in jeder Hinsicht zuarbeiten. Du bist langsam aber sicher zu einer verweichlichten Prinzessin auf der Erbse geworden. Das Geld soll nun dein Rettungsanker sein, da du in dir keinen Halt finden kannst. Das Delegieren gehört zu deinem Tagesgeschäft. Doch so wirst du immer schwächer und einfallsloser. Die Unsicherheit schleicht sich in dein Selbst, weil du dich nicht an eigenen Taten, Einfällen, selbstkreierten Ideen messen lassen kannst. Dir ist nicht bewusst, dass man sich im Leben auch anstrengen muss. Für dich liegen die Scheinprivilegien in einer Sorglosigkeit, die beinahe einem Dämmerzustand gleichkommen. Nur nicht schwitzen, nur nicht denken und keine neuen Wege erkunden. Diese Oberflächlichkeit führt in eine fatale Lebenssackgasse. »Reiß dein Lebensruder herum und lerne, dich anzustrengen! Lerne zu lernen und die Welt zu verstehen! Du bist ein Teil des Großen und Ganzen. Steuer nicht an dir selbst vorbei! Vergifte nicht dein Herz, verseuche nicht deinen Verstand!«

Die Welt ist bunt.

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